TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/06 E13 314148-1/2008

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Veröffentlicht am 06.10.2008
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Spruch

E13 314.148-1/2008-7E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Markus STEININGER als Vorsitzenden und den Richter Dr. Friedrich KINZLBAUER als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Fr. Romana AHORNER über die Beschwerde der M.T., geb. 00.00.1974, StA. Aserbaidschan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 30.07.2007, FZ. 06 13.099-BAI, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Aserbaidschan, stellte am 03.12.2006 beim Bundesasylamt (BAA) einen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu wurde sie erstbefragt und zu den im Akt ersichtlichen Daten von einem Organwalter des BAA niederschriftlich einvernommen. Der Verlauf dieser Einvernahmen ist im angefochtenen Bescheid vollständig wieder gegeben, weshalb hierauf verwiesen wird.

 

Als Begründung für das Verlassen ihres Herkunftsstaates brachte sie im Wesentlichen vor, wegen der Probleme ihres Mannes ihr Heimatland verlassen zu haben. Dieser habe als Grenzbeamter einen Streit gehabt; in der Folge seien Männer zu ihnen nach Hause gekommen und hätten nach ihrem Mann gesucht, diesen aber nicht gefunden. Sie und ihre Kinder seien von diesen Männern mit dem Umbringen bedroht worden, sollten diese ihren Mann nicht finden.

 

Der Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich mit Bescheid des BAA vom 30.07.2007, FZ. 06 13.099-BAI, gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status einer Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Aserbaidschan, Berg Karabach, nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG wurde die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Aserbaidschan, Berg Karabach, verfügt (Spruchpunkt III.).

 

Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Vorbringen der BF hinsichtlich der behaupteten Bedrohung in wesentlichen Punkten als nicht glaubwürdig.

 

Dass sie aus Aserbaidschan, Berg Karabach, stamme und aserbaidschanische Staatsbürgerin sei, wurde für glaubwürdig erachtet. Ebenso sei glaubwürdig, dass sie von staatlicher Seite wegen ihrer Religion, ihrer Rasse, ihrer Volkszugehörigkeit und ihrer politischen Gesinnung niemals verfolgt oder misshandelt wurde.

 

Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 13.08.2007 innerhalb offener Frist Berufung [jetzt Beschwerde] erhoben. Hinsichtlich des Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (vgl. VwGH v. 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

 

Im Wesentlichen wurde im Beschwerdeschriftsatz die schon vor dem Bundesasylamt vorgetragene Bedrohung durch unbekannte Personen wiederholt und darauf hingewiesen, dass ihr Leben und das ihrer Familie in Gefahr gewesen sei, weil der Staat nicht in der Lage und Willens gewesen sei, sie zu schützen. Eine innerstaatliche Fluchtalternative sei nicht zur Verfügung gestanden.

 

Vom Bundesasylamt sei nicht darauf eingegangen worden, dass sie der Volksgruppe der Jeziden angehöre und deshalb Probleme gehabt habe. Sie seien wegen ihrer kurdischen Angehörigkeit immer unterdrückt worden. Ihre Kinder hätten nicht in die Schule gehen können, weil sie von den Armeniern als Kurden unterdrückt worden seien. Sie seien geschlagen, beschimpft und ausgelacht worden.

 

Vom BAA sei zudem nur ungenügend auf die Situation in ihrem Heimatland eingegangen worden. Ihr Sohn A. sei bei einem FA für Lungenkrankheiten in Behandlung und die anderen Kinder würden unter dem Erlebten leiden und schlecht schlafen.

 

Hinsichtlich des weiteren Verfahrensherganges bzw. des Vorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

 

II. Der AsylGH hat durch Einsicht in den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben und Folgendes festgestellt:

 

Beim gegenständlichen Verfahren handelt es sich um ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG.

 

Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom heutigen Tage, Zahl: E13 314.147, wurde der erstinstanzliche Bescheid vom 30.07.2007, Zahl:

06 13.098-BAI, - den Ehemann der BF betreffend - gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

 

III.1. Artikel 151 Abs. 39 Z. 1 und 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) lauten:

 

(39) Art. 10 Abs. 1 Z 1, 3, 6 und 14, Art. 78d Abs. 2, Art. 102 Abs. 2, Art. 129, Abschnitt B des (neuen) siebenten Hauptstückes, Art. 132a, Art. 135 Abs. 2 und 3, Art. 138 Abs. 1, Art. 140 Abs. 1erster Satz und Art. 144a in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. I Nr. 2/2008 treten mit 1. Juli 2008 in Kraft. Für den Übergang zur neuen Rechtslage gilt:

 

Z 1: Mit 1. Juli 2008 wird der bisherige unabhängige Bundesasylsenat zum Asylgerichtshof.

 

Z 4: Am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren sind vom Asylgerichtshof weiterzuführen. Beim Verwaltungsgerichtshof oder beim Verfassungsgerichtshof anhängige Verfahren über Beschwerden gegen Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates sind von diesen mit der Maßgabe weiterzuführen, dass als belangte Behörde der Asylgerichtshof gilt.

 

Gemäß § 61 (1) AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

2. [.....]

 

(2) [.....]

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

[......]

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Gem. § 23 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I, Nr. 4/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idgF sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr.51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, weshalb im gegenständlichen Fall im hier ersichtlichen Umfang das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr.51 zur Anwendung gelangt.

 

Gem. § 75 (1) des Asylgesetzes 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) idgF sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt. Die §§ 24, 26, 54 bis 57 und 60 dieses Bundesgesetzes sind auf diese Verfahren anzuwenden. § 27 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Behörde zur Erlassung einer Ausweisung zuständig ist und der Sachverhalt, der zur Einleitung des Ausweisungsverfahrens führen würde, nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurde. § 57 Abs. 5 und 6 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur Sachverhalte, die nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurden, zur Anwendung dieser Bestimmungen führen.

 

Gegenständliches Verfahren war am 31.12.2005 nicht anhängig, weshalb es nach den Bestimmungen des AsylG 2005 zu Ende zu führen war.

 

Das erkennende Gericht ist berechtigt, näher bezeichnete Teile des angefochtenen Bescheides zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses zu erheben, ohne sie wiederholen zu müssen (vgl. z.B. das Erk. d. VwGH vom 4. 10. 1995, 95/01/0045; VwGH 24. 11. 1999, 99/01/0280; auch VwGH 8. 3. 1999, 98/01/0278), weshalb im gegenständlichen Fall im bereits genannten Umfang auf den erstinstanzlichen Bescheid verwiesen wird.

 

Ebenso ist das erkennende Gericht berechtigt, auf die außer Zweifel stehende Aktenlage (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) zu verweisen, weshalb auch hierauf im gegenständlichen Umfang verwiesen wird.

 

III.2. Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Gemäß Abs. 3 leg. cit. kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

 

Auch der AsylGH (vorher UBAS) ist zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG berechtigt (vgl. dazu VwGH v. 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315 und Zl. 2000/20/0084). Eine kassatorische Entscheidung darf von der Berufungsbehörde nicht bei jeder Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes, sondern nur dann getroffen werden, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Die Berufungsbehörde hat dabei zunächst in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen, ob angesichts der Ergänzungsbedürftigkeit des ihr vorliegenden Sachverhaltes die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als "unvermeidlich erscheint". Für die Frage der Unvermeidlichkeit einer mündlichen Verhandlung i.S.d. § 66 Abs. 2 AVG ist es aber unerheblich, ob eine kontradiktorische Verhandlung oder nur eine Vernehmung erforderlich ist (vgl. etwa VwGH v. 14.03.2001, Zl. 2000/08/0200; zum Begriff "mündliche Verhandlung" i.S.d. § 66 Abs. 2 AVG siehe VwGH v. 21.11.2002, Zl. 2000/20/0084).

 

III.3. Gemäß § 2 Z 22 leg.cit. ist ein Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes, minderjähriges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, ist, sofern die Familieneigenschaft bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

 

Gemäß § 34 AsylG in der Fassung BGBl. I Nr. 100/2005 stellen Familienangehörige (§ 2 Z 22) eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder eines Asylwerbers einen Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

 

Gemäß Absatz 2 leg. cit. hat die Behörde auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Artikel 8 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) BGBl Nr. 210/1958, mit dem Familienangehörigen in einem anderen Staat nicht möglich ist.

 

Gemäß Absatz 4 leg.cit. hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Dies ist entweder die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid.

 

Im Hinblick darauf, dass der erstinstanzliche Bescheid des Ehemannes der Beschwerdeführerin durch Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom heutigen Tag, (Zahl: E13 314.147) behoben und die Angelegenheit gem. § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen wurde, kann im Sinne des § 34 Absatz. 4 AsylG, wonach die Verfahren "unter einem zu führen" sind, auch der den Asylantrag abweisende Bescheid der Beschwerdeführerin keinen Bestand haben (vgl. VwGH v. 18.10.2005, 2005/01/0402 bis 0404).

Schlagworte
Familienverfahren
Zuletzt aktualisiert am
29.01.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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