S11 401.715-1/2008/2E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. Neumann als Einzelrichterin über die Beschwerde der T.S., geb. 00.00.1958, StA. Russische Föderation, p.A. Betreuungsstelle Traiskirchen, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 03.09.2008, FZ. 08 04.026-East Ost, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß §§ 5, 10 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, als unbegründet abgewiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Der Verfahrensgang vor der erstinstanzlichen Behörde ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt. Die nunmehrige Beschwerdeführerin reiste am 06.05.2008 illegal in Österreich ein und stellte am selben Tag gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag fand vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes eine Erstbefragung sowie am 23.06.2008 eine Einvernahme zur Wahrung des Parteiengehörs vor dem Bundesasylamt in Gegenwart eines Rechtsberaters und nach erfolgter Rechtsberatung statt.
Am 07.05.2008 richtete das Bundesasylamt aufgrund eines EURODAC-Treffers vom 01.07.2008 an Polen ein Ersuchen um Wiederaufnahme der Beschwerdeführerin und ihrer Familie gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.02.2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II-Verordnung), welches am selben Tag elektronisch über DubliNET übermittelt wurde.
Am 09.05.2008 bestätigte die Beschwerdeführerin mit ihrer Unterschrift den Erhalt der Mitteilung des Bundesasylamtes gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG vom 08.05.2008, wonach beabsichtigt sei, ihren Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da Konsultationen mit Polen seit dem 07.05.2008 geführt würden. Die Mitteilung über die Führung von Konsultationen wurde der Beschwerdeführerin sohin innerhalb der 20-Tagesfrist nach der Antragseinbringung, übermittelt.
Mit Schreiben vom 08.05.2008, eingelangt beim Bundesasylamt am 12.05.2008, stimmten die polnischen Behörden der Übernahme der Beschwerdeführerin zur Prüfung ihres Asylantrags gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Dublin II-Verordnung zu.
Die Beschwerdeführerin brachte im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens folgenden entscheidungsrelevanten Sachverhalt vor:
Sie sei am 11.12.2007 gemeinsam mit Sohn und Gatten mit dem Zug von Grosny über Moskau nach Brest/Weissrussland gereist und weiter nach Terespol in Polen, wo ihnen von den Behörden die Fingerabdrücke abgenommen worden seien. Im Lager Belany wären sie zirka vier Monate untergebracht gewesen, bis sie am 05.05.2008 in einen PKW eingestiegen und Richtung Österreich gefahren wären. Am 06.05.2008 habe der Fahrer die Familie der Beschwerdeführerin in der Nähe des Flüchtlingslagers Traiskirchen aussteigen gelassen. Nach einem ungefähr 20 minütigen Fußmarsch wären sie im Lager angekommen.
Zu ihren Fluchtgründen befragt gab die Beschwerdeführerin an, dass ihr Ehemann in Russland Probleme hatte und sie dort nicht mehr leben konnten.
Aus dem Akt des Gatten ergab sich, dass er im Jahr 2000 im Zusammenhang mit seiner journalistischen Tätigkeit festgenommen worden sei. Man habe ihn misshandelt und nach 12 Tagen am Dorfrand bewusstlos weggelegt. Seither könnte er seinen linken Arm nicht bewegen und sein Brustkorb wäre verunstaltet worden.
Im Zuge ihrer erkennungsdienstlichen Behandlung ergab sich, dass die Beschwerdeführerin am 14.12.2007 in Lublin unter der Nationale T.S., geb. 00.00.1958, StA der Russischen Föderation, erkennungsdienstlich behandelt wurde und einen Asylantrag gestellt hat.
Am 23.06.2008 erfolgte in der Erstaufnahmestelle Ost in Traiskirchen im Beisein eines Rechtsberaters eine Einvernahme bei der im Wesentlichen Folgendes vorgebracht wurde:
Befragt nach Eltern, Kindern oder sonstigen Verwandten, die sich in der Europäischen Union aufhalten, teilte die Beschwerdeführerin mit, dass ihr Ehegatte T.A. und ihre beiden Söhne, T.I. und T.R. sowie ihre Tochter, A.L., in Österreich aufhältig wären.
Auf Vorhalt bestätigte die Beschwerdeführerin die Antragstellung am 14.12.2007 in Polen.
Zur beabsichtigten Überstellung nach Polen befragt, meinte die Beschwerdeführerin, sie wolle bei ihrem Sohn in Österreich bleiben. Sie und ihr Ehemann seien krank und ihr großer Sohn R. mache alles für sie. Er könne schon Deutsch und könne sie zum Arzt begleiten.
Nach dem Verfahrensstadium in Polen befragt, meinte sie, sie hätte keine Ahnung.
Ebenso zur beabsichtigten Überstellung nach Polen befragt, meinte der Ehemann der Beschwerdeführerin in seinem Verfahren, es sei für ihn in Polen nicht sicher. Nachgefragt, warum Polen nicht sicher sei, meinte der Gatte der Beschwerdeführerin, dort wäre es für den FSB und die russischen Behörden einfach, ihn nach Tschetschenien zu deportieren. Auf die Frage nach einem konkreten Problem oder Vorfall in Polen, teilte er mit, er hätte in Polen noch kein Problem gehabt, aber in Warschau hätte er FSB-Leute gesehen. In Polen hätte er bisher lediglich eine Erstaufnahme bei der Polizei gehabt.
Zu Gründen, die einer Ausweisung aus Österreich entgegenstünden, brachte die Beschwerdeführerin vor, ihr Sohn T.R. würde in Österreich wohnen und sie wolle bei ihm sein. Sonst habe sie keine weiteren Interessen, sie wolle mit ihrem Mann und ihren Kindern in Österreich bleiben. Bis 2004 hätte sie mit ihrem Sohn und ihrer Tochter in einem gemeinsamen Haushalt gelebt, danach wären beide nach Österreich gereist. Seit 2004 hätte es telefonischen Kontakt gegeben.
Zu finanziellen oder materiellen Unterstützungen seitens der im Bundesgebiet lebenden Kinder, sagte die Beschwerdeführerin, einmal hätte ihr Ehemann für eine Spitalsbehandlung in der Heimat etwas bezahlen müssen. Es wäre nicht so viel, aber es wäre eine Unterstützung gewesen, sie wisse nicht wie viel sie dafür erhalten hätten.
Zur Beschreibung eines allfälligen Abhängigkeitsverhältnisses zu ihren im Bundesgebiet lebenden Kindern aufgefordert, brachte die Beschwerdeführerin vor, dass der Sohn momentan ihnen etwas zu essen bringe und hätten sie ihren Sohn am Wochenende schon besucht. Ihre Tochter hätten sie noch nicht besuchen können, da diese in Linz wohne.
Finanzielle Leistungen hätten sie nicht so viel, aber für das Ticket hätten sie schon Geld bekommen. Befragt, wie ihre Kinder sie unterstützen könnten, meinte die Beschwerdeführerin, sie wisse nicht, was sie noch erzählen solle. Eine Mutter wolle immer bei den Kindern sein. Sie wolle ihre Kinder sehen.
Zur selben Frage, meinte der Gatte der Beschwerdeführerin in seinem Verfahren, sie hätten nur telefoniert. Die Kinder hätten nur Sozialhilfe bekommen und daher sie nicht unterstützen können. Seit der Gatte der Beschwerdeführerin in Österreich sei, hätten sie schon bei den Kindern übernachtet, etwas zu essen und ein bisschen Taschengeld von ihnen bekommen.
Befragt, ob ein Abhängigkeitsverhältnis zu den Kindern bestehe, meinte der Gatte der Beschwerdeführerin, er sei gesundheitlich sehr krank, hätte eine Lungenerkrankung, Hepatitis und sei zuckerkrank. Daher könnten ihn die Kinder zum Arzt bringen, übersetzen und alle Möglichkeiten, die es so gibt, wie ihn finanziell zu unterstützen und unterwegs ihm helfen.
Zur gutachterlichen Stellungnahme von Dr. H. vom 18.06.2008, welche bei der Beschwerdeführerin keine schwere psychische Störung feststellen konnte, die bei einer Überstellung nach Polen eine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes bewirken würde, meinte sie, ihr Mann sei krank und sie auch und beide bräuchten Unterstützung, in Polen hätten sie niemanden. Sie höre schlecht, habe Rückenschmerzen und sei ihr schwindelig.
Auch im Verfahren des Ehemannes der Beschwerdeführerin erfolgte eine ärztliche Untersuchung, welche im Wesentlichen Folgendes ergab:
Zur gutachterlichen Stellungnahme von Dr. H. vom 13.06.2008, welche beim Gatten der Beschwerdeführerin ebenso keine schwere psychische Störung feststellen konnte, die bei einer Überstellung nach Polen eine unzumutbare Verschlechterung seines Gesundheitszustandes bewirken würde, meinte der Gatte der Beschwerdeführerin, jeder der seine Krankengeschichte lese, verstünde, dass er sehr krank sei. In Polen wäre er zwei Monate im Spital gewesen, es hätte nicht geholfen. In Österreich sei er wegen der Lungenkrankheit behandelt worden und es gehe schon besser. In Polen hätte er Medikamente erhalten, sich damals nicht so gut gefühlt und wäre die ganze Krankheit in Polen nicht so gut behandelt worden. In Österreich sei er sehr gut behandelt worden.
Befragt, wie der Beschwerdeführerin ihre in Österreich lebenden Kinder bei ihrer Krankheit helfen könnten, meinte sie, sie und ihr Mann bekämen Unterstützung von ihren Kindern, diese könnten sie zum Arzt bringen und hätten schon ein Ticket gekauft. Sie könnte jederzeit bei ihrem Sohn wohnen und leben, aber sie dürfe nicht lange vom Lager wegbleiben. Ihr Sohn sei verheiratet und habe drei Kinder. Er habe drei Zimmer und müsse in eine andere Wohnung übersiedeln.
Auf die Frage, ob sie in Polen einen Antrag auf Familienzusammenführung gestellt habe, bejahte sie dies und teilte mit, dass sie von Polen einen positiven Bescheid erhalten hätten. Ihrer Tochter sei gesagt worden, dass sie einfach nach Österreich fahren sollen und sie werden nicht zurückgeschickt. Sie wisse nicht, welche Behörde das gewesen sei. In Österreich sei sie illegal mit dem Taxi eingereist.
2. Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 03.09.2008, FZ. 08 04.026-East Ost den Antrag auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerin ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück und sprach aus, dass für die Prüfung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz gemäß Art. 13 iVm Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin II-Verordnung Polen zuständig sei. Gleichzeitig wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen und demzufolge gemäß § 10 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Polen zulässig sei.
Die Erstbehörde traf in diesem Bescheid Feststellungen zur Person der Asylwerberin, zur Begründung des Dublin-Tatbestandes, zum Privat- und Familienleben der Asylwerberin, zur Lage im Mitgliedstaat Polen, zum polnischen Asylverfahren, zum Tschetschenen-Refoulement, der Schubhaftpraxis, zum Zugang zum Asylverfahren nach Rücküberstellung sowie zur Versorgung von Asylwerbern (einschließlich der medizinischen Versorgung) in Polen.
Beweiswürdigend wurde hervorgehoben, dass sich aus der schlüssigen und widerspruchsfreien gutachtlichen Stellungnahme von Dr. H. keine Bedenken hinsichtlich der gesundheitlichen Überstellungsfähigkeit der Beschwerdeführerin nach Polen ergeben würden. Bezüglich der notwendigen medizinischen Behandelbarkeit und medikamentösen Versorgung wurde auf die Feststellungen verwiesen, wonach in Polen die medizinische Versorgung unzweifelhaft zur Verfügung stehe und zugänglich sei. Die Beschwerdeführerin habe keine Personen außer ihrer Familie ins Treffen führen können, zu denen ein besonderes Beziehungsverhältnis oder gar ein qualifiziertes Pflege- oder Abhängigkeitsverhältnis bestehe. Aus den Angaben seien auch keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden, dass die Beschwerdeführerin tatsächlich konkret Gefahr liefe, in Polen Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass dieser Verletzungen ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte dadurch drohen könnten.
3. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht mittels Telefax am 25.09.2008 Beschwerde erhoben. Darin wird im Wesentlichen behauptet, dass sowohl die Beschwerdeführerin wie auch ihr Gatte eine sehr enge Nahebeziehung zu ihren - in Österreich als anerkannte Flüchtlinge lebenden - Kindern hätten. Sie bis zur Flucht ihrer Kinder im Jahre 2004 im gemeinsamen Haushalt gelebt hätten und derzeit zweimal pro Woche - ein längerer Zeitraum wäre nicht möglich, da sie die Betreuungsstelle Traiskirchen nicht länger als 24 Stunden verlassen dürften - bei ihrem Sohn übernachten würden. Ihre Kinder wären für sie eine wichtige moralische Stütze und würden sie von diesen regelmäßig finanziell unterstützt werden.
Bezüglich Zusammenführung ginge die humanitäre Klausel des Art. 15 der Dublin II VO über die Legaldefinition des Art. 2 lit. i der Dublin II VO hinaus, somit wäre auch der viel weitere Familienbegriff des Art. 8 EMRK heranzuziehen, der nach der Judikatur des EGMR an den tatsächlichen Umständen zu messen wäre.
Weiters wird eine Entscheidung des Unabhängigen Bundesasylsenates zitiert, in welcher darauf hingewiesen werde, dass die europäische Kommission in Hinblick auf das Gebot der effektiven Vollziehung der Dublin II VO die Bedeutung des Selbsteintrittsrechts zur Wahrung menschenrechtlicher Gesichtspunkte herausgestrichen hätte. Ebenso wäre eine Zusammenführung mit Familienangehörigen im weiteren Sinn bzw. Bezugspersonen bei erkrankten Personen notwendiger als im Normalfall. Im konkreten Fall rechtfertige eine Abwägung der Interessen keine Ausweisung.
4. Die gegenständliche Beschwerde samt erstinstanzlichem Verwaltungsakt langte am 30.09.2008 beim Asylgerichtshof ein.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt.
2. Rechtlich ergibt sich Folgendes:
Mit Datum 01.01.2006 ist das neue Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG idF BGBl. I Nr. 100/2005) und ist somit auf alle ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.
Am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren sind vom Asylgerichtshof nach Maßgabe des § 75 AsylG 2005 idF. BGBl. I Nr. 4/2008 weiterzuführen.
Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10/1985, in den jeweilig geltenden Fassungen nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.
2.1. Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 AsylG erledigter Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18.02.2003 zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Asylbehörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist die Zurückweisung eines Antrages nach Maßgabe der § 10 Abs. 3 und Abs. 4 AsylG mit einer Ausweisung zu verbinden.
Die Dublin II-Verordnung ist eine Verordnung des Gemeinschaftsrechts im Anwendungsbereich der 1. Säule der Europäischen Union (vgl. Art. 63 EGV), die Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen von Drittstaatsangehörigen trifft. Sie gilt also nicht für mögliche Asylanträge von EU-Bürgern, ebenso wenig ist sie auf Personen anwendbar, denen bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Das wesentliche Grundprinzip ist jenes, dass den Drittstaatsangehörigen in einem der Mitgliedstaaten das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren zukommt, jedoch nur ein Recht auf ein Verfahren in einem Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Zuständigkeitskriterien ergibt.
2.1.1. Es ist daher zunächst zu überprüfen, welcher Mitgliedstaat nach den hierarchisch aufgebauten (Art. 5 Abs 1 Dublin II-Verordnung) Kriterien der Art. 6 bis 12 beziehungsweise 14 und Art. 15 Dublin II-Verordnung, beziehungsweise dem Auffangtatbestand des Art. 13 Dublin II-Verordnung zur inhaltlichen Prüfung zuständig ist.
2.1.1.1. Das aufgrund des Vorliegens der Tatbestandsmerkmale des Art. 9 Abs. 2 der Dublin II VO eingeleitete Aufnahmeersuchen an Polen erfolgte innerhalb der Frist von drei Monaten nach Einreichung des Asylantrages durch den Beschwerdeführer (Art. 17 Abs. 1 Dublin II VO).
Im vorliegenden Fall hat das Bundesasylamt zutreffend festgestellt, dass eine Zuständigkeit Polens gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Dublin II VO besteht. Eine ausdrückliche Zustimmung vom 12.05.2008 zur Aufnahme der Beschwerdeführerin durch die polnischen Behörden liegt vor. Die erste Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der getroffenen Unzuständigkeitsentscheidung ist somit gegeben.
2.1.1.2. Es sind auch aus der Aktenlage keine Hinweise ersichtlich, wonach die Führung der Konsultationen im gegenständlichen Fall derart fehlerhaft erfolgt wäre, sodass von Willkür im Rechtssinn zu sprechen wäre und die Zuständigkeitserklärung des zuständigen Mitgliedstaates wegen Verletzung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundsätze aus diesem Grund ausnahmsweise keinen Bestand haben könnte (Filzwieser, Subjektiver Rechtsschutz und Vollziehung der Dublin II VO - Gemeinschaftsrecht und Menschenrechte, migraLex, 1/2007, 22ff; vgl. auch das Gebot der Transparenz im "Dublin-Verfahren", VwGH 23.11.2006,
Zl. 2005/20/0444). Das Konsultationsverfahren erfolgte mängelfrei.
2.1.2. Das Bundesasylamt hat ferner von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher noch zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.
Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 17.06.2005, Zl. B 336/05-11 festgehalten, die Mitgliedstaaten hätten kraft Gemeinschaftsrecht nicht nachzuprüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat generell sicher sei, da eine entsprechende normative Vergewisserung durch die Verabschiedung der Dublin II-Verordnung erfolgt sei, dabei aber gleichzeitig ebenso ausgeführt, dass eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung im Einzelfall gemeinschaftsrechtlich zulässig und bejahendenfalls das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-Verordnung zwingend geboten sei.
Die Judikatur des VwGH zu den Determinanten dieser Nachprüfung lehnt sich richtigerweise an die Rechtsprechung des EGMR an und lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059): "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949).
Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl. VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde (Art. 16 Abs. 1 lit. e Dublin II-Verordnung). Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0025, VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673), ebenso andere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs (zur Bedeutung solcher Sachverhalte Filzwieser/ Liebminger, Dublin II-Verordnung, K13. zu Art 19 Dublin II-Verordnung).
Weiterhin hatte der Asylgerichtshof folgende Umstände zu berücksichtigen:
Bei entsprechender Häufung von Fällen, in denen in Folge Ausübung des Selbsteintrittsrechts die gemeinschaftsrechtliche Zuständigkeit nicht effektuiert werden kann, kann eine Gefährdung des "effet utile" Grundsatzes des Gemeinschaftsrechts entstehen.
Zur effektiven Umsetzung des Gemeinschaftsrechts sind alle staatlichen Organe kraft Gemeinschaftsrechts verpflichtet.
Der Verordnungsgeber der Dublin II-Verordnung, offenbar im Glauben, dass sich alle Mitgliedstaaten untereinander als "sicher" ansehen können, wodurch auch eine Überstellung vom einen in den anderen Mitgliedstaat keine realen Risken von Menschenrechtsverletzungen bewirken könnte (vgl. insbesondere den 2. Erwägungsgrund der Präambel der Dublin II-Verordnung), hat keine eindeutigen verfahrens- oder materiellrechtlichen Vorgaben für solche Fälle getroffen hat, diesbezüglich lässt sich aber aus dem Gebot der menschenrechtskonformen Auslegung des Gemeinschaftsrechts und aus Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundrechte ableiten, dass bei ausnahmsweiser Verletzung der EMRK bei Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat eine Überstellung nicht stattfinden darf. Die Beachtung des Effizienzgebots (das etwa eine pauschale Anwendung des Selbsteintrittsrechts oder eine innerstaatliche Verfahrensgestaltung, die Verfahren nach der Dublin II-Verordnung umfangreicher gestaltet als materielle Verfahren verbietet) und die Einhaltung der Gebote der EMRK stehen daher bei richtiger Anwendung nicht in Widerspruch (Filzwieser, migraLex, 1/2007, 18ff, Filzwieser/Liebminger, Dublin II-Verordnung, K8-K13. zu Art. 19).
Die allfällige Rechtswidrigkeit von Gemeinschaftsrecht kann nur von den zuständigen gemeinschaftsrechtlichen Organen, nicht aber von Organen der Mitgliedstaaten rechtsgültig festgestellt werden. Der EGMR hat festgestellt, dass der Rechtsschutz des Gemeinschafts-rechts regelmäßig den Anforderungen der EMRK entspricht (30.06.2005, Bosphorus Airlines v Irland, Rs 45036/98).
Es bedarf sohin europarechtlich eines im besonderen Maße substantiierten Vorbringens und des Vorliegens besonderer vom Antragsteller bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, um die grundsätzliche europarechtlich gebotene Annahme der "Sicherheit" der Partnerstaaten der Europäischen Union als einer Gemeinschaft des Rechts im individuellen Fall erschüttern zu können. Diesem Grundsatz entspricht auch die durch das AsylG 2005 eingeführte gesetzliche Klarstellung des § 5 Abs. 3 AsylG, die Elemente einer Beweislastumkehr enthält. Es trifft zwar ohne Zweifel zu, dass Asylwerber in ihrer besonderen Situation häufig keine Möglichkeit haben, Beweismittel vorzulegen (wobei dem durch das Institut des Rechtsberaters begegnet werden kann), und dies mitzubeachten ist (VwGH, 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949), dies kann aber nicht pauschal dazu führen, die vom Gesetzgeber - im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht - vorgenommene Wertung des § 5 Abs. 3 AsylG überhaupt für unbeachtlich zu erklären (dementsprechend in ihrer Undifferenziertheit verfehlt, Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, 225ff). Eine Rechtsprechung, die in Bezug auf Mitgliedstaaten der EU faktisch höhere Anforderungen entwickelte, als jene des EGMR in Bezug auf Drittstaaten wäre jedenfalls gemeinschaftsrechtswidrig.
2.1.2.1. Mögliche Verletzung des Art. 8 EMRK
Im konkreten Fall leben der Sohn, T.R., wie auch die Tochter, A.L., der Beschwerdeführerin in Österreich. Ihren Aussagen zufolge haben beide Kinder bereits Flüchtlingsstatus erlangt.
Durch Recherchen des Asylgerichtshofs konnte der Flüchtlingsstatus ihres Sohnes, T.R., bestätigt werden, wobei festgestellt wurde, dass dieser bereits verheiratet ist und drei Kinder hat. Trotz intensivster Recherchen des Asylgerichtshofes konnte aber weder die Flüchtlingseigenschaft ihrer Tochter, A.L., noch deren Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet verifiziert werden. Auch wird diese auf dem AIS-Auszug des Bruders, T.R., der nach Aussagen der Beschwerdeführerin gemeinsam mit seiner Schwester nach Österreich gereist wäre, nicht als in Österreich aufhältige Verwandte angeführt.
Nach weiteren Vorbringen hätten die Beschwerdeführerin und ihr Gatte bis zur Ausreise der nun in Österreich lebenden Kinder im Jahr 2004 mit diesen im Herkunftsstaat in gemeinsamen Haushalt gelebt, danach habe es lediglich telefonischen Kontakt gegeben. Angesichts des damaligen Alters des Sohnes (geb. 00.00.1981) ist die Unterkunftnahme im Herkunftsstaat noch bei den Eltern keine ungewöhnliche Situation. Nachdem aber der Sohn nunmehr eine eigene Familie mit drei Kinder gegründet hat, die letzten Kontakte vor über vier Jahren waren und lediglich ein ("manchmal") seltener telefonischer Kontakt stattgefunden hätte, sind die gegenständlichen Unterstützungshandlungen eher vorübergehende Hilfestellungen aus familiärer Verbundenheit, als auf langfristiges familienähnliches Zusammenleben gerichtet, zumal durch die Verdienstmöglichkeiten eines 27 Jährigen, der drei Kinder hat, eine längerfristige Finanzierung seiner Eltern und seines Bruders eher unwahrscheinlich wäre. Zusätzlich, wie den Aussagen der Beschwerdeführerin zu entnehmen war, besitzt dieser eine Wohnung mit lediglich 3 Zimmern. Ein allfälliger Umzug in eine größere Wohnung, wie seitens der Beschwerdeführerin angekündigt wurde, stellt nach Ansicht des Asylgerichtshofes einen weiteren Kostenfaktor dar, dessen Aufbringung beim gegenwärtigen Alter des Sohnes der Beschwerdeführerin und im Hinblick auf seine familiäre Situation, eher unwahrscheinlich ist.
Den in der Beschwerde geäußerten Befürchtungen, des Gatten der Beschwerdeführerin, man würde in Polen in eine aussichtslose Situation fallen, und würde - wenn man wegen geringer finanzieller Unterstützungen in Polen, sich die Miete für eine Unterkunft nicht leisten könne - ohne feste Meldeadresse sozialer Unterstützungen, medizinischer Versorgung und allfälliger Integrationsmaßnahmen verlustig werden, können die Feststellungen des erstinstanzlichen Bescheides zur Versorgungslage in Polen entgegengehalten werden.
Unter diesem Gesichtspunkt wäre eine anfängliche Unterstützung der Eltern in Polen durch ihre Kinder wesentlich günstiger und könnten dadurch auch die Befürchtungen des Gatten der Beschwerdeführerin, ohne festen Wohnsitz keine Unterstützungen vom polnischen Staat zu erhalten, ausgeräumt werden.
Zum Familienbegriff im Sinne des Art. 8 EMRK ist zunächst auf nachstehende relevante Judikatur zu verweisen:
Der EGMR bzw. die EKMR verlangen zum Vorliegen des Art. 8 EMRK das Erfordernis eines "effektiven Familienlebens", das sich in der Führung eines gemeinsamen Haushaltes, dem Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses oder eines speziell engen, tatsächlich gelebten Bandes zu äußern hat (vgl. das Urteil Marckx [Ziffer 45] sowie Beschwerde Nr. 1240/86, V. Vereinigtes Königreich, DR 55, Seite 234; hierzu ausführlich: Kälin, "Die Bedeutung der EMRK für Asylsuchende und Flüchtlinge: Materialien und Hinweise", Mai 1997, Seite 46).
Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse gemeinsame Intensität erreichen. Als Kriterien hierfür kommen etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (vgl. EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; siehe auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (vgl. EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311), und zwischen Onkel und Tante und Neffen bzw. Nichten (vgl. EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1989, 761; Rosenmayer ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (vgl. EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).
Selbst wenn die Beschwerdeführerin und ihr Gatte seit ihrer Ankunft in Österreich mit der Familie ihres Sohnes im gemeinsamen Haushalt leben und vom Sohn gelegentlich kleinere Geldsummen bekommen würden, ist dies nicht als eine derartige finanzielle Abhängigkeit zu werten, dass das Wegfallen dieser Unterstützungsleistungen das Eintreten eines existenzbedrohenden Zustandes bedeuten würde.
Vom Vorliegen eines iSd Art. 8 EMRK relevanten, tatsächlichen und hinreichend intensiven Familienlebens bzw. eines relevantes Abhängigkeitsverhältnisses des Beschwerdeführers und seiner Gattin von seinen in Österreich lebenden Kindern war daher nicht auszugehen, zumal die Beschwerdeführerin nicht alleinstehend ist und neben ihrem Gatten auch noch einen Sohn zur Unterstützung hat.
Nachdem die gleichfalls beim Asylgerichtshof anhängigen Verfahren des Gatten und des mitreisenden Sohnes der Beschwerdeführerin in gleicher Weise entschieden werden, und somit eine gemeinsame Überstellung erfolgen kann, konnte auch diesbezüglich ein allfälliger Eingriff in Art. 8 EMRK ausgeschlossen werden.
Da auch sonst im Verfahren keine Hinweise auf eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration in Österreich, etwa aufgrund sehr langer Verfahrensdauer, hervorgekommen sind (vgl. VfGH 26.02.2007, Zl. 1802, 1803/06-11), ist daher im Ergebnis den Feststellungen der Erstbehörde zu folgen, wonach der Beschwerdeführer bei einer Überstellung nach Polen in seinem durch Art. 8 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nicht verletzt würde.
Aber auch im Fall eines Eingriffs in das Grundrecht ergäbe eine Interessenabwägung nach den Gesichtspunkten des Art. 8 Abs. 2 EMRK, insbesondere der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremden- und Asylwesens (vgl. VwGH 98.09.2000, 2000/19/0043), dass dieser im vorliegenden Fall verhältnismäßig wäre. Der Beschwerdeführer reiste erst im Mai 2008 in das Bundesgebiet ein und sein Aufenthalt in Österreich stützte sich von Anfang an nur auf den vorliegenden Asylantrag. Zu einem möglichen Eingriff in das Recht auf Privatleben ist auf das Erkenntnis des VwGH vom 26.6.2007, Zahl 2007/01/0479-7 zu verweisen, wonach ein dreijähriger Aufenthalt während des laufenden Asylverfahrens jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte.
2.1.2.2. Kritik am polnischen Asylverfahren
Die aktuellen bzw. in Ermangelung relevanter Änderungen der allgemeinen Lage als aktuell anzusehende Beweismittel und Quellen, auf welchen die erstinstanzlichen Feststellungen zu Polen beruhen, werden diesem Erkenntnis zugrunde gelegt.
Relevant wären im vorliegenden Zusammenhang schon bei einer Grobprüfung erkennbare grundsätzliche schwerwiegende Defizite im Asylverfahren des zuständigen Mitgliedstaates (also etwa:
grundsätzliche Ablehnung aller Asylanträge oder solcher bestimmter Staatsangehöriger oder Angehöriger bestimmter Ethnien; kein Schutz vor Verfolgung "Dritter", kein Rechtsmittelverfahren). Solche Mängel (die bei einem Mitgliedstaat der Europäischen Union nicht vorausgesetzt werden können, sondern zunächst einmal mit einer aktuellen individualisierten Darlegung des Antragstellers plausibel zu machen sind, dies im Sinne der Regelung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005) sind schon auf Basis der erstinstanzlichen Feststellungen nicht erkennbar und auch in der Beschwerde nicht vorgebracht worden.
Da der Gatte der Beschwerdeführerin die Frage nach konkreten Vorfällen gegen ihn in Polen verneinte, ist in Hinblick auf seinen über vier Monate andauernden Aufenthalt auf polnischem Staatsgebiet vom Nichtvorliegen einer unmittelbaren Gefährdung der Familie der Beschwerdeführerin auszugehen. Ebenso wurden in der Beschwerde keine den Ehemann der Beschwerdeführerin oder seine Familie tangierenden Übergriffe vorgebracht, somit liegen keine konkreten Gründe vor, die gegen die Durchführung des Asylverfahrens in Polen sprechen. Ferner hat der Ehemann der Beschwerdeführerin keine substantiierte Kritik am polnischen Asylverfahren geübt, zumal auch die allgemeinen Ausschnitte von Bedrohungen durch Kadyrow Leute für die Annahme einer konkreten Bedrohung der Familie der Beschwerdeführerin nicht ausreichen.
2.1.2.3. Medizinische Krankheitszustände; Behandlung in Polen
Im vorliegenden Fall leidet der Gatte der Beschwerdeführerin neben einer Lähmung des linken Armes auch an Tuberkulose, an Hepatitis B und C, sowie an Diabetes.
Aus der gutachtlichen Stellungnahme von Dr. H., Ärztin für Allgemeinmedizin und Psychotherapeutische Medizin im Akt des Gatten der Beschwerdeführerin, zu seiner Untersuchung am 13.06.2008, lässt sich entnehmen, dass es sich bei der Diabeteserkrankung des Gatten der Beschwerdeführerin um eine nicht insulinabhängige Form handelt, die durch Tabletten behandelbar ist. Weiters schlafe er zwischen 10 und 12 Stunden und wurde eine psychologische Betreuung von diesem als nicht notwendig erachtet.
Verneint wurde aus ärztlicher Sicht auch das Vorliegen von schweren psychischen Störungen, die bei einer Überstellung eine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Gatten der Beschwerdeführerin bewirken würden. Weiters wurden das Vorliegen einer erhöhten Schreckhaftigkeit, einer depressiven Stimmung, wie auch Symptome einer belastungsabhängigen psychischen Störung verneint.
Wie aus einem Aktenvermerk vom 10.09.2008 ersichtlich, war der Gatte der Beschwerdeführerin im Krankenhaus Grimmenstein in stationärer Behandlung. Nach der am selben Tag erfolgten Rücksprache mit dem behandelnden Arzt, OA Dr. L., liegen beim Gatten der Beschwerdeführerin keine akuten physischen Probleme vor, die einer stationären Behandlung weiterhin bedürfen. Die Tuberkulose-Erkrankung wurde als unbedenklich eingestuft.
Auch die medizinische Untersuchung der Beschwerdeführerin ergab, bis auf eine massive Hörverminderung, keine einer Überstellung nach Polen entgegenstehenden Erkrankungen. Es wurden keine die Vitalfunktionen gefährdenden Symptome, keine Suizidgedanken, keine Schreckhaftigkeit sowie traumatypischen oder ausgesprochen depressiven Symptome festgestellt.
Die in der Beschwerde angeführten Berichte bezüglich der unterdurchschnittlichen medizinischen Versorgung sind nach Ansicht des Asylgerichtshofes nicht geeignet den diesbezüglichen Feststellungen des Bundesasylamtes entgegenzutreten bzw. diese zu entkräften, zumal bis zu drei Jahre alt und damit den aktuellen Gegebenheiten nicht mehr entsprechend.
Den aktuellen (August 2007, Februar 2008) landeskundlichen Feststellungen des Bundesasylamtes ist zu entnehmen, dass die medizinische Versorgung von Asylwerbern derjenigen von polnischen Staatsbürgern entspricht, ebenso stehen dieselben medizinischen Leistungen und Einrichtungen zur Verfügung. Die Art und das Ausmaß von Behandlungen hängen ausschließlich vom Arzt ab und die Kosten werden aus Budgetmitteln gedeckt. Durch die sprachliche Nähe der aus Osteuropa kommenden Asylwerber werden auch Kommunikationsprobleme mit dem polnischen medizinischen Personal weitergehend hintangehalten.
Einer Anfragebeantwortung eines Kontaktbeamten in Polen vom 18.02.2008 zur Folge, sind allgemein alle Krankheiten in Polen uneingeschränkt behandelbar. Es besteht ein Notdienst für rasche Hilfe und stehen bei schwerwiegenden Fällen die örtlichen Krankenhäuser bereit.
Der Gatte der Beschwerdeführerin diesbezüglich zu einer Stellungnahme eingeladen, konnte keine substantiierten Einwendungen vorbringen, die die Glaubwürdigkeit der landeskundlichen Feststellungen erschüttern konnten.
Der Versuch der Beschwerdeführerin den landeskundlichen Feststellungen des Bundesasylamtes in der Beschwerde entgegenzutreten ist nach Ansicht des Asylgerichtshofes somit nicht gelungen. Der skizzierte Fall des tschetschenischen Asylwerbers I.A. stammt aus dem Jahr 2006 (Mitte) und stellt daher ebenso wie die zitierten Quellenauszüge, im Gegensatz zu den aktuellen Feststellungen des Bundesasylamtes, nicht mehr die tatsächlichen Gegebenheiten in Polen dar.
Es kann daher nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin in Polen keine ausreichende und adäquate medizinische Betreuung erlangen würde und deshalb vom Selbsteintrittsrecht aus humanitären Überlegungen Gebrauch zu machen wäre.
Zusammengefasst stellt daher eine Überstellung des Beschwerdeführers nach Polen keinesfalls eine Verletzung der Art. 3 und 8 EMRK und somit auch keinen Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechtes Österreichs nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-Verordnung dar.
2.1.3. Spruchpunkt I der erstinstanzlichen Entscheidung war sohin bei Übernahme der Beweisergebnisse und rechtlichen Würdigung der Erstbehörde mit obiger näherer Begründung zu bestätigen.
2.2. Spruchpunkt II:
Die Erwägungen der Erstbehörde zu Spruchpunkt II waren vollinhaltlich zu übernehmen. Auch im Beschwerdeverfahren sind keine Hinweise hervorgekommen, die eine Aussetzung der Überstellung nach Polen in Vollzug der Ausweisung aus Österreich erforderlich erschienen ließen. Diese erweist sich daher bezogen auf den Entscheidungszeitpunkt als zulässig.
2.3. Gemäß § 41 Abs. 4 AsylG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnte angesichts des Spruchinhaltes entfallen.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.