TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/06 S13 400858-1/2008

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Veröffentlicht am 06.10.2008
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Spruch

S13 400.858-1/2008/3E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Kirschbaum als Einzelrichterin über die Beschwerde des A.H. alias M.C. alias M.C. alias B. alias B.Y.alias B. alias L.C. alias A. alias S. alias F. alias Y. aliasM., 00.00.1986 alias 00.00.1980 alias 00.00.1983 alias 00.00.1977 alias 00.00.1976 alias 00.00.1981 geb., StA Algerien alias Marokko alias Westsahara alias staatenlos, gegen den Bescheid des Bundesasylamts vom 21.07.2008, FZ. 08 04.222-EAST OST zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 5, 10 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

Verwaltungsverfahren und Sachverhalt

 

Verfahren vor dem Bundesasylamt

 

Der Beschwerdeführer reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 11.07.2007 unter dem Namen M.A. einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Am selben Tag erfolgte eine Eurodac-Abfrage, die ergab, dass er bereits am 15.03.2004 in Deutschland einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte. Des Weiteren wurde die Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion Traiskirchen EAST in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Französisch durchgeführt. Dabei wurde der Beschwerdeführer mit dem Ergebnis der Eurodac-Abfrage konfrontiert.

 

Am 19.07.2007 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesasylamt nach erfolgter Rechtsberatung in Anwesenheit des Rechtsberaters sowie eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Französisch einvernommen.

 

Am 20.07.2007 richtete das Bundesasylamt an die zuständigen deutschen und italienischen Behörden eine Anfrage gemäß Art. 21 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrages zuständig ist (in der Folge: Dublin II-VO) betreffend eventueller früherer Aufenthalte des Beschwerdeführers in deren Staatsgebiet.

 

Die deutsche Behörde antwortete mit Schreiben vom 24.07.2007 und bestätigte u.a., dass das Asylverfahren des Beschwerdeführers am 08.09.2005 negativ abgeschlossen wurde.

 

Am 06.08.2007 stellte das Bundesasylamt an die zuständige deutsche Behörde ein Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 16 Abs.1 lit. e) der Dublin II-VO, das am nächsten Tag von der deutschen Behörde positiv beantwortet wurde.

 

Da dem Bundesasylamt in der Folge keine Meldeadresse mehr bekannt war, wurde die Mitteilung dem Beschwerdeführer durch Hinterlegung im Akt gemäß § 29 Abs. 3 AsylG mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 AsylG zurückzuweisen und dass zu diesem Zwecke seit dem 06.08.2007 Konsultationen mit Deutschland gemäß der Dublin II-VO geführt werden.

 

Am 28.09.2007 wurde das Asylverfahren gemäß § 24 Abs. 2 AsylG mit der Begründung eingestellt, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers wegen Verletzung seiner Mitwirkungspflicht (§ 15 AsylG) weder bekannt noch feststellbar sei und es wurde ein Festnahmeauftrag wegen Entzugs aus dem Asylverfahren (§28 AsylG) erlassen.

 

Nachdem der Beschwerdeführer aufgegriffen worden war, wurde er am 21.07.2008 in die EAST-Ost überstellt, wo unter Beteiligung eines geeigneten Dolmetschers für die arabische Sprache erneut Parteiengehör gewährt wurde.

 

Mit Bescheid vom selben Tag, FZ. 08 04.222-EAST OST, wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz, ohne in die Sache einzutreten, gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurück (in der Folge: angefochtener Bescheid).

 

Im angefochtenen Bescheid weist das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers mit der Begründung zurück, dass gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. e) der Dublin II-VO Deutschland für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist (I.). Der Beschwerdeführer wird gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Deutschland ausgewiesen und demzufolge festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Deutschland gemäß § 10 Abs. 4 AsylG zulässig ist (II.).

 

Beschwerde Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer am 29.07.2008 Beschwerde beim Bundesasylamt erhoben. Die Beschwerde langte am 05.08.2008 beim Asylgerichtshof ein.

 

In der Beschwerdeschrift bringt der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, er habe in Deutschland nur um politisches Asyl angesucht und suche nun in Österreich um menschliches Asyl / Bleiberecht an. Eine Abschiebung in die Türkei würde seine Zukunft zerstören. Im Falle der Abschiebung nach Deutschland würde dies einen Verlust von 18 Monaten seiner Zukunft bedeuten.

 

Beweismittel

 

Als Beweismittel hat der Asylgerichtshof die verschiedenen Vorbringen des Beschwerdeführers und weitere Beweismittel verwendet.

 

Parteivorbringen des Beschwerdeführers

 

1. In der Erstbefragung hat der Beschwerdeführer im Wesentlichen Folgendes angegeben:

 

Er heiße M.A. und sei Staatsangehöriger Algeriens. Er sei in Westsahara (Marokko) geboren und als Kleinkind mit seinen Eltern nach Algerien geflohen. Für dort besitze immer noch eine Aufenthaltsbewilligung, gültig bis 2009.

 

Von 1992 an habe er in Algerien Probleme mit der Polizei und mit seinem Onkel gehabt. Der Onkel, bei dem er gelebt habe, habe sich nämlich einer islamischen Widerstandsgruppe angeschlossen. Deshalb sein Bruder von der Polizei erschossen worden. 1997 sei er dann von der Polizei gezwungen worden, mit ihr zusammen zu arbeiten und man habe ihn zwingen wollen den Aufenthalt des Onkels zu verraten. Er habe Spitzeldienste für die Polizei geleistet. Als sein Onkel dies erfahren habe, sei er von diesem mit dem Tode bedroht worden.

 

2002 habe er daher Algerien verlassen und sei illegal in die Türkei gereist, um nach sechs Monaten wieder nach Algerien zurückzukehren. 2003 sei er auf dem Seeweg mit einem gefälschten algerischen Pass mit Schengen-Visum nach Frankreich gereist, wo er bis Ende 2004 blieb. Danach sei er mit einem gefälschten französischen Pass nach Deutschland gefahren, wo er einen Asylantrag gestellt habe. Das Verfahren sei negativ rechtskräftig abgeschlossen und es sei eine Ausweisung erlassen worden.

 

Mitte 2005 habe er Deutschland verlassen, da er keine Chance auf die Gewährung von Asyl gesehen habe. Er sei über Italien nach Tunesien gereist, wo er ca. 2 Wochen geblieben sei. Er habe nach Algerien zurück gewollt, aber die tunesischen Behörden hätten ihn wegen fehlender Ausweispapiere festgenommen. Nach einem Tag Haft sei er in die Türke gereist, wo er drei Monate geblieben sei.

 

Danach sei er mit einem Schlepper nach Österreich gebracht wurden. Da er die ganze Fahrt über in einem LWK versteckt gewesen sei, habe er die Schlepperoute nicht erkennen können. Als Details zu seiner Flucht nach Österreich gibt er an, dass die Kontaktaufnahme mit dem Schlepper, einem unbekannten arabischen Kurden, im Café A.B. in Istanbul stattgefunden habe. Er habe für die Fahrt 600,00 ¿ gezahlt. Mit ihm seien ein Kurde und ein Tunesier nach Österreich versteckt gewesen. Die Fahrt habe etwa drei Tage gedauert.

 

In Österreich habe er unter den falschen Namen B.C. und L.M. gelebt und mit Hilfe auf diese Namen lautender gefälschter französischer Identitätspapiere Arbeit in Österreich gefunden.

 

2. In der ersten Einvernahme hat der Beschwerdeführer sein Vorbringen wie folgt ergänzt bzw. geändert:

 

Er habe bei seinem ersten Aufenthalt in der Türkei dort sechs Monate gelebt und gearbeitet, bei seinem zweiten Aufenthalt, nach der Ausreise aus Deutschland und vor der Einreise nach Österreich, sei er dort ca. drei bis vier Monate gewesen.

 

Zu den Details seiner Flucht aus der Türkei nach Österreich gibt er an, er habe dem Schlepper 2.000,00 ¿ gegeben. Der LKW, in dem er versteckt gewesen sei, habe niemals Pausen eingelegt. Auf Nachfrage hat er erklärt, er habe sich aus einem Sack mit Lebensmitteln, den man ihnen gegeben habe, ernährt und die Notdurft sei in Flaschen und durch Loch im LKW verrichtet worden.

 

Auf Nachfrage erklärt er, er habe es vorgezogen von sich aus über Italien nach Algerien zurückzukehren, da er befürchtete, dass er bei einer offizielle Rückführung nach Abschluss des Asylverfahrens in Deutschland bei der Einreise nach Algerien Probleme mit der Polizei bekommen würde. Aus diesem Grund sei er dann auch über die Türkei nach Europa gekommen.

 

3. Bei der zweiten Einvernahme hat der Beschwerdeführer sein Vorbringen wie folgt ergänzt bzw. geändert:

 

Er habe Deutschland nach dem negativ abgeschlossenen Verfahren im September oder Oktober 2005 verlassen. Er habe zwar eine Duldung gehabt, aber er habe vermeiden wollen, 18 Monate in Schubhaft abwarten zu müssen, bevor er nach Algerien hätte reisen können

 

Daher sei er illegal nach Tunesien eingereist, wo er sich acht bis zehn Monate lang aufgehalten habe. In der Türkei sei er dann etwa drei Monate geblieben bevor er nach Österreich kam.

 

Auf Nachfrage betreffend seine familiären und privaten Interessen an einem Verbleib in Österreich, gibt er an, er habe Freunde und Bekannte hier, die er aus der Moschee kenne.

 

4. In der Beschwerdeschrift hat der Beschwerdeführer sein Vorbringen wie folgt ergänzt bzw. geändert:

 

Nach seiner Ausreise aus Deutschland habe er in Tunesien neun Monate gearbeitet und danach in der Türkei ca. 2 Monate.

 

In Österreich habe er für sehr niedrigen Lohn gearbeitet, "in der Hoffnung, dass ich meine Zukunft nach viel Leid in den Griff bekomme".

 

In Wien sei er zwar zwei Monate lang inhaftiert gewesen sei. Seither sei er mit Kriminalität "Gott sei Dank" nie mehr in Berührung gekommen.

 

Nach Deutschland wolle er nicht zurück, da er, obwohl er sein Problem klar geschildert habe, dreimal abgelehnt worden sei. Im Übrigen habe er dort keine Arbeitserlaubnis bekommen, obwohl er schon einen Arbeitsvertrag gehabt habe. Eine Abschiebung nach Deutschland "könnte einen Verlust von 18 Monaten" seiner Zukunft bedeuten.

 

Weitere Beweismittel

 

1. Die deutschen Behörden haben in Beantwortung der Art. 21 Dublin II-VO - Anfrage angegeben, dass der Beschwerdeführer am 25.04.2003 nach Deutschland eingereist war und unter den Namen A.F., geb.00.00.1986, StA Algerien und B.S., geb. 00.00.19981, StA Algerien, ein Asyl-Verfahren betrieben hat. Der Antrag sei am 15.03.2004 gestellt worden und am 08.09.2005 negativ beschieden worden. Als Aufenthaltstitel sei dem Beschwerdeführer zuletzt am 10.01.2006 eine Duldung erteilt worden, die bis zum 09.04.2006 befristet war. Ab diesem Tag sei der Fortzug nach unbekannt festgestellt worden. (AS. 73)

 

2. Laut ZMR-Auskunft war der Beschwerdeführer am 03.04.2006 erstmals in Österreich (Bregenz) gemeldet (AS. 47)

 

3. Aus dem Akt des Bundesasylamts und einem Strafregisterauszug ergibt sich weiters Folgendes:

 

Am 06.03.2007 wurde er vom BG Dornbirn unter dem Namen B.C. wegen Diebstahls und versuchten Diebstahls verurteilt.

 

Am 18.07.2007 wurde der Beschwerdeführer vom LG für Strafsachen Wien wegen gewerbsmäßigen Diebstahls und Gebrauch gefälschter besonders geschützter Urkunden (französischer Personalausweis) zu einer Freiheitsstrafe verurteilt; der Beschwerdeführer wurde nach Verbüßung der Haftstrafe am 10.08.2007 aus der Haft entlassen.

 

Am 18.07.2008 wurde der Beschwerdeführer in Villach auf Grund des Festnahmeauftrags des Bundesasylamts und wegen Verdachts des Gebrauchs einer gefälschten Urkunde festgenommen, da er sich erneut mit einem gefälschten französischen Pass ausgewiesen hatte.

 

Sachverhalt nach Beweiswürdigung

 

Nach Würdigung des Beschwerdeführervorbringens und der sonstigen Beweismittel stellt sich dem Asylgerichtshof folgender Sachverhalt dar:

 

1. Der Beschwerdeführer war 2003 in Deutschland eingereist und hatte dort Asyl beantragt. Die deutsche Behörde hatte den Antrag am 08.09.2005 abgelehnt. Nachdem seine Duldung, die bis 09.04.2006 befristet war, auszulaufen und damit eine Abschiebung nach Algerien drohte, hat der Beschwerdeführer Deutschland verlassen und ist von dort aus spätestens Anfang April 2006 illegal nach Österreich eingereist, ohne zuvor das Gebiet der Mitgliedstaaten der Dublin II-VO verlassen zu haben.

 

Die Durchführung eines letztlich erfolglosen Asylverfahrens und die Duldung in Deutschland bis 09.04.2006 ergeben sich aus der Beantwortung der Anfrage gemäß Art. 21 Dublin II-VO durch die deutsche Behörde. Aus dem ZMR ergibt sich, dass der Beschwerdeführer sich seit dem 03.04.2006 in Österreich aufgehalten hat. Die zeitliche Nähe zum Auslaufen der Duldung in Österreich und der damit verbundenen Gefahr der Abschiebung nach Algerien lassen für den Asylgerichtshof hinreichend deutlich werden, dass der Beschwerdeführer sich unmittelbar von Deutschland aus nach Österreich begeben hat.

 

Der Asylgerichtshof schenkt dem gegenteiligen Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er Deutschland für etwa ein Jahr verlassen hat, um über Italien, Tunesien und die Türkei nach Österreich einzureisen, keinen Glauben.

 

Der Beschwerdeführer hat nämlich, erstens, angegeben, er habe ursprünglich von Deutschland aus freiwillig nach Algerien zurückkehren wollen. Dem widerspricht sein eigenes Vorbringen, wonach er dieses Land aus Angst vor der Todesdrohung und der Verfolgung durch die Polizei verlassen hat, worauf er im Übrigen auch seinen Asylantrag in Österreich stützt. Es scheint dem Asylgerichtshof wenig glaubhaft, dass der Beschwerdeführer sich nach Abschluss seine Asylverfahrens in Deutschland und vor der Stellung eines erneuten Asylantrags in einem anderen EU-Staat für mehr als ein Jahr in genau jenes Dritt-Land zurück begeben wollte, in dem seine behauptete Verfolgung ihren Ursprung hatte.

 

Die Angaben über den angeblichen Aufenthalt außerhalb der EU (Türkei und Tunesien) sind, zweitens, sowohl in Bezug auf die Dauer dieser Aufenthalte als auch auf den Grund so widersprüchlich und mit den sonstigen feststehenden Daten nicht in Einklang zu bringen, dass sie dem Asylgerichtshof nicht glaubwürdig erscheinen. Der Beschwerdeführer hat nämlich angegeben, dass er Deutschland Mitte 2005 (Erstbefragung) bzw. im September/Oktober 2005 (zweite Einvernahme) verlassen hat. Dies erscheint unwahrscheinlich vor dem Hintergrund seines eigenen Vorbringens, dass er den deutschen Bescheid nach seinem Erlass am 08.09.2005 noch in zwei weiteren Instanzen bekämpft hat. Des Weiteren hat der Beschwerdeführer als Reisezeitraum zunächst (Erstbefragung) angegeben, lediglich zwei Wochen in Tunesien und drei Monate in der Türkei gewesen zu sein bevor er nach einer dreitägigen Reise nach Österreich kam. Später (zweite Vernehmung und Beschwerdeschrift) hat er angegeben, acht bis zehn Monate in Tunesien gewesen zu sein. Schließlich hat er zunächst angegeben in Tunesien sofort nach der Einreise verhaftetet worden zu sein und später ausgesagt, er habe dort viele Monate gearbeitet.

 

Die Ausführungen über die angebliche Flucht von der Türkei nach Österreich enthalten zwar, drittens, einige glaubwürdige Details, insbesondere was die unmenschlichen Bedingungen des Transports im LKW und den Ort der Kontaktaufnahme mit dem Schlepper betrifft. Diese Details konnten dem Beschwerdeführer jedoch auch aus seinen früheren Fluchtwegen (zB Überfahrt mit dem Schiff vor der illegalen Einreise nach Frankreich) bzw. seinem ersten Aufenthalt in der Türkei im Jahre 2002 bekannt sein. Schließlich widersprechen sich die Angaben des Beschwerdeführer erheblich in Bezug auf den wichtigen und im Allgemeinen einprägsamen Aspekt der Kosten der Schlepperdienste (Erstbefragung: 600,00 ¿; erste Einvernahme:

2.000,00 ¿).

 

2. Die wahre Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest und er hat sich in verschiedenen Staaten der EU (Frankreich, Deutschland, Österreich) mit diversen gefälschten Personaldokumenten aufgehalten und illegal gearbeitet. In Österreich hat er keine familiären und - bis auf "Freunde und Bekannte aus der Moschee" - keine sonstigen besonderen privaten Kontakte. Er hat in Österreich illegal gearbeitet und ist mehrfach wegen derselben Delikte (Diebstahl und Gebrauch Personendokumente) straffällig geworden.

 

Diese Tatsachenfeststellung ergibt sich in erster Linie aus dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers und zusätzlich aus dem Akt des Bundesasylamts sowie aus einem aktuellen Strafregisterauszug.

 

Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Rechtlicher Rahmen

 

Gemäß § 73 Abs. 1 und § 75 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl, BGBl. I Nr. 100/2005 (in der Folge: AsylG) iVm § 1 AsylG ist das oben angeführte Gesetz auf Anträge auf internationalen Schutz anzuwenden, die ab dem 01.01.2006 gestellt wurden. Daraus folgt, dass für das gegenständliche Asylverfahren das AsylG 2005 anzuwenden ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat auf Grund der Dublin II-VO zur Prüfung des Antrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Behörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG, ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder bei der Behörde offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Mitgliedstaat der Dublin II-VO Schutz vor Verfolgung findet.

 

Nach Art. 3 Abs. 1 Dublin II-VO wird ein Asylantrag, den ein Drittstaatsangehöriger an der Grenze oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates stellt, von jenem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III (Artikeln 6 bis 13 Dublin II-VO) zuständig ist, wobei die dort geregelten Zuständigkeitskriterien nach Art. 5 Abs. 1 Dublin II-VO "in der in diesem Kapitel genannten Reihenfolge" Anwendung finden.

 

Gemäß Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO bestimmt, dass jener Mitgliedstaat, dessen Land-, See- oder Luftgrenze ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend illegal überschritten hat, für die Prüfung des Asylantrags zuständig ist, wenn der Grenzübertritt in besondere auf der Grundlage der Daten nach Kapitel III der Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 (Eurodac-VO) festgestellt wird.

 

Gemäß Artikel 16 Abs. 1 lit. e Dublin II-VO ist der Mitgliedstaat, der nach der Dublin II-VO zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist, gehalten, einen Drittstaatsangehörigen, dessen Antrag er abgelehnt hat und der sich unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, wieder aufzunehmen.

 

Gemäß Art 16 Abs. 3 Dublin II-VO endet diese Verpflichtung, wenn der Drittstaatsangehörige das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Dublin II-VO für mindestens drei Monate verlassen hat.

 

Gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO kann jeder Mitgliedstaat einen Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den Kriterien der Art. 6 bis 13 Dublin II-VO nicht zuständig ist. Nach der Judikatur ist dieses Selbsteintrittsrecht zwingend anzuwenden, wenn ein Asylbewerber mit dem Vollzug der Ausweisung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat der Gefahr der Folter oder unmenschlichen Behandlung (Art. 3 EMRK) oder der Verletzung des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK) ausgesetzt wäre (VfGH 08.03.2001, G 117/00 u.a.; VfGH 11.06.2001, B 1541/00; VfGH 15.10.2004, G 237/03 u. a.; VfGH 17.06.2005, B 336/05)

 

Gemäß § 10 AsylG ist ein Bescheid über einen Asylantrag mit einer Ausweisung in einen bestimmten Staat zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückgewiesen (Absatz 1 Ziffer 1) wird und keiner der in § 10 Absatz 2 und Absatz 3 AsylG festgelegten Gründe für die Unzulässigkeit der Ausweisung des vorliegt.

 

Gemäß § 10 Absatz 4 AsylG gilt eine Ausweisung wegen Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Asylwerbers.

 

Zulässigkeit der Beschwerde und Verfahren vor dem Asylgerichtshof

 

Die Beschwerde fristgerecht beim Asylgerichtshof eingebracht worden und es bestehen keine Bedenken gegen ihre Zulässigkeit.

 

Gemäß § 41 Abs. 4 AsylG konnte im Verfahren vor dem Asylgerichtshof von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung

 

Die angefochtene Entscheidung ist rechtmäßig, da das Bundesasylamt keine Verfahrensfehler begangen hat sowie zu Recht festgestellt hat, dass Österreich für die Prüfung des Asylantrags des Beschwerdeführers nicht zuständig ist und zu Recht die Ausweisung nach Deutschland verfügt hat.

 

Ordnungsgemäßes Verfahren vor dem Bundesasylamt

 

Der Asylgerichtshof stellt zunächst fest, dass das Verwaltungsverfahren rechtmäßig durchgeführt wurde.

 

Dem Beschwerdeführer wurde insbesondere durch die Erstbefragung, die Einvernahme mit vorhergehender Rechtsberatung und schließlich durch das erneute Parteigehör unmittelbar vor Erlass des angefochtenen Bescheides - alle jeweils unter Zuhilfenahme geeigneter Dolmetscher - ausreichend rechtliches Gehör gewährt. Ihm wurde weiters vor der ersten Einvernahme und innerhalb von 20 Tagen ab Einbringen seines Antrags schriftlich mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Asylantrag wegen Zuständigkeit Deutschlands zurückzuweisen (§§ 28, 29 AsylG).

 

Unzuständigkeit Österreichs

 

Der Asylgerichtshof stellt fest, dass das Bundesasylamt keine Beurteilungsfehler begangen hat als es feststellte, dass für die Prüfung des Asylantrags des Beschwerdeführers ausschließlich Deutschland zuständig ist.

 

Zur Zuständigkeit Deutschlands

 

Was zunächst die Feststellung der Zuständigkeit Deutschlands betrifft, so hat das Bundesasylamt hat diese Zuständigkeit im angefochtenen Bescheid zwar fälschlicherweise auf Artikel 16 Absatz 1 lit. e) Dublin II-VO. Inhaltlich ist die Feststellung jedoch richtig, da die Zuständigkeit Deutschlands dort bereits durch einen rechtskräftigen Bescheid, der eine Prüfung der Zuständigkeit Deutschlands nach der Dublin II-VO voraussetzt, festgestellt worden ist und sich aus der Sicht des Asylgerichtshofs keine Hinweise ergeben, die Zweifel an der rechtlichen Richtigkeit dieser Feststellung aufkommen lassen.

 

Zur Zuständigkeit Österreichs wegen erneuter Einreise aus einem Drittland nach mehr als dreimonatigem Aufenthalt außerhalb des Gebiets der Mitgliedstaaten der Dublin II-VO

 

Die Zuständigkeit Deutschlands ist nicht gemäß Art. 16 Abs. 3 Dublin II-VO auf Grund einer mehr als dreimonatigen freiwilligen Ausreise mit der Folge erloschen, dass nunmehr Österreich auf Grund der illegalen Ersteinreise aus einem Drittstaat in sein Staatsgebiet (Art. 5 Abs. 1 iVm. Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO) zuständig geworden wäre.

 

Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich nämlich, dass sich der Beschwerdeführer vor der Einreise und Antragstellung in Österreich nicht mehr als drei Monate außerhalb der Mitgliedstaaten der Dublin II-VO aufgehalten hat.

 

Zur Zuständigkeit Österreichs durch Selbsteintritt

 

Schließlich besteht auch keine Pflicht Österreichs, vom Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO Gebrauch zu machen. Im vorliegenden Fall besteht nämlich kein Grund anzunehmen, dass die Nichtzulassung zum Asylverfahren in Österreich wegen der damit verbunden Ausweisung nach Irland im konkreten Fall einen Verstoß der österreichischen Behörde gegen die Rechte des Beschwerdeführer aus Art. 3 oder Art. 8 EMRK darstellt.

 

Was eine Verletzung von Art. 3 EMRK betrifft, so stellt der Asylgerichtshof fest, dass das sich das Bundesasylamt im angefochtenen Bescheid dazu zwar keine Ausführungen gemacht hat. Es ergeben sich im konkreten Fall jedoch auch keine Anhaltspunkte dafür anzunehmen, der Beschwerdeführer liefe konkret Gefahr, in Deutschland einer unmenschlichen Behandlung unterworfen zu werden.

 

Was eine Verletzung von Art. 8 EMRK betrifft, so stellt der Asylgerichtshof fest, dass sich das Bundesasylamt im angefochtenen Bescheid mit der familiären Situation des Beschwerdeführers in Österreich befasst hat und zu Recht zu dem Ergebnis gekommen ist, dass - wie im Sachverhalt festgestellt - mangels familiärer Beziehungen in Österreich kein Eingriff in das Rechts auf Familienleben vorliegt, wenn der Beschwerdeführer nicht zum Verfahren in Österreich zugelassen würde. Es liegt auch kein Eingriff in das Recht auf Schutz des Privatlebens vor, da in der Person den Beschwerdeführer - wie das Bundesasylamt zu Recht feststellt - nicht von einer verfestigten Integration in Österreich gesprochen werden kann. Nicht weiter präzisierte Bekanntschaften aus gemeinsamen Moschee-Besuchen genügen für sich genommen nicht. Des Weiteren ist der Beschwerdeführer in Österreich zwar ein paar Monate einer Beschäftigung nachgegangen, dies jedoch illegal und unter Verwendung gefälschter Dokumente. Schließlich stehen auch die wiederholten Straftaten trotz mehrfacher strafrechtlichen Vorverurteilungen wegen derselben Delikte der Annahme einer verfestigten Integration in Österreich entgegen.

 

Rechtmäßigkeit der Ausweisung

 

Was die Rechtmäßigkeit der Ausweisung nach Deutschland betrifft, so ergibt sich diese zunächst unmittelbar aus § 10 Absatz 1 Z. 1 AsylG, da der Antrag auf internationalen Schutz - wie oben unter 3.2. dargelegt - vom Bundesasylamt zu Recht zurück gewiesen wurde.

 

Es ergeben sich auch weder aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers noch aus sonstigen Anhaltspunkten Gründe dafür anzunehmen, dass die sofortige Ausweisung wegen Verstoßes gegen § 10 Abs. 2 AsylG iVm.

Artikel 3 EMRK oder gegen § 10 Abs. 3 iVm. Artikel 8 EMRK unzulässig wäre. Insoweit verweist der Asylgerichtshof auf die oben unter

3.2.3. gemachten Ausführungen.

 

Da die Ausweisung nach Österreich rechtmäßig ist, hat das Bundesasylamt auch zu Recht festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung zulässig ist. Dies ergibt sich unmittelbar aus § 10 Abs 4 AsylG.

Schlagworte
Ausweisung, Glaubwürdigkeit, real risk, strafrechtliche Verurteilung
Zuletzt aktualisiert am
28.01.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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