TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/06 D3 226101-0/2008

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Veröffentlicht am 06.10.2008
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Spruch

D3 226101-0/2008/28E

 

SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES

 

am 26.09.2008 mündlich verkündeten

 

ERKENNTNISSES

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde des S.W.; geb. 00.00.1971, alias S.V., geb. 00.00.1971, alias M.W., geb. 00.00.1971, StA. Ukraine, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 03.01.2002, FZ.01 24.561-BAI, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.08.2008 und am 26.09.2008 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gem. §§ 13, 8 AsylG 1997 i.d.F. BGBI I 2002/126 als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

Der Berufungswerber, ein ukrainischer Staatsangehöriger, gelangte am 05.09.2001 nach Österreich und stellt unter Angabe des Namens M.W. einen Asylantrag. Am 00.00.2001 wurde über den Asylwerber wegen Verdacht der Nötigung und des Raubes die Untersuchungshaft verhängt und dieser wegen Selbst- und Fremdgefährlichkeit (vorübergehend) in die geschlossene Anstalt des psychiatrischen Krankenhauses H. in Tirol überstellt.

 

Nachdem der zuständige Arzt im psychiatrischen Krankenhaus des Landes Tirol die Vernehmungsfähigkeit des Asylwerbers bestätigte, wurde dieser am 28.11.2001 vom Bundesasylamt, Außenstelle Innsbruck, einvernommen, wobei er eingangs angab, dass er richtigerweise S.V. heiße. Zu seinen Fluchtgründen führte er Folgendes aus:

 

"Aufforderung: Erzählen Sie uns, aus welchen Gründen Sie die Ukraine verlassen haben!

 

Antwort: Ich habe heute niemand mehr in der Ukraine. Ich habe dort nur mehr die Gräber meiner Mutter und meiner Verwandten. Nachdem ich 1998 in Deutschland von der Mafia erzählt habe, bekam meine Familie in der Ukraine Schwierigkeiten. Durch diese Schwierigkeiten war meine Familie gezwungen, in der Ukraine alles, wie Haus, Hab und Gut, zu verkaufen.

 

Frage: Schilder Sie, welche Schwierigkeiten hatten Sie in der Ukraine mit der Mafia?

 

Antwort: Sie sagten, wenn die Familie nicht eine bestimmte Geldsumme bezahlt, werden sie umgebracht. Ich habe in Deutschland im Gefängnis über die Mafia, die in der Ukraine und in Deutschland agiert, erzählt. Ich berichtige, ich habe diese Informationen vor meiner Haft im Flüchtlingslager Braunschweig dort gegenüber der Kripo weitergegeben. Es ging um Informationen, wie Mord, Zigarettenschmuggel dieser Mafia. Ein weiterer Bereich war der Menschenhandel.

 

Frage: Welche Schwierigkeiten hatten Sie persönlich in der Ukraine, ausgehend von dieser Mafia?

 

Antwort: Ich persönlich hatte keine Probleme bzw. keine großen Probleme mit der Mafia. Mein Vater war in Tschernobyl und hat von der Arbeit Krebs bekommen. Er ist daran in der Folge auch gestorben. Da mein Vater an Krebs erkrankt war, konnte meine Mutter ihren Beruf bzw. ihre Arbeit nicht mehr ausüben, weil sie meinen Vater auch pflegen musste. Meine Mutter hat sich in der Folge an den Staat gewendet, um vom Staat medizinische und finanzielle Hilfe zu bekommen. Mein Vater hat ja in Tschernobyl gearbeitet und ist aufgrund seiner Arbeit dort an Krebs erkrankt, weshalb auch der Staat eine gewisse Mitverantwortung zu tragen hatte. Ich habe dann in der Folge als Autohändler bzw. als Autoschleifer und als Händler gearbeitet. Da ich durch diese Arbeiten so wenig verdiente, dass ich für meine Familie und für meine Mutter nicht sorgen konnte, entschloss ich mich, ins Ausland bzw. nach Europa bzw. Deutschland oder Holland arbeiten zu gehen. Ich war dann, wie bereits gesagt, in den Folgejahren mehrmals in Deutschland und in Holland, um zu arbeiten. Nachdem meine Mutter bzw. meine Familie vom Staat keine Hilfe bekommen hatte, habe ich mich schon damals entschlossen, mit meiner Familie die Ukraine zu verlassen. Es gibt aber noch einen weiteren Grund meiner Ausreise. Nachdem sich meine Mutter an den Staat und an verschiedene Organisationen um Hilfe gewandt hatte, von niemand aber Hilfe bekam, hat sie sich an die Medien gewandt und auch ein Interview gegeben. Das war 1993 bzw. 1994, genau kann ich das heute nicht mehr sagen. Aufgrund dessen, dass meine Mutter bei den Medien war, wurde auf unsere Familie Druck ausgeübt. Wir bekamen Probleme dahingehend, indem ich meine Arbeit verlor, indem meine Mutter keine Arbeit bekam, und indem mein Bruder in der Schule Schwierigkeiten bekam.

 

Frage: Waren Sie persönlich in der Ukraine jemals staatlichen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt?

 

Antwort: ich wurde mehrmals zur Polizei geladen und befragt. Ich wurde darüber befragt, warum meine Mutter zu den Medien gegangen ist. Man hat mir auch versichert, dass ich in der Ukraine nicht in Ruhe gelassen werde, so zum Beispiel, dass ich keine Möglichkeit zum Studieren haben werde.

 

Frage: Haben Sie weitere Fluchtgründe vorzubringen?

 

Antwort: Außer den bisher gesagten habe ich keine weiteren Gründe vorzubringen.

 

Frage: Sind Sie in der Ukraine vorbestraft?

 

Antwort: Nein.

 

Frage: Haben Sie in der Ukraine strafbare Handlungen gesetzt?

 

Antwort: Nein, ich habe keine strafbaren Handlungen gesetzt.

 

Frage: Was befürchten Sie für den Fall Ihrer Rückkehr in die Ukraine?

 

Antwort: Ich habe bei einer Rückkehr in die Ukraine Angst vor der Mafia. In der Ukraine arbeitet die Polizei mit der Mafia zusammen. Wenn ich in der Ukraine angehalten oder angetroffen werden von der Polizei, wird man mich festnehmen und mich umbringen. Das könnte schon bei der Einreise an der Grenze passieren.

 

Frage: Was wird man Ihnen vorwerfen, was werden Ihnen die Behörden vorwerfen?

 

Antwort: Ich kann nicht vermuten, was man mir vorwerfen wird, aber einen Grund wird man sicher finden. Man könnte mir zum Beispiel Diebstahl vorwerfen, hauptsächlich einen Grund, um mich festzunehmen.

 

Frage: Haben Sie zum Asylgrund noch etwas zu sagen, was Ihnen wichtig ist und das Sie bisher nicht gesagt haben?

 

Antwort: Ich wurde im August 2001 in der Stadt Lutzk von Mafiamitgliedern niedergeschlagen. Den Namen dieser Personen kenne ich nicht.

 

Frage: Sie haben angedeutet, dass Sie in Deutschland verurteilt wurden. Ich frage Sie, von welchem Gericht wurden Sie in Deutschland, wann und wegen welchen Deliktes verurteilt?

 

Antwort: Ich wurde 1998 in Deutschland festgenommen und in der Folge vom Landesgericht in Oldenburg wegen Vergewaltigung zu 4 Jahren Haft verurteilt. Ich korrigiere, ich wurde Anfang Jänner 1999 festgenommen und in der Folge verurteilt.

 

Frage: Haben Sie weitere Straftaten begangen in Deutschland?

 

Antwort: Nein."

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 03.01.2002, ZI 01 24.561-BAI, wurde unter Spruchteil I. der Asylantrag vom 14.09.2001 (richtig wohl: 05.09.2001) gemäß § 13 Abs. 1 AsylG wegen Vorliegens eines Asylausschlussgrundes abgewiesen und unter Spruchteil II. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Asylwerbers in die Ukraine gemäß § 8 AsylG für zulässig erklärt.

 

In der Begründung des Bescheides wurde zunächst die Einvernahme zum Fluchtweg und sodann die bereits oben vollinhaltlich wiedergegebene Einvernahme zu den Fluchtgründen dargestellte und anschließend festgehalten, dass das Urteil des Landesgerichtes Oldenburg vom 00.00.1999, wegen Vergewaltigung als weiteres Beweismittel gedient hätte. Sodann wurden Feststellungen zu der Ukraine getroffen und auch die Quellen hiefür angegeben. Dann wurde festgestellt, dass der Asylwerber am 00.00.1999 vom Landesgericht Oldenburg gemäß §§ 177 Abs. 1 und 2 (dt.) StGB wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt worden sei, jedoch nur einen Teil dieser Freiheitsstrafe verbüßt habe und dass von der vierjährigen Freiheitsstrafe noch 717 Tage Restfreiheitsstrafe offen seien und diesbezüglich ein Haftbefehl der Staatsanwaltschaft Oldenburg bestehe. Festgestellt wurde weiters, dass der Asylwerber am 00.00.2001 von der Bundespolizeidirektion Innsbruck wegen Verdachtes des Raubes und der versuchten schweren Nötigung, sowie des gewerbsmäßigen Diebstahls bei der Staatsanwaltschaft Innsbruck angezeigt worden sei und deswegen am 00.00.2001 die Untersuchungshaft über den Asylwerber verhängt worden sei. Weiters wurde festgestellt, dass der Asylwerber wegen Selbst- und Fremdengefährlichkeit in die geschlossene Anstalt des psychiatrischen Krankenhauses H. in Tirol überstellt worden sei und - nachdem die zuständige Oberärztin am 15.11.2001 die Vernehmungsfähigkeit bestätigt hätte - der Asylwerber einvernommen worden sei, wobei festgestellt worden sei, dass er bei dieser Vernehmung alles verstanden habe und er der Vernehmung habe problemlos folgen können. Schließlich wurde festgestellt, dass der Asylwerber erstmals am 14.09.2001 (richtig: 05.09.2001) einen Asylantrag eingebracht habe und am 23.10.2001 einen weiteren Asylantrag eingebracht habe, welche gemäß § 39 Abs. 2 AVG zu einem gemeinsamen Verfahren und zur gemeinsamen Entscheidung verbunden worden seien.

 

Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass hinsichtlich der Identität und Nationalität dem Asylwerber die Glaubwürdigkeit zugesprochen werde und auch die Angaben zum Fluchtweg im Wesentlichen nachvollziehbar und glaubhaft seien. Die Angaben zum Fluchtgrund seien jedoch nur teilweise glaubhaft; glaubhaft sei, dass der Asylwerber in der Ukraine nicht vorbestraft sei und auch dort keine strafbaren Handlungen gesetzt zu haben, sowie, dass sein Vater an Krebs erkrankt und in der Folge verstorben sei, da er in Tschernobyl gearbeitet habe und dass in der Folge seine Mutter versucht habe, sowohl vom Staat, als auch von diversen Organisationen Hilfe zu erlangen und dazu auch ein Interview gegeben habe. Nicht glaubhaft seien jedoch die Angaben, dass seine Familie in der Ukraine von der Mafia bedroht worden sei, weil er im Flüchtlingslager Braunschweig gegenüber der Kripo Informationen über die Mafia weitergegeben hätte; wenn er tatsächlich in Braunschweig der dortigen Kripo Informationen über die ukrainische Mafia weitergegeben habe, könne nach der allgemeinen Lebenserfahrung angenommen werden, dass die Informationen strengster Vertraulichkeit unterlägen und der Name des Informanten bei solch prekären Informationen keinesfalls weiter gegeben werde. Es sei daher keinesfalls nachvollziehbar, wie die ukrainische Mafia davon erfahren habe und warum seine Familie in der Ukraine deswegen Schwierigkeiten gehabt haben sollte. Nicht nachvollziehbar sei auch die Aussage, dass er mehrmals zur Polizei geladen und befragt worden sei, warum seine Mutter zu den Medien gegangen sei.

 

Auch die Rückkehrbefürchtungen seien nicht glaubhaft; auf die Frage, was die ukrainischen Behörden ihm vorwerfen würden, habe er nur antworten können, er könnte nur vermuten, was man ihm vorwerfen würde, aber man würde sicher einen Grund finden. Auch habe er bei den Rückkehrbefürchtungen angegeben, dass man ihn schon bei der Einreise an der Grenze festnehmen und umbringen könnte, jedoch andererseits beim Fluchtweg angegeben, dass er Ende August 2001 über Polen in die Ukraine zurückgekehrt sei und Anfang September die Ukraine verlassen habe; offenbar habe er zu diesem Zeitpunkt diese Bedenken nicht gehabt. Aus diesen Umständen lasse sich ableiten, dass hinsichtlich der Rückkehrbefürchtungen nur Behauptungen in den Raum gestellt worden seien, die der Asylwerber weder zu beweisen noch glaubhaft darzustellen vermochte. Deswegen sei dem Asylwerber wegen seinen Rückkehrbefürchtungen mangels Konkretisierung und mangels Plausibilität die Glaubhaftigkeit abzusprechen gewesen.

 

Rechtlich begründend wurde zu Spruchteil I. ausgeführt, dass unter die Ausschlussklausel nur Straftaten fielen, die von einem Antragstellter begangen worden seien, der sich auch außerhalb des Aufnahmelandes befunden habe; im Normalfall handelt es sich bei dem betreffenden Land um das Herkunftsland, es könne jedoch auch jedes andere Land sein, nur nicht das Aufnahmeland, in dem sich der Antragsteller (aktuell) um Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft bemühe. In diesem Zusammenhang müsse unter "besonders schwere Verbrechen" typischerweise Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Tod, Handel und bewaffneter Raub und dergleichen verstanden werden. Auf Grund der Verurteilung durch das Landesgericht Oldenburg wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren sei daher festzustellen, dass der Asylwerber mit der Begehung dieser Straftat ein schweres, nicht-politisches Verbrechen im Sinne des Art. 1 Abschnitt F der GFK begangen habe, bevor er nach Österreich gekommen sei. Weiters komme hinzu, dass er von der Bundespolizeidirektion Innsbruck am 00.00.2001 wegen des Verdachtes des Raubes, des Verdachtes der versuchten schweren Nötigung und des Verdachtes des gewerbsmäßigen Diebstahles zur Anzeige gebracht worden sei. Das Bundesasylamt sei daher nach eingehender rechtlicher Würdigung zur Ansicht gelangt, dass im vorliegenden Fall ein Tatbestand des Art. 1 Abschnitt F lit. b der GFK verwirklicht werde, weshalb der Asylantrag gemäß § 13 Abs. 1 AsylG abzuweisen gewesen sei.

 

Rechtlich begründend wurde zu Spruchteil II. ausgeführt, dass das Vorliegen der Voraussetzung des § 57 Abs. 2 FrG bereits unter Spruchteil I. geprüft und verneint worden sei und dass der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtssprechung erkannt habe, dass der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen habe, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun sei. In seinen Rückkehrbefürchtungen habe der Asylwerber nicht glaubhaft darlegen können, dass er für den Fall der Rückkehr in die Ukraine einer Bedrohung oder drohenden Gefahr im Sinne des § 57 Abs. 2 FrG ausgesetzt gewesen wäre. Bei seinen Rückkehrbefürchtungen handle es sich bloß um in den Raum gestellte Behauptungen und unbegründete Vermutungen, die durch keinerlei objektive Beweise untermauert werden konnten. Auch sei im Hinblick auf die getroffene Feststellung keinerlei Gefährdung im Sinne des § 57 Abs. 1 FrG objektivierbar und ließen sich auch sonst keine Hinweise ableiten, wonach der Asylwerber einer Bedrohung im Sinne des § 57 Abs. 1 FrG ausgesetzt wäre, sodass festzustellen gewesen sei, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Ukraine zulässig sei.

 

Gegen diesen Bescheid erhob der Asylwerber in einem in russischer Sprache gehaltenen Schreiben Berufung.

 

In der Berufung führte der Asylwerber aus, dass er nicht verstehen könne, wie die Vertreter der Behörde erster Instanz ihn hätten einvernehmen können, da er sich zu diesem Zeitpunkt in einer psychiatrischen Klinik befunden habe und unter der Einwirkung starker Medikamente gewesen sei. Außerdem habe sich der einvernehmende Vertreter des Bundesasylamtes nicht alle seine Gründe und Problem angehört, welche im Zusammenhang mit seinem Asylbegehren stünde. Wenn das Bundesasylamt der Meinung sei, dass die Ukraine ein demokratisches Land sei, möge bitte erklärt werden, warum in einem demokratischen Land die Rechtsorgane mit kriminellen Organisationen kooperieren würden. Er habe vor der deutschen Polizei über eine Verbrecherorganisation ausgesagt und habe Namen genannt, welche überprüft werden können. In seiner Heimat würden ihn nicht nur Rechtsorgane, sondern auch die kriminellen Organisationen suchen. Seine Frau und sein Kind könnten daher nicht mehr in seinem Heimatland sein und würden sich in Polen verstecken. Es sei der Bescheid nicht einmal ins Russische übersetzt worden, er habe keinen Dolmetscher und keinen Anwalt, er habe auch die Gesetze nicht gekannt, er könne nicht in seine Heimat zurück, dort erwarte ihn der Tod. Es sei möglich, dass der Asylantrag deswegen abgewiesen worden sei, da er in Deutschland vorbestraft sei, er habe das Urteil jedoch voll abgesessen. Weiters könne man alle seine Unterlagen anfordern und werde dann sehen, dass die Sache völlig erfunden sei. Man habe dies nur vorgeschoben. Es gebe kein Gutachten und alles stimme nicht. Wenn man ihm nicht helfen könne, möge man ihn in ein beliebiges anderes Land, jedoch nicht in die Ukraine zurückschicken.

 

Mit Schreiben vom 21.08.2003 teilte die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis als zuständige Fremdenpolizei mit, dass der Asylwerber nicht nur - wie bereits bekannt - vom Landesgericht Oldenburg, sondern auch vom Landesgericht Innsbruck mit Urteil vom 00.00.2002, wegen schwerer Nötigung und dauernder Sachentziehung, versuchter schwerer Nötigung, sowie gewerbsmäßigem Diebstahl zu zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden sei und derzeit in der Justizanstalt Ried im Innkreis einsitze, jedoch bereits am 00.00.2003 entlassen werde.

 

Die Berufungsbehörde beraumte sodann für den 24.09.2003 eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung an, wobei der Berufungswerber zunächst mit Schreiben vom 08.09.2003 angab, nicht bereit zu sein, zu diesem Termin zu erscheinen, weil er keine Beweise, die er bei dieser Verhandlung unbedingt benötige, vorlegen könne. Er könne diese Beweise erst erbringen, wenn er enthaftet sei, daher ersuche er um Verschiebung des Verhandlungstermines. Die Berufungsbehörde teilte dem Berufungswerber mit, dass die mündliche Berufungsverhandlung nicht verschoben werde und dass sich die angekündigten Beweise nicht auf das Vorliegen eines Asylausschlussgrundes, weswegen der Asylantrag abgewiesen worden sei, bezögen.

 

Der Berufungswerber wurde aus der Untersuchungshaft zu dieser Verhandlung, zu der sich die Behörde erster Instanz entschuldigen ließ, vorgeführt.

 

Sodann gab er über Befragen durch den Verhandlungsleiter Folgendes an:

 

"VL: Wo sind Sie geboren?

 

BW: In L., in der Ukraine.

 

VL: Welcher Volksgruppe gehören Sie an?

 

BW: Der ukrainischen.

 

VL: Welche schulische oder sonstige Ausbildung haben Sie?

 

BW: Ich habe die Grundschule und anschliessend die Mittelschule absolviert. Ich habe die Matura gemacht.

 

VL: Haben Sie Militärdienst geleistet?

 

BW: Ja, 2 Jahre. Von 1989 bis 1991. Zuerst 6 Monate in Weißrussland und dann den Rest in Sibirien.

 

VL: Welche berufliche Tätigkeit haben Sie von wann bis wann ausgeübt?

 

BW: Ich kann mich nicht erinnern. Zuerst habe ich in einem Werk gearbeitet. Dann habe ich Geschäfte gemacht.

 

VL: Können Sie das ungefähr zeitlich eingrenzen?

 

BW: Nach dem Armeedienst bin ich nach Hause zurückgekehrt. Ca. nach einem Jahr habe ich einen Kredit aufgenommen und habe eine Geschäft eröffnet.

 

VL: Welches Geschäft?

 

BW: Lebensmittel und andere Waren.

 

VL: Wo haben Sie im Laufe Ihres Lebens gelebt?

 

BW: In der Stadt Lutzk in der Ukraine.

 

VL: Sonst noch wo?

 

BW: Ungefähr in 1994 war ich das erste Mal in Deutschland, ca. 3 bis 4 Monate. Dann ging ich zurück in die Ukraine. Ich war 3 bis 4 Mal pro Jahr in Deutschland. So genau kann ich das nicht sagen.

 

VL: Waren Sie noch in anderen Länder?

 

BW: Ja, in den Niederlanden. Als ich nach Deutschland gefahren bin, war ich auch in den Niederlanden.

 

VL: Haben Sie sich in der Ukraine politisch betätigt?

 

BW: Nein.

 

VL: Haben Sie persönlich, bevor Sie das erste Mal nach Deutschland gekommen sind, mit den Behörden zB mit der Polizei in der Ukraine Probleme gehabt?

 

BW: Ja.

 

VL: Welche?

 

BW: Nachdem ich den Kredit aufgenommen habe, habe ich erfahren, dass ich diesen Kredit über eine Firma bekommen habe, die von einem Fonds eröffnet wurde und zwar hat diese Firma Kredite von diesem Fond vergeben, der für die Hilfe für die Tschernobyl-Opfer zuständig war.

 

VL: Weswegen hatten Sie deshalb Schwierigkeiten?

 

BW: Im Jahre 1991 starb mein Vater. Er war bei der Liquidierung des Atomkraftwerkes in Tschernobyl dabei. In der Zeit der Sowjetunion wurde man als Parteimitglied einfach zu solchen Aufgaben entsandt. Als mein Vater starb, hat meine Mutter versucht einen Schadensersatz zu beantragen bzw. materielle Hilfe zu bekommen. Sie hat sich an diesen, von mir erwähnten Fonds gewendet, hat aber nichts bekommen. Die Gelder, die ich als Kredit bekommen habe, hätten eigentlich an die Geschädigten des Reaktorunfalles von Tschernobyl ausbezahlt werden müssen. Als ich mich an diesen Fonds mit allen meinen Beweismittel gewendet habe, begannen meine Probleme. Man hat mich eingesperrt, zusammengeschlagen. Ich wurde zwar freigelassen, aber es wurde mir deutlich gemacht, dass ich mich nicht einmischen solle.

 

VL: Wie lange waren Sie damals in Haft?

 

BW: Das kann ich nicht genau sagen. Vielleicht zwei Monate. Ich wurde ein paar Mal inhaftiert. Einmal ein paar Tage und die längste Zeit war bis 2 Monate. Dieser Mann, N.P., weiß darüber bescheid. Ich möchte nochmals betonen, dass man nicht offiziell nachfragen darf, weil man ihn ansonsten in Gefahr bringen würde. Später, in einem Monat, wenn ich freigelassen werde, werde ich die Telefonnummer zur Verfügung stellen.

 

VL: Wurden Sie einmal oder mehrere Male geschlagen?

 

BW: Wenn man bei uns bei der Polizei landet, wird man immer geschlagen.

 

VL: Hatten Sie außer mit der Polizei, vor Ihrer ersten Ausreise aus der Ukraine, auch Probleme mit Privatpersonen, zB Angehörigen der organisierten Kriminalität?

 

BW: Wie ich schon erwähnt habe, als ich den Kredit genommen habe, hatte ich nicht nur mit der Polizei Probleme bekommen, sondern ich musste auch den Kredit zurückzahlen. Diese Firma hat Kredite ohne irgendwelche Dokumente vergeben. Diese Firma hat als Garantie, dass die Kredite zurückbezahlt werden, eine kriminelle Struktur gehabt. Es wurde verlangt, dass ich den Kredit in kürzester Zeit zurückzahle. Das konnte ich jedoch nicht. Ich hatte jedoch schon Waren gekauft. Es wurde mir gesagt, dass ich hohe Zinsen zahlen müsse. Somit habe ich Probleme bekommen.

 

VL: Welcher Art waren diese Probleme?

 

BW: Alles Geld, was ich besaß, wurde mir weggenommen. Einmal wurde ich in einen Wald geschleppt und dort wurde mir eine Waffe an den Kopf gehalten. Es wurde mir gesagt, ich solle entweder das Geld zurückbezahlen oder meiner Familie wird etwas passieren.

 

VL: Waren diese beschriebenen Schwierigkeiten, warum Sie ungefähr 1994 in die BRD gegangen sind?

 

BW: Ja, aber ich habe nicht politisches Asyl beantragt. Ich bin nach Deutschland eingereist, damit ich schwarz arbeiten kann und das Geld zurückzahlen kann. Ich habe gehofft, dass die Probleme aufhören würden, wenn ich das Geld zurückzahle.

 

VL: Haben Sie das Geld dann zurückgezahlt?

 

BW: Ja.

 

VL: Wann war das?

 

BW: Ungefähr 1997.

 

VL: Haben Ihre Probleme dann aufgehört?

 

BW: Ich musste alles von neu auf anfangen. Ich fuhr dann wieder nach Deutschland, um Geld zu verdienen. Einmal war ich unterwegs mit dem Bruder meiner Frau. Auf dem Weg wurden wir bestohlen. Unsere Geldtaschen waren verschwunden. Wir haben uns an die Polizei gewendet und um Hilfe gebeten, damit wir unsere fortsetzen konnten. Sie haben uns gesagt, dass sie uns nur in die Ukraine zurückschicken können - Ansonsten können sie uns nicht helfen - außer wir würden Asyl beantragen.

 

VL: Haben Sie dann einen Asylantrag gestellt?

 

BW: Ja.

 

VL: Welchen Ausgang hat Ihr Asylverfahren genommen?

 

BW: In meinem Pass war ein holländisches Visum und deshalb sagte man mir, ich muss in Holland Asyl beantragen.

 

VL: Haben Sie dann in Holland einen Asylantrag gestellt?

 

BW: Ja.

 

VL: Welchen Ausgang hat Ihr Asylverfahren genommen?

 

BW: In Holland ist das System der Asylgewährung anders. Ich musste nach Hause fahren, deshalb habe ich das Asylverfahren gestoppt. Ich musste Papiere unterschreiben. Ich wurde nach Polen abgeschoben.

 

VL: Sind Sie von Polen wieder in die Ukraine zurückgekehrt?

 

BW: Ich bin dann wieder illegal in die Ukraine zurückgekehrt.

 

VL: Wie lange waren Sie dann in der Ukraine?

 

BW: 2 Wochen. Dann ging ich in die Slowakei. Von dort bin ich nach Österreich gekommen.

 

VL: In Ihrem erstinstanzlichen Asylverfahren haben Sie angegeben, dass Sie der deutschen Polizei Informationen über die organisierte Kriminalität in Deutschland und der Ukraine gegeben haben. Stimmt das?

 

BW: Ja.

 

VL: Hatten Sie besondere Informationen über die organisierte Kriminalität in Deutschland und der Ukraine, die für die deutsche Polizei interessant waren?

 

BW: Nachdem ich meine Aussagen gemacht habe, wurden ungefähr 40 Personen verhaftet. Zusätzlich wurde von der Berliner Mordkommission ein Mord entdeckt.

 

VL: Von wo hatten Sie diese Informationen?

 

BW: Ich habe in einer solchen kriminellen Organisation gearbeitet.

 

VL: Aus welchen Gründen haben Sie in einer kriminellen Organisation gearbeitet?

 

BW: Das weiß ich nicht. Wahrscheinlich aus dem Grund, schnell Geld zu verdienen

 

VL: Welche Arbeit war das?

 

BW: Verschiedene.

 

VL: Haben Sie außer der Tat im Flüchtlingslager Oldenburg, für die Sie verurteilt wurden, noch andere Straftaten in Deutschland verübt?

 

BW: Nein. Ich bitte Sie darum mit der Kriminalpolizei in Braunschweig Kontakt aufzunehmen, um eine Bestätigung für meine Aussagen zu erlangen. Aufgrund meiner Aussage, die ich in Deutschland gemacht habe, kann ich mich in der Ukraine nicht mehr zeigen lassen.

 

VL: Wie sollen die Informationen, die Sie der deutschen Polizei gegeben haben, an die organisierte Kriminalität der Ukraine gelangt sein?

 

BW: Diese Menschen in der Ukraine und auch in Russland haben bescheid gewusst, wann ich in Haft war, wann ich zurückkommen müsste. Als ich in Deutschland im Gefängnis saß, hat man meine Familie bedroht. Meine Frau wurde abgeholt und geschlagen. Alles aus der Wohnung wurde ausgeräumt. Sie haben ihr gesagt, dass ich schon eine Leiche bin. Wenn sie mich nicht finden würden, werden sie sie umbringen. Seit dem wohnt sie nicht mehr in Lutzk. Sie ist auf der Flucht und versteckt sich. Als ich das erste Mal wieder in der Ukraine war, wie gesagt, illegal die Grenze überquert habe, haben die Mitglieder der organisierten Kriminalität mich ausfindig gemacht. Als ich aus dem Stiegenhaus auf die Straße kam, wollten Sie mich in ein Auto drängen. Es kam zu einer Rauferei. Ich wurde mit einem Messer gestochen, aber ich konnte fliehen. Ich war im Spital und ich habe Bestätigungen darüber, dass ich mich tatsächlich im Spital behandeln habe lassen und, dass ich mich an die Polizei gewendet habe.

 

VL: Wie hat die Polizei darauf reagiert?

 

BW: Ich wollte meinerseits auch eine Anzeige erstatten und ich wandte mich an N.P.. Er hat mir mitgeteilt, dass dich das nicht machen soll, denn die Polizei hätte einen Haftbefehl für mich und werde mir auch nicht helfen.

 

VL: Warum sollte Sie die ukrainische Polizei verhaften wollen?

 

BW: Das weiß ich nicht. Ich nehme an, dass diese mit dieser kriminellen Organisation in Verbindung stehen. Herr P. meinte, dass diejenigen, gegen diejenigen ich in Deutschland meine Aussage machte, nur "kleine Fische" waren und dass die Oberen der Organisation sich noch immer in der Ukraine befinden. Diese Mensche können jede Tür aufmachen, auch in der Regierung. Es ist sehr leicht für sie zu organisieren, dass man mich für irgendeine Kleinigkeit verhaftet und, dass ich danach entweder im Gefängnis getötet werde oder dieser kriminellen Organisation übergeben werde oder, dass man irgendeine Erkrankung vortäuscht und mich bei einer Operation tötet. Ich wollte noch zusätzlich sagen, dass die Bestätigung, dass ich im Spital war und an die Polizei wandte, könnte ich vorlegen, aber diese befinden sich bei meiner Frau, die sich in Polen aufhält und da ich jetzt nur einmal im Monat die Möglichkeit habe zu telefonieren und sie nicht direkt erreichen kann, muss ich jemanden in der Ukraine erreichen, der sich auf den Weg nach Polen macht, kann ich die Bestätigung derzeit nicht vorlegen. Wenn ich freigelassen werde, kann ich die Bestätigung vorlegen.

 

VL: Wie stellen sich aus Ihrer Sicht die Vorgänge in dem Flüchtlingslager in Oldenburg dar, die zu Ihrer Verurteilung wegen Vergewaltigung geführt haben?

 

BW: Das habe ich schon dargestellt. Wenn die betroffene Person sich erst 3 Tage danach an die Polizei wendet und überhaupt keine Expertise durchgeführt wurde. Ich weiß nicht, ob die Person untersucht wurde. Wahrscheinlich wurde sie untersucht. Ich wurde aber nicht untersucht. Als ich aus Braunschweig gekommen bin, wurde ich verhört. Die Polizei hat mich nach Oldenburg geschickt. Als ich dort ankam, traf ich dort einen aus der kriminellen Organisation, über die ich ausgesagt habe. Ich habe daraufhin sofort die Polizei informiert, aber sie haben mir gesagt, ich solle mir keine Sorgen machen. Ich habe mit einer Frau geschlafen und sie sagte erst 3 Tage später, dass ich sie vergewaltigt habe. Es waren nur Wände aus Karton. Angeblich hat niemand etwas gehört. Später ist dann die Kriminalpolizei aus Berlin gekommen und hat mir gesagt, wenn ich noch eine Aussage über einen Mord mache, könne ich frei kommen.

 

VL: Was können Sie aus Ihrer Sicht zum Strafverfahren sagen, das zu Ihrer Verurteilung in Deutschland führte?

 

BW: Der Richter meinte, wenn ich keine Zeugen habe, glaube ich dieser Frau.

 

VL: Haben Sie Ihre Strafe in Deutschland zur Gänze verbüßt?

 

BW: Nein, nur 2 Jahre.

 

VL: Wurden Sie früher entlassen?

 

BW: Ich wurde nach Holland abgeschoben.

 

VL: Können Sie die Vorfälle, die zu Ihrer Verurteilung durch das LG Innsbruck führten, näher schildern?

 

BW: Ja, man hat mich wegen Diebstahl und versuchten Raub verurteilt und wegen schwerer Nötigung. Ich habe von jemanden ein Mobiltelefon verlangt. Wenn Sie möchten, stelle ich die Situation kurz dar.

 

VL: Ja, bitte.

 

BW: Als ich illegal die Ukraine verlassen habe und illegal in Österreich aufhältig war, habe ich sofort in einer Kirche um Hilfe gebeten. Ich wurde der Fremdenpolizei übergeben, wo ich den Asylantrag gestellt habe. Ich wurde in Wien in Schubhaft genommen. Als ich frei gelassen wurde, weil ich in Hungerstreik getreten war, habe ich ein paar Tage illegal gearbeitet. Dann habe ich bei der Caritas Wien einen Platz bekommen. In Wien habe ich einen Mann aus der kriminellen Organisation der Ukraine getroffen, der mich kennt. Ich habe bei der Caritas gebeten, dass ich daraufhin woanders untergebracht werde. Sie meinten, dass dies nicht möglich ist und ich müsste mich in Wien aufhalten. Ich hatte aber Angst in Wien zu bleiben. Man hat mir angeraten, dass ich nach Innsbruck fahren soll und dort einen neuen Asylantrag stellen soll.

 

VL: Haben Sie das gemacht?

 

BW: Ja. Ich habe mich mit meiner Frau in Verbindung gesetzt und von ihr erfahren, dass die Mitglieder der kriminellen Organisation wiedereinmal bei ihr waren. Sie haben die Bedingung gestellt, dass sie ihnen Geld geben soll. Sie glaubten, dass ich meiner Frau als ich in der Ukraine war, Geld übergeben hatte. Sie haben meiner Frau eine Frist gesetzt. Bis zu dieser muss sie 15.000 $ zahlen oder es wird mit ihr oder mit unserm Sohn etwas passieren. Sie weinte am Telefon. Sie hat nichts Näheres darüber erzählt, was dann geschehen wird. Ich musste irgendwie aus dieser Situation herauskommen. Ich habe mich wieder an die Kirche gewendet. Ich habe mit einem Geistlichen gesprochen, der mir zugehört hat und ich habe ihn um einen Rat gefragt. Er konnte mir aber keinen geben. Dann war ich in einer Klinik bei einem Arzt, da ich meine Niere verkaufen wollte. Der Arzt meinte, ich sollte 2 Tage warten. Nach den 2 Tagen sagte er, dass dies illegal ist und, dass das nicht möglich ist. Ich wusste nicht mehr, was ich machen soll. Ich wollte eine Bank überfallen. Ich hätte alles gemacht, um das Geld zu bekommen. Ich war psychisch ganz fertig.

 

Eines Tages habe ich viel Wodka getrunken. Vorher hatte ich schon geplant einen Banküberfall oder einen Geschäftsüberfall zu machen. Aber ich konnte das nicht in die Tat umsetzen. Deshalb habe ich mich angetrunken. Ich habe versucht meine Frau telefonisch zu erreichen. Ich ging auf die Strasse und habe einem Menschen ein Telefon entrissen. Einen Tag später kam die Polizei, sie fragten mich, woher ich das Essen bekommen habe. Ich sagte, dass ich das Essen gestohlen habe. Es wurde als Diebstahl angesehen und das Wegnehmen des Mobiltelefons als Raubüberfall.

 

VL: Was sagen Sie zu dem Vorwurf der Nötigung, weshalb Sie auch verurteilt wurden?

 

BW: Die Nötigung steht auch im Zusammenhang mit der Wegnahme des Telefons. Es war an dem Tag, als ich die Bank mit einer Spielzeugpistole überfallen wollte. Der Polizei habe ich das auch gesagt. Es wurde überprüft und bestätigt.

 

VL: Warum waren Sie dann in einer Psychiatrischen Klinik aufhältig?

 

BW: Weil ich suizidgefährdet war. Nachdem mich die Polizei verhaftet hat, war alles für mich durcheinander. Ich wusste nicht mehr, wie ich meiner Familie helfen sollte. Ich wollte mich umbringen.

 

VL: Haben Sie irgendwelche Beschwerden über das gegen Sie in Österreich durchgeführte Strafverfahren?

 

BW: Nein.

 

VL: Warum haben Sie den Behörden gegenüber mehrere verschiedene Namen angegeben?

 

BW: Ich habe Angst in die Ukraine zu gelangen.

 

VL: Was würde mit Ihnen geschehen, wenn Sie in die Ukraine zurückkehren würden?

 

BW: Ich würde langsam sterben. Wenn ich in die Ukraine zurückfahren könnte, in Österreich gab es voriges Jahr eine Amnestie, wurde mir vorgeschlagen, meinen Asylantrag zurückzuziehen und in die Ukraine zurückzukehren, dann hätte ich eine kürzere Strafe abzusitzen gehabt. Alle die unter dieser Amnestie fielen, haben dies gemacht. Ich konnte das aber nicht machen. Wenn ich zurückkehre, würde ich getötet werden.

 

VL: Warum glauben Sie, dass Sie bei einer Rückkehr in die Ukraine getötet werden?

 

BW: Das glaube ich nicht, das weiß ich. Ich habe Narben im Gesicht und an den Armen. Meine Frau ist auf der Flucht. Welche Beweise braucht man noch. Ich wurde dort mit Messern geschnitten und bin kaum aus der Schlinge herausgekommen. Wenn ich zurückkomme, werde ich getötet."

 

Am Schluss der Verhandlung hielt der Verhandlungsleiter den Parteien des Verfahrens gemäß § 45 Abs. 3 AVG folgende Dokumente vor und räumte eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme von drei Wochen ein:

 

Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 19.03.2003

 

Mitteilung des BAA vom 27.11.2002 betreffend Bekämpfung der organisierten Kriminalität in der Ukraine.

 

Am Schluss der Verhandlung führte der Berufungswerber aus, dass er nicht in die Ukraine abgeschoben werden möchte, dass er alles gesagt habe und dass er den Verhandlungsleiter ersuche, sich mit den Beamten der Kriminalpolizei in Braunschweig in Verbindung zu setzen. Weiters beantragte er die Beischaffung der Krankengeschichte des psychiatrischen Krankenhauses H. in Tirol. Der Verhandlungsleiter kündigte an, die Urteile des Landesgerichtes Oldenburg und des Landesgerichtes Innsbruck, mit denen der Berufungswerber rechtskräftig verurteilt worden sei, im Volltext zu beschaffen.

 

Die genannten Dokumente wurden in der Folge im Volltext beigeschafft.

 

Im Gegensatz zur Behörde erster Instanz erstattete der Berufungswerber eine Vertretungsanzeige durch die Rechtsanwälte Dr. Walter HASIBEDER und Dr. Josef STRASSER und gab zu den vorgehaltenen Dokumenten eine Stellungnahme samt Antrag ab. In dieser wurde insbesondere ausgeführt, dass der Asylwerber nicht vor Übergriffen der Mafia in der Ukraine geschützt werde, da in der ukrainischen Polizei und Justiz nach wie vor kriminelle und korrupte Strukturen herrschten. Es gäbe in der Ukraine zwar verschiedene Organisationen, die sich angeblich für die Einhaltung der Menschenrechte einsetzten. Diese seien jedoch nicht wirklich unabhängig und habe er deswegen keine Vertrauen zu diesen, dass diese Organisationen ihm helfen könnten. Die Genfer Flüchtlingskonvention gäbe es in der Ukraine nur auf dem Papier. Unter Berücksichtigung seiner konkreten Situation sei jedenfalls davon auszugehen, dass er bei einer Rückkehr in die Ukraine nicht vor Verfolgung sicher sei. Er habe bereits im bisherigen Asylverfahren mehrfach dargelegt, dass er während seines Aufenthaltes in Deutschland mit der Kriminalpolizei in Braunschweig zusammengearbeitet habe und dabei viele Mitglieder einer kriminellen Organisation (Russen und Ukrainer) massiv belastet habe. Er habe bereits dargelegt, dass massive Repressalien gegen seine Gattin und seine Familie erfolgt wären. Seine Frau sei derzeit in Polen und traue sich aus Angst vor Verfolgung in der Ukraine nicht in die Ukraine zurück und wenn, dann nur heimlich. Seiner Familie sei schon zugespielt worden, dass man ihn töten werde. Um in der Ukraine neue Dokumente beantragen zu können, müsse er sich als Rückkehrer in den Ort begeben, wo er zuletzt gemeldet war, sohin nach Lutzk; dorthin könne er jedoch auf Grund der herrschenden Zustände (Verquickung von Amtsträgern, Polizei und Kriminellen Strukturen) nicht zurück. Bereits bei der Einvernahme vor dem Bundesasylsenat habe er beantragt, entsprechende Erhebungen bei der Kriminalpolizei Braunschweig durchzuführen, um die von ihm dargestellten Behauptungen zu verifizieren, da er im Zuge einer entsprechenden Zusammenarbeit mit der Polizei verschiedene Mitglieder einer kriminellen Organisation massiv durch Aussagen belastet habe, wobei beantragt wurde, geeignete Erhebungen bei der Kriminalpolizei in Braunschweig zu veranlassen.

 

Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 27.10.2003, Zl.

 

226.101/0-VIII/22/02, wurde die Berufung des S.V. vom 27.01.2002 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 03.01.2002, Zl. 01 24.561-BAI, gem. §§ 13, 8 AsylG abgewiesen. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass im vorliegenden Fall ein Asylausschlussgrund vorliege, da der Antragsteller insbesondere bevor er in das Gastland zugelassen worden sei, ein schweres nichtpolitisches Verbrechen begangen habe. Es sei wohl nachvollziehbar, dass er als abgesprungenes Mitglied der organisierten Kriminalität von dieser verfolgt werde, jedoch sei ein lückenloser Schutz vor Aktivitäten organisierter Kriminalität in Österreich nicht möglich, im Herkunftsstaat Ukraine herrsche jedoch notorischerweise weder eine Bürgerkriegssituation noch aufgrund bewaffneter Auseinandersetzungen eine derart extreme Gefahrenlage, dass praktisch jedem, der in diesen Staat abgeschoben werde, eine Gefahr für Leib und Leben in hohem Maße drohe, sodass die Berufung abzuweisen gewesen sei.

 

Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Walter HASIBEDER und Dr. Josef STRASSER, Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, welcher mit Erkenntnis vom 15.12.2006, Zl. 2006/19/0299, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufhob. In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die belangte Behörde habe die dem Beschwerdeführer drohende Rückkehrgefährdung nicht ausreichend geklärt und unterliege einem Rechtsirrtum, wenn sie vermeine, die Bedrohung durch Kriminelle könne in keinem Fall Asylrelevanz haben und könne der Verwaltungsgerichtshof die Überlegungen, die zur Unerheblichkeit der beantragten Zeugeneinvernahmen, ob die dem Beschwerdeführer drohende kriminelle Organisation von einem "Verrat" ihrer Mitglieder gegenüber der deutschen Polizei Kenntnis erlangt haben konnte, nicht nachvollziehen.

 

Im fortgesetzten Verfahren wurde zunächst ein aktueller Strafregisterauszug von der nunmehr zuständige Berufungsinstanz, dem Asylgerichtshof, eingeholt und das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 00.00.2004, mit dem der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB und des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15 und 269 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren verurteilt wurde, sowie das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 00.00.2004, mit dem dieses Urteil vollinhaltlich bestätigt wurde, angefordert. Der Asylgerichtshof beraumte weiters für den 26.08.2008 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung an, zu der sich die Behörde erster Instanz entschuldigen ließ und der Beschwerdeführer - trotz ausgewiesener Ladung - unentschuldigt nicht erschienen ist. Es wurde dann in der Folge eine weitere mündliche Beschwerdeverhandlung für den 26.09.2008 anberaumt, zu der sich die Behörde erster Instanz ebenfalls entschuldigen ließ. Der bisherige Rechtsvertreter Rechtsanwalt Dr. Josef STRASSER gab die Vollmachtsauflösung bekannt, unter der auf der Entlassungsbestätigung der Justizanstalt Wien Josefstadt angegebenen Adresse XY, konnte der Beschwerdeführer zu der genannten Verhandlung geladen werden, unter der bisherigen Adresse (Verein Ute Bock, Große Sperlgasse 4, 1020 WIEN) war eine Ladung nicht möglich. Der Beschwerdeführer erschien wiederum - trotz Zuwarten bis eine halbe Stunde nach Verhandlungstermin - nicht zu der genannten Beschwerdeverhandlung. Im Zuge der Verhandlung wurden gem. § 45 Abs. 3 AVG folgende Dokumente verlesen:

 

Feststellungen des ASylGH zur Ukraine

 

Länderbericht der Konrad-Adenauer-Stiftung "Demokratie in kleinen Schritten"

 

U.S. Department of State "Country Report on Human Rights Practices, 15.03.2007

 

Bescheidtaugliche Feststellungen der Staatendokumentation zur Ukraine "Korruption und Rechtsschutz" vom 25.01.2007

 

Anfragebeantwortung betreffend Behandlungsmöglichkeiten in der Ukraine vom 15.03.2007

 

Sodann schloss der vorsitzende Richter gem. § 39 Abs. 3 AVG das Ermittlungsverfahren und verkündete gem. § 41 Abs. 9 Z 1 AsylG 2005 idgF. das Erkenntnis samt wesentlicher Begründung.

 

Der Asylgerichtshof hat durch den zuständigen Richter wie folgt festgestellt und erwogen:

 

Zur Person des Berufungswerbers wird Folgendes festgestellt:

 

Sein richtiger Name ist S.W., er ist ukrainischer Staatsbürger und gehört der ukrainischen Volksgruppe an. Nach dem Abschluss der Mittelschule (mit Matura) absolvierte er von 1989 bis 1991 den Militärdienst. Anschließend arbeitete er (unselbständig) als Autoschleifer, daraufhin machte er sich selbständig. Er eröffnete mit Hilfe eines Kredites ein Handelsgeschäft. Den Kredit hat er angeblich aus einem Fond, der für die Hilfe der Tschernobyl-Opfer zuständig war, ohne Sicherheiten erhalten.

 

Sein Vater starb, nachdem er bei der Liquidierung des Atomkraftwerkes in Tschernobyl tätig war, im Jahre 1991. Seine Mutter bekam jedoch aus dem erwähnten Fond nichts, worauf er sich beschwerte und anschließend Schwierigkeiten bekam. Vor allem musste er den Kredit kurzfristig zurückzahlen. Er ging nach Deutschland, stellte dort einen Asylantrag und arbeitete in einer kriminellen Organisation. Außerdem war er auch in Holland aufhältig. In Deutschland machte er gegenüber der Kriminalpolizei Aussagen über eine kriminelle Organisation.

 

Mit Urteil des Landesgerichtes Oldenburg vom 00.00.1999, wurde er wegen Vergewaltigung der vietnamesischen Staatsbürgerin P.T. zu vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, welche er nur teilweise verbüßte. Er wurde dann nach Holland abgeschoben und von dort anschließend nach Polen. Von dort kehrte er illegal in die Ukraine zurück, hielt sich jedoch dort nur kurze Zeit auf und gelangte über die Slowakei nach Österreich, wo er am 05.09.2001 unter Angabe des Namens M.W. einen Asylantrag stellte. Er hatte auch in Österreich Probleme mit Personen krimineller Organisationen aus der Ukraine. Der Berufungswerber war vom 00.00.2001 bis 00.00.2001 im psychiatrischen Krankenhaus des Landes Tirol wegen Selbst- und Fremdgefährdung.

 

Mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 00.00.2002, wurde er wegen des Verbrechens der schweren Nötigung, des Vergehens der dauernden Sachentziehung, des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung und des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahles zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Es gibt bei beiden Urteilen keine Anhaltspunkte für Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe.

 

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 00.00.2004, wurde der Beschwerdeführer wegen § 124 Abs. 1 sowie §§ 15 und 269 Abs. 1 1. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Als Milderungsgrund wurde darin das überwiegende reumütige Geständnis, die objektive Schadensgutmachung sowie der Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben sei, angeführt, als Erschwerungsgründe die beiden einschlägigen Vorstrafen, der rasche Rückfall und die Tatwiederholung beim Raub sowie das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen. Weiters wurde der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes Graz vom 00.00.2006, wegen § 83 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten sowie mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 00.00.2006, wegen § 107 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt.

 

Zur Ukraine wird Folgendes festgestellt:

 

Die Ukraine erreichte im Jahr 1991 ihre staatliche Unabhängigkeit. Nach der Verfassung vom 28. Juni 1996 - sie enthält einen ausführlichen Grundrechtekatalog - war die Ukraine ursprünglich eine Präsidialdemokratie mit Gewaltenteilung. Politik und Verwaltung waren stark auf den Staatspräsidenten als zentrale Verfassungsinstitution und Ausdruck staatlicher Macht ausgerichtet.

 

Am 8. Dezember 2004 wurde die Verfassung im Zuge der "Orangefarbenen Revolution" wesentlich geändert. Diese Änderungen traten zum Jahresbeginn 2006 in Kraft. Sie stärkten das Parlament, das nun weitgehend selbst die Regierung einsetzen und durch Misstrauensvotum abberufen kann. Der Präsident hat jedoch faktisch bei der Regierungsbildung weiterhin eine einflussreiche Rolle und zudem die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen das Parlament aufzulösen.

 

Die Kompetenzen der einzelnen Verfassungsorgane sind im geltenden Verfassungstext nur unzureichend abgegrenzt. Dies führte im Frühjahr 2007 zu einem Verfassungskonflikt zwischen Staatspräsident Juschtschenko und der damaligen Regierung unter Premierminister Janukowitsch, in dem sich beide Seiten gegenseitig Verfassungsbruch vorwarfen. Das Verfassungsgericht erwies sich dabei als unfähig zur Streitschlichtung. Präsident Juschtschenko hat Anfang 2008 einen Verfassungsrat aus Politikern und Experten gebildet, der Vorschläge zu einer Verfassungsreform erarbeiten soll.

 

Die Ukraine wird zentralistisch regiert. Das Land ist in 27 Verwaltungseinheiten aufgeteilt: Dies sind die 24 Bezirke (Oblaste), deren Gouverneure vom Präsidenten ernannt und entlassen werden, außerdem die Autonome Republik Krim und die Städte Kiew und Sewastopol, die einen Sonderstatus haben. Organe der regionalen und lokalen Selbstverwaltung haben mit Ausnahme der Krim relativ geringe Kompetenzen.

 

Bei den Präsidentschaftswahlen im Herbst 2004 standen sich der damalige Premierminister Viktor Janukowitsch und der Oppositionskandidat Viktor Juschtschenko gegenüber. Nach Wahlfälschungen zugunsten von Janukowitsch kam es zu starken Protesten der ukrainischen Bevölkerung. Juschtschenko und seine Verbündete Julija Tymoschenko standen über Wochen an der Spitze einer breiten, gewaltlosen Volksbewegung. Schließlich erreichte die "Orange Revolution" eine Wiederholung der Präsidentschaftswahlen. Juschtschenko gewann am 26. Dezember 2004 und trat Anfang 2005 sein Amt als dritter Präsident der seit 1991 unabhängigen Ukraine an. Julija Tymoschenko wurde Premierministerin (bis September 2005). Als sie wegen Differenzen mit Staatspräsident Juschtschenko ihr Amt verlor, wurde ein Vertrauter Juschtschenkos, der heutige Verteidigungsminister Juri Jechanurow, Premierminister.

 

Bei den Parlamentswahlen am 26. März 2006 wurde Janukowitschs "Partei der Regionen" (PdR) deutlich stärkste Fraktion vor dem "Block Julija Tymoschenko" (BJuT) und Juschtschenkos "Unsere Ukraine" (UU). Als die Spannungen zwischen Präsident und Premierminister zunahmen, ging UU in die Opposition und zog ihre fünf (zusätzlichen) Minister aus der Regierung zurück.

 

Im April 2007 löste Präsident Juschtschenko, das ukrainische Parlament auf und ordnete Neuwahlen an. Die verfassungsrechtlichen Grundlagen der Auflösung sind umstritten. Das vom Parlament angerufene Verfassungsgericht erwies sich als gespalten, politisch instrumentalisiert und nicht hinreichend legitimiert, weshalb es zu keiner Entscheidung imstande war.

 

Der Auflösungsbeschluss führte zu Kundgebungen, Pressegesprächen, Auslandsreisen und Verhandlungen der beiden Lager vor und hinter den Kulissen. Beide Seiten respektierten weitgehend die in der Revolution errungene Presse-, Meinungs- und Demonstrationsfreiheit. Die Sicherheitsbehörden agierten mit Augenmaß. Ende Mai einigten sich schließlich Präsident, Premierminister und Parlamentspräsident auf Neuwahlen am 30. September 2007. Die Regierung Janukowitsch blieb im Amt.

 

Nach Einschätzung der OSZE-Wahlbeobachter entsprachen die Parlamentswahlen vom 30. September 2007 im wesentlichen demokratischen Standard und den internationalen Verpflichtungen der Ukraine.

 

Am 18. Dezember 2007 wurde Julija Tymoschenko im dritten Wahlgang in namentlicher Abstimmung zur neuen ukrainischen Premierministerin gewählt. Als wesentliche Aufgaben ihrer Regierung nannte Premierministerin Tymoschenko die Themen Energiesicherheit, Gerichtsreform, Verbesserung des Investitionsklimas und eine aktive Sozialpolitik. Der Haushalt 2008 wurde vom Parlament noch kurz vor Jahresende verabschiedet. Von Mitte Januar 2008 an blockierte die Opposition die Parlamentsarbeit; Anlass war die Unterschrift von Parlamentspräsident Jazenjuk unter die ukrainische Bitte an die NATO um einen Mitgliedschaftsaktionsplan. Diese Blockade endete am 6. März 2008, als das Parlament mehrheitlich eine Resolution verabschiedete, dass ein Beitritt zur NATO erst nach einem Referendum möglich sei (was Staatspräsident Juschtschenko schon seit längerem zugesagt hatte).

 

(Quelle: Deutsches Auswärtiges Amt, Innenpolitik, Stand März 2008, http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/Ukraine/Innenpolitik.html, Zugriff am 15.07.2008)

 

Allgemeine Menschenrechtslage

 

Der Schutz der Menschenrechte sowie das Rechtsstaats- und Demokatieprinzip sind in der Verfassung verankert. Auf Grundlage der Verfassung ist das Amt der Ombudsperson für Menschenrechte beim ukrainischen Parlament als unabhängige Kontrollinstanz geschaffen worden (am 8. Februar 2007 wurde Nina Karpatschowa erneut zur Menschenrechtsbeauftragten gewählt). Die Ukraine ist Vertragsstaat der meisten Menschenrechtsabkommen des Europarates und der Vereinten Nationen.

 

Seit der "Orange Revolution" berichten die Medien auch kritisch über einzelne Fälle von Menschenrechtsverletzungen. Die Bürgergesellschaft ist deutlich lebendiger als früher. Unabhängige Menschenrechtsorganisationen können weitgehend ungehindert arbeiten und werden von der Regierung als Gesprächspartner akzeptiert.

 

Problematisch bleiben die stark verbreitete Korruption, die Zustände in den Gefängnissen (insbesondere Untersuchungshaftanstalten), schleppende Gerichtsverfahren, die Lage ausländischer Flüchtlinge und der Roma, die Zunahme fremdenfeindlicher und antisemitischer Gewalt.

 

Die politische Lähmung des Landes im vergangenen Jahr blockierte viele Gesetzesvorhaben zur Justizreform. Geplant sind eine einheitliche, transparentere Richterauswahl, die Stärkung der richterlichen Selbstverwaltung, mehr Öffentlichkeit im Strafprozess, Rechtsmittel gegen Untersuchungshaft, eine Beschränkung des Einflusses der Staatsanwaltschaft.

 

Die Ukraine ist 2007 in 108 Fällen vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt worden, häufig wegen Verletzung von Prozessgrundrechten (unfaires oder zu langes Verfahren).

 

(Quelle: Deutsches Auswärtiges Amt, Innenpolitik, Stand März 2008 http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/Ukraine/Innenpolitik.html, Zugriff am 15.07.2008)

 

Die schwerwiegendsten Bedenken in Hinblick auf die Einhaltung der Menschenrechte bleiben Rechtsverletzungen im Bereich der Polizei und des Strafrechtssystems. Hierzu gehören Folter in Untersuchungshaftanstalten, schlechte Haftbedingungen sowohl in Straf- als auch in Untersuchungshaftanstalten und willkürliche und übermäßig lange Anhaltung in Untersuchungshaft. Hinzu kommen fortgesetzte gewaltsame Schikanen gegenüber Wehrpflichtigen und die Überwachung privater Kommunikation durch die Verwaltung ohne gerichtliche Kontrolle. Die Rückgabe religiösen Eigentums wurde fortgesetzt. Fälle von Gewalt gegen Juden und antisemitische Veröffentlichungen sowie

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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