TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/07 B3 232579-3/2008

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Veröffentlicht am 07.10.2008
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Spruch

B3 232.579-3/2008/5E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. Karin WINTER als Einzelrichterin über die Beschwerde des A.S., geboren am 00.00. 1980, kosovarischer Staatsangehöriger, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 24. September 2004, Zl. 04 08.275-BAL, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. Nr. 471/1995 (AVG) als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang

 

1.1. Der Beschwerdeführer, ein kosovarischer Staatsbürger, Angehöriger der albanischen Volksgruppe und muslimischen Glaubens, stammt aus Podujevo (Kosovo). Er stellte am 30. August 2002 einen ersten Asylantrag und begründete diesen mit der schlechten wirtschaftlichen Lage im Herkunftsstaat.

 

Mit Bescheid vom 18. Oktober 2002, Zl. 02 24.058-BAT, wies das Bundesasylamt diesen Asylantrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BG BGBl. I 182/2001, ab (Spruchteil I.) und stellte gemäß § 8 leg.cit fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die "Bundesrepublik Jugoslawien, Provinz Kosovo" zulässig sei (Spruchteil II.).

 

Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Bescheid des unabhängigen Bundesasysenates vom 4. Dezember 2002, Zl. 232.579/0-III/09/02, keine Folge gegeben.

 

1.2. Am 4. Februar 2003 stellte der Beschwerdeführer einen zweiten Asylantrag. Diesen wies das Bundesasylamt mit Bescheid vom 1. März 2003, Zl. 03 04.375-BAL, gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurück. Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 10. März 2003 zugestellt und blieb unangefochten.

 

1.3. Am 3. Dezember 2003 stellte der Beschwerdeführer einen dritten Asylantrag. Dazu gab er bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt - zusammengefasst - Folgendes an: Im März 2003 sei er freiwillig wieder in den Kosovo zurückgekehrt. Am 24. November 2003 sei er wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage neuerlich ausgereist. Sein Vater bekomme nur alle zwei Monate EUR 100,- an Pension. Davon könne die Familie nicht leben. Er selbst habe keine Arbeit und kein Einkommen.

 

Mit Bescheid vom 29. Dezember 2003, Zl. 03 36.940-BAL, wies das Bundesasylamt diesen Asylantrag gemäß § 7 Asylgesetz1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BG BGBl. I 126/2002 (AsylG), ab (Spruchteil I.) und stellte gemäß § 8 AsylG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach "Serbien und Montenegro, Provinz Kosovo" zulässig sei (Spruchteil II.). Das Bundesasylamt traf in diesem Bescheid umfassende Feststellungen zur Sicherheits- und Versorgungslage. Zur Abweisung des Asylantrages führte es aus, dass keine konkret gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung vorgebracht worden sei. Seine Refoulement-Entscheidung begründete es im Wesentlichen damit, dass die wirtschaftliche Existenzgrundlage dem Vorbringen zufolge gewährleistet sei und laut UNHCR auch die Grundversorgung zurückkehrender Kosovo-Albaner gesichert sei.

 

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung an den unabhängigen Bundesasylsenat und führte dazu nur aus, dass die Lage im Kosovo "sehr unsicher" sei und es keine Lebensgrundlage gebe.

 

Mit Bescheid vom 1. März 2004, Zl. 232.579/1-III/09/04, wies der unabhängige Bundesasylsenat die Berufung gemäß § 7 AsylG ab und stellte gemäß § 8 AsylG iVm § 57 FrG 1997 fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers "in den Kosovo (Serbien und Montenegro/vormals Bundesrepublik Jugoslawien)" zulässig sei. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 5. März 2004 zugestellt und blieb unbekämpft.

 

1.4. Am 20. April 2004 stellte der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter schriftlich einen vierten Asylantrag und führte dazu im Wesentlichen aus, die Lage im Kosovo habe sich seit dem unter

1.3. genannten Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates "asylrelevant geändert". Mitte März 2004 sei es zu ethnischen Unruhen gekommen, die viele Todesopfer und Verwundete gefordert hätten. Auch habe sich durch die Wahlen im Dezember 2003 die politische Zusammensetzung in Serbien "total" geändert. Es stehe nun eine "härtere Gangart gegenüber der Kosovo-Frage auf der Tagesordnung". Innerhalb der UNMIK würden sich "Risse" auftun. Der Beschwerdeführer stamme aus der Gemeinde Podojevo, die sich an der serbischen Grenze befinde. "Angeblich" hätten Serben versucht, illegal in die Provinz einzudringen.

 

Im Rahmen seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 29. Juli 2004 gab der Beschwerdeführer - zusammengefasst - an, seit seinem letzten Asylverfahren Österreich nicht mehr verlassen zu haben. Auf die Frage, was er im Fall seiner Rückkehr in den Kosovo befürchte, antwortete er: "Passieren kann mir nichts, aber ich habe keine Sicherheit. Du bist unten nicht frei und kannst dich nicht frei bewegen". Auf die Frage, ob er die im vorangegangenen Verfahren vorgebrachten Gründe aufrecht erhalte, gab er an: "Das, was ich damals gesagt habe, ich habe sonst nichts. Eines möchte ich noch sagen, wenn es unten Proteste gibt, dann wird geschossen, man weiß nicht, von wem man getroffen wird". Im Kosovo gebe es "verschiedene Banden". Sein Wissen über die Sicherheitslage beziehe er über regelmäßige Telefonate "mit zu Hause". Weiters legte der Beschwerdeführer einen Staatsangehörigkeitsnachweis, einen Auszug aus dem Geburtenbuch der Gemeinde P., jeweils ausgestellt am 00.00. 2003 in Pristina, sowie einen Zeitungsartikel vom 00.00. 2004 , vor.

 

Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesasylamt den vierten Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück. Es stellte fest, dass der Beschwerdeführer seit rechtskräftiger Entscheidung des letzten Asylantrages Österreich nicht verlassen und auch keine asylrelevanten Gründe vorgebracht habe. Ein neuer Sachverhalt habe sich nicht ergeben. Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass sich die Lage im Kosovo für ethnische Albaner nicht geändert habe. Dass der Beschwerdeführer zu jener Gruppe der ethnischen Albaner gehöre, deren Lage nach UNHCR besonders zu beurteilen sei, könne nicht festgestellt werden. Die März-Unruhen seien von der Mehrheitsbevölkerung ausgegangen, hätten sich gegen Minderheiten gerichtet und seien im Wesentlichen nach drei Tagen beendet gewesen. Auch UNMIK habe den vorläufigen Rückkehrstopp für ethnische Albaner bereits Ende April 2004 wieder aufgehoben.

 

2. Gegen diesen Bescheid richten sich die vorliegende, fristgerechte, nun als Beschwerde (vgl. dazu weiter unten) zu behandelnde (und daher in Folge so bezeichnete) Berufung vom 6. Oktober 2004 und die nun als Beschwerdeergänzung anzusehende Berufung vom 11. Oktober 2004. Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, das Bundesasylamt sehe die Lage im Kosovo "zu rosig". Die Vorfälle vom März 2004 hätten zu einer Aufrüstung der internationalen Schutztruppen geführt. Bei künftigen Demonstrationen werde "sicherlich auch scharf in die Menge" geschossen. Im Umkreis von Minderheitensiedlungen seien Sicherheitszonen ausgeschildert, in denen die Truppe auf Eindringlinge schießen dürfe. Als 24-jähriger arbeitsloser Kosovo-Albaner werde der Beschwerdeführer mit hoher Wahrscheinlichkeit an Demonstrationen teilnehmen, um gegen die Perspektivenlosigkeit und Politik der Internationalen Gemeinschaft zu protestieren. Wenn es zu einem Eklat komme, laufe er Gefahr verletzt, oder sogar getötet zu werden. Verwiesen werde außerdem auf die Einschätzung von Wolfgang Petritsch und Robert Pichler in ihrem Werk "Kosovo - Kosova - Der lange Weg zum Frieden". Darin werde ein "ähnliches Szenario wie im Krisengebiet des Nahen Osten" befürchtet. Extremistische Nationalisten und Kriminelle würden außerdem jene Albaner terrorisieren, die ihnen im Weg stünden, wozu auch jene gehörten, die eine gewisse Zeit in Westeuropa verbrachten und denen nun unterstellt werde, reich zu sein.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008) sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Die Zuständigkeit des Asylgerichtshofes stützt sich auf § 38 AsylG 1997. Diese Bestimmung spricht zwar vom "unabhängigen Bundesasylsenat" und ist durch das AsylGH-EinrichtungsG nicht geändert worden; auch die Übergangsbestimmungen des AsylG 2005 ergeben insoweit nichts. Da jedoch gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 1 B-VG der unabhängige Bundesasylsenat am 1. Juli 2008 zum Asylgerichtshof geworden ist und dieser gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 4 B-VG die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängigen Verfahren weiterzuführen hat, ist davon auszugehen, dass sich § 38 AsylG 1997 nunmehr auf den Asylgerichtshof bezieht. Ebenso ist davon auszugehen, dass sich jene Bestimmungen des AsylG 1997, die von "Berufungen" sprechen, nunmehr auf Beschwerden beziehen (vgl. dazu AsylGH 12.8.2008, C5 251.212-0/2008/11E).

 

Gemäß § 61 Abs. 3 Z 1 lit c und Z 2 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG und die mit dieser Entscheidung verbundenen Ausweisung.

 

2. Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, welche die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, (außer in den Fällen der §§ 69 und 71 AVG) wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

 

2.1.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist als Vergleichsbescheid derjenige Bescheid heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde (vgl. VwGH 15. 11. 2000, 2000/01/0184; 16. 7. 2003, 2000/01/0440; 26. 7. 2005, 2005/20/0226; vgl. weiters Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2. Auflage [1998], E 104 zu § 68 AVG).

 

2.1.2. Im vorliegenden Fall ist als Vergleichsbescheid der Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 1. März 2004, Zl. 232.579/1-III/09/04, heranzuziehen. Dieser wurde dem Beschwerdeführer am 5. März 2004 zugestellt und erwuchs in Rechtskraft (siehe oben Punkt I.1.3.).

 

2.2.1. Im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG liegen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verschiedene "Sachen" vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern. Es kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen nach § 28 AsylG - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den die positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Asylwerbers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (vgl. VwGH 21.11.2002, 2002/20/0315, in dem weitere von der Rechtsprechung entwickelte Rechtssätze zu § 68 AVG, insbesondere mit Beziehung auf das Asylverfahren, wiedergegebenen werden, und daran anschließend VwGH 20.3.2003, 99/20/0480 mwN; vgl. auch VwGH 4.11.2004, 2002/20/0391).

 

2.2.2. Der Beschwerdeführer bezieht sich zur Begründung seines (nunmehr vierten) Asylantrages auf seine bereits im Rahmen der vorangegangenen Asylverfahren geltend gemachten wirtschaftlichen Gründe und führt zusätzlich lediglich die aus seiner Sicht allgemeine unsichere Sicherheitssituation ins Treffen. Damit hat er keine wesentliche asylrelevante Sachverhaltsänderung behauptet. Was eine Änderung der Umstände im Herkunftsstaat (vgl. dazu etwa VwGH 7.6.2000, 99/01/0321) seit rechtskräftigem Abschluss des vorangegangenen Asylverfahrens anbelangt, so ist eine derartige wesentliche und entscheidungsrelevante Veränderung der Verhältnisse nicht ersichtlich: Zur im Kosovo gewährleisteten Grundversorgung ist auf den Bericht des (dt.) Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien [Kosovo] vom 29. November 2007, 17f, zu verweisen. Zur Sicherheitslage ist Folgendes auszuführen: Das Bundesasylamt ist - gestützt auf die UNHCR-Position zur fortdauernden Schutzbedürftigkeit von Personen aus dem Kosovo von August 2004 - zu Recht davon ausgegangen, dass sich die (Sicherheits)Lage für ethnische Albaner auch durch die Vorfälle im März 2004 keineswegs verschlechtert hat (vgl. überdies die nachfolgenden UNHCR-Positionen von März 2005 und Juni 2006). Den in der Beschwerde weiters geäußerten Befürchtungen, der Beschwerdeführer würde "mit hoher Wahrscheinlichkeit" im Kosovo an Demonstrationen teilnehmen und dabei - im Falle eines Eklats - von den internationalen Schutztruppen verletzt oder sogar getötet werden bzw. Extremistische Nationalisten und Kriminelle könnten den Beschwerdeführer terrorisieren, ist zu entgegnen, dass diese rein spekulativ sind.

 

3. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Identität der Sache, Prozesshindernis der entschiedenen Sache
Zuletzt aktualisiert am
26.01.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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