D6 258466-2/2008/2E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. CHVOSTA als Vorsitzenden und die Richterin Dr. AMANN als Beisitzerin über die Beschwerde der M. S., geb. 00.00.1984, StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 4.12.2007, FZ. 0406921-BAE, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. stattgegeben und dieser ersatzlos behoben.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Die Beschwerdeführerin, eine russische Staatsangehörige der tschetschenischen Volksgruppe, reiste am 8.4.2004 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf Gewährung von Asyl.
1. Mit Bescheid vom 10.2.2005 wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß § 7 AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 (im Folgenden: AsylG), ab (Spruchpunkt I.), erklärte aber zugleich die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin in die russische Föderation gemäß § 8 AsylG für nicht zulässig (Spruchpunkt II.) und erteilte ihr gemäß § 8 Abs. 3 iVm § 15 Abs. 2 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis 10.2.2006 (Spruchpunkt III.).
Der gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhobenen Berufung gab der unabhängige Bundesasylsenat mit Bescheid vom 21.2.2007 unter Verweis auf die Behebung des Bescheides des Bundesasylamtes, mit dem der Asylantrag des Ehemannes der Beschwerdeführerin abgewiesen wurde, Folge und behob den Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesasylamtes vom 4.12.2007 wies das Bundesasylamt den Asylantrag der Beschwerdeführerin erneut gemäß § 7 AsylG ab und begründete dies damit, dass die Beschwerdeführerin sich ausschließlich auf die Verfolgungssituation ihres Ehemannes berufen habe, dessen Fluchtvorbringen jedoch keine asylrechtsrelevante Verfolgungsgefahr begründet habe.
3. Dagegen richtet sich die vorliegende, fristgerecht (als Berufung) eingebrachte Beschwerde vom 16.12.2007.
4. Mit Erkenntnis vom heutigen Tag behob der Asylgerichtshof den Bescheid des Bundesasylamtes vom 4.12.2007, mit dem der Asylantrag des Ehemannes der Beschwerdeführerin, des A. M., erneut nach § 7 AsylG abgewiesen wurde, gemäß § 66 Abs. 2 AVG und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurück.
Als Konsequenz hob der Asylgerichtshof - ebenfalls mit Erkenntnis vom selben Tag - jenen Bescheid (in seinem Spruchpunkt I.) gemäß § 66 Abs. 4 AVG ersatzlos auf, mit dem der Asylantrag des G. M., des am 00.00.2005 geborenen Sohnes der Beschwerdeführerin und des A. M., gemäß § 7 AsylG abgewiesen worden war. Begründend wurde darauf hingewiesen, dass A. M. und G. M. - wie auch das Bundesasylamt angenommen hat - Mitglieder einer "Kernfamilie" iSd § 1 Z 6 AsylG sind, das Verfahren über den Antrag des A. M., des Ehemannes der Beschwerdeführerin, wieder beim Bundesasylamt anhängig ist und die Verfahren von Familienangehörigen gemäß § 10 Abs. 5 AsylG unter einem zu führen sind.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 75 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (Art. 2 BG BGBl. I Nr. 100/2005; in der Folge AsylG 2005) sind "[a]lle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren [...] nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt." Gemäß § 44 Abs. 2 AsylG 1997 idF der AsylG-Novelle 2003 werden Verfahren über Asylanträge, die ab dem 1.5.2004 gestellt werden, nach den Bestimmungen des AsylG 1997 idgF geführt.
2. Gemäß § 28 Abs. 1 Asylgerichtshofgesetz (Art. 1 BG BGBl. I Nr. 4/2008; im Folgenden: AsylGHG) tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Juli 2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, BGBl. I 77/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I 100/2005, außer Kraft.
Gemäß § 23 AsylGHG sind - soweit sich aus dem B-VG, dem AsylG 2005 und dem VwGG nicht anderes ergibt - auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.
2.1 Gemäß § 75 Abs. 7 Z 2 AsylG 2005 sind am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, vom zuständigen Senat des Asylgerichtshofes weiterzuführen.
Das AsylG 1997 sieht in § 38 den unabhängigen Bundesasylsenat als Instanz für Rechtsmittel gegen Bescheide des Bundesasylamtes vor; weder das AsylG 2005 noch das AsylGHG begründen eine Zuständigkeit des Asylgerichtshofes auch für Verfahren, die nach dem AsylG 1997 zu Ende zu führen sind. Die mit der Einrichtung des Asylgerichtshofes verbundenen Änderungen der Bundesverfassung (sowie des AsylG 2005) knüpfen stets an den Asylgerichtshof als (neues) Entscheidungsorgan an, ohne auf den Geltungsbereich der verschiedenen asylrechtlichen Gesetzeslagen Bezug zu nehmen (vgl. Art. 129c, 129e, 132a sowie Art. 151 Abs. 39 Z 1 und Z 5 B-VG). Daher ist davon auszugehen, dass der Asylgerichtshof in s ä m t l i c h e n Verfahren, somit auch in jenen Verfahren, die nach dem AsylG 1997 weiterzuführen sind, an die Stelle des unabhängigen Bundesasylsenates tritt. Ebenso ist davon auszugehen, dass sich jene Bestimmungen des AsylG 1997, die von "Berufungen" sprechen, nunmehr auf Beschwerden beziehen (vgl. dazu AsylGH 12.8.2008, C5 251.212-0/2008/11E).
2.2 Gemäß § 10 Abs. 5 AsylG idF BGBl. Nr. I 101/2003 sind Verfahren von Familienangehörigen eines Asylwerbers unter einem zu führen, und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang.
Wie oben erwähnt, sind die Beschwerdeführerin und G. M., dessen Asylverfahren nach dem AsylG idF BGBl. I Nr. 101/2003 zu führen ist, Mitglieder einer "Kernfamilie" iSd § 1 Z 6 AsylG; das Verfahren des G. M., das mit jenen seiner Familienangehörigen "unter einem" zu führen ist, ist - ebenso wie jenes betreffend des Ehemannes der Beschwerdeführerin - wieder beim Bundesasylamt anhängig. Daher war (auch) der angefochtene Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG ersatzlos zu beheben.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.