TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/06 B15 400160-1/2008

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Veröffentlicht am 06.10.2008
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Spruch

B15 400.160-1/2008/3E

 

E R K E N N T N I S

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Ulrike Wintersberger als Vorsitzende und den Richter Mag. Harald Perl als Beisitzer im Beisein des Schriftführers Mag. Gregor Breier über die Beschwerde des N.J., geb. 00.00.1991, StA. Kuba, vom 16.06.2008 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 04.06.2008, FZ. 08 01.552-BAW, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird stattgegeben und N.J. gemäß

 

§ 3 Abs. 1 AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

 

Gemäß § 3 Abs. 5 leg. cit. wird festgestellt, dass N.J. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Text

Entscheidungsgründe

 

Verfahrensgang

 

1. Der Beschwerdeführer (BF) ist am 07.08.2007 in Österreich eingereist, hat allerdings den Antrag auf internationalen Schutz erst am 12.02.2008 gestellt.

 

Im Zuge der Niederschrift vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes vom selben Tag gab er an, per Flugzeug von Havanna über Deutschland nach Wien gelangt zu sein. Seinen Reisepass habe er der Polizei bei der Erstaufnahmestelle übergegeben.

 

In Italien lebe nach seinen Angaben seine Cousine und in Österreich seine Mutter (R.B.).

 

Da auf Kuba die Großmutter des BF erkrankt sei und sich nun nicht mehr wie bisher um ihn kümmert könne, habe er versucht zu seiner Mutter nach Österreich zu gelangen. Zudem habe er vor, hier zu studieren.

 

2. Vor dem Bundesasylamt Traiskirchen bestätigte er am 15.02.2008 die 3 Tage zuvor getätigten Aussagen, führte nochmals seine Mutter, die nunmehr den Familiennamen S. trägt (vgl. AS 87 des erstinstanzlichen Aktes), als gesetzliche Vertreterin an. Derzeit ist die Mutter des BF mit einem in Israel geborenen österreichischen Staatsbürger verehelicht.

 

Den erst mehr als ein halbes Jahr nach seiner Einreise in Österreich gestellten Asylantrag rechtfertigte der BF damit, dass er sich mit dem Asylwesen in Österreich nicht ausgekannt habe.

 

3. Dem Akt liegen zudem eine Verpflichtungserklärung der Mutter vom 28.06.2007 sowie die Kopien eines Mietvertrages, einer Gehaltsbestätigung und die Bestätigung einer für die Dauer von 3 Monaten (Beginn 01.08.2007) abgeschlossenen Krankenversicherung bei.

 

4. Von der Österreichischen Botschaft in Havanna wurden Länderinformationen zu Kuba übermittelt, die sich u.a. mit der Problematik eines mehr als

 

11-monatigen Auslandsaufenthaltes und mit den daraus resultierenden Problemen für kubanische Staatsbürger auseinandersetzen.

 

5. In Gegenwart seiner Mutter als gesetzlicher Vertreterin wurde der BF am 26.05.2008 vom Bundesasylamt Wien nochmals zu seinen Beweggründen, Kuba zu verlassen befragt.

 

Er gab an, in Österreich bei seiner Mutter zu leben und die meiste Zeit damit zu verbringen, Deutsch zu lernen.

 

Sein Vater lebe nach wie vor in Kuba und übe den Beruf eines Karatelehrers aus. Seine Mutter habe ihm von Österreich aus Geld zukommen lassen, um ihn zu unterstützen.

 

Er meinte, für ihn gäbe es auf Kuba keine Zukunft. Er möchte hier in Österreich bleiben und Jus studieren. Seine Großmutter könne sich auch nicht mehr um ihn kümmern wie bisher, da sie erkrankt sei.

 

Seine Mutter habe ihn überreden wollen, schon früher nach Österreich zu kommen, nur habe er sich erst jetzt dazu durchringen können.

 

Von seiner Mutter sei er zumindest einmal pro Jahr auf Kuba besucht worden. Sie habe im Zuge dieser Ein- und Ausreisen keinerlei Probleme mit den kubanischen Behörden gehabt.

 

Der BF gab an, auf Kuba nicht verfolgt zu werden, er habe allerdings Angst davor, Probleme wegen seines längeren Auslandsaufenthaltes zu bekommen.

 

6. Mit Bescheid vom 04.06.2008, GZ. 08 01.552-BAW, wurde der Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen und dem BF der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I). Zudem wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kuba nicht zuerkannt.

 

Im Wesentlichen wurde in dieser Entscheidung aufgezeigt, dass das Fluchtvorbringen des BF keinerlei asylrelevante Aspekte aufweist und ihm nach Meinung der ersten Instanz keinerlei Verfolgungsgefahr auf Kuba im Falle einer Rückkehr erwartet.

 

Infolge seiner besonderen familiären Situation des BF in Österreich hat man von einer Ausweisung nach Kuba abgesehen.

 

7. Am 17.06.2008 brachte der BF seine Beschwerde vom 16.06.2008 ein, in der er vorbringt, dass er auf Kuba wegen der Ausreise und Verehelichung seiner Mutter im Ausland Probleme gehabt hätte.

 

Seine Mutter sei als Verräterin und Hure beschimpft worden und von der Polizei 2003 für 2 Tage verhaftet worden, als sie den BF besuchen habe wollen.

 

Der BF kritisiert zudem Teile des erstinstanzlichen Bescheides, in denen z.B. nicht sein Name, sondern der Name einer anderen Person angeführt sei, sein Geburtsdatum z.T. falsch genannt werde und zudem ist von einer Schwester die Rede, die er nicht habe. Infolge dieser offensichtlichen Fehler bzw. Ungenauigkeiten bezweifle der BF, dass sich die 1. Instanz ausreichend mit seiner Person und Fluchtgeschichte auseinandergesetzt hat.

 

Abschließend betonte der BF nochmals in seiner Beschwerde, dass er durch seine Ausreise und durch seinen nunmehr länger dauernden Auslandsaufenthalt ebenfalls als Verräter gebrandmarkt sei.

 

Danach steht folgender Sachverhalt fest:

 

Der BF ist im August 2007 in Österreich eingereist, hat allerdings erst mehr als ein halbes Jahr später gegenständlichen Asylantrag gestellt. Die Staatsbürgerschaft ergibt sich aus den vorgelegten Dokumenten und den diesbezüglich glaubhaften Angaben des BF und seiner gesetzlichen Vertreterin.

 

Der BF ist lt. eigenen Angaben in erster Linie nach Österreich gereist, da seine Großmutter sich auf Kuba nicht mehr um ihn kümmern kann und um wieder gemeinsam mit seiner in Österreich verheirateten Mutter leben zu können bzw. hier ein neues Leben zu beginnen.

 

Seit Anfang Juli 2008 befindet sich der BF mittlerweile mehr als 11 Monate außerhalb Kubas (Datum der erstinstanzlichen Entscheidung: 04.06.2008).

 

Zur Lage in Kuba wird festgestellt:

 

Die in der erstinstanzlichen Entscheidung getroffenen, v.a. auf der Auskunft der Österreichischen Botschaft vom 17.12.2007 beruhenden Feststellungen zur sicherheitspolitischen und menschenrechtlichen Situation auf Kuba werden - speziell unter dem Hinweis auf die Problematik eines mehr als 11-monatigen Auslandsaufenthaltes - zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses erhoben.

 

Der festgestellt Sachverhalt gründet sich auf die oben angeführten Beweismittel und folgende Beweiswürdigung:

 

Beweis wurde erhoben durch die Aussagen des BF im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens und aller weiteren dem Akt beiliegenden Unterlagen.

 

Das Verwandtschaftsverhältnis zur Mutter des BF wurde durch die im erstinstanzlichen Verfahren im Original vorgelegten Geburtsurkunde und die beiden Reisepässe nachgewiesen (vgl. AS 23ff des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).

 

Zudem wurden für die gegenständliche Entscheidung die dem erstinstanzlichen Bescheid zu Grunde liegenden Länderinformationen zum Staat Kuba herangezogen.

 

Im gesamten erstinstanzlichen Verfahren brachte der BF vor, von Kuba nach Österreich gereist zu sein, da sich seine Großmutter infolge einer Erkrankung nicht mehr um ihn kümmern könne und er gemeinsam mit seiner in Österreich nunmehr verheirateten Mutter leben wolle. Von Seiten der Mutter wurde dies bestätigt bzw. näher ausgeführt, dass sie versucht habe, ihren Sohn zumindest einmal pro Jahr auf Kuba zu besuchen, wobei sie im Zuge dieser Reisen nach Kuba weder bei der Ein- noch bei der Ausreise Probleme gehabt hätte.

 

Der BF gab auch selbst an, auf Kuba nicht verfolgt zu werden, jedoch nicht zu wissen, ob er infolge seines Auslandsaufenthaltes im Falle einer Rückkehr nach Kuba mit Problemen seitens der kubanischen Behörden zu rechnen hätte.

 

In der Beschwerde wurde dieses Vorbringen jedoch plötzlich erweitert, indem der BF anführte, schon auf Kuba ständig Probleme gehabt zu haben, die mit der schon mehrere Jahre zurückliegenden Ausreise und mittlerweile Verehelichung seiner Mutter im Ausland zu tun gehabt hätten. Seine Mutter würde als Verräterin betrachtet und durch seinen jetzigen Aufenthalt in Österreich würde es ihm wohl genauso ergehen. Diese Vorgehensweise widerspricht zudem dem in

 

§ 40 AsylG 2005 verankerten, für das Asylverfahren geltende Neuerungsverbot.

 

Auch steigerte der BF sein Vorbringen in der Beschwerde dahingehend, dass seine Mutter bei dem Versuch, ihn im Jahre 2003 auf Kuba zu besuchen, von den Polizei 2 Tage verhaftet worden sein soll.

 

Das in der Beschwerde vorgebrachte Bedrohungsszenario widerspricht völlig den im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens getätigten Aussagen des BF und seiner Mutter als gesetzlicher Vertreterin und kann somit nicht als glaubwürdige Grundlage zur Entscheidung über eine Asylgewährung im Sinne des § 3 AsylG 2005 herangezogen werden.

 

Ein Aspekt seines bereits vor der Behörde erster Instanz getätigten Vorbringens, das in der Beschwerde nochmals, allerdings in einer überzeichneten und widersprüchlichen Weise ins Treffen geführt wird, hat allerdings mittlerweile - seit dem Erlass der Entscheidung der ersten Instanz am 04.06.2008 - an Bedeutung gewonnen (dies unabhängig von allen bisherigen Widersprüchen in den Aussagen des BF), nämlich der Umstand des bereits mehr als 11-monatigen Auslandsaufenthaltes des BF, der im speziellen Fall von Kuba zu berücksichtigen ist. Der BF befindet sich seit 06.08.2007 außerhalb Kubas und seit 07.08.2007 in Österreich.

 

Die von den kubanischen Behörden ausgehenden Probleme, Repressionen und rechtlichen Nachteile für Bürger, die Kuba für mehr als 11 Monate verlassen und dann zurückkehren, sind allgemein bekannte Praxis.

 

Noch dazu handelt es sich bei der gesetzlichen Vertreterin des BF um eine Person des unmittelbaren Verwandtenkreises des BF, die sich ebenfalls schon mehrere Jahre im Ausland aufhält, was die Wahrscheinlichkeit, dass man durch die Mutter noch mehr auf den BF aufmerksam wird bzw. würde und die bekannten Maßnahmen wie z.B. Enteignung von Besitztümern, Entzug der Lebensmittelkarte, Verweigerung der freien medizinischen Versorgung (außer in Notfällen), Verwehrung des Zuganges zum Arbeitsmarkt, ... ihm gegenüber zur Anwendung brächte.

 

Die Verifizierung spezieller Angaben ist in Kuba generell so gut wie nicht möglich, da die Österreichische Botschaft in Havanna den Unabhängigen Bundesasylsenat (seit 01.07.2008 Asylgerichtshof) erst im Jahr 2005 davon in Kenntnis gesetzt hat, dass die zu kontaktierenden kubanischen Institutionen sowie auch sämtliche Rechtsanwälte staatlich kontrolliert und daher für weitere Nachforschungen und Ermittlungen nicht geeignet sind bzw. der Zensur unterliegen. Da sich die Verhältnisse in Kuba trotz der geringfügigen Veränderungen auf politischer Ebene innerhalb der kubanischen Regierung (vgl. die akute Erkrankung Fidel Castros) in keinster Weise gebessert haben, ist davon auszugehen, dass sich auch die sehr eingeschränkten Möglichkeiten einer objektiven Recherche vor Ort nicht verbessert haben.

 

Die dem erkennenden Gericht zur Verfügung stehenden Länderberichte zu Kuba bestätigen also die vom BF erwähnten Probleme und Befürchtungen, die vor allem in Zusammenhang mit einem länger als 11-monatigen Auslandsaufenthalt bzw. einer Asylantragsstellung, der bzw. die als regimekritischer Akt bzw. Verrat am Staat betrachtet wird, stehen.

 

Auch ist anhand der Länderinformationen davon auszugehen, dass die kubanische Regierung nach wie vor annimmt, dass Personen, die sich länger als erlaubt im Ausland aufhalten, ihr Recht auf Rückkehr aufgegeben haben und somit deren Privatbesitz vom Staat beschlagnahmt werden kann, sowie dass sie von Kuba als Emigranten betrachtet werden.

 

Eine Rück-Immigration nach Kuba (permanenter Aufenthalt) ist nur in seltenen Ausnahmefällen und aus humanitären Gründen möglich.

 

Vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen zur Situation von Personen, die den Behörden als Regimekritiker bekannt sind, besteht für den BF im Zusammenhang mit dem festgestellten Sachverhalt somit eine objektiv nachvollziehbare Gefahr asylrelevanter Verfolgung wegen seiner infolge seines mehr als 11-monatigen Auslandsaufenthaltes ihm unterstellten politischen Gesinnung. Dieser vom BF vorgebrachte Sachverhalt wird folglich als erwiesen angenommen.

 

Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

In rechtlicher Hinsicht ist Folgendes auszuführen:

 

Zur Entscheidung über den Status des Asylberechtigten:

 

Mit Datum 01.01.2006 ist das neue Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG idF BGBL. I Nr. 100/2005) und ist somit auf alle ab diesem Zeitpunkt gestellten Asylanträge anzuwenden.

 

Im gegenständlichen Fall wurde der Antrag auf internationalen Schutz am 12.02.2008 eingebracht, weshalb das AsylG 2005 zur Anwendung gelangt.

 

Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) sind auf das Verfahren

 

vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt.

 

Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz idF BGBL. I Nr. 100/2005 ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder

 

Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling i.S.d. Asylgesetzes ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung".

 

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z. B. VwGH E vom 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; VwGH E vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH E vom 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter

 

Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht. (VwGH E vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH E vom 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH E vom 26.2.1997, Zl. 95/01/0454, VwGH E vom 09.04.1997, Zl. 95/01/055), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH E 18.4.1996, 95/20/0239; VwGH E vom 16.02.2000, Zl. 99/01/0397), sondern erfordert eine Prognose. Verfolgungshandlungen die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. VwGH E vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH E vom 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; VwGH E vom 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH E vom 16.06.1994, Zl. 94/19/0183, VwGH E vom 18.02.1999, Zl. 98/20/0468).

 

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

 

Eine Verfolgung, d.h. ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen, kann weiters nur dann asylrelevant sein, wenn sie aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung) erfolgt, und zwar sowohl bei einer unmittelbar von staatlichen Organen ausgehenden Verfolgung als auch bei einer solchen, die von Privatpersonen ausgeht (VwGH 27.01.2000, Zl. 99/20/0519, VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256, VwGH 04.05.2000, Zl. 99/20/0177, VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203, VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0291, VwGH 07.09.2000, Zl. 2000/01/0153, u.a.).

 

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Aktenlage entgegen der Ansicht des Bundesasylamtes, bei Zugrundelegung der Angaben des minderjährigen BF und seiner gesetzlichen Vertreterin (Mutter), das Vorliegen einer aktuellen Verfolgungsgefahr sowie einer asylrechtlich relevanten Diskriminierung und eines damit einhergehenden Rechtsentzuges auf Kuba infolge der ihm unterstellten politischen Gesinnung.

 

Wie schon erwähnt hat der BF im Zuge des gesamten erstinstanzlichen Verfahrens kein auch nur annähernd im Sinne des § 3 AsylG 2005 asylrelevantes, seine Person betreffendes, aktuelles (!) Verfolgungsszenario geltend gemacht.

 

Die in Form eines gesteigerten Vorbringens in der Beschwerde vorgebrachten Fluchtgründe waren zudem infolge krasser Widersprüche zu bereits zuvor Angeführtem nicht im Stande, eine glaubwürdige Entscheidungsgrundlage hinsichtlich einer Asylgewährung im Sinne des § 3 AsylG 2005 zu bilden.

 

Jedoch ist nach Erlass des erstinstanzlichen Bescheides (04.06.2008) ein Nachfluchtgrund eingetreten, nämlich der Fristablauf der seit 06.08.2007 laufenden, 11-monatigen (in der Beschwerde erneut angeführten) Frist, die für kubanische Staatsbürger bei jedem Auslandsaufenthalt zu beachten ist. Diese Frist war vom BF bereits im erstinstanzlichen Verfahren erwähnt worden, jedoch zu einem Zeitpunkt, zu dem sie noch nicht abgelaufen war und somit für gegenständliches Asylverfahren noch keine Relevanz entfaltet hatte.

 

Insgesamt betrachtet ist daher die Furcht des Antragstellers den erwähnten Repressalien im Falle einer Rückkehr nach Kuba ausgesetzt zu werden wohlbegründet, sodass seine Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 AsylG 2005 gegeben ist.

 

Der BF befindet sich zusammengefasst somit aus wohlbegründeter Furcht, asylrelevant verfolgt zu werden, außerhalb des Staates Kuba und ist im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt, in dieses Land zurückzukehren. Da auch keiner der in Artikel 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- und Ausschlussgründe vorliegt, war Asyl zu gewähren.

 

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte von der Durchführung einer Beschwerdeverhandlung Abstand genommen werden.

Schlagworte
asylrechtlich relevante Verfolgung, Diskriminierung, Familienverband, Nachfluchtgründe, politische Gesinnung, wohlbegründete Furcht
Zuletzt aktualisiert am
11.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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