E7 264.467-1/2008-25E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch Dr. Nikolas BRACHER als Einzelrichter über die Beschwerde des B.T., geb. am 00.00.1962, StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.09.2006, FZ. 05 12.500-BAI, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.07.2007, zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird stattgegeben und B.T. gemäß § 7 AsylG 1997 idF BgBl. I Nr. 101/2003 Asyl gewährt. Gemäß § 12 leg. cit. wird festgestellt, dass B.T. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Der Beschwerdeführer (ehemals: Berufungswerber; im Weiteren auch:
BF) reiste am 13.08.2005 gemeinsam mit seiner Gattin P.A., geb. 00.00.1969, sowie den gemeinsamen mj. Kindern B.R. und S. aus der Slowakei kommend illegal in das österreichische Bundesgebiet ein, und stellte nach erfolgtem Aufgriff durch die Grenzpolizei am 14.08.2005 beim GÜP Hainburg an der Donau einen Asylantrag gemäß § 3 AsylG, dies ebenso wie seine mitgereisten Angehörigen.
2. Am selben Tag fand dort eine Erstbefragung des BF statt. Neben seinen Personalien (B.T., auch B.Ta., geb. 00.00.1962 in der Russ. Föderation, zuletzt whft. in S. verheiratet, Arbeiter) gab er dabei im Wesentlichen an, er habe am 11.Juli 2004 seine Heimat verlassen, und sei in der Folge über Ossetien und Weißrussland nach Polen gereist, wo er einen Asylantrag stellte. In weiterer Folge sei er in der Absicht, nach Belgien zu reisen, bis nach Deutschland gefahren, wo er aufgegriffen und nach Polen abgeschoben wurde. Von dort sei er über die Slowakei nach Österreich gereist. Dies jeweils auch seine mitgereisten Angehörigen.
Ein EURODAC-Abgleich ergab, dass der BF am 17.Juli 2004 in Polen und am 27.08.2004 in Deutschland jeweils Asylanträge gestellt hatte.
3. Am 19.08.2005 wurde der BF an der Erstaufnahmestelle-Ost des BAA erstmals einvernommen.
Im Zuge dessen wurde zu seinen Personalien protokolliert, dass er am 00.00.1962 in in der Russ. Föd. geboren, Angehöriger der "russischen" Volksgruppe, Moslem und verheiratet sei. Sein Vater sei bereits 1976 verstorben, seine Mutter, geb. 1936, und seine Schwester, geb. 1973, würden in A., Russ. Föd., leben. Er selbst habe zuletzt vor der Ausreise aus dem Herkunftsstaat in S. gewohnt. Die Grundschule habe er zwischen 1968 und 1978 in Grosny, eine allgem. bildende höhere Schule zwischen 1979 und 1981 ebenso in Grosny besucht. Militärdienst habe er keinen absolviert. Beruflich sei er zwischen 1983 und 2005 in Russland als Schweißer tätig gewesen.
Zum Nachweis seiner Identität legte er keine Dokumente vor. Seine Muttersprache sei inguschetisch, er spreche aber auch russisch. Er sei russ. Staatsangehöriger und gehöre der Volksgruppe der Inguschen an.
Im Zuge der am 23.08.2005 fortgesetzten Befragung gab er weiter an, er habe im April 2004 seinen Heimatort A. verlassen und sei anschließend zu seinem Schwiegervater in das Dorf J. gefahren, wo er sich bis zum 10.Juli aufhielt. Am 11.Juli habe ihn sein Schwiegervater nach N. gebracht, wo er seine Angehörigen getroffen habe, von dort sei man mit dem Bus nach Vladikavkas gefahren. Es folgten die bereits oben wiedergegebenen Angaben über die Weiterreise nach Polen usw. Er sei mit seinem russ. Reisepass sowie seinem Inlandspass gereist, die sich bei den polnischen Behörden befänden.
Als Grund für die Ausreise aus der Heimat gab er an, er sei Anfang März 2004 von betrunkenen russ. Militärbeamten ohne Grund auf der Straße festgenommen und zu einem Militärstützpunkt gebracht worden, wo er geschlagen und gefoltert worden sei. Er sei dort einen Monat lang inhaftiert worden. Seine Verwandten hätten dann die Beamten bestochen und nach seiner Freilassung seine Flucht organisiert.
Aufgrund der Angaben des BF und des Ergebnisses des EURODAC-Abgleichs wurde ein Konsultationsverfahren iSd Dublin II-VO mit Polen geführt.
4. Anlässlich einer ärztlichen Untersuchung im Zulassungsverfahren an der EAST-Ost am 07.09.2005 durch eine Ärztin f.
psychotherapeutische Medizin gab der BF zu den Fluchtmotiven an, er stamme aus Tschetschenien. Er sei im März 2004 mit einem Nachbarn auf einer Bank nahe einer Schule gesessen, als es in der Nähe zu einer Explosion gekommen sei. Daraufhin seien gepanzerte Fahrzeuge gekommen und sei er festgenommen und weggebracht worden. Zuerst sei er in einem Wagen für Gefangene, später in einem Keller gefangen gehalten worden. Es sei ihm minutenlang eine Plastiktüte über den Kopf gezogen worden, wodurch er das Bewusstsein verloren habe. Aufgrund dieser Vorfälle habe er Alpträume und Kopfschmerzen.
5. Im Gefolge einer zweiten Befragung am 26.08.2005, die aber keine weiteren Angaben zu den Fluchtgründen bzw. -umständen ergab, sowie angesichts der Zustimmung der polnischen Behörden zur Wiederaufnahme des BF wurde dessen Asylantrag mit Bescheid des BAA vom 09.09.2005 gem. §§ 5 und 5a AsylG 1997 zurückgewiesen bzw. er nach Polen ausgewiesen.
Seiner Berufung gegen diesen Bescheid vom 15.09.2005 gab die Berufungsbehörde mit Bescheid vom 27.10.2005 gem. § 32 a Abs. 1 AsylG statt, der bekämpfte Bescheid wurde behoben, das Verfahren zugelassen und zur materiellen Prüfung seines Asylbegehrens an die erstinstanzliche Behörde zurückverwiesen. Die Berufungsbehörde stützte sich dabei auf einen am 21.09.2005 vorgelegten Befund einer Fachärztin f. Neurologie und Psychiatrie von diesem Tage (vgl. AS 185), welchem die Diagnose "Spannungskopfschmerz, Posttraumatisches Stresssyndrom und Depressio" zu entnehmen war, weshalb das Verfahren iSd § 24b Abs. 1 AsylG zuzulassen war.
6. Mit 14.08.2006 erteilte der BF Zustellvollmacht an den Verein SPRAKUIN, 1030 Wien, sowie ad personam Dr. Klodner.
7. Am 23.08.2006 fand eine weiterführende Einvernahme des BF an der Außenstelle Innsbruck des BAA statt.
Auf Befragen wurde dort weiter festgehalten, er sei in K. geboren und dort bei seinen Eltern aufgewachsen. Sein Vater habe auf Baustellen gearbeitet, seine Mutter als Verkäuferin. Seine Muttersprache sei inguschetisch und er gehöre der Minderheit der Inguschen an. Die Grundschule habe er in A., anschließend eine Fachschule in Grosny besucht. Seinen erlernten Beruf des Schweißers habe er bis zur Ausreise ausgeübt. Seine Lebensgefährtin (P.A.) habe er 1992 nach moslemischem Brauch, nicht aber standesamtlich geheiratet. Sie hätten mit ihren beiden Kindern im Haus der Mutter gewohnt.
Zu den Ausreisegründen legte er ergänzend dar, dass er sich im Juni 2004 zur Ausreise entschlossen habe. Bereits Anfang März dieses Jahres sei er mit einem namentlich genannten Bekannten hinter einer Schule gesessen um dort eine Zigarette zu rauchen, als sie eine starke Explosion hörten. Zuerst hätten sie weggehen wollen, seien dann aber doch geblieben, weil Explosionen zu dieser Zeit nichts Ungewöhnliches waren. Plötzlich sei ein Militärfahrzeug auf sie zugefahren, Soldaten seien ausgestiegen und auf sie zugekommen und seien ihnen Säcke über den Kopf gezogen worden, woraufhin man sie wegbrachte. Als man ihm den Sack abnahm, habe er sich in einem militärischen Zelt wiedergefunden. Dort sei er von anderen Soldaten ausgezogen und untersucht worden. Man habe dabei eine frische Wunde an der rechten Hand entdeckt, die ihm ein Hund zugefügt hatte, sowie eine alte Narbe am linken Unterschenkel. Man habe ihm vorgehalten, dass es sich bei der Wunde an der Hand offenbar um eine Schusswunde handle, was er dementierte. Dennoch habe man begonnen ihn zu verhören. Man habe ihm einen Plastiksack über den Kopf gezogen und ihm mit einer gefüllten Plastikflasche gegen Kopf und Körper geschlagen. Er habe beteuert, dass er unschuldig und kein Widerstandskämpfer sei. Zuletzt habe man den Plastiksack über dem Kopf zugezogen, sodass er keine Luft mehr bekam und das Bewusstsein verlor. Als er wieder zu sich gekommen war, sei er von Soldaten an den Beinen zu einem Gefangenentransporter gezogen worden, in dem sich Zellen befanden. Dort sei er etwa zwei Wochen lang festgehalten und verhört worden. In dieser Zeit habe man ihn immer wieder herausgeholt und geschlagen. Die Soldaten seien meist betrunken gewesen und hätten ihn "wie einen Hund gehalten". Die Berufssoldaten seien besonders grausam gewesen, die jungen Rekruten seien aber gut zu ihm gewesen. Diese hätten ihm auch erzählt, dass damals ein Anschlag auf einen Militärtransporter verübt worden war und dabei sechs Berufssoldaten getötet wurden. Nach diesen zwei Wochen habe man ihm wieder einen Sack über den Kopf gezogen und ihn mit einem Wagen weggebracht. Nachdem man den Sack entfernt hatte, fand er sich in einem Kellerverlies wieder. Auch dort verblieb er etwa zwei Wochen lang, alleine in einem dunklen Raum. Gelegentlich hätten ihm Wächter etwas zu Essen gebracht. Danach habe man ihm wieder einen Sack über den Kopf gezogen und sei er in einem Fahrzeug weggebracht worden. Nachdem man den Sack entfernt hatte, habe er seinen Schwiegervater gesehen, der sich mit einem Offizier unterhielt. Er sei gegen Bezahlung von Lösegeld freigekauft worden und mit seinem Schwiegervater weggefahren. Dieser habe ihn bis zum 27.Juni 2004 bei ihm versteckt. Da nach dem allgemein bekannten Überfall tschetschenischer Widerstandskämpfer auf Einrichtungen des inguschetischen Innenministeriums (Anm.: dieser fand am 21. Juni 2004 statt) in ganz Inguschetien Säuberungsaktionen des FSB stattfanden, habe sein Schwiegervater seine Flucht befürwortet. Der BF selbst habe eigentlich gar nicht fliehen wollen. Er habe in der Folge seine Heimat auf legalem Weg mit seinem echten russischen Reisepass verlassen. Er sei nur an der Grenze zu Weißrussland kontrolliert worden, sonst habe es keine Probleme gegeben. Die Flucht habe er durch Ersparnisse und den Verlauf eines PKW finanziert, er habe 2.600 (?) für die ganze Familie aufwenden müssen.
Darüber hinaus brachte der BF auf Befragen vor, er sei wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit von staatlicher Seite benachteiligt worden. Der Grund für die Ausreise sei aber gewesen, dass er wohl vom FSB verfolgt werde.
Weitere Nachfragen ergaben, dass der BF den weiteren Verbleib seines Bekannten, der ebenfalls festgenommen worden war, nicht kenne. Der erste Ort seiner Anhaltung sei, wie er danach erfuhr, auf einem Feld bei A. gewesen, wo sich ein Militärlager befand. Seine Mutter und sein Schwiegervater hätten seinen Aufenthaltsort über Vorsprache bei der Gemeindeverwaltung in A. in Erfahrung gebracht. Der Vorsitzende derselben habe über seine Kontakte den Aufenthaltsort in Erfahrung gebracht. Eine amtswegige Beschwerde über das Verhalten der Soldaten habe dieser aber aus Angst um den BF nicht erhoben, er habe einen Freikauf befürwortet. Eine Anzeige seiner Misshandlung bei der Staatsanwaltschaft habe auch der BF selbst nicht gemacht, er habe die Täter ja nicht gekannt und hatte er auch zu große Angst dies zu tun. Dass er eben angegeben habe, er habe sich bis zum 27.Juni beim Schwiegervater aufgehalten, bei seiner Ersteinvernahme aber den 10. Juli angegeben habe, erklärte der BF auf Vorhalt damit, dass er tatsächlich bis zum 10.Juli beim Schwiegervater versteckt gewesen sei, den 27.Juni habe er genannt, weil es der Stichtag gewesen sei für seinen Entschluss auszureisen. Während der Zeit seines Aufenthalts beim Schwiegervater habe es keine weiteren ihn persönlich betreffenden Vorfälle gegeben. Es seien aber Soldaten zu seiner Mutter gekommen und hätten sie nach seinem Verbleib gefragt. Weshalb diese nicht zum Schwiegervater gekommen seien, erklärte der BF damit, dass dieser seinen Namen nicht genannt habe und er andererseits den Soldaten nicht bekannt gewesen sei.
Für den Fall der Rückkehr in die Heimat befürchte er ins Gefängnis zu kommen oder getötet zu werden, dies auf Verantwortung des FSB. Auch andernorts im Herkunftsstaat würde er nach so einem Vorfall nicht in Sicherheit leben können.
8. Mit dem angefochtenen Bescheid zu og. Zahl hat das Bundesasylamt den Asylantrag unter Hinweis auf § 7 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I), sowie die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Antragstellers in die Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig erklärt (Spruchpunkt II), und diesen gemäß § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russ. Föderation ausgewiesen (Spruchpunkt III).
Im Rahmen der Bescheidbegründung wurden seitens der erstinstanzlichen Behörde im Gefolge der Wiedergabe der erstinstanzlichen Einvernahmen des BF allgemeine Feststellungen zur Russ. Föderation, Feststellungen zur Lage in Tschetschenien, zur Lage von Tschetschenen in Inguschetien und deren Lage in der übrigen Russ. Föderation getroffen.
Festgestellt wurde weiters, dass Identität und Nationalität des BF nicht feststünden, sowie dass der vom BF behauptete Fluchtgrund mangels Glaubhaftmachung nicht als Sachverhalt feststellbar war. Auch sei nicht feststellbar gewesen, dass er im Herkunftsstaat keine Lebensgrundlage hätte oder bei einer Rückkehr in eine die Existenz bedrohende Lage geraten würde.
Im Rahmen ihrer Beweiswürdigung führte die Behörde unter Bezugnahme auf die Aussagen des BF u.a. aus, dass seine Identität mangels Vorlage eines Personaldokumentes nicht nachvollziehbar war, im Übrigen sei aber von der Herkunft des BF aus der Russ. Föderation und dieser Staatsangehörigkeit auszugehen.
Darüber hinaus hätten sich jedoch verschiedene Widersprüche in den Angaben des BF im Laufe seiner Befragungen ergeben, die im Einzelnen dargelegt wurden (vgl. AS 349, 351, 353). Angesichts dieser Widersprüche in seinen Kernaussagen sei auch dem übrigen Vorbringen des BF die Glaubwürdigkeit versagt worden. Das Vorbringen sei darüber hinaus mit Fortdauer des Verfahrens gesteigert worden. Die vom BF geäußerten Rückkehrbefürchtungen seien auch angesichts dessen nicht nachvollziehbar, da er die Heimat legal mit seinem Reisepass verlassen habe und deshalb ein behördliches Interesse am BF offenkundig nicht bestanden habe.
Mangels Glaubhaftmachung einer begründeten Furcht vor Verfolgung sei daher das Asylbegehren abzuweisen gewesen. Im Hinblick darauf sowie in Ermangelung sonstiger allgemeiner Gefahrenmomente habe sich auch kein Grund für die Annahme einer Gefährdung iSd § 50 FPG ergeben. Eine besonders schwere Erkrankung auf Seiten des BF sei ebenso nicht erkennbar gewesen. Seine Abschiebung stelle sich daher als zulässig dar. Seine Ausweisung stelle wiederum keine Verletzung des Art. 8 EMRK dar, weshalb sie als rechtskonform anzusehen sei.
9. Gegen diesen mit 10.10.2006 beim Postamt hinterlegten und ab diesem Tag zur Abholung bereitgestellten Bescheid richtete sich die fristgerecht mit Telefax vom 23.10. beim BAA eingebrachte Berufung (nunmehr: Beschwerde), mit der die erstinstanzliche Entscheidung in allen Spruchpunkten bekämpft wurde.
Neben der inhaltlich identen Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens wurde darin in teils exaltierter und unsachlicher Weise auf eine tschetschenen-feindliche Politik der russischen Behörden und eine ebensolche Haltung der russ. Bevölkerung sowie auf eine unsachliche bzw. rechtswidrige Verfahrensführung durch die belangte Behörde angespielt, wobei der Wortlaut dieser Ausführungen aus diesem Grunde an dieser Stelle nicht wiedergegeben wird.
Nachdem dieser Berufungsschriftsatz nicht vom BF selbst unterfertigt war, eine Bevollmächtigung eines Vertreters ebenso nicht aufschien, wurde der BF von der Berufungsbehörde unter Hinweis auf § 13 Abs. 4 iVm § 63 AVG aufgefordert eine eigenhändig unterfertigte Berufung vorzulegen. Dieser Aufforderung kam der BF mit 13.12.2006 nach.
10. Am 12.07.2007 führte der Unabhängige Bundesasylsenat als ehemalige Berufungsbehörde eine mündliche Verhandlung in der Sache des BF sowie seiner Familienangehörigen im Beisein derselben durch. Das Bundesasylamt nahm an der Verhandlung entschuldigt nicht teil.
Zusammengefasst ergänzte der BF dabei auf Befragen sein bisheriges Vorbringen zu seinem persönlichen Werdegang bis zu den Flucht auslösenden Ereignissen sowie zum genauen Hergang der Ereignisse anlässlich seiner Festnahme und Anhaltung und der folgenden Zeit bis zur Ausreise am 11.07.2004. Ergänzend wurde auch die Gattin des BF befragt.
Den genauen Hergang dieser Verhandlung bzw. den Inhalt der entsprechenden Aussagen der BF im Einzelnen betreffend wird wegen des Umfangs dieser Fakten an dieser Stelle auf die im Akt befindliche Verhandlungsschrift verwiesen.
Im Rahmen dieser Berufungsverhandlung wurden auch die in der Verhandlungsschrift angeführten Länderinformationsquellen in das Beweisverfahren eingeführt.
11. Im Gefolge dieser Verhandlung versuchte die Berufungsbehörde mit Zustimmung des BF im Wege der österr. Vertretungsbehörde in Polen die laut BF bei der polnischen Asyl- und Fremdenbehörde befindlichen russ. Personaldokumente beizuschaffen. Dies gelang jedoch trotz fortgesetzter Korrespondenz und wiederholter dringlicher Anfragen nicht, wobei entgegen der Zusicherung der polnischen Behörde, dass die entsprechenden Dokumente abholbereit wären, zuletzt der bei der österr. Vertretungsbehörde akkreditierte Verbindungsbeamte des BM f. Inneres nach wiederholter Anfrage am 01.09.2008 dem Asylgerichtshof mitteilte, dass diese Dokumente nicht auffindbar waren.
12. Zuletzt wurde dieses Ergebnis mit Post vom 15.09.2008 den BF im Wege ihres Zustellbevollmächtigten mitgeteilt und diese aufgefordert allfällige Personaldokumente anher zu übermitteln. Unter einem wurde den BF sowie der erstinstanzlichen Behörde auch aktuelles länderkundliches Berichtsmaterial zur Lage im Herkunftsstaat, welches zur Entscheidungsfindung herangezogen wird, zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit zur abschließenden Stellungnahme eingeräumt. Diese Post an den Zustellbevollmächtigten des BF gelangte zwar unbehoben zum Asylgerichtshof zurück, im Lichte vergangener Zustellprobleme mit diesem Zustellbevollmächtigten war dem BF selbst auch eine Kopie dieser Post zugestellt worden. Dieser bevollmächtigte in der Folge einen anwaltlichen Vertreter mit seiner Vertretung im gg. Verfahren und gelangte dieser in der Folge in Kenntnis und Besitz der Post vom 15.09. an den BF. Deren Zustellung an den BF war aus dieser Sicht als saniert anzusehen.
13. Mit Post vom 24.09.2008 legte dieser anwaltliche Vertreter des BF nunmehr als Identitätsnachweise die russ. Inlandspässe des BF und seiner Gattin sowie die Geburtsurkunden der beiden Söhne, jeweils im Original, vor. Diese seien kürzlich von der in Belgien lebenden Schwester der Gattin des BF in Polen selbst abgeholt und dem BF übermittelt worden.
Unter einem wurde eine abschließende Stellungnahme zum Ländervorhalt des Asylgerichtshofs abgegeben, wobei unter Hinweis auf die diesen Unterlagen zu entnehmende Verschlechterung der Sicherheitslage in Inguschetien und das als glaubwürdig vorgetragen zu erachtende Vorbringen zu den Ausreisegründen von einer fortdauernden Verfolgungsgefahr für den BF, ausgehend von den russ. Sicherheitskräften, auszugehen sei. Im Hinblick auf die Frage einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative in anderen Teilen der Russ. Föderation wurde vorgetragen, dass eine solche in Anbetracht der Schwierigkeiten russ. Staatsbürger aus dem Nordkaukasus, in der übrigen Russ. Föderation eine legale Niederlassung zu erlangen, und mangels familiären Rückhalts in diesen Landesteilen nicht gegeben sei.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1. Beweis erhoben wurde durch:
Einsichtnahme in den Verwaltungsakt des BF sowie den seiner Gattin
Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie Befragung des BF und seiner Gattin
Ergänzende länderkundliche Ermittlungen durch Beischaffung der folgenden, im Akt befindlichen Berichte bzw. Informationsquellen:
Schweizer. Bundesamt f. Migration: Focus Russland, 4 Republiken des Nordkaukasus; 18.08.2005
Internat. Helsinki Federation for Human Rights: The situation of IDPs in Ingushetia after the armed incursion of 21/22 June 2004; 04.08.2004
ACCORD Anfragebeantwortung: Russ. Föd.-Inguschetien; 11.10.2006
Memorial: Menschen aus Tschetschenien in der Russ. Föd.; Juli 2005-Juli 2006
BBC News: Regions and Territories - Ingushetia: Internetauszug v. 27.04.2007
APA Online: Berichte zu den Ereignissen in Inguschetien v. 22.06.2004
div. Kartenmaterial MSN Encarta zu Inguschetien
Dt. Auswärtiges Amt: Bericht zur Lage in der Russ. Föd.; 13.01.2008
Schweizer. Bundesamt f. Migration: Kuranalyse Russland, Aktuelle Lage in Inguschetien, 31.07.2008
Memorial: The Situation in North Caucasus, Winter 2007/2008- March 2008
Human Rights Watch: ¿As if they fell from sky', Counterinsurgency, rights violations and rampant impunity in Ingushetia, Summary; Juni 2008
2. Auf der Grundlage des durchgeführten Beweisverfahrens gelangte der Asylgerichtshof zu folgenden entscheidungswesentlichen Feststellungen:
2.1. Zur Person und zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers (BF):
Der BF mit den Personalien B.T. ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, ethnischer Ingusche und Moslem, verheiratet und Vater von drei mj. Kindern. Geboren im Dorf K. in der russ. Teilrepublik (Nord)Ossetien, wuchs er ab Mitte der 70er Jahre in Inguschetien im Ort A. auf, wohin er mit seinen Eltern und seinen beiden Geschwistern gezogen war. Dieser Ort liegt im Grenzgebiet der Teilrepubliken Tschetschenien und Inguschetien. Sein Vater kam im Zuge der Unruhen im Jahr 1992 um. Dieser stellt einen historischen Konfliktherd zwischen den beiden Teilrepubliken Nordossetien und Inguschetien dar und wird von beiden Republiken beansprucht, ist aber Teil Nordossetiens. 1992 kam es zu gewaltsamen Übergriffen auf Angehörige der inguschetischen Volksgruppe in diesem Bezirk, denen eine gewaltsame Vertreibung derselben folgte. Seither leben zahlreiche inguschetische Binnenvertriebene in permanenten Flüchtlingsunterkünften in Inguschtien, so auch die Schwiegereltern des BF, die sich seither im Dorf J.aufhalten. 1992 heiratete der BF seine dzt. Lebensgefährtin bzw. Gattin nach traditionellem Ritus, der Verbindung entstammen die beiden 1993 und 1995 in der Heimat geborenen Söhne sowie ein 2006 in Österreich nachgeborenes Kind. Der BF absolvierte eine Ausbildung zum Schweißer und ging diesem Beruf bis zu den die Flucht auslösenden Ereignissen nach.
Am einem nicht näher bestimmbaren Tag im März 2004 kam es zu einem Anschlag auf einen Militärtransporter der russ. föderalen Truppen im Heimatort des BF, dem mehrere Soldaten zum Opfer fielen. Im Zuge der daraufhin eingeleiteten Fahndungsmaßnahmen der russischen Truppen, die im Ortsgebiet einen Truppenstützpunkt unterhielten, geriet der BF in zufälliger Weise in das Visier derselben, er wurde festgenommen und für mehrere Wochen festgehalten. Ihm wurde die Unterstützung von bewaffneten Untergrundkämpfern unterstellt und wurde er im Zuge der Verhöre in verschiedener Form misshandelt. Nach dieser mehrwöchigen Anhaltung gelang es seinen Verwandten, insbesondere seinem Schwiegervater, über persönliche Kontakte zu den lokalen Verwaltungsbeamten den Anhalteort des BW zu erfahren und ihn gegen Bestechung der russischen Militärs freizukaufen. Im Anschluß daran hielt er sich für längere Zeit bei seinen Schwiegereltern versteckt. Im Gefolge des allgemein bekannten Angriffs mutmaßlicher tschetschenischer Untergrundkämpfer auf verschiedene staatliche Einrichtungen in Inguschtien, insbesondere in der Stadt N., in der Nacht des 21.06.2004 und den damit einhergehenden bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den Angreifern und Vertretern der Sicherheitsbehörden, denen Berichten zufolge bis zu 100 Mitglieder der Konfliktparteien sowie eine ungenannte Zahl an Zivilisten zum Opfer fielen, wurden von staatlichen Sicherheitsbehörden auf inguschetischem Gebiet groß angelegte Fahndungsmaßnahmen durchgeführt, die wiederum Berichten zufolge bis in den August 2004 andauerten und sich insbesondere gegen Mitglieder der tschetschenischen Volksgruppe richteten. Angesichts dieser behördlichen Aktivitäten entschloss sich der BF auf Anraten seines Schwiegervaters aus begründeter Furcht vor eventuellen weiteren, gegen ihn gerichteten Verfolgungsmaßnahmen zur Ausreise aus dem Herkunftsstaat gemeinsam mit seinen Familienangehörigen.
Ob Mitglieder staatlicher Sicherheitsbehörden in der Zeit bis zur Ausreise am 11.07.2004 die Mutter des BF am früheren gemeinsamen Wohnsitz aufsuchten und dort nach dem Verbleib des BF fragten, und ob es auch in der Zeit nach der Ausreise aus dem Herkunftsstaat zu weiteren Fahndungsmaßnahmen den BF betreffend bei der Mutter des BF gekommen war, dies möglicher Weise im Zusammenhang mit dem Vorfall vom März 2004 oder aus anderweitigen Gründen, ließ sich nicht mit hinreichender Gewissheit feststellen.
Im Zusammenhang mit den vom BF geschilderten Ereignissen im März 2004 und im Lichte der aktuellen Ländersituation im Herkunftsstaat besteht jedoch hinreichend Grund zur Annahme, dass der BF seitens der staatlichen Sicherheitskräfte dem bewaffneten islamistisch-separatistischen Untergrund in den kaukasischen Teilrepubliken zugerechnet und deshalb bei einer Rückkehr in die engere Heimat neuerlich in deren Blickfeld geraten würde, was in gezielte Verfolgungshandlungen von asylrelevantem Ausmaß gegen den BF münden könnte.
2.1.1. Vor diesem Hintergrund ist auch nicht mit hinreichender Gewissheit auszuschließen, dass der BF auch außerhalb seiner engeren Heimat asylrelevanter Bedrohung in Form eines eventuellen Zugriffs staatlicher Sicherheitsorgane wegen des Verdachts der früheren Beteiligung an Aktivitäten des bewaffneten Widerstands in den engeren Heimat des BF ausgesetzt wäre, bzw. steht nicht fest, dass er dagegen effektiven behördlichen Schutz zu erwarten hätte. Schon weil sich die Hoheitsgewalt der russischen Regierung auf das gesamte Staatsgebiet erstreckt, steht dem BF in diesem Lichte keine taugliche innerstaatliche Schutzalternative zur Verfügung.
2.2. Zur Lage in der Russischen Föderation einschließlich Inguschetien:
2.2.1. Bereits die erstinstanzliche Behörde legte ihrer Entscheidung die im erstinstanzlichen Bescheid dargestellten Feststellungen zur Sicherheitslage in Tschetschenien und Inguschetien sowie zur Lage von Tschetschenen und anderen Kaukasiern in der Russ. Föderation zugrunde, die im Hinblick darauf auch zum Inhalt der gg. Entscheidung der Berufungsbehörde erhoben werden.
In Ergänzung dazu trifft die Berufungsbehörde ergänzende Länderfeststellungen zur Entwicklung in Inguschetien und der übrigen Russ. Föderation in folgender Form:
2.2.2. Der ungelöste Tschetschenienkonflikt hatte in den vergangenen Jahren auf die Nachbarrepubliken im Nordkaukasus übergegriffen und die gesamte Region destabilisiert. Trotz der mittlerweile eingetretenen Beruhigung der Lage in Tschetschenien blieben die Nachbarrepubliken Unruheherde, insbesondere Inguschetien und Dagestan. Die gesamte Region leidet in besonderem Maße unter wirtschaftlicher Unterentwicklung, Korruption, ethnischen Spannungen und der Machtausübung durch einzelne Clans.
In Inguschetien wird die Sicherheitslage inzwischen von internationalen Organisationen (u.a. den UN) als schlechter als in Tschetschenien eingeschätzt. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen kommt es in Inguschetien zu schweren Menschenrechtsverletzungen einschließlich extralegaler Tötungen und dem "Verschwinden" von Zivilisten, verübt durch russische wie einheimische Sicherheitskräfte und tschetschenische Rebellen, denen sich immer mehr Inguschen anschließen.
Noch im Verlauf des Jahres 2007 gab es Presseberichten zufolge wiederholte Terroranschläge gegen staatliche Einrichtungen sowie bewaffnete Auseinandersetzungen auf inguschetischem Gebiet zwischen staatlichen Sicherheitskräften und islamistischen Kämpfern, nachdem russ. Sicherheitskräfte ihre Aktivitäten in Inguschetien verstärkten und zusätzliche Einheiten nach Inguschetien verlegt wurden.
2.2.2.1. In den letzten Monaten haben Nichtregierungsorganisationen Berichte zur Menschenrechtssituation veröffentlicht, die im Resultat übereinstimmen: Die Sicherheitslage hat sich seit Jahren verschlechtert, in den letzten Monaten rapide. Kommentatoren sehen Inguschetien kurz vor Kriegsausbruch. Qualitativ haben sich vor allem die Angriffe auf Einrichtungen der Justiz und der Verwaltung verändert, da heute auch mitten im Zentrum von Nazran Bomben explodieren und Freischärler am helllichten Tag auf Funktionsträger schießen.
Über die Rebellen liegen nur spärliche Informationen vor. Sie sehen sich als Bestandteil des im Oktober 2007 vom tschetschenischen Rebellenführer Dokku Umarov "Abu Usman" ausgerufenen "Emirates Kaukasus". "Amir Magas", ein Ingusche aus Grozny, ist Kommandant der gesamten "Kaukasus-Front", zu der neben Inguschetien auch das "Vereinigte Welajat Kabarda, Balkaria und Karatschaj" gehört. Er ist als "Militär-Emir des Emirates Kaukasus" und Nachfolger von Shamil Basajew zugleich einer der höchsten Funktionsträger der Rebellen im gesamten Kaukasus. Dies verdeutlicht die Bedeutung Inguschetiens für die Freischärler. Bereits während den Tschetschenien-Kriegen waren Inguschen auf Seiten der Rebellen aktiv und vor allem in der Nähe von Schamil Basajew anzutreffen. Da die Rebellen relativ ungehindert zwischen verschiedenen Republiken zirkulieren können, ist keine Angabe über ihre Stärke möglich. Sie verfolgen keine nationalistisch-politische Agenda, sondern haben sich das absolute Ziel gesetzt, die Scharia im gesamten Nordkaukasus, von Aserbaidschan bis Sotschi, zum allein gültigen Gesetz zu machen und das Territorium "von Ungläubigen zu säubern". Feinde sind sowohl die "russischen Okkupanten" als auch Mitarbeiter lokaler Verwaltungen und Sicherheitskräfte, die sie als "vom Glauben Abgefallene" (murtad) und "Heuchler" (munafiq) aus der Gemeinschaft der Muslime ausschließen.
Zentrales Problem ist das Versagen der Regierung, die ebenso wenig wie die Islamisten der Bevölkerung konkrete Lösungen für die wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten anzubieten hat und mit hilfloser Gewalt die Rebellen eher stärkt als sie schwächt. Der Afghanistan-Veteran Ruslan Auschew verfolgte als erster Präsident einen relativ unabhängigen Kurs und versuchte während des Ersten Tschetschenienkrieges, die Republik aus Kämpfen herauszuhalten. Dies brachte ihm bei der Bevölkerung zwar Popularität ein, beim russischen Militär dagegen offenen Hass. Nach Ausbruch des Zweiten Tschetschenien-Krieges wurde er 2002 vorzeitig durch den Geheimdienst-Offizier Murat Zjazykow ersetzt. Diese Rochade ermöglichte zwar ein koordinierteres und härteres Vorgehen gegen die tschetschenischen Rebellen im bisherigen "Ruheraum", führte aber auch zu massiven Akzeptanzproblemen wegen Zjazykows schlechten Leistungsausweises und Repression.
Immer dominierender wird die Rolle der russischen Sicherheitskräfte. Am 25. Juli 2007 startete der russische Innenminister "komplexe prophylaktische Operationen", im August 2007 wurden zusätzliche 2500 Mitglieder des russischen Innenministeriums stationiert. Damit sind "Spezialoperationen" unter Sonderrecht in quasi rechtsfreiem Raum möglich. Übergriffe der Sicherheitskräfte sind ausführlich und überzeugend dokumentiert. Es gibt konkrete Hinweise auf so genannte "Todesschwadronen", denen extralegale Tötungen und Übergriffe auf Oppositionelle vorgeworfen werden. Böses Blut schaffen vor allem auch Verschleppungen Verdächtiger in das mehrheitlich von Christen bewohnte Nord-Ossetien, zu dem Inguschetien wegen des ungelösten Konfliktes ein äußerst angespanntes Verhältnis hat.
Zwischen den islamistischen Rebellen und den Behörden herrscht mittlerweile Krieg. Die Angriffe erfolgen immer häufiger und brutaler. Dabei attackieren die Rebellen teilweise in größeren Verbänden Stützpunkte und beschießen die Häuser von Offizieren und Politikern mit Granaten. Sonderkommandos ermorden oder entführen Zielpersonen, Polizisten und Soldaten müssen mit Hinterhalten und Bombenanschlägen auf offener Strasse rechnen. Im Internet kursieren Listen der zu tötenden Offiziere mit genauen Adressangaben. Nach offiziellen Angaben kamen in der ersten Jahreshälfte 2008 zwölf Polizisten und sechs Militärangehörige in Inguschetien ums Leben, Verletzungen unterschiedlicher Schwere erlitten Mitarbeiter des Innenministeriums, 17 Militärangehörige und sieben Zivilpersonen. Zusammen mit Mitgliedern der Nomenklatura und der gemäßigten Geistlichkeit sind Angehörige der Justiz und der Sicherheitskräfte besonders von Verfolgung durch die Rebellen bedroht. Zunehmend nehmen diese aber auch Bürger ins Visier, die sich "unislamisch" verhalten.
Die staatliche Repression wendet sich gegenwärtig genauso stark gegen friedlichen Protest wie gegen die gewalttätigen Islamisten und nimmt zu Mitteln Zuflucht, die an den zweiten Tschetschenienkrieg erinnern: Abriegelung ganzer Ortschaften mit Hausdurchsuchungen und Personenkontrollen (zatschistka), Verschleppungen und Verschwindenlassen Verdächtiger, Gewalt gegen Protestanten und Vertreter der Zivilgesellschaft. Nach Angaben der Opposition sind zwischen 2002 und 2007 in Inguschetien 158 Personen "verschwunden" und über 700 getötet worden.
Die Gewalt ist über die ganze Republik verteilt, obwohl sich Anschläge auf Nazran und den Kavkaz-Highway im Raum Karabulak ñ Ordzhonikidzewskaja konzentrieren. Als islamistische Hochburgen gelten Surkhakhi, Sagopshi, Ekazhewo und Jandary. Dennoch besteht ein qualitativer Unterschied zu Tschetschenien: Die staatliche Gewalt wird zielgerichtet zur Bekämpfung individueller Ziele eingesetzt. Es gibt keine flächendeckenden Militäreinsätze mit Bombardierungen ziviler Objekte. Die Infrastruktur ist intakt, das Alltagsleben wird durch Sicherheitsprobleme zwar eingeschränkt, jedoch nicht verunmöglicht. Es kam daher bislang zu keinen nennenswerten Fluchtbewegungen.
2.2.3. Rückkehrfragen:
Es sind keine Fälle bekannt, in denen russische Staatsangehörige allein deshalb bei ihrer Rückkehr nach Russland staatlich verfolgt wurden, weil sie zuvor im Ausland einen Asylantrag gestellt hatten.
Der Kontrolldruck gegenüber kaukasisch aussehenden Personen hat etwas abgenommen, wenngleich russische Menschenrechtsorganisationen nach wie vor von einem willkürlichen Vorgehen der Miliz gegen Tschetschenen allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit berichten. Kaukasisch aussehende Personen stünden unter einer Art Generalverdacht. Personenkontrollen (Ausweis, Fingerabdrücke) auf der Straße, in der U-Bahn und Hausdurchsuchungen (häufig ohne Durchsuchungsbefehle) haben aber an Intensität abgenommen. Kontrollen von kaukasisch aussehenden oder aus Zentralasien stammenden Personen erfolgen seit Jahresbeginn 2007 zumeist im Rahmen des verstärkten Kampfes der Behörden gegen illegale Migration und Schwarzarbeit.
Russischen Staatsbürgern steht das Recht der freien Wahl des Wohnsitzes und des Aufenthalts in der Russischen Föderation zu. Diese Rechte sind in der Verfassung verankert. Jedoch wird in der Praxis an vielen Orten (u.a. in großen Städten, wie z.B. Moskau und St. Petersburg) der legale Zuzug von Personen aus den südlichen Republiken der Russischen Föderation durch Verwaltungsvorschriften stark erschwert.
Mit dem Föderationsgesetz von 1993 wurde ein Registrierungssystem geschaffen, nach dem die Bürger den örtlichen Stellen des Innenministeriums ihren gegenwärtigen Aufenthaltsort ("vorübergehende Registrierung") und ihren Wohnsitz ("dauerhafte Registrierung") melden müssen. Die Registrierung legalisiert den Aufenthalt und ermöglicht den Zugang zu Sozialhilfe, staatlich geförderten Wohnungen und zum kostenlosen Gesundheitssystem sowie zum legalen Arbeitsmarkt. Voraussetzung für eine Registrierung ist die Vorlage des Inlandspasses und nachweisbarer Wohnraum. Nur wer eine Bescheinigung seines Vermieters vorweist, kann sich registrieren lassen. Kaukasier haben laut Angaben von Menschenrechtsvertretern jedoch größere Probleme als Neuankömmlinge anderer Nationalität, überhaupt einen Vermieter zu finden. Viele Vermieter weigern sich zudem, entsprechende Vordrucke auszufüllen, u. a. weil sie ihre Mieteinnahmen nicht versteuern wollen.
Nichtregistrierte Tschetschenen können innerhalb Russlands allenfalls in der tschetschenischen Diaspora untertauchen und dort überleben. Wie ihre Lebensverhältnisse sind, hängt insbesondere davon ab, ob sie über Geld, Familienanschluss, Ausbildung und russische Sprachkenntnisse verfügen. Menschenrechtler beklagen eine Zunahme von Festnahmen wegen fehlender Registrierung oder aufgrund manipulierter Ermittlungsverfahren. Im Lichte des oben Gesagten trifft dies anzunehmender Weise auch auf Angehörige anderer kaukasischer Volksgruppen zu. Eine Registrierung ist in vielen Landesteilen oft erst nach Intervention von Nichtregierungsorganisationen, Duma-Abgeordneten, anderen einflussreichen Persönlichkeiten, oder durch Bestechung möglich. Eine Registrierung als Binnenflüchtling (IDP, internally displaced person) und die damit verbundene Gewährung von Aufenthaltsrechten und Sozialleistungen (Wohnung, Schule, medizinische Fürsorge, Arbeitsmöglichkeit) wird in der Russischen Föderation laut Berichten von amnesty international und UNHCR regelmäßig verwehrt.
2.2.4. Diese Feststellungen beruhen auf den unter II.1. genannten Länderinformationsquellen., wobei anzumerken ist, daß die unter II.2.2. in den wesentlichen Passagen wiedergegebenen und grundsätzlich als neutral zu bewertenden Stellungnahmen der deutschen und schweizer. Behörden inhaltlich mit den detaillierten Berichten der oben angeführten nationalen und internationalen Nicht-Regierungsorganisationen Deckung finden.
3. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich auf der Grundlage folgender Erwägungen:
3.1. Die Feststellungen zur Person und zu den Fluchtgründen des BF gründen sich auf den erstinstanzlichen Verfahrensakt sowie die detaillierten Angaben des BF und seiner Gattin in der deren Rechtssache betreffenden Berufungsverhandlung, wobei hierzu wie folgt auszuführen ist:
Das oben unter I. wiedergegebene ergänzende Ermittlungsverfahren der Berufungsbehörde bzw. Asylgerichtshofs beinhaltete insbesondere die Durchführung einer Berufungsverhandlung sowie die Ergänzung bzw. Aktualisierung der länderkundlichen Feststellungen. Im Zuge dessen wurde dem BF auch seitens der Berufungsbehörde, wie von ihm ausdrücklich beantragt, die Möglichkeit gegeben durch seine persönlichen Aussagen vor dem erkennenden Mitglied der Behörde die Glaubwürdigkeit seiner gesamten Angaben zu etablieren, dies ergänzt durch die Angaben seiner ebenfalls von der Berufungsbehörde befragten Gattin. Die Berufungsbehörde legte dabei im Hinblick auf die von der erstinstanzlichen Behörde aus deren Sicht gegebenen fehlenden Glaubwürdigkeit der gegenüber den als plausibel erachteten Ereignissen vom 21.06.2004 in N., denen auch der BF unverschuldet zum Opfer gefallen sei, dem BF nach gegen ihn gerichteten Fahndungsmaßnahmen bis zur Ausreise besonderes Augenmerk auf die detaillierte Schilderung der Ereignisse, zumal sich aus Sicht der Berufungsbehörde an die Behauptungen des BF bei Wahrunterstellung durchaus ein mögliches Verfolgungsrisiko im Falle eines Aufenthalts im Herkunftsstaat knüpfen konnte.
Dieses ergänzende Ermittlungsverfahren ergab schließlich ein in seinen Einzelheiten im Wesentlichen widerspruchsfreies und plausibles Gesamtbild, wobei sich auch in der Gegenüberstellung der Aussagen der beiden Ehegatten keine maßgeblichen Widersprüche ergaben. Für den Asylgerichtshof war daher glaubwürdig, dass der BF wie von ihm behauptet unverschuldet ins Visier staatlicher Fahndungsmaßnahmen geraten war, vor denen er aus Furcht vor weiteren schwerwiegenden Folgen derselben für seine körperliche Integrität außer Landes floh.
Zu betonen ist weiters, dass ja bereits die erstinstanzliche Behörde den Schilderungen des BWF über seine unverschuldete Verwicklung in die Ereignisse des 21.06.2004 Glauben schenkte, und dass sie auch Fahndungsmaßnahmen, die sich gegen ihn persönlich gerichtet haben könnten, im unmittelbaren Gefolge des 21.06.2004 für plausibel hielt. Im Lichte der ergänzend herangezogenen Länderinformationen war darüber hinaus festzustellen, dass zum einen derlei Fahndungsmaßnahmen in Inguschetien bis in den August 2004, also bis zum Zeitpunkt der Ausreise des BF, anhielten, und dass es zum anderen in weiterer Folge zu einer sukzessiven Verschlechterung der Sicherheitslage in dieser Republik gekommen ist, die sich in bis dato anhaltenden bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den Konfliktparteien und in sogen. anti-terroristischen Operationen der staatlichen Sicherheitskräfte gegen die Bevölkerung ausdrückt.
Vor diesem Hintergrund war es daher als durchaus plausibel und hinreichend wahrscheinlich anzusehen, dass ein gegen den BF gerichtetes Verfolgungsrisiko wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit im Zusammenhang mit seiner Involvierung in die Ereignisse von 2004 und seiner damaligen Festnahme und Anhaltung bis dato fortbesteht, zumal eine ihm unterstellte frühere Beteiligung am bewaffneten Widerstand gegen die staatlichen Strukturen auch in eine fortgesetzte Bedrohung für ihn im Falle der Rückkehr in die Heimat seitens der staatlichen Sicherheitskräfte resultieren kann, wie sich dies aus den länderkundlichen Feststellungen ableiten lässt.
Der Sachverhaltsaspekt der behaupteten behördlichen Suche nach dem BF im Gefolge seiner Freilassung bis zur Ausreise bzw. auch danach (vgl. oben unter I.2.1.) war im Lichte dieser Erwägungen nicht mehr entscheidungswesentlich. Dieses Vorbringen konnte dahin gestellt bleiben, weil sich bereits aus dem übrigen festgestellten Sachverhalt insbesondere im Zusammenhang mit den Feststellungen zur aktuellen Lage in Inguschetien eine hinreichende Verfolgungsgefahr den BF betreffend ableiten ließ.
3.2. Die Feststellungen zur Situation in der Russischen Föderation einschließlich Dagestans und Tschetscheniens stützen sich auf die zitierten Quellen. Angesichts der Seriosität dieser Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht für die Berufungsbehörde kein Grund, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln.
III. Rechtlich ergibt sich folgendes:
1. Gemäß § 75 (1) AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005, sind alle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. Das gegenständliche Verfahren ist somit nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997, in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003 (AsylG) zu führen.
Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005, diesem hinzugefügt durch Art. 2 Z. 54 Asylgerichtshofgesetz AsylGHG 2008, sind am 1. Juli 2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof weiterzuführen. Gem. § 75 Abs. 7 Z. 1 haben Mitglieder des Unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofs ermannt wurden, alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in den bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen. Im gg. Fall war daher vor dem Hintergrund des oben dargestellten Verfahrensverlaufs der unten zeichnende Richter des Asylgerichtshofs als Einzelrichter zur Fortsetzung des vor dem 1. Juli 2008 begonnenen Verfahrens und zur Entscheidung über die gg. Anträge des BF berufen.
Gem. § 23 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I, Nr. 4/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idgF sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr.51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, weshalb im gegenständlichen Fall im hier ersichtlichen Umfang das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr.51 zur Anwendung gelangt.
2. Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat der Asylgerichtshof, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
3. Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht und keiner der in Artikel 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt der dem § 7 AsylG 1997 zugrundeliegenden, in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung (vgl. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334). Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sei, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (vgl. VwGH 25.1.2001, 2001/20/0011; VwGH 21.09.2000, 2000/20/0241; VwGH 14.11.1999, 99/01/0280). Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 19.04.2001, 99/20/0273; VwGH 22.12.1999, 99/01/0334). Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, 98/20/0233; VwGH 09.03.1999, 98/01/0318).
Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, und ist ihm dort die Inanspruchnahme inländischen Schutzes auch zumutbar, so liegt eine inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. VwGH 24.3.1999, 98/01/0352; 15.3.2001, 99/20/0134; 15.3.2001, 99/20/0036). Das einer "inländischen Fluchtalternative" innewohnende Zumutbarkeitskalkül setzt voraus, dass der Asylwerber im in Frage kommenden Gebiet nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen (VwGH 8.9.1999, 98/01/0614, 29.3.2001, 2000/20/0539).
3.1. Vor dem Hintergrund der unter Punkt II.2.1. getroffenen Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat besteht für den BF angesichts des zu seinem Vorbringen festgestellten Sachverhalts aus den nachfolgend dargestellten Gründen eine objektiv nachvollziehbare Verfolgungsgefahr:
Der BF geriet während seines Aufenthalts in der Heimat bis August 2004 in das Blickfeld der russischen Sicherheitskräfte in Inguschetien, dies im Zuge der allgemein bekannten Ereignisse in Inguschetien am 21.06.2004 in der von ihm dargelegten und oben festgestellten Form.
Er gehört in Anbetracht dieser Ereignisse zu einem Personenkreis, dem ein Naheverhältnis zu tschetschenischen bzw. islamistischen, auch inzwischen in Inguschetien äußerst aktiven Separatisten bzw. Widerstandskämpfern unterstellt wurde und der deshalb von anti-separatistischen Aktionen staatlicher Sicherheitskräfte gegen die Zivilbevölkerung besonders betroffen ist (vgl. zu einer ähnlichen Situation VwGH 16.6.1999, 98/01/0339). Aus diesem Grund ist auch mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass dem BF im Fall seiner Rückführung besondere Aufmerksamkeit seitens der russischen Militärkräfte bzw. der Vertreter der pro-russischen inguschetischen Behörden gewidmet würde. Er liefe in Anbetracht dessen Gefahr, festgenommen, festgehalten und im Zuge dieser Anhaltung misshandelt und eventuell auch gefoltert, schlimmstenfalls getötet zu werden. Diese Gefahrenlage ist durch die oben angeführten aktuellen Berichte zur Menschenrechtslage im Herkunftsstaat dokumentiert.
Rechtlich folgt daraus, dass der BF in Inguschetien konkreter Verfolgungsgefahr aus dem Grunde der (zumindest unterstellten) Unterstützung des bewaffneten Widerstands ausgesetzt wäre, dies insbesondere vor dem Hintergrund der Ereignisse im Jahre 2004 und der bis dato anhaltenden Zuspitzung der Auseinandersetzungen zwischen staatlichen und islamistischen Kräften in der Republik sowie der Verschlechterung der allgemeinen Sicherheitslage auch für die Zivilbevölkerung (vgl. hierzu oben).
Sein Vorbringen ist somit unter den Verfolgungstatbestand seiner ethnischen Zugehörigkeit in Verbindung mit einer (zumindest unterstellten) politischen Gesinnung im Sinne der Unterstützung des bewaffneten Widerstands gegen die (Stellvertreter der) russischen Regierung in Inguschetien subsumierbar.
Eine zumutbare inländische Fluchtalternative auf dem Gebiet der Russischen Föderation außerhalb Inguschetiens wäre darüber hinaus aus Sicht des Asylgerichtshofs auch aus den oben unter 2.1.1. getroffenen Gründen nicht mit hinreichender Gewissheit gegeben.
3.2. Zusammenfassend wird daher festgehalten, dass sich der BF aus wohlbegründeter Furcht, wegen der unter Punkt 3.1. dargestellten Gründe verfolgt zu werden, außerhalb der Russischen Föderation befindet und im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren und auch keiner der in Artikel 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- und Ausschlussgründe vorliegt. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
4. Gemäß § 12 AsylG war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.