TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/06 B12 312591-2/2008

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.10.2008
beobachten
merken
Spruch

B12 312591-2/2008/6E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Josef Rohrböck als Einzelrichter über die Beschwerde des Herrn S.M., geb. am 00.00. 1973, StA.: Serbien, vertreten durch Dr. Wolfgang WEBER, Wollzeile 12/1/27, 1010 Wien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 2. September 2008, Zl. 08 06.984-EAST Ost, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG iVm § 10 AsylG als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

Herr S.M. hat am 31. Jänner 2002 beim Bundesasylamt einen Asylantrag eingebracht. Herr S.M. hatte seinen Antrag im Wesentlichen damit begründet, dass er im Juni 1999 desertiert wäre und nun vom Militärgericht gesucht werden würde; zudem hätte das Militärgericht schon mehrmals nach Ihm gesucht. Dieser Antrag wurde Bescheid des Bundesasylamts vom 29. August 2002, Zl: 02 03.081-BAW, gemäß § 7 Asylgesetz 1997 abgewiesen. Gleichzeitig wurde gemäß § 8 AsylG die Zulässigkeit der "Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung" des Herrn S.M. "nach BR Jugoslawien festgestellt". Gegen diesen Bescheid hat Herr S.M. keine Berufung erhoben, sodass der Bescheid des Bundesasylamts vom 29. August 2002 in Rechtskraft erwuchs.

 

In weiterer Folge brachte Herr S.M. am 3. April 2007 im Stande der Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs.1 Z 13 AsylG 2005 ein. Diesen seinen zweiten Antrag hatte Herr S.M. im Wesentlichen damit begründet, dass er in Serbien Probleme mit seiner ehemaligen Lebensgefährtin bzw. seiner ehemaligen Ehefrau gehabt hätte. Diese hätte aus Wut einen Albaner bezahlt und ihn beauftragt, den Beschwerdeführer zu prügeln und zu bedrohen. Der "Albaner hätte die Tat ausgeführt" und Herr S.M. "mit einem Schlagstock geschlagen". Zudem wiederholte Herr S.M., vom Militär desertiert zu sein. Der Antrag vom 3. April 2007 wurde mit Bescheid des Bundesasylamts vom 15. Mai 2007, Zl.07 03.277 BAW gemäß § 3 AsylG 2005 abgewiesen. Herrn S.M. wurde gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Serbien nicht zuerkannt. Zuletzt wurde Herr S.M. gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 2 AsylG 2005 nach Serbien ausgewiesen und einer Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt. Gegen diesen Bescheid brachte Herr S.M. Berufung ein. Die Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamts vom 15. Mai 2007 wurde mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 18. Juni 2007, Zl. 312.591-1/2E-XVIII/58/07 abgewiesen. Dieser Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates ist - wie auch schon der Bescheid des Bundesasylamts vom 29. August 2002, Zl: 02 03.081-BAW, - in Rechtskraft erwachsen.

 

Am 30. Juli 2008 brachte Herr Herr S.M. einen weiteren - nunmehr den dritten - Antrag nach dem Asylgesetz ein; neben diesem Antrag brachte auch Herr S.M. auch selbst einen Antrag auf internationalen Schutz ein. Am 8. August 2008 wurde Herr S.M. im Polizeianhaltezentrum einer Erstbefragung unterzogen, wobei er im Wesentlichen festhielt:

 

"(...)

 

Ich habe Österreich nicht verlassen und ich bin auch nicht nach Serbien zurückgekehrt. Seit meinem letzten Asylantrag habe ich ständig in Wien bei meiner Mutter und in Wiener Neudorf bei meiner Lebensgefährtin gelebt und gewohnt. Meinen Unterhalt finanziere ich durch gelegentliche Schwarzarbeit und auch finanzielle Unterstützung meiner Mutter sowie meiner Lebensgefährtin. Meine Mutter sorgt für meinen Sohn, der auch bei ihr lebt. Seit 19. 6. 2008 befinde ich mich durchgehend in Haft. Im Moment bin ich in der JA-Simmering untergebracht.

 

(...)

 

Ich habe alle meine Papiere meinem Anwalt Dr. Weber übergeben und der Anwalt wird diese vorzeigen. Für sämtliche Beweismittel werde ich mich kümmern. Ich stelle einen zweiten Asylantrag, weil ich zwei Mal abgelehnt wurde. Ich kann nicht nach Serbien zurück. Ich bleibe lieber hier in Österreich im Gefängnis, als in Serbien in der Freiheit. Die von mir angegebenen Fluchtgründe sind immer noch aufrecht. Es gibt aber neuerliche Gründe, welche dazu gekommen sind und die ich nun angeben möchte. Vor ca. 6 Monaten hat mich ei Albaner namens S. auf meinem Handy angerufen, den S. kenne ich noch von Serbien, ich weiß aber seinen Familiennamen nicht, er wohnt in U.. Er hat mich neuerlich mit dem Umbringen bedroht. Er hat mich gefragt, wo ich bin und wann ich nach Serbien komme, er stellte sich dann mit S. vor und sagte zu mir, egal wenn du nach Serbien kommst, gehörst du mir und ich werde dich umbringen. S. ist bei allen in O. bekannt, man braucht sich nur bei der Polizei in O. erkundigen, die kennen den S.. Auf die Frage, ob ich diesen Anruf noch auf meinem Handy gespeichert habe, gebe ich an, dass ich das nicht mehr weiß. Die Nummer mit der er angerufen hat war000, es handelt sich um eine serbische Nummer. Das sind alle meine neuen Gründe. Ich bitte neuerlich um Überprüfung meiner Asylgründe.

 

(...)"

 

Am 13.08.2008 wurde Herrn S.M. mit per schriftlicher Verfahrensanordnung nach § 29 Abs. 3 AsylG 2005 mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, weil entschiedene Sache im Sinne des § 68 AVG vorliege.

 

Am 25. August wurde Herr S.M. zur Wahrung des Parteiengehörs vor dem Bundesasylamt vernommen. Dazu hielt das Bundesasylamt fest:

 

"(...)

 

Sie sind weder an einer schweren körperlichen oder ansteckenden Krankheit erkrankt, noch leiden Sie an einer krankheitswerten psychischen Störung.

 

Gegen Sie wurde mit Bescheid des Fremdenpolizeilichen Büros Wien, gültig bis 04.07.2013 erlassen.

 

Sie wurden mit Urteil des LG f. Strafsachen Wien am 00.00.2002 wegen §§ 223/2, 224 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten,

 

vom LG f. Strafsachen Wien am 00.00.2003 wegen §§ 146, 147 Abs. 171 und Abs.2 12 ( 3 Fall) StGB zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten.

 

Vom LG f. Strafsachen Wien am 00.00.2004 wegen §§ 223/2, 224, 228/1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten verurteilt.

 

Sie sind in Österreich unter Alias -Namen in Erscheinung getreten.

 

zu Ihrem Vorverfahren:

 

Ihr Erstverfahren wurde in erster Instanz rechtskräftig abgeschlossen.

 

Ihr Zweitverfahren wurde in II Instanz rechtskräftig abgeschlossen.

 

Die Begründung Ihres ersten Antrages wurde als unglaubwürdig erachtet.

 

Die Begründung Ihres Zweitantrages wurde ebenfalls als unglaubwürdig erachtet.

 

-

zu den Gründen für Ihren neuen Antrag auf internationalen Schutz:

 

Ihr Vorbringen im gegenständlichen Verfahren, dass auf dem Ihres rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens aufbaut, wird als unglaubwürdig erachtet.

 

-

zu Ihrem Privat- und Familienleben:

 

Laut Ihren Angaben leben in Österreich Ihre Mutter und Geschwister sowie Ihre Lebensgefährtin.

 

Ihr Sohn S.S., 00.00.1983 geboren lebt als Asylwerber in Österreich.

 

-

zur derzeitigen Lage in Ihrem Herkunftsland:

 

Die Sie betreffende allgemeine maßgebliche Lage im Herkunftsland hat sich seit dem rechtkräftigen Abschluss Ihres Erstverfahrens nicht geändert.

 

(...)"

 

Mit Bescheid vom 2. September 2008, hat den Bundeasylamt den "Antrag auf internationalen Schutz vom 08.08.2008 (...) gemäß § 68 Abs 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl Nr. 51, 1991, idgF. wegen entschiedener Sache zurückgewiesen" (Spruchpunkt I) und Herrn S.M. "gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 1 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Serbien ausgewiesen" (Spruchpunkt II). Dabei hat sich das Bundesasylamt von nachstehenden Erwägungen leiten lassen:

 

"(...)

 

-

betreffend die Feststellungen zu Ihrer Person:

 

Mangels der Vorlage eines Ihre Identität bezeugenden Dokumentes oder sonstiger geeigneter Bescheinigungsmittel steht diese nicht fest. Aufgrund des Ergebnisses der durchgeführten erkennungsdienstlichen Behandlung ergibt sich jedoch, dass Sie mit der Person, die unter den Zl.: 02 03. 081 BAW und 07 03. 277-BAW einen Antrag eingebracht hat, identisch sind.

 

Ihre Alias-Daten ergeben sich aus den Vormerkungen Ihrer Person im kriminalpolizeilichen Aktenindex.

 

-

betreffend die Feststellungen zu Ihrem Vorverfahren:

 

Betreffend des rechtskräftigen Abschlusses Ihrer Vorverfahren zu den Zl.: 02 03.081 BAW und 07 03.277-BAW wurde in den Verwaltungsakt eingesehen. Es bestehen diesbezüglich keine Bedenken.

 

Die Feststellungen betreffend den Ausgang Ihres Vorverfahren sowie der damals maßgeblichen Gründe für Ihren Antrag auf internationalen Schutz gründen sich auf den Akteninhalt zu den Zahlen 02 03.081 BAW und 07 03.277-BAW

 

-

betreffend die Feststellungen zu den Gründen für Ihren neuen Antrag auf internationalen Schutz:

 

-

Bei der niederschriftlichen Einvernahme zur Wahrung des Parteiengehörs am 25.08.2008 brachten Sie vor, dass die Gründe aus dem Erstverfahren noch aufrecht wären. Beweismittel für Ihr Vorbringen würden Sie nicht beibringen können jedoch den Namen der Person angeben können, von welcher Sie vor zirka 4 oder 5 Monaten telefonisch bedroht worden wären. Der Anrufer würde mit Spitznamen " S." heißen und wäre von der Mutter Ihrer Ex-Lebensgefährtin gegen Bezahlung aufgefordert worden, Sie umzubringen. Diese Informationen hätten Sie von Ihrer Ex-Lebensgefährtin bekommen. Sie konnten nicht erklären, wie S. zu Ihrer Telefonnummer gekommen wäre und Sie hätten sich wegen dieser Drohungen auch nicht an die Polizei gewandt. .

 

Bezüglich dieser Drohung durch Albaner haben Sie bereits im Verfahren zu 07 03.277 BAW berichtet und vorgebracht, dass Sie von Albaner geschlagen worden sind. Den Auftrag dazu hätten Sie von der Mutter Ihrer Exlebensgefährtin bekommen.

 

Der zur Entscheidung berufene Organwalter des Bundesasylamtes gelangt aufgrund der vorstehenden Ausführungen somit insgesamt zur Ansicht, dass Ihr Vorbringen zum gegenständlichen Asylverfahren insofern keinen glaubhaften Kern aufweist, als dass Sie kein über den Rahmen des Erstverfahren hinausgehendes glaubhaftes Vorbringen erstatten konnte.

 

Betreffend der Unglaubwürdigkeit Ihres Vorbringens im Vorverfahren wird auf die Ausführungen und Feststellungen in den Bescheiden des Bundesasylamtes und des Unabhängigen Bundesasylsenates (07 03.277 BAW bzw. 312.591-1/2E-XVIII/58/07 verwiesen.

 

-

betreffend die Feststellungen über Ihr Privat- und Familienleben:

 

Ihre Mutter und Ihre Geschwister leben in Österreich. Ihren Angaben zufolge haben Sie auch eine Lebensgefährtin, bei der Sie wohnhaft gewesen sind. Die Beziehung zu Ihren Angehörigen besteht darin, dass Ihnen Ihre Mutter bei Bedarf einen Schlafplatz zur Verfügung stellt und Sie auch teilweise mit Essen versorgt. Eine weitere Abhängigkeit würde nicht bestehen.

 

Ihr in Österreich aufhältiger Sohn, S., 00.00.1993 geb, lebt bei Ihrer Mutter in Österreich und sie kommt auch für den Lebensunterhalt Ihres Sohnes auf.

 

Das Asylverfahren Ihres Sohnes ist seit dem 18.06.2007 in II Instanz rechtskräftig negativ.

 

betreffend die Feststellungen zur Lage in Ihrem Herkunftsland:

 

Vom Bundesasylamt keine Änderung in der Sie in Ihrem Heimatstaat betreffenden maßgeblichen Lage seit dem rechtskräftigen Abschluss Ihres ersten Asylverfahrens erkannt werden. Eine solche Änderung haben Sie auch selbst im Verlauf des gegenständlichen Verfahrens nicht glaubhaft geltend gemacht.

 

E) Rechtliche Beurteilung

 

Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG 2005 tritt dieses Gesetz am 1.1.2006 in Kraft. Es ist gemäß § 75 Abs. 1 auf alle Verfahren anzuwenden, die am 31.12.2005 noch nicht anhängig waren. Das vorliegende Verfahren war am 31.12.2005 noch nicht anhängig, sodass das AsylG 2005 Anwendung findet. Gemäß Art. II Abs. 2 lit. C Z. 34 hat das Bundesasylamt das AVG anzuwenden.

 

Zu Spruchpunkt I

 

Gemäß § 75 Abs. 4 AsylG 2005 begründen ab- oder zurückweisende Bescheide auf Grund des Asylgesetzes 1968, BGBl Nr. 126/1968, des Asylgesetzes 1991 BGBl Nr. 8/1992, sowie des Asylgesetzes 1997 in derselben Sache in Verfahren nach diesem Bundesgesetz den Zurückweisungstatbestand der entschiedenen Sache (§ 68 AVG).

 

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.9.1994, 94/08/0183; 30.5.1995, 93/08/0207; 9.9.1999, 97/21/0913; 7.6.2000, 99/01/0321).

 

"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 9.9.1999, 97/21/0913; 27.9.2000, 98/12/0057; 25.4.2002, 2000/07/0235). Werden nur Nebenumstände modifiziert, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, so ändert dies nichts an der Identität der Sache. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl. zB VwGH 27.9.2000, 98/12/0057). Liegt keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vor und hat sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt nicht geändert, so steht die Rechtskraft des Vorbescheides einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen. Stützt sich ein Asylantrag auf einen Sachverhalt, der verwirklicht worden ist, bevor das Verfahren über einen (früheren) Antrag beendet worden ist, so steht diesem (zweiten) Antrag die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.6.1998, 96/20/0266).

 

Aus den Feststellungen und der Beweiswürdigung ergibt sich, dass Sie im Zuge des gegenständlichen Verfahrens keinen neuen Sachverhalt glaubhaft vorgebracht haben. Ihrem neuerlichen Vorbringen kann zudem in keinster Weise ein glaubhafter Kern zugebilligt werden. Es konnte daher kein im Vergleich zu den Feststellungen des Erstverfahrens neuer Sachverhalt festgestellt werden.

 

Darüber hinausgehend wurde von Ihnen. im gegenständlichen Verfahren kein Sachverhalt angeführt, welcher nicht bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung des Erstverfahren bestanden hat und welcher Ihnen nicht bekannt gewesen wäre, weswegen schon allein aus diesem Grund kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt erkennbar ist.

 

Da weder in der maßgeblichen Sachlage - und zwar im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in Ihrer Sphäre gelegen ist, noch auf jenen, welcher von Amts wegen aufzugreifen ist - noch im Begehren und auch nicht in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten ist, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen ließe, steht die Rechtskraft des ergangenen Bescheides vom 25.08.2006, Zahl:

238.707/0-XI/38/03, Ihrem neuerlichen Antrag entgegen, weswegen die Asylbehörde zu dessen Zurückweisung verpflichtet ist.

 

Zu Spruchpunkt II

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird.

 

Bei der Setzung einer solchen aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens vorliegen (Art. 8 Abs. 1 EMRK).

 

Das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie.

 

Das Recht auf Achtung des Privatlebens sichert dem Einzelnen zudem einen Bereich innerhalb dessen er seine Persönlichkeit frei entfalten und erfüllen kann (EKMR Brüggemann u. Scheuten).

 

Zu Ihren familiären Anknüpfungspunkten in Österreich ist zunächst anzuführen, dass Sie am 00.00.2008 in Österreich die armenische Staatsbürgerin G.P. standesamtlich geheiratet hätten und mit Ihr in einem gemeinsamen Haushalt leben.

 

Das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern, sondern zB auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 6.10.1981, B 9202/80). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des Familienlebens in Art. 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (VwGH 26.1.2006, 2002/20/0423; VwGH 8.6.2006, Zl. 2003/01/0600-14; VwGH 26.1.2006, Zl.2002/20/0235-9).

 

Der Begriff des Familienlebens ist darüber hinaus nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR 13.06.1979, Marckx). Bei dem Begriff Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK handelt es sich nach gefestigter Ansicht der Konventionsorgane um einen autonomen Rechtsbegriff der Konvention.

 

Ist von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die gesamte Familie betroffen, greift sie lediglich in das Privatleben der Familienmitglieder und nicht auch in ihr Familienleben ein; auch dann, wenn sich einige Familienmitglieder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen (EGMR 20.03.1991, Cruz Varas).

 

Ihre Mutter und Geschwister leben in Österreich. All Ihre Verwandten hätten einen Aufenthaltstitel. Eine Schwester hätte die österreichische Staatsbürgerschaft bekommen.

 

Das Asylverfahren Ihres Sohnes wurde in II Instanz negativ entschieden.

 

Es liegt somit ein Familienbezug zu einem dauernd aufenthaltsberechtigten Fremden in Österreich vor . Die Ausweisung stellt keinen Eingriff in Art. 8 EMRK dar.

 

Gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf das Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, welche in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Zweifellos handelt es sich beim Bundesasylamt um eine öffentliche Behörde im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK; der Eingriff ist - wie bereits oben dargestellt - in § 10 AsylG gesetzlich vorgesehen.

 

Es ist daher in weiterer Folge zu prüfen, ob der Eingriff in das Recht auf Achtung des Familien- und Privatlebens im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK, verfolgt.

 

Der EGMR wiederholt in ständiger Rechtsprechung, dass es den Vertragsstaaten zukommt, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten, insb. in Ausübung ihres Rechts nach anerkanntem internationalem Recht und vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen, die Einreise und den Aufenthalt von Fremden zu regeln. Die Entscheidungen in diesem Bereich müssen insoweit, als sie in ein durch Art. 8 Abs. 1 EMRK geschütztes Recht eingreifen, in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein, dh. durch ein dringendes soziales Bedürfnis gerechtfertigt und va. dem verfolgten legitimen Ziel gegenüber verhältnismäßig sein.

 

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Artikel 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251, uva).

 

Es ist die grundsätzliche Intention des Gesetzgebers, Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bloß aufgrund der Asylantragstellung im Bundesgebiet aufhalten, zu verhindern (VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479). Ihnen musste daher bei der Antragstellung klar sein, dass der Aufenthalt in Österreich im Falle der Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz nur ein vorübergehender ist. Würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat diesbezüglich zudem festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31.10.2002, Zl. 2002/18/0190).

 

Es ist daher davon auszugehen, dass Ihre Ausweisung. Art. 8 Abs. 2 EMRK legitime Ziel der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung verfolgt, eine weniger beeinträchtigende Maßnahme zur Erreichung dieses Zieles konnte nicht ermittelt werden. Nunmehr war eine individuelle Abwägung der betroffenen Interessen vorzunehmen, um festzustellen, ob der Eingriff durch die Ausweisung auch als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig angesehen werden kann.

 

Bei der Beendigung des Aufenthaltes muss nämlich ein faires Gleichgewicht zwischen den berührten öffentlichen Interessen und den Belangen des Familien- bzw. Privatlebens gewahrt werden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat fallbezogen unterschiedliche Kriterien herausgearbeitet, die bei einer Interessenabwägung zwischen öffentlichem Interesse an der Aufenthaltsbeendigung gegen die persönlichen Interessen des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art. 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht. Hierfür sind insbesondere folgende Umstände von Bedeutung: die Aufenthaltsdauer; das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität; die Schutzwürdigkeit des Privatlebens; der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfä-higkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert; die Bindungen zum Heimatstaat;

die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung;

Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (VfGH 29.09.2007, B 328/07-9 sowie B 1150/07-9).

 

Neben diesen Kriterien sind aber gleichzeitig auch die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern zu berücksichtigen, "zumal etwa das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist" (VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479).

 

Dass Sie eine besondere Beziehungsintensität zu Ihren in Österreich lebenden Angehörigen aufweisen, hat sich im Zuge des Ermittlungsverfahrens nicht ergeben. Der von Ihnen. vorgebrachte Sachverhalt ist bei weitem nicht gewichtet genug, um in Ihrer Ausweisung nach Serbien einen unzulässigen Eingriff in Art. 8 EMRK zu erkennen.

 

Außer Ihrem Wunsch an einem Verbleib in Österreich haben sich aus dem Vorbringen im gegenständlichen Verfahren und im Erstverfahren keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass zwischenzeitlich eine besondere Integrationsverfestigung Ihrer Person in Österreich vorliegen würde. Im Gegensatz dazu haben sich sehr wohl eindeutige Hinweise dafür ergeben, dass Sie durch Ihr Verhalten die öffentliche Sicherheit in Österreich gefährdet haben, indem sie in Österreich straffällig geworden sind und dafür vom Landesgericht für Strafsachen Wien mehrmals rechtskräftig verurteilt worden sind. Zuletzt wurden Sie am 00.00.2008 vom Landesgericht Wien( BS) wegen der §§ 133 Abs.1 StGB, 223 Abs 2 StGB, 127 Abs Z, StGB, 228 Abs 2 StGB, 146 Abs StGB, 147 Abs 1 Z1, 4 Fall StGB, 105 Abs 1 (15) StGB zu 1 Jahr Freiheitsstrafe unbedingt verurteilt.

 

Ihr bisheriger Aufenthalt in Österreich stützte sich lediglich auf den Umstand, dass Sie zweimalig ein Asylverfahren betrieben haben. Anhaltspunkte dafür, dass Ihnen ein sonstiges Aufenthaltsrecht in Österreich zukommen würde, haben sich seit Ihrer illegalen Einreise nach Österreich nicht ergeben. Vielmehr musste Ihnen -unter objektiven Gesichtspunkten betrachtet- bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt Ihres Aufenthalts in Österreich bewusst sein, dass Ihnen ein nicht auf ein Asylverfahren gestütztes Aufenthaltsrecht in Österreich nicht zuteil werden wird und zwar spätestens zum Zeitpunkt der Durchsetzbarkeit des unbefristet gültigen Aufenthaltsverbots am 21.09.2004

 

Die für die Integration wesentliche soziale Komponente wird durch vom Fremden begangene Straftaten erheblich beeinträchtigt. Darüber hinaus wird das Gewicht der familiären Beziehungen zu Angehörigen relativiert, wenn der Fremde bereits erwachsen ist (VwGH 19.11.2003, 2002/21/0181).

 

Aufgrund dieser Umstände ergibt sich, dass die Ausweisung Ihrer Person in Österreich dringend zur Erreichung der Artikel 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele geboten ist. Ihre diesbezüglichen persönlichen Gründe sind nicht geeignet, das öffentliche Interesse hinsichtlich eines geordnetes Fremdenwesen aufzuwiegen.

 

Wie bereits weiter oben angeführt, kann die Familienzusammenführung mit sich in Österreich befindlichen Angehörigen nicht die Aufgabe des Asylverfahrens sein, wären doch sonst die diesbezüglichen Bestimmungen betreffend eines geordneten Fremdenwesens überflüssig. Im Zuge des gegenständlichen Verfahrens haben sich somit insgesamt keine Umstände ergeben, die für eine Entscheidung zu Gunsten der Antragstellerin sprechen würden.

 

Aus dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens liegen auch sonst keine Hinweise vor, welche den Schluss zulassen, dass durch eine Ausweisung in unzulässiger Weise in Ihr Familien- oder Privatleben eingegriffen wird.

 

Aufgrund dieser Gesamtabwägung der Interessen und unter Beachtung aller bekannten Umstände ergibt sich, dass die Ausweisung trotz familiärer und/oder privater Anknüpfungspunkte in Österreich zur Erreichung des oa. und in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zieles gerechtfertigt ist. Es sind auch keine weiteren Umstände ersichtlich, die zu Ihren Gunsten sprechen würden. Bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen können keine Hinweise gefunden werden, welche den Schluss zuließen, dass durch Ihre Ausweisung auf unzulässige Weise im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK in sein Recht auf Schutz des Familien- und Privatlebens eingegriffen würde.

 

Soweit durch Ihren längeren Aufenthalt im Bundesgebiet entstandenen privaten Interessen von der Ausweisung betroffen sind, ist anzuführen, dass im gegenständlichen Fall der Aufenthalt in Österreich durch die Einreise unter Umgehung der Grenzkontrolle und anschließender Stellung eines Asylantrages begründet wurde. Die Dauer Ihres Aufenthaltes ergibt sich aus dem wiederholten Ergreifen von ordentlichen Rechtsmitteln und durch die Stellung von neuerlichen Asylanträgen. Es kann daher nicht im Nachhinein das Argument der Dauer des Aufenthaltes als besonders gewichtiges privates Interesse herangezogen werden, weil die lange Aufenthaltsdauer zum überwiegenden Teil auf Ihre Handlungen zurückzuführen sind und Ihnen der Umstand bekannt sein musste, dass diese Handlungen nicht zwingend zu einem dauernden Aufenthalt in Österreich führen müssen, sondern die realistische Wahrscheinlichkeit besteht, dass der vorübergehend legale Aufenthalt durch die Erschöpfung des Instanzenzuges beendet wird. Die durch den langen Aufenthalt entstandenen privaten Interessen sind daher nur minder schutzwürdig. Die gegenteilige Ansicht würde in letzter Konsequenz Fremden die Möglichkeit eröffnen durch bewusste Prolongierung aussichtsloser Asylverfahren in Österreich einen legalen Aufenthalt zu ersitzen, was im eklatanten Widerspruch zu jenen Normen, welche die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, stünde und den öffentlichen Interessen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung entgegenstünde. Sie würden zwar ein wenig deutsch sprechen und stundenweise hätten Sie auch bei einem Freund verschiedene Arbeiten verrichtet. Ihren Angaben zufolgen sind Sie kein Mitglied bei einem Verein und Sie hätten auch kein Eigentum in Österreich erworben.

 

Aufgrund der oa. Überlegungen ist daher im Rahmen einer Gesamtbetrachtung festzustellen, dass Ihren privaten Interessen an einem weiteren Aufenthalt in Österreich im Rahmen einer Interessensabwägung ein geringerer Stellenwert zukommt als den öffentlichen Interessen an einer Beendigung Ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet.

 

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen sowie des rechtswidrigen Aufenthalts kann daher nur mit der Maßnahme der Ausweisung vorgegangen werden. Dies vor allem auch, da aus dem Verhalten des Antragstellers keineswegs abgeleitet werden kann, dass Ausreisewilligkeit vorliegt. Die Ausweisung stellt daher das gelindeste Mittel dar, um den illegalen Aufenthalt der Antragstellerin im Bundesgebiet zu beenden. Die Behörde sieht sich daher außerstande, die Bestimmungen über das Privat- und Familienleben zu Gunsten des Antragstellers anzuwenden und sieht die Ausweisung als dringend geboten an, zumal der Aufenthalt im Bundesgebiet als rechtswidrig und die Übertretung als von nicht unerheblicher Bedeutung zu werten ist.

 

(...)"

 

Gegen diesen Bescheid des Bundesasylamts hat Herr S.M. durch seinen Rechtsvertreter Beschwerde eingebracht und diese Beschwerde im Wesentlichen wie folgt begründet:

 

"(...)

 

In meiner Einvernahme am 25.8.2008 habe ich vorgebracht, dass einerseits die Gründe aus dem Erstverfahren noch aufrecht wären, andererseits ich vor vier oder fünf Monaten telefonische von einem Anrufer mit dem Spitznamen S. bedroht worden wäre, der von der Mutter der Ex-Lebensgefährtin gegen Bezahlung aufgefordert wurde sei, mich umzubringen. Es handelt sich diesbezüglich um ein neues Vorbringen. Ich habe zwar im früheren Verfahren von einer Drohung durch Albaner berichtet. Nunmehr hat diese Drohung aber durchaus konkrete Gestalt angenommen. Es ist diesem "S." auch gelungen, meine Telefonnummer eruieren. Ich muss daher davon ausgehen, dass tatsächlich eine Bedrohungssituation vorliegt.

 

(...)"

 

Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Gemäß § 61 AsylG 2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes, soweit nicht etwas anders in § 61 Abs 3 AsylG vorgesehen ist. Gemäß § 61 Abs 3 Z 1 lit c und Z 2 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs 1 AVG und über die mit dieser Entscheidung verbundene Ausweisung.

 

Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren [...] nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt. Der Beschwerdeführer hat seinen Asylantrag am 8. August 2008 eingebracht; das Verfahren ist daher nach dem Asylgesetz 2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 zu führen.

 

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, dann, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 und 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

 

Die Rechtskraft eines ergangenen Bescheides steht der meritorischen Entscheidung über einen neuerlichen Antrag nur dann nicht entgegen und berechtigt daher die Behörde nur dann nicht zur Zurückweisung des Antrages, wenn in dem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt eine Änderung eingetreten ist. Dabei kann nur eine solche Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung berechtigen und verpflichten, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (vgl. VwGH 24.03.1993, Zl. 92/12/0149; 10.06.1998, Zl. 96/20/0266). Die objektive (sachliche) Grenze der Wirkung der Rechtskraft wird durch die "entschiedene Sache", das heißt durch die Identität der Verwaltungssache, über die mit einem formell rechtskräftigen Bescheid abgesprochen wurde, mit der im neuen Antrag intendierten, bestimmt. Die durch den Bescheid entschiedene Sache (i.S.d. § 68 AVG) wird konstituiert durch die Relation bestimmter Fakten (die den Sachverhalt bilden) zu bestimmten Rechtsnormen (die den Tatbestand umschreiben [vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, (1998), Anm 12 zu § 68 AVG]). Die Identität der Sache liegt dann vor, wenn einerseits weder in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage noch in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgebend erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist und sich andererseits das neue Parteibegehren im Wesentlichen (von Nebenumständen, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, abgesehen) mit dem früheren deckt (vgl. VwGH 10.06.1998, Zl. 96/20/0266; 21.09.2000, Zl. 98/20/0564). Eine Modifizierung des Vorbringens, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern. Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann.

 

Für die Berufungsbehörde ist Sache i.S.d. § 66 Abs. 4 AVG ausschließlich die Frage, ob die erstinstanzliche Behörde mit Recht den neuerlichen Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat (vgl dazu AsylGH 12. 8. 2008, C5 251.212-0/2008/11E). Die Prüfung der Zulässigkeit eines neuerlichen Antrages aufgrund geänderten Sachverhaltes darf ausschließlich anhand jener Gründe erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht worden sind. In der Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid können derartige Gründe nicht neu vorgebracht werden (vgl. VwGH v. 30.06.1992, Zl. 89/07/0200; VwGH v. 20.04.1995, Zl. 93/09/0341). Dies bezieht sich auf Sachverhaltsänderungen, welche in der Sphäre des Antragstellers gelegen sind. Allgemein bekannte Tatsachen sind dagegen jedenfalls auch von Amts wegen zu berücksichtigen (VwGH v. 29.06.2000, Zl. 99/01/0400; VwGH v. 07.06.2000, Zl. 99/01/0321). Im Asylverfahren ist - verbunden mit der Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz - auch die Zulässigkeit der Ausweisung iSd § 10 AsylG 2005 Gegenstand des Verfahrens, soweit eine solche im bekämpften Bescheid des Bundesasylamts ausgesprochen wurde und - wie im vorliegenden Fall - auch im Wege der Beschwerde an den Asylgerichtshof bekämpft wurde.

 

Zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen i.S.d. § 28 AsylG - kann die Behörde jedoch nur durch eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes berechtigt und verpflichtet werden, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Dabei muss die neue Sachentscheidung - obgleich auch diese Möglichkeit besteht - nicht zu einem anderen von der seinerzeitigen Entscheidung abweichenden Ergebnis führen. Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den diese positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung, ob der (neuerliche) Asylantrag zulässig ist, mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Antragstellers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen. Ergeben ihre Ermittlungen, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (VwGH 21. 10. 1999, Zl:

98/20/0467; VwGH 24. 2. 2000, Zl: 99/20/0173; VwGH 19. 7. 2001, Zl:

99/20/0418; VwGH 21. 11. 2002, Zl: 2002/20/0315; VwGH 9. 9. 1999,

Zl: 97/21/0913; VwGH 4. 5. 2000, Zl: 98/20/0578; VwGH 4. 5. 2000,

Zl: 99/20/0193; VwGH 7. 6. 2000, Zl: 99/01/0321; VwGH 21. 9. 2000,

Zl: 98/20/0564; VwGH 20. 3. 2003, Zl: 99/20/0480). Wird in einem neuen Asylantrag eine Änderung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts nicht einmal behauptet, geschweige denn nachgewiesen, so steht die Rechtskraft des Vorbescheides einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen und berechtigt die Behörde dazu, ihn zurückzuweisen (VwGH 04.05.2000, Zl: 99/20/0192).

 

Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben - nochmals - zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl. z. B. VwGH 25. 4. 2002, Zl: 2000/07/0235; VwGH 15.10.1999, Zl:

96/21/0097). Der Begriff "Identität der Sache" muss in erster Linie aus einer rechtlichen Betrachtungsweise heraus beurteilt werden, was bedeutet, dass den behaupteten geänderten Umständen Entscheidungsrelevanz zukommen muss (VwGH 25. 4. 2002, Zl: 2000/07/0235). Nur eine solche Änderung des Sachverhaltes kann zu einer neuen Sachentscheidung führen, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteibegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (vgl. z.B. VwGH 4. 11. 2004, Zl: 2002/20/0391; VwGH 9. 9. 1999, Zl: 97/21/0913; VwGH 20.03.2003, Zl: 99/20/0480; und die bei Walter/Thienel, aaO., E 90 zu § 68 AVG wiedergegebene Judikatur).

 

Wie der VfGH mit Erkenntnis vom 1. Oktober 1983, B 209/79, ausgesprochen hat, ist die Frage, ob sich die nach dem früheren Bescheid maßgebend gewesene Sachlage derart geändert hat, dass die Erlassung eines neuen Bescheides in Betracht kommt, durch Messen des bestehenden Sachverhaltes an der dem früheren Bescheid zugrunde liegenden Rechtsanschauung und ihrem normativen Hintergrund zu beantworten, und zwar nach derselben Methode, mit der er im Falle einer neuen Sachentscheidung an der Norm selbst zu messen wäre. Dieser Vorgang gleicht der Lösung der Sachfrage so sehr, daß er auch wie diese behandelt werden muss. Hat sich also die zuständige Behörde zu Recht mit der Frage beschäftigt, ob nach Rechtskraft einer Entscheidung eine Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes eine neue Entscheidung rechtfertigt und diese Frage verneint, so berührt eine allfällige Unrichtigkeit ihres Urteils das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter im allgemeinen ebenso wenig wie eine unrichtige Ansicht über die bindende Wirkung einer anderen behördlichen Erledigung (VfSlg. 6740/1972, 7144/1973, 7972/1976 und 8214/1977) oder die Zulässigkeit der Wiederaufnahme eines Verfahrens (VfSlg. 7865/1976). Selbst eine inhaltliche Unrichtigkeit eines angefochtenen Bescheides würde damit eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht nach sich ziehen. (VfGH 23. 11. 1984, B 171/80 = VfSlg 10.240). Maßstab der Rechtskraftwirkung bilden im vorliegenden Fall der Bescheid des Bundesasylamts vom 15. Mai 2007, Zl.07 03.277 BAW und der Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 18. Juni 2007, Zl. 312.591-1/2E-XVIII/58/07.

 

Im Verfahren nach dem Asylgesetz gilt zudem die Besonderheit, dass allein rechtliche Änderungen durch die Novellen zu den jeweiligen Asylgesetzen nicht dazu führen, dass von einer neuen Verwaltungssache auszugehen ist, über die neuerlich zu entscheiden wäre (§ 75 Abs 4 AsylG 2005).

 

Im vorliegenden Fall hat Herr S.M. anlässlich seiner Vernehmung am 8. August 2008 im Kern darauf hingewiesen, dass sich seine "angegebenen Fluchtgründe immer noch aufrecht seien". Es gäbe aber "neuerliche Gründe, die dazugekommen" wären. Diese bestünden darin, dass Herr S.M. vor ca. 6 Monaten (d.h. etwa im Februar 2008) von einem Albaner namens "S." angerufen worden wäre und mit dem "Umbringen" bedroht worden wäre. Bei der niederschriftlichen Einvernahme am 25. August 2008 gab Herr S.M. an, dass diese Anrufe etwa 4 bis 5 Monate zurückliegen würden. "S." wäre von der Ex-Lebensgefährtin gegen Bezahlung aufgefordert worden, den Beschwerdeführer zu töten, dieser Umstand war allerdings schon Gegenstand des Asylverfahrens, dass mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 18. Juni 2007, Zl. 312.591-1/2E-XVIII/58/07, abgeschlossen wurde.

 

Im Ergebnis ist die Ansicht des Bundesasylamts nicht zu beanstanden, wenn es davon ausgegangen ist, dass die "neuen Vorbringen" des Beschwerdeführers iSd § 68 Abs 1 AVG keinen glaubhaften Kern aufweisen und sohin nicht geeignet sind, in der Sache zu einem anderen Ergebnis zu führen, das vom Bescheid des Bundesasylamts vom 15. Mai 2007, Zl.07 03.277 BAW, bei Respektierung der Rechtskraft dieses Bescheides von diesem inhaltlich abweichen würde. Im Ergebnis ist u.a. wenig glaubhaft, dass ein bezahlter Mörder sein Opfer zuvor bedroht und dem potentiellen Opfer seine Mordabsichten offenbart. Insgesamt fällt auch ins Gewicht, unter welchen Umständen die neuerlichen Asylanträge gestellt wurden, wobei im vorliegenden Fall nicht von der Hand zu weisen ist, dass Herr S.M. durch diese Anträge auf internationalen Schutz seine Situation aus zumindest auch asylrechtsfremden Motiven verbessern möchte, wobei dazu wiederum ins Auge sticht, dass Herr S.M. während seines Aufenthalts in Österreich wegen zahlreicher Delikte strafrechtlich verurteilt wurde. Im Lichte all dessen geht der Asylgerichtshof im vorliegenden Fall davon aus, dass das Bundesasylamt zunächst Spruchpunkt I des bekämpften Bescheides zu Recht erlassen hat.

 

Mit Spruchpunkt II des bekämpften Bescheides hat das Bundesasylamt Herrn S.M. "gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 1 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Serbien ausgewiesen".

 

§ 10 AsylG 2005 hat nachstehenden Wortlaut:

 

"Verbindung mit der Ausweisung

 

§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn

 

1. der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird;

 

2. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird;

 

3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

 

4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird.

 

(2) Ausweisungen nach Abs. 1 sind unzulässig, wenn

 

1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder

 

2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden

 

(3) Wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

 

(4) Eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, gilt stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen."

 

Im vorliegenden Fall war der Antrag auf internationalen Schutz des Herrn S.M. (wegen entschiedener Sache) "zurückzuweisen". Daher ist zwingend die Ausweisung auszusprechen, es sei denn, dem stünden Unzulässigkeitsgründe nach § 10 Abs 2 AsylG 2005 entgegen. Im Lichte dessen ist zunächst festzuhalten, dass Herrn S.M kein auf das AsylG 2005 gestütztes Aufenthaltsrecht iSd § 10 Abs 2 Z 1 AsylG 2005 zukommt. Zwar hat Herr S.M. vor dem Hintergrund seiner privaten Interessen bestimmte Anknüpfungspunkte zu Österreich, doch wurde Herr S.M. mehrfach wegen strafrechtlicher Delikte verurteilt was wiederum für öffentliche Interessen an der Ausweisung des Herrn S.M. und gegen seine privaten Interessen an seinem Verbleib im Inland in das Blickfeld rückt.

 

Wie bereits ewähnt, betont der EGMR im Anwendungsberich des Art 8 EMRK einen weiten Spielraum der Vertragsstaaten in Gesetzgebung und Vollzieung (vgl etwa auch EGMR 31. 7. 2008 Darren Omoregie ua Nr. 265/07). Die EMRK gewährleiste nicht das Recht eines Ausländers, in einen bestimmten Staat einzureisen oder sich dort aufzuhalten. Vielmehr seien die Staaten berechtigt, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu kontrollieren (EGMR 28. 5. 1985 Abdulaziz, Cabales und Balkandali = EuGRZ 1985, 567; 18. 2. 1991 Moustaquim Nr 12.313/86 = EuGRZ 1993, 552; 19. 2. 1996 Gül = ÖJZ 1996, 593; 19. 2. 1998 Dalia Nr 26.102/95 = ÖJZ 1998, 937; 4. 10. 2001 Adam Nr 43.359/98; 20. 6. 2002 Al-Nashif Nr 50963/99 = ÖJZ 2003, 344; 9. 10. 2003 Slivenko Nr 48321/99; 22. 4. 2004 Radovanovic = ÖJZ 2005, 76; 16. 9. 20043 Ghiban = NVwZ 2005, 1046; 14. 6. 2007 Hasan Nr 54.323/00; 28. 6. 2007 Kaya Nr 31753/02; 31. 7. 2008 Darren Omoregie ua Nr. 265/07). Dies schließ aber nicht aus, dass Mitgliedstaaten auch verpflichtet sein können, Betroffenen die Einreise und den Aufenthalt zu gestatten (s dazu oben).

 

Insbesondere durch eine Ausweisung (hier nicht allein im technischen

Sinn des innerstaatlichen Fremdenrechts sondern als eigenständiger

Begriff der EMRK zu verstehen) von Familienangehörigen kann in das

Recht auf Familienleben eingegriffen werden (EGMR 21. 6. 1988

Berrehab Nr 10.730/84 = EuGRZ 1993, 547; 18. 2. 1991 Moustaquim Nr

12.313/86 = EuGRZ 1993, 552; 26. 3. 1992 Beljoudi = EuGRZ 1993, 556

= ÖJZ 1992, 773; 26. 9. 1997 Mehemi Nr 25.017/94 = ÖJZ 1998, 625;

24. 4. 1996 Boughnemi Nr 22.070/93 = ÖJZ 1996, 834; 26. 9. 1997 El

Boujaidi = ÖJZ 1998, 627; 21. 10. 1997 Boujlifa = ÖJZ 1998, 626;

EGMR 28. 6. 2007 Kaya Nr 31.753/02; 5. 7. 2007 Albert Grigorian Nr

17.575/06; 14. 6. 2007 Hung Phi Tran Nr 34.0029/05; 16. 6. 2005

Sisojeva ua = EuGRZ 2006, 554; vgl auch VfSlg 10.737, 11.455). Dies

spielt besonders für "long-term-immigrants" und Ausländer der

zweiten Generation eine besondere Rolle (EGMR 26. 3. 1992 Beljoudi =

EuGRZ 1993, 556 = ÖJZ 1992, 773; 18. 2. 1991 Moustaquim Serie A 193

= EuGRZ 1993, 552; 31. 10. 2002 Yildiz = ÖJZ 2003, 158; 6. 2. 2003

Jakupovic = ÖJZ 2003, 567; 22. 3. 2007 Maslov Nr 1638/03; VfSlg

8792; 15.400; 15.460; 16.182; 16.702; 16845; Wiederin, in:

Korinek/Holoubek, [Hrsg], Österreichisches Bundesverfassungsgesetz [2002] Art 8 StGG Rz 89 ff; Zeichen, ZÖR 57,2002, 413). Im Ergebnis kommt es nicht auf die Ausweisung als Norm, sondern auf deren tatsächliche Umsetzbarkeit und der damit verbundenen Unsicherheit an (EGMR 15. 1. 2007 Sisojeva ua Nr 60.654/00). Auch durch eine nicht näher begründete Ausweisung eines rechtmäßig Niedergelassenen wegen Gefährdung der nationalen Sicherheit kann zu einem Eingriff iSd Art 8 Abs 1 EMRK führen (verfahrensrechtliche Garantie; vgl EGMR 11. 1. 2007 Musa ua Nr 61.259/00).

 

In seiner Judikatur zur Ausweisung langfristiger Aufenthaltsberechtigter hat der EGMR bis in die jüngste Zeit regelmäßig den Schwerpunkt auf den Aspekt des Familienlebens. Relativ undifferenzierend ging der EGMR von einem Eingriff in das Privat- und Familienlebens aus, dessen Verhältnismäßigkeit er im Hinbick auf Art 8 EMRK prüfte. Im Fall Slivenko (EGMR 9. 10. 2003 Nr 48321/99) unterschied der EGMR in diesem Kontext erstmals relativ deutlich einerseits zwischen dem Familienleben, das allerdings nur idR auf die Kernfamilie begrenzt sei, und dem Privatleben andererseits (vgl Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 EMRK, ÖJZ 2007, 852). Die Kernfamilie bestehe aus Ehepartner (wohl auch Lebenspartner) und minderjährigen Kindern. Nur unter besonderen Umständen können etwa auch volljährige Kinder mit ihren Eltern in den Schutzbereich des Art 8 EMRK hinsichtlich des Familienlebens fallen. Im Ergebnis ist es aber gleichgültig, ob eine Person im Einzelfall etwa nur im Hinblick auf das Familienleben oder nur im Hinblick auf des Privatleben oder im Hinblick auf beide Bereiche durch Art 8 EMRK geschützt wird; die Rechtsfolgen daraus wären im Grunde dieselben. Im Lichte dessen kann eine Ausweisung nicht nur im Falle der drohenden Zerstörung eines Familienlebens, sondern auch dann nach Art 8 EMRK unzulässig sein, wenn ein Fremdern zwar nicht familiäre, aber sonstige private Bindungen (eine gewisse Verfestigung der Privatsphäre) aufweist. Wo nun exakt die Grenzen zwischen Familien- und Privatleben nomenklatorischen Gesichtspunkten zu ziehen sind, bleibt dabei im Grunde unerheblich. Wesentlich ist, dass durch eine Ausweisung sowohl in das Recht auf Familien- und auf Privatleben eingegriffen werden kann, auch wenn sich die Judikatur des EGMR in seiner Judikatur in diesem Kontext bisher eher mit dem Problem des Familienlebens befasst hat (Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 EMRK, ÖJZ 2007, 852).

 

Ein Staat muss eine faire Abwägung zwischen den betreffenden Interessen des Individuums und der Gemeinschaft als solcher vornehmen; in diesen Bereichen hat der Staat einen gewissen Spielraum (EGMR 31. 7. 2008 Darren Omoregie ua Nr. 265/07). Artikel 8 verpflichtet einen Staat im Grunde nicht, die Wahl von Einwanderern zur Wohnsitznahme in ihrem Land zu respektieren bzw eine Familienwiedervereinigung in seinem Gebiet zuzulassen (vgl EGMR 31. 7. 2008 Darren Omoregie ua Nr. 265/07). Dennoch können die Pflichten eines Staates im Lichte des Familienlebens und der Einwanderung Personen in sein Gebiet zuzulassen, die Verwandte in diesem Staat haben, von Fall zu Fall variieren, je nach den besonderen Umständen des Einzelfalls einerseits und dem allgemeinen Interesse andererseits (EGMR 31. 7. 2008 Darren Omoregie ua Nr. 265/07 unter Hinweis auf EGMR 19. 2. 1996 Gül Nr 23.218/94 = ÖJZ 1996, 593) und EGMR 30. 1. 2006 Rodrigues da Silva und Hoogkamer Nr 50.435/99). Solche besonderen Umstände (Faktoren) sind etwa: Ausmaß eines effektiv geführten Familienlebens, das Ausmaß der Bindungen an den betreffenden Staat, ob unüberwindbare Hindernisse bestehen, das Familienleben in auch nur einem von mehreren Herkunftsstaaten zu führen, ob Umstände im Lichte einer Zuwanderungskontrolle bestehen (etwa mehrere Übertretungen des Einwanderungsrechts) und zwar im Lichte des öffentlichen Interesses, die für einen Ausschluss sprechen (vgl EGMR 30. 1. 2006 Rodrigues da Silva und Hoogkamer Nr 50.435/99). Ein anderer wichtiger Gesichtspunkt liegt darin, ob das Familienleben zu einer Zeit aufgenommen wurde, in der die Aufrechterhaltung des Familienlebens im Gastland von Vornherein ungewiss war (EGMR 31. 7. 2008 Darren Omoregie ua Nr. 265/07 unter Hinweis auf EGMR 26. 1. 1999 Sarumi Nr 43.279/98 und 22. 5. 1999 Andrey Sheabashov Nr. 50065/99).

 

Wo das der Fall ist, würde die Außerlandesschaffung des nicht nationalen Familienmitglieds nur

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten