S12 401.019-1/2008/5E
Erkenntnis
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Maurer-Kober als Einzelrichterin über die Beschwerde der G.A., geb. 00.00.1977, StA. Russische Föderation, p.A. European Homecare GmbH, Otto-Glöckel-Straße 24, Hauptgebäude, 2514 Traiskirchen, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 24.07.2008, FZ. 08 02.069 EAST Ost, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß §§ 5, 10 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, als unbegründet abgewiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation und Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe, reiste gemeinsam mit ihrer minderjährigen Tochter illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 28.02.2008 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der darauf folgenden Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes des Landespolizeikommandos Burgenland, Grenzpolizeiinspektion Klingenbach, am selben Tag gab die Beschwerdeführerin in Anwesenheit eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Russisch an, sie habe ihr Heimatland am 17.02.2008 gemeinsam mit ihrer minderjährigen Tochter unter Verwendung ihres eigenen Auslandsreisepasses legal verlassen und sei mit dem Zug über Moskau und Brest am 20.02.2008 nach Polen eingereist. In Terespol sei sie einer Grenzkontrolle unterzogen und ins Flüchtlingslager gebracht worden. Dort habe sie vier oder fünf Tage verbracht und sei dann weiter nach Österreich gefahren. In Polen habe sie um Asyl angesucht. Sie habe nicht in Polen bleiben wollen, da sie sonst den Anschluss zu ihrer Verwandtschaft verlören hätte, so sei sie nach Österreich mitgefahren. Ihr Heimatland habe sie verlassen, da sie keine Arbeit gefunden habe und daher kein Geld für sich und ihre Tochter gehabt habe. Ihr Ex-Mann habe sie geschlagen und viel getrunken. Dieser lebe noch in Tschetschenien. Bei einer Rückkehr in ihr Heimatland habe sie Angst vor Verarmung. Staatliche Sanktionen habe sie nicht zu befürchten.
Eine EURODAC-Abfrage vom 28.02.2008 ergab, dass die Beschwerdeführerin am 20.02.2008 in Lublin (Polen) einen Asylantrag gestellt hat.
2. Am 04.03.2008 richtete das Bundesasylamt ein Wiederaufnahmeersuchen an die zuständigen polnischen Behörden und ersuchte um Rückübernahme der Beschwerdeführerin und ihrer minderjährigen Tochter aufgrund Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.02.2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrages zuständig ist (ABl. L 50 vom 25.02.2003; Dublin II-VO).
3. Am 06.03.2008 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 29 Abs. 3 AsylG mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, ihren Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen (§§ 4, 5 und 68 Abs. 1 AVG) (§ 29 Abs. 3 Z 4 AsylG), da seit dem 04.03.2008 Konsultationen mit Polen geführt würden (vgl. AS 47f).
4. Mit Schreiben vom 06.03.2008, eingelangt beim Bundesasylamt am 10.03.2008, erklärte sich Polen für die Wiederaufnahme der Asylwerberin und ihrer minderjährigen Tochter gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO zur Weiterführung ihres Asylverfahrens für zuständig (vgl. AS 61).
5. Am 27.03.2008 erfolgte die Untersuchung der Beschwerdeführerin zur gutachterlichen Stellungnahme im Zulassungsverfahren durch Dr. I.H., die zu dem Ergebnis kommt, dass bei der Beschwerdeführerin aus aktueller Sicht eine belastungsabhängige krankheitswertige psychische Störung vorliege. Die Beschwerdeführerin leide an einer Anpassungsstörung und einer längeren depressiven Reaktion, die durch eheliche Konflikte und häusliche Gewalt hervorgerufen worden seien. Es bestehe im Falle einer Überstellung nach Polen keine reale Gefahr eines lebensbedrohlichen Zustandes oder einer Verschlechterung der Krankheit in einem lebensbedrohlichem Ausmaß, wobei es jedoch subjektiv zu einer Verschlechterung bei der geplanten Überstellung kommen werde, da die Asylwerberin subjektiv sicher sei, dass im Zielland Gefahr drohe.
6. Am 01.04.2008 wurde die Beschwerdeführerin in Anwesenheit eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Russisch nach erfolgter Rechtsberatung und in Anwesenheit des Rechtsberaters vom Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen und gab dabei im Wesentlichen an, dass sie in Österreich keine Verwandten habe und mit niemandem in einer Lebensgemeinschaft lebe. Sie habe hier nur ihre minderjährige Tochter, für die im Übrigen dieselben Angaben gelten würden. Zur geplanten Vorgehensweise des Bundesasylamtes, sie nach Polen zu überstellen, gab sie an, sie würde sich in Polen in Gefahr fühlen, da ihr Mann schneller nach Polen als nach Österreich gelangen könne. Es sei einfacher, nach Polen einzureisen als nach Österreich. Sie sei in Polen einvernommen worden und habe dort auch angegeben, dass sie vor ihrem Mann geflohen sei. Bei einer Ausweisung nach Polen befürchte sie, dass ihr Mann nach Polen kommen könne und ihre Tochter mitnehmen würde. Am 28.04.2008 habe sie noch einen ärztlichen Untersuchungstermin.
Am 06.05.2008 erfolgte die Fortsetzung der Einvernahme durch das Bundesasylamt nach erfolgter Rechtsberatung und in Anwesenheit des Rechtsberaters sowie eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Russisch, im Rahmen derer die Beschwerdeführerin im Wesentlichen angab, dass sie am 28.04.2008 eine Untersuchung bei einer Frauenärztin im Krankenhaus gehabt habe und ein Abstrich genommen worden sei. Sie habe für den 26.05.2008 einen weiteren Termin bei einem Urologen erhalten. Bis dato habe sie noch keine Befunde bekommen.
7. Am 27.06.2008 langte beim Bundesasylamt der Bericht des Landesklinikums Thermenregion, Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe, betreffend die urogynäkologischen Untersuchungen der Beschwerdeführerin vom 28.04.2008, vom 26.05.2008 und vom 16.06.2008 ein, welchem zu entnehmen ist, dass bei der Beschwerdeführerin nach der Geburt ihrer Tochter eine Harninkontinenz aufgetreten sei, welche medikamentös sowie durch Beckenbodengymnastik zu behandeln sei. Eine Besserung der Inkontinenz sei nach 6-wöchiger Behandlung bereits eingetreten. (vgl. AS 91ff).
8. Am 21.07.2008 wurde die Beschwerdeführerin nach erfolgter Rechtsberatung in Anwesenheit des Rechtsberaters und eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Tschetschenisch erneut vom Bundesasylamt einvernommen und gab dabei im Wesentlichen an, dass sich ihr gesundheitlicher Zustand nicht wesentlich gebessert habe. Auf Vorhalt des Bundesasylamtes, dass sich die Werte im Vergleich zu Beginn der Behandlung sehr wohl verbessert hätten, gab sie an, dies würde zwar stimmen, aber bei dem Wetter fühle sie sich nicht so gut. In Österreich würden keine weiteren Verwandten leben und sie führe mit niemandem eine Familiengemeinschaft oder eine familienähnliche Lebensgemeinschaft. Zur geplanten Vorgehensweise des Bundesasylamtes, sie nach Polen zu überstellen, gab sie an, sie wolle die Behandlung in Österreich fortführen. Weiters habe sie Angst, dass ihr Mann nach Polen kommen und ihre Tochter mitnehmen könne. Ihre Verwandten zu Hause hätten ihr am Telefon erzählt, dass ihr Mann sie töten wolle, wenn sie nicht mit ihrer Tochter nach Hause komme. Auf Vorhalt, dass ihr Mann genauso leicht nach Österreich wie nach Polen kommen könne, gab sie an, sie finde Polen nicht sicher. Ob er nach Österreich kommen könne, wisse sie nicht. Sie habe ihr Heimatland wegen ihrer Tochter verlassen, da ihr Mann damit gedroht habe, ihr die Tochter wegzunehmen. Ihr Mann trinke auch sehr viel. Ferner habe sie am 08.09.2008 noch einen Untersuchungstermin. Es sei ihr gesagt worden, sie müsse operiert werden, wenn die Behandlung mit Tabletten nicht helfe. Auf Vorhalt des Bundesasylamtes, dass in Polen für Asylwerber uneingeschränkter Zugang zur medizinischen Versorgung bestehe, und sie in Polen behandelt werden könne, gab sie an, sie habe eine Frau getroffen, die mehrere Jahre in Polen gewesen sei und der man dort nicht geholfen habe. Erst in Österreich sei es dieser Frau besser gegangen. Bei dieser Frau sei die Behandlung, die in Österreich begonnen worden sei, in Polen abgebrochen worden. Sie selbst sei nur einige Tage in Polen gewesen, aber die anderen hätten ihr gesagt, dass sie dort nicht ausreichend behandelt worden seien. Sie habe in Polen mit den Behörden nicht über ihre gesundheitlichen Probleme gesprochen.
9. Mit Bescheid vom 24.07.2008, FZ. 08 02.069 EAST Ost, wies das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz vom 28.02.2008 ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurück, und stellte fest, dass gemäß Art. 13 iVm Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates Polen für die Prüfung des Asylantrages zuständig sei; gleichzeitig wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen und demzufolge festgestellt, dass gemäß § 10 Abs. 4 AsylG die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Polen zulässig sei.
10. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde und führte im Wesentlichen zusammengefasst aus, dass sie bereits in Tschetschenien versteckt vor ihrem gewalttätigem Ehemann habe leben müssen, da dieser gedroht habe, ihr das Kind wegzunehmen. Sie habe sich nicht mehr ins Freie getraut und daher sei sie geflohen. Sie befürchte, in Polen vor ihrem gewalttätigem Ehemann nicht sicher zu sein. Für diesen sei es viel schwerer, in Österreich das Kind der Mutter wegzunehmen als in Polen, da dieser mehrere Grenzen illegal überqueren müsse, um nach Österreich zu kommen, und auch die Gefahr der Entdeckung nach einer Entführung des Kindes wäre in Österreich höher als in Polen. Laut Auskunft der Verwandten dürfte der Ehegatte der Beschwerdeführerin nicht wissen, wo sich die Beschwerdeführerin befinde. Die Beschwerdeführerin wisse aber über eine Bekannte, die beim Passamt arbeite, dass sich der Ehegatte einen Auslandsreisepass besorgt habe. Der Ehegatte würde erfahren, wenn die Beschwerdeführerin sich in Polen aufhalte und ihr nachreisen. Ferner bestehe die Möglichkeit, dass die Beschwerdeführerin in Österreich in ein Frauenhaus aufgenommen werde, in dem sie vor etwaigen Bedrohungen ihres Ehemannes sicher wäre. In Polen gebe es diese Möglichkeit nicht. Weiters leide die Beschwerdeführerin an einer Stressinkontinenz und einer Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion, hervorgerufen durch häusliche Gewalt. Es bestehe ein Zusammenhang zwischen der Stressinkontinenz, der psychischen Störung und der Angst vor dem Ehegatten, daher würde die Abschiebung in ein Land, wo die Beschwerdeführerin wieder ständig in Angst vor dem Erscheinen des Ehegatten leben müsste, ihren Gesundheitszustand mit Sicherheit verschlechtern. Ferner gehe auch die Ärztin in ihrer gutachterlichen Stellungnahme davon aus, dass es durch die Überstellung nach Polen zu einer Verschlechterung der Gesundheit der Beschwerdeführerin kommen würde - wenn auch nicht zu einer lebensbedrohlichen. Diese sehe nur dann keine Gefahr eines Dauerschadens oder von Spätfolgen, wenn die Beschwerdeführerin sich und ihr Kind in Sicherheit wissen würde. Gerade dies wäre jedoch bei einer Überstellung nach Polen nicht der Fall. Ferner verstoße der angefochtene Bescheid auch gegen Art. 8 EMRK, da dieser nicht nur das Familien-, sondern auch das Privatleben schütze und darunter auch die psychische und physische Integrität des Einzelnen falle. Bei einer Ausweisung würde die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten verletzt und hätte die Behörde daher vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müssen.
11. Mit Beschluss vom 20.08.2008, GZ. S12 401.019-1/2008/3Z, hat der Asylgerichtshof dieser Beschwerde gemäß § 37 AsylG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1. Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zugrunde gelegt:
1.1 Die Beschwerdeführerin ist russische Staatsangehörige tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit. Nachdem sie ihr Heimatland verlassen hatte und Ende Februar 2008 illegal nach Österreich eingereist war, stellte sie am 28.02.2008 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Die Beschwerdeführerin reiste mit ihrer minderjährigen Tochter nach Österreich ein. Weitere Familienangehörige oder Personen, mit denen sie in einer familienähnlichen Gemeinschaft lebt, hat die Beschwerdeführerin weder in Österreich, noch im Bereich der EU, Norwegen oder Island.
Die Beschwerdeführerin leidet an einer Anpassungsstörung und einer längeren depressiven Reaktion sowie an einer Stressinkontinenz, welche jedoch einer Überstellung nach Polen nicht entgegenstehen.
Mit Schreiben vom 06.03.2008, eingelangt beim Bundesasylamt am 10.03.2008, erklärte sich Polen für die Wiederaufnahme der Asylwerberin und ihrer minderjährigen Tochter gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO zur Weiterführung ihres Asylverfahrens für zuständig (vgl. AS 61).
1.2 Die in § 28 Abs. 2 AsylG festgelegte zwanzigtägige Frist zur Erlassung eines zurückweisenden Bescheides nach § 5 AsylG gilt nicht, weil der Beschwerdeführerin das Führen von Konsultationen gemäß der Dublin II-VO binnen Frist mitgeteilt wurde, weshalb kein Übergang der Zuständigkeit an Österreich wegen Fristüberschreitung eingetreten ist.
2. Der festgestellte Sachverhalt gründet sich auf folgende Beweiswürdigung:
Die oben angeführten Feststellungen ergeben sich aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt, insbesondere aus den Angaben der Beschwerdeführerin bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 28.02.2008, aus der niederschriftlichen Einvernahme der Beschwerdeführerin vom 21.07.2008, aus der Zuständigkeitserklärung Polens vom 06.03.2008, aus den ärztlichen Unterlagen (AS 91) sowie aus der gutachterlichen Stellungnahme vom 27.03.2008.
3. Rechtlich ergibt sich Folgendes:
3.1. Gemäß §§ 73 Abs. 1 und 75 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl, BGBl. I Nr. 100/2005 (in der Folge AsylG) iVm § 1 AsylG ist das oben angeführte Gesetz auf Anträge auf internationalen Schutz anzuwenden, die ab dem 01.01.2006 gestellt wurden. Daraus folgt, dass für das gegenständliche Verfahren das AsylG 2005 anzuwenden war.
3.2 Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.
3.3 Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 AsylG erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin II-VO zur Prüfung des Antrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Behörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder bei der Behörde offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
Die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates nach der Dublin II-VO ist als negative Prozessvoraussetzung hinsichtlich des Asylverfahrens in Österreich konstruiert. Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist somit die Frage der Zurückweisung des Asylantrages wegen Zuständigkeit eines anderen Staates.
Nach Art. 3 Abs. 1 Dublin II-VO wird ein Asylantrag, den ein Drittstaatsangehöriger an der Grenze oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates stellt, von jenem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III (Dublin II-VO) als zuständiger Staat bestimmt wird. Kapitel III enthält in den Artikeln 6 bis 13 Dublin II-VO die Zuständigkeitskriterien, die nach Art. 5 Abs. 1 Dublin II-VO "in der in diesem Kapitel genannten Reihenfolge" Anwendung finden.
3.4. Gemäß Art. 16 Abs. 1 lit c Dublin II-VO ist der Mitgliedstaat, der nach der Dublin II-VO zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist, gehalten, einen Antragsteller, der sich während der Prüfung seines Antrages unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe des Art. 20 wieder aufzunehmen.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn 1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden. Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist. Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen. Wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würden und diese nicht von Dauer sind, ist gemäß § 10 Abs. 3 AsylG gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist.
Gemäß § 28 Abs. 2 AsylG ist der Antrag zuzulassen, wenn das Bundesasylamt nicht binnen zwanzig Tagen nach seiner Einbringung entscheidet, dass er zurückzuweisen ist, es sei denn, es werden Konsultationen gemäß der Dublin II-VO oder einem entsprechenden Vertrag geführt. Dass solche Verhandlungen geführt werden, ist dem Asylwerber innerhalb der 20-Tages-Frist mitzuteilen.
3.5. Im gegenständlichen Fall ist das Bundesasylamt ausgehend davon, dass die Beschwerdeführerin bereits in Polen einen Asylantrag gestellt hat und, dass Polen einer Übernahme der Beschwerdeführerin auf Grundlage des Art. 16 (1) c Dublin II-VO am 06.03.2008 zustimmte, zu Recht von einer Zuständigkeit Polens zur Prüfung des Asylantrages ausgegangen.
3.6. Zu prüfen bleibt daher, ob Österreich im gegenständlichen Fall verpflichtet wäre, im Hinblick auf Art. 3 EMRK oder Art. 8 EMRK von seinem Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO Gebrauch zu machen.
3.6.1. Der Verfassungsgerichtshof sprach in seinem Erkenntnis vom 08.03.2001, G 117/00 u.a. VfSlg 16.122, aus, dass § 5 AsylG nicht isoliert zu sehen sei; das im Dubliner Übereinkommen festgelegte Selbsteintrittsrecht Österreichs verpflichte - als Teil der österreichischen Rechtsordnung - die Asylbehörde unter bestimmten Voraussetzungen zur Sachentscheidung in der Asylsache und damit mittelbar dazu, keine Zuständigkeitsbestimmung im Sinne des § 5 vorzunehmen. Eine strikte, zu einer Grundrechtswidrigkeit führende Auslegung (und somit Handhabung) des § 5 Abs. 1 AsylG sei durch die Heranziehung des Selbsteintrittsrechtes zu vermeiden. Dieser Rechtsansicht schloss sich der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 23.01.2003, Zl. 2000/01/0498, an.
Hatte der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 15.10.2005, G 237/03 u.a. ausgesprochen, dass jene zum Dubliner Übereinkommen angestellten Überlegungen auch für das Selbsteintrittsrecht des Art. 3 Abs. 2 Dublin-VO zutreffen, ergänzte er in seinem Erkenntnis vom 17.06.2005, B 336/05-11, dies dahingehend, dass die Mitgliedstaaten nicht nachzuprüfen haben, ob ein bestimmter Mitgliedstaat generell sicher sei, da die entsprechende Vergewisserung durch den Rat erfolgt sei; eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung eines Asylwerbers in einen anderen Mitgliedstaat im Einzelfall sei jedoch gemeinschaftsrechtlich zulässig. Sollte diese Überprüfung ergeben, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers bedroht sind, sei aus verfassungsrechtlichen Gründen das Eintrittsrecht zwingend auszuüben.
In seinem Erkenntnis vom 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582 (dem ein - die Zuständigkeit Italiens nach dem Dubliner Übereinkommen betreffender - Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates zugrunde lag) sowie in dem (bereits die Dublin-VO betreffenden) Erkenntnis vom 31.05.2005, Zl. 2005/20/0095-9, führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass in Verfahren wie dem gegenständlichen eine Gefahrenprognose zu treffen ist, ob ein - über die bloße Möglichkeit hinausgehendes - ausreichend substantiiertes "real risk" besteht, dass ein aufgrund der Dublin-VO in den zuständigen Mitgliedstaat ausgewiesener Asylwerber trotz Berechtigung seines Schutzbegehrens, also auch im Falle der Glaubhaftmachung des von ihm behaupteten Bedrohungsbildes, im Zielstaat der Gefahr einer - direkten oder indirekten - Abschiebung in den Herkunftsstaat ausgesetzt ist, wobei insbesondere zu prüfen sei, ob der Zielstaat rechtliche Sonderpositionen vertritt, nach denen auch bei der Zugrundelegung der Behauptungen des Asylwerbers eine Schutzverweigerung zu erwarten wäre. Weiters wird ausgesprochen, dass geringe Asylanerkennungsquoten im Zielstaat für sich allein genommen keine ausreichende Grundlage dafür sind, um vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen.
Hinsichtlich einer Verletzung der EMRK durch eine Ausweisung ist nach herrschender europäischer Rechtsprechung ein strenger Maßstab anzulegen. Dies vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass im Anwendungsbereich der Dublin II Verordnung nicht die Abschiebung in den Herkunftsstaat verfahrensgegenständlich ist, sondern die Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union bzw. der EFTA (so ausdrücklich belg. Conseil d'Etat/Raad van State, Zl. 91.118, 27.11.2000). Ebenso hat der UBAS in seiner Entscheidung vom 08.12.2007, Zl. 316.302-1/2E-VIII/23/07 ausgesprochen, dass der Umstand, dass eine Überstellung "lediglich" in einen EU-Mitgliedsstaat und nicht in den behaupteten Verfolgerstaat zu Prüfung steht, einen ganz entscheidenden Unterschied zu den vom EGMR entschiedenen Fällen bedeutet und daher die Entscheidung nicht zuletzt in Hinblick auf die medizinische Versorgung im Zielstaat wesentlich unproblematischer ist.
3.6.2. Im gegenständlichen Fall kann nun nicht gesagt werden, dass die Beschwerdeführerin ausreichend substantiiert und glaubhaft dargelegt hätte, dass ihr durch eine Rückverbringung nach Polen die - über eine bloße Möglichkeit hinausgehende - Gefahr einer Art. 3 bzw. 8 EMRK widersprechenden Behandlung drohen würde.
Unbestritten ist, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK und Krankheiten, eine Überstellung nach Polen nicht zulässig wäre, wenn durch die Überstellung eine existenzbedrohende Situation drohte und diesfalls das Selbsteintrittsrecht der Dublin II VO zwingend auszuüben wäre.
Abschiebungen trotz Krankheitszuständen können sowohl in den Schutzbereich des Artikel 3 EMRK als auch jenen des Artikel 8 EMRK (psychiatrische Integrität als Teil des Rechts auf Persönlichkeitsentfaltung) fallen. Nach dem EGMR (vgl. auch VwGH 28.06.2005, Zl. 2005/01/0080) hat sich die Prüfung der Zulässigkeit der Abschiebung auf die allgemeine Situation im Zielland als auch auf die persönlichen Umstände des Antragstellers zu erstrecken. Für die Prüfung der allgemeinen Situation wurden Berichte anerkannter Organisationen (z.B. der WHO), aus denen jedenfalls eine medizinische erreichbare Grundversorgung, wenn auch nicht kostenfrei, hervorgeht, als ausreichend angesehen. Der Umstand, dass die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten im Zielland schlechter sind als im Aufenthaltsland, und eventuell "erhebliche Kosten" verursachen, ist nicht ausschlaggebend. Dass sich der Gesundheitszustand durch die Abschiebung verschlechtert ("mentaler Stress" ist nicht entscheidend; Selbstmordgefahr kann ausschlaggebend sein, wenn eine Person in psychiatrischer Spitalsbehandlung ist; vgl. KALDIK v Deutschland, 22.09.2005, Rs 28526/05; Einzelfallprüfung erforderlich), ist vom Antragsteller konkret nachzuweisen; bloße Spekulationen über die Möglichkeit sind nicht ausreichend. Auch Selbstmordabsichten hindern eine Abschiebung für sich genommen nicht. In der Beschwerdesache OVDIENKO v Finnland vom 31.05.2005, Nr. 1383/04, wurde die Abschiebung des Beschwerdeführers, der seit 2002 in psychiatrischer Behandlung war und selbstmordgefährdet war, für zulässig erklärt; mentaler Stress durch eine Abschiebungsdrohung in die Ukraine ist kein ausreichendes ¿real risk'. Im psychiatrischen Bereich kann als Leitentscheidung weiterhin BENSAID v. the United Kingdom, vom 06.02.2001, Nr. 44599/98, angesehen werden, in der die Abschiebung einer an Schizophrenie leidenden Person nach Algerien für zulässig erklärt wurde.
Im gegenständlichen Fall wurde die Überstellungsfähigkeit der Beschwerdeführerin nach Polen aufgrund der gutachterlichen Stellungnahme im Zulassungsverfahren entgegen den Ausführungen in der Beschwerde bereits im erstinstanzlichen Verfahren medizinisch in schlüssiger Form bejaht Insofern sich die Beschwerdeführerin darauf beruft, dass dem Gutachten von Dr. H. entnommen werden kann, dass eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Beschwerdeführerin im Falle der Überstellung aufgrund ihrer subjektiven Angst zu erwarten sei, ist auszuführen, dass die Gutachterin die reale Gefahr, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Überstellung in einen lebensbedrohlichen Zustand gerate bzw. sich die Krankheit in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtere, verneinte. Dass eine allfällige Verschlechterung der Gesundheit der Beschwerdeführerin nicht lebensbedrohlich sein werde, wird im Übrigen sogar in der Beschwerde zugestanden. Es ist nochmals zu betonen, dass im gegenständlichen Zusammenhang nicht relevant ist, ob eine psychische Krankheit bei der Beschwerdeführerin vorliegt, sondern ob die Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat der EU unzumutbare, Art. 3 EMRK verletzende Auswirkungen hat. Es haben sich jedoch substantiierte Hinweise auf eine Verletzung des Art. 3 EMRK im Sinne der aufgezeigten Judikatur des EGMR bei einer Überstellung nach Polen wie dargestellt nicht ergeben.
Soweit die Beschwerdeführerin eine mangelhafte medizinische Versorgung in Polen ins Treffen führt, ist anzuführen, dass nach den Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid sich in den polnischen Aufnahmezentren während der Woche ein Arzt und eine Krankenschwester befinden. Psychologische Betreuung ist einmal wöchentlich sichergestellt. Ferner werden in den Aufnahmezentren alle, auch weniger schwerwiegende Krankheiten von Asylsuchenden behandelt. Jedem Asylwerber, der nicht in der Lage ist, für seinen Aufenthalt in Polen selbst aufzukommen, wird umfassende Versorgung gewährt. Abgesehen von Unterkunft und ausreichender Verpflegung gehört hierzu auch eine medizinische Versorgung, die für Asylwerber kostenlos ist. Insofern die Beschwerdeführerin einer weitergehenden medikamentösen Behandlung ihrer Inkontinenz und ärztlichen Kontrolluntersuchungen bedarf ist sohin davon auszugehen, dass der entsprechende Standard in Polen im Lichte des Art 3 EMRK und der dazu erfolgten Rechtsprechung ausreichend ist.
Somit ist festzuhalten, dass die gesundheitliche Situation der Beschwerdeführerin nicht jene besondere Schwere aufweist, um eine Überstellung nach Polen als im Widerspruch zu Art. 3 EMRK stehend zu werten. Durch eine Abschiebung der Beschwerdeführerin wird Artikel 3 EMRK daher nicht verletzt und reicht es jedenfalls aus, wenn medizinische Behandlungsmöglichkeiten im Land der Abschiebung verfügbar sind, was in Polen jedenfalls der Fall ist.
Zum Vorbringen der mangelnden Sicherheit und Bedrohung durch Private (tschetschenischer Ehegatte) in Polen:
Bezüglich der von der Beschwerdeführerin in den Raum gestellten Sicherheitsbedenken in Polen ist festzuhalten, dass grundsätzlich von Amts wegen nicht bekannt ist, dass der polnische Staat die Menschenrechte nicht achte oder an sich nicht in der Lage sei Menschenrechte sowie Leib und Leben von Menschen zu schützen, und der Beschwerdeführerin bei allfälligen gegen sie gerichteten kriminellen Handlungen in Polen nicht die Möglichkeit offen stände, diese zur Anzeige zu bringen und staatlichen Schutz in Anspruch zu nehmen.
Darüber hinaus ist das Vorbringen der Beschwerdeführerin, in Polen sei sie vor ihrem Ehemann nicht sicher, keinesfalls konkret und substantiiert. Die Beschwerdeführerin konnte nicht glaubhaft machen, dass in ihrem konkreten Fall besondere Umstände vorliegen, warum sie in Polen nicht sicher sein sollte. So äußerte sie im wesentlichen unbestimmte Ängste, wonach ihr Ehemann ihr nachreisen könnte und sie in Polen leichter auffinden und ihr gemeinsames Kind entführen könnte, als in Österreich. Die Beschwerdeführerin behauptete jedoch weder, dass ihr Ehemann sich bereits in Polen befinde, noch dass er über ihren früheren Aufenthalt in Polen bescheid wisse. Sie führte vielmehr in ihrer Beschwerde ausdrücklich aus, dass ihr Ehegatte nicht wisse wo sie sich aufhalte. Dass sich Polen an einer Schengen-Außengrenze und damit näher zum Aufenthaltsort des Ehemannes befindet, kann unter Berücksichtigung der guten Verkehrsverbindungen in Europa und der innerhalb des Schengen-Raums offenen Grenzen zur Begründung des Bestehens einer realen Bedrohung nicht herangezogen werden. Auch wenn in Polen die Unterbringung der Beschwerdeführerin in einem Frauenhaus nicht möglich sein sollte, so ergibt sich aus den Länderfeststellungen, dass in Polen ein ausreichender staatlicher Schutz vor den subjektiv von der Beschwerdeführerin befürchteten Übergriffen des Ehemannes gewährleistet ist. Die dahingehend von der Beschwerdeführerin geäußerten Bedenken beruhen daher auf reinen Spekulationen.
Im gesamten Verfahren hat die Beschwerdeführerin somit keine substantiierten Gründe vorgebracht, die gegen eine Überstellung nach Polen sprechen, sondern hat sich im Wesentlichen auf ihr subjektives Empfinden und Spekulationen über mögliche Bedrohungen durch ihren Ehemann in Polen beschränkt.
Die Beschwerdeführerin hat sohin kein Vorbringen erstattet, welches die Annahme rechtfertigen könnte, dass ihr in Polen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung drohen würde.
3.6.3. Ferner ist eine Überprüfung gemäß Art. 8 EMRK dahingehend vorzunehmen, ob die Beschwerdeführerin über im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK relevante Verbindungen in Österreich verfügt.
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in Ausübung dieses Rechts ist gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Der EGMR bzw. die EKMR verlangen zum Vorliegen des durch Art. 8 EMRK gewährleisteten Schutzes das Erfordernis eines "effektiven Familienlebens", das sich in der Führung eines gemeinsamen Haushalts, dem Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses oder eines speziell engen, tatsächlich gelebten Bandes zu äußern hat (vgl. das Urteil Marckx [Ziffer 45] sowie Beschwerde Nr. 1240/86, V. Vereinigtes Königreich, DR 55, Seite 234; hierzu ausführlich: Kälin, "Die Bedeutung der EMRK für Asylsuchende und Flüchtlinge:
Materialien und Hinweise", Mai 1997, Seite 46).
Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse gemeinsame Intensität erreichen. Als Kriterien hierfür kommen etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (vgl. EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; siehe auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (vgl. EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311), und zwischen Onkel und Tante und Neffen bzw. Nichten (vgl. EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1989, 761; Rosenmayer ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (vgl. EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).
Im gegenständlichen Fall hat die Beschwerdeführerin selbst angegeben, dass sie keine Verwandten in Österreich sowie im Bereich der EU (einschließlich Norwegen und Island) habe, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis oder eine besondere Nahebeziehung bestehe. Folglich würde die Beschwerdeführerin bei einer Überstellung nach Polen in ihrem durch Art. 8 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nicht verletzt werden. Da über den Antrag der mit der Beschwerdeführerin gemeinsam eingereisten, minderjährigen Tochter im Familienverfahren entschieden wird und gemäß § 34 Abs. 4 AsylG alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang erhalten, muss im Hinblick auf die enge familiäre Bindung zwischen der Beschwerdeführerin und ihrer minderjährigen Tochter - bei sonstiger Verletzung des Rechts auf Familienleben - die Entscheidung inhaltlich gleich lauten und ist auch in diesem Zusammenhang kein Eingriff in Art. 8 EMRK gegeben.
Zu den Ausführungen in der Beschwerde, wonach ein ungerechtfertiger Eingriff in das Privatleben der Beschwerdeführerin vorliege (siehe AS. 197-199 im Akt des BAA):
Nach Auffassung des EGMR (vgl. Bensaid v. The United Kingdom, EGMR 06.02.2001) umfasst das Privatleben im Sinne des Art. 8 EMRK wie in der Beschwerde dargestellt auch die physische und psychische Integrität einer Person. Insofern können Abschiebungen trotz Krankheitszuständen sowohl in den Schutzbereich des Art. 3 EMRK als auch in jenen des Art. 8 EMRK fallen. Nach Ansicht des EGMR ist Art. 8 EMRK jedoch vorrangig darauf gerichtet, die Entwicklung der Persönlichkeit des Einzelnen und seine Beziehungen zu anderen Menschen zu sichern. Darüber hinaus zeigen die im Rahmen der Interessensabwägung im Falle Bensaid v. UK getroffenen Erwägungen des EGMR, dass die Interessenabwägung im Falle der Beschwerdeführerin nach den Kriterien des EGMR jedenfalls auch zu ihren Ungunsten ausfallen würde. ("Turning to the present case, the Court recalls that it has found above that the risk of damage to the applicant's health from return to his country of origin was based on largely hypothetical factors and that it was not substantiated that he would suffer inhuman and degrading treatment. Nor in the circumstances has it been established that his moral integrity would be substantially affected to a degree falling within the scope of Article 8 of the Convention. Even assuming that the dislocation caused to the applicant by removal from the United Kingdom where he has lived for the last eleven years was to be considered by itself as affecting his private life, in the context of the relationships and support framework which he enjoyed there, the Court considers that such interference may be regarded as complying with the requirements of the second paragraph of Article 8, namely as a measure "in accordance with the law", pursuing the aims of the protection of the economic well-being of the country and the prevention of disorder and crime, as well as being "necessary in a democratic society" for those aims. Accordingly, it finds that the implementation of the decision to remove the applicant to Algeria would not violate Article 8 of the Convention.").
Den Beschwerdeausführungen zur Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK (wonach in Dublin-Fällen die von Art. 8 EMRK geschützten Interessen des Asylwerbers "leichter" die öffentlichen Interessen überwiegen können als im allgemeinen Asylverfahren, da die öffentlichen Interessen lediglich die Umsetzung der Dublin II-VO beinhalten würden) ist entgegen zu halten:
Das öffentliche Interesse an einer Zurückweisung des Asylantrags nach § 5 AsylG liegt zwar in der Umsetzung der Zuständigkeitsordnung und der Ziele (Harmonisierung der Asylpolitik, Gewährleistung eines Asylverfahrens in einem Mitgliedstaat) der Dublin II-VO und nicht in einem geordneten Fremdenwesen (siehe auch VwGH vom 23.01.2003, Zl. 2000/01/0498 zum Dubliner Übereinkommen), jedoch ergibt sich aus dem Umstand, dass eine "Dublin-Ausweisung" der Umsetzung eines anderen öffentlichen Interesses dient, nicht, dass dieses öffentliche Interesse per se als geschmälert angesehen werden kann, sodass bei jedem Eingriff in Art. 8 EMRK bereits ein Überwiegen der Interessen des Asylwerbers angenommen werden muss (eine solche Rechtsansicht ist auch nicht dem zitierten Erkenntnis des VwGH vom 23.01.2003, Zl. 2000/01/0498 zu entnehmen).
Im gegenständlichen Fall liegen auch keine Hinweise auf eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration der Beschwerdeführerin in Österreich, etwa aufgrund sehr langer Verfahrensdauer, vor (vgl VfGH vom 29.09.2007, Zl. B 1150/07, VfGH vom 01.10.2007, Zl. G 179, 180/07).
3.6.4. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie kenne einen ähnlich gelagerten Fall von Kindesentführung durch einen Mann aus ihrem Heimatdorf, und wisse zudem, dass ihr Mann über einen Auslandsreisepass verfüge, fällt unter das Neuerungsverbot des § 41 AsylG und bleibt daher unberücksichtigt. Im Übrigen würde das Beschaffen eines Auslandsreisepasses für eine beabsichtigte legale Einreise des Ehemannes sprechen, wodurch dem Argument der größeren Bedrohung in Polen jegliche Grundlage entzogen würde.
3.6.5. Zusammenfassend kann daher gesagt werden, dass kein Anlass für einen Selbsteintritt Österreichs gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO aufgrund einer drohenden Verletzung von Art. 3, 8 EMRK besteht.
4. Hinsichtlich Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides ist noch auszuführen, dass keine Hinweise für eine Unzulässigkeit der Ausweisung im Sinne des § 10 Abs. 2 AsylG ersichtlich sind, da weder ein nicht auf das AsylG gestütztes Aufenthaltsrecht aktenkundig ist noch die Beschwerdeführerin in Österreich über Angehörige im Sinne des Art. 8 EMRK verfügt. Darüber hinaus sind auch keine Gründe für einen Durchführungsaufschub gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ersichtlich. Was schließlich den seitens des Bundesasylamtes im Bescheidspruch aufgenommenen Ausspruch über die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Polen anbelangt, so ist darauf hinzuweisen, dass die getroffene Ausweisung, da diese mit einer Entscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG verbunden ist, gemäß § 10 Abs. 4 erster Satz AsylG schon von Gesetzes wegen als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat gilt.
5. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
6. Von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 4 AsylG abgesehen werden.