TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/07 C3 242820-0/2008

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Veröffentlicht am 07.10.2008
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Spruch

C3 242.820-0/2008/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. van Best-Obregon als Vorsitzende und den Richter Mag.Schlaffer als Beisitzer über die Beschwerde desM.S., geb.00.00.1978, StA. von Indien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 24.09.2003, FZ. 02 02.490-BAW, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.10.2008 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gem. §§ 7, 8 des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 AsylG abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe

 

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien. Am 23.01.2002 stellte er einen Asylantrag und wurde von der BH Gänserndorf am gleichen Tag einvernommen. Als Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, dass er aufgrund seiner politischen Tätigkeit für die Congress Party von Mitgliedern der BJP mit dem Umbringen bedroht und verfolgt worden sei.

 

In weiterer Folge wurde der Beschwerdeführer vom Bundesasylamt am 23.09.2003 niederschriftlich befragt und gab im Wesentlichen zu Protokoll:

 

"FRAGE: Warum haben Sie Indien verlassen und bringen einen Asylantrag ein?

 

ANTWORT: Um ehrlich zu sein, ich habe keine großen Probleme in Indien gehabt. Ich habe hart gearbeitet und Geld gespart und wollte mir die Welt anschauen. Ich habe Kontakt mit einem Reiseagent aufgenommen und er versprach mir, dass er alles organisiert. Ich habe ihm vertraut und ihm das Geld gegeben. Ich bin ganz legal bis nach Moskau gekommen und dort fingen meine Probleme an. Die weitere Reise war ganz schwierig, illegal und hat lange gedauert, was ich nicht gewusst habe. Ich war hungrig, habe teilweise im Wald gewohnt. Mir wurden das ganze Geld und die Dokumente abgenommen. Aber trotzdem bin ich nach Österreich geschleppt worden. Anfangs habe ich in Österreich ein paar Tage bei einem Bekannte gewohnt, der mir Unterkunft und zu Essen gegeben hat. Später hat er mich hinausgeworfen und ich habe mich dann mit dem Verkauf von Zeitungen über Wasser gehalten. Ich habe Schwierigkeiten, legal eine Arbeit zu bekommen, weil alle nach einem Ausweis fragen. Die Bekannten berieten mich, dass ich um Asyl Ansuchen sollte, denn da bekomme ich einen Ausweis und kann mir Geld verdienen, um mir Essen kaufen und die Miete bezahlen zu können. Das ist der Grund, warum ich hier bin.

 

FRAGE: Waren Sie jemals aktiv politisch tätig oder einer Partei zugehörig?

 

ANTWORT: Nein, ich habe in dieser Weise nichts gemacht. Ich habe körperlich hart gearbeitet und damit Geld verdient.

 

FRAGE: Hatten Sie jemals Probleme mit den Behörden in Indien?

 

ANTWORT: Nein.

 

FRAGE: Wurden Sie aus Gründen der Religion, der Rasse, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt (Der AW wird bezüglich der Begriffe umfassend manuduziert)?

 

ANTWORT: Ich bin als Kleinkind verfolgt worden, das wissen aber nur die Eltern, ich weiß es nicht.

 

Der Leiter der Amtshandlung hält dem AW das bisher Gesagte zusammengefasst vor - selbiger hat keine Ergänzungen - und stellt folgende Fragen:

 

FRAGE: Was hätten Sie zu befürchten, wenn Sie nach Indien zurückkehren würden?

 

ANTWORT: Ich habe keine Angst, nach Indien zurückzukehren.

 

FRAGE: Mit welchem Reisedokument würden Sie nach Indien zurückkehren?

 

ANTWORT: Ich will gar nicht nach Indien zurückkehren, da ich soviel Geld bisher ausgegeben habe, sodass ich hier bleiben muss um diesen Betrag wieder zu verdienen."

 

Das Bundesasylamt hat den Asylantrag mit Bescheid vom 24.09.2003, Zahl 02 02.490-BAW, gem. § 7 Asylgesetz 1997, BGBl I 1997/76 idgF abgewiesen und festgestellt, dass gem. § 8 AsylG die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Indien zulässig ist.

 

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer fristgerecht "Berufung" (nunmehr "Beschwerde") erhoben und dies wie folgt begründet:

 

"Der gegenständliche Bescheid wird seinem gesamten Umfang nach aus den Gründen der materiellen und formellen Rechtswidrigkeit sowie unzweckmäßigen Ermessensübung angefochten. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde mein Asylantrag vom 23.01.2001 abgewiesen und wurde diese Ablehnung im Wesentlichen damit begründet, dass ich keine asylrelevanten Gründe angegeben habe. Dies ist nicht richtig. In meiner Kindheit hatte ich Probleme. Im Weiteren befasst sich der Bescheid in seiner Begründung nur mit allgemeinen Stellungnahmen über Zustände in Indien.

 

Hinsichtlich der Fluchtalternative wurde nicht gewürdigt, dass bei einer zwangsweisen Abschiebung nach Indien ich von den indischen Behörden besonders gut durchleuchte und kann dadurch hervorkommen, dass ich als "Geflohener" besonders verdächtigt gewertet werde. Dies würde ebenfalls zu massiven Schwierigkeiten führen.

 

Ich muss weitere noch detailliertere Angaben machen, wozu ich auch bereit bin. Dabei kann ich auch entsprechende Angaben zu meiner asylrelevanten Verfolgung tätigen."

 

Am 02.10.2008 fand beim Asylgerichtshof eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in der der Beschwerdeführer im Wesentlichen Folgendes angab:

 

"VR: Aus welchem Grund haben Sie Ihr Heimatland verlassen?

 

BF: Ich möchte heute vor Ihnen nicht lügen. Ich wollte nur einfach ins Ausland kommen, da ich mich für das Ausland interessiert habe. In Indien habe ich keine Probleme gehabt. Ich habe deswegen auch 4 Jahre lang hart gearbeitet und Geld gespart. Ich habe jedoch nicht gewusst, dass der Schlepper mich auf so eine Art und Weise ins Ausland bringen würde. Meine Cousins waren bereits in Amerika und das hat mein Interesse geweckt.

 

VR: Wollten Sie eigentlich nach Österreich oder in ein anderes Land wie Amerika?

 

BF: Ich wollte schon Österreich sehen, weil ich gehört habe, dass es ein schönes Land sei. Nach einigen Wochen wollte ich zurückkehren. Wie ich bereits angegeben habe, habe ich in Indien die Landwirtschaft gehabt.

 

VR: Wenn ich Sie richtig verstanden habe, haben Sie keinerlei Probleme in Ihrem Heimatland gehabt, weder mit den Behörden oder mit der Polizei Ihres Heimatlandes weder aus Gründen der Religion, Rasse, Nationalität, oder politischen Gesinnung noch soziale Probleme. Ist das Richtig?

 

BF: Ich habe keine Probleme in Indien gehabt. Auch bei meiner Ersteinvernahme hat der Einvernahmeleiter dem Dolmetscher gesagt, dass er das erste Mal einen Einzuvernehmenden hat, der keine Probleme behauptet.

 

VR: Ihre Aussage deckt sich mit der Aussage vom Bundesasylamt am 23.09.2003 in der Sie auch angegeben haben, keine Probleme jetwaiger Art in Ihrem Heimatland gehabt zu haben. Hingegen in Ihrer Einvernahme von BH Gänserndorf vom 23.01.2002 sprachen Sie von politischen Problemen mit einer Partei.

 

BF: Wie gesagt, der Dolmetscher hat damals das gesamte Vorbringen selbst formuliert. Ich habe auch damals gesagt, dass ich keine Probleme in meinem Heimatland hatte und lediglich als Tourist einreisen wollte und wenn der Schlepper meinen Reisepass und mein Geld nicht beschlagnahmt hätte, wäre ich auch nicht in diese Situation geraten. Ich weiß nicht, was der Dolmetscher weitergegeben hat. Jedenfalls hat er mir das Protokoll nicht rückübersetzt.

 

VR: In Ihrer Einvernahme vom BAA und auch in Ihrer Beschwerdeschrift steht, dass Sie als Kleinkind verfolgt worden sind. Was meinen Sie damit?

 

BF: Ich kann mich an keine solchen Probleme erinnern. Ich bin lediglich als Kleinkind gestürzt und war einen Tag lang ohnmächtig."

 

Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Folgender Sachverhalt wird festgestellt:

 

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien und hatte keine Probleme in seinem Heimatland. Er hat im Jahr 2001 sein Heimatland verlassen um als Tourist das Ausland zu bereisen. Am 23.01.2002 stellte er gegenständlichen Asylantrag.

 

Zu Indien:

 

Indien ist ein demokratischer Rechtsstaat mit einem Mehrparteiensystem, der mit Einschränkungen gut funktioniert. Die Parteienlandschaft ist vielfältig. Die Presse ist im Wesentlichen frei. Verfassungs- und Rechtsordnung garantieren die grundlegenden Menschenrechte und Freiheiten. Die Justiz ist unabhängig. Die Verfahrensdauer ist allerdings häufig extrem lang; Korruption im Einzelfall kann nicht ausgeschlossen werden. Es gibt menschenrechtsverletzende Übergriffe von Polizei- und Sicherheitskräften, eine Systematik ist dabei nicht erkennbar.

 

Zu Menschenrechtsverletzungen kommt es im besonderen Maße in den Unruhegebieten. Besonders gefährdet sind sozial niedrige Schichten und auch Frauen. Berichte über politische Gefangene gibt es nicht.

 

Im Mai 2004 wurde die von der hindunationalen BJP geführte NDA ("National Democratic Alliance") Koalitonsregierung durch eine Koalition der UPA ("United Progressive Alliance") unter Führung der Kongress-Partei abgelöst. Ein wichtiges Ziel der neuen Regierung ist die Stärkung des Säkularismus und der Harmonie zwischen den Religionsgruppen. Sie zeigt sich auch an der Verbesserung der Menschenrechtslage interessiert. So wurde im September 2004 das umstrittene Terrorbekämpfungsgesetz POTA außer Kraft gesetzt. Was die Provinz Punjab anbelangt, so ist, nachdem der Terrorismus im Punjab, der sich die Unabhängigkeit von "Khalistan" auf die Fahnen geschrieben hatte, in den 1980er Jahren niedergeschlagen wurde, die terroristische Gewalt im Punjab seit 2000 nahezu vollständig zum Erliegen gekommen, die Situation hat sich normalisiert. Ein Anschlag auf ein Kino in Neu Delhi im Mai 2005, der der Babbar Khalsa zugeschrieben wird, hat zu keiner weiteren Gewalt geführt.

 

Die Kongresspolitikerin Pratibha Patil wurde zur neuen Präsidenten Indiens gewählt und am 25. Juli vereidigt. Sie besiegte ihren Gegenkandidaten, den bisherigen Vizepräsidenten Bhairon Shekhawat.

 

Am 24.09.2007 wurde Rahul Gandhi zum Generalsekretär der regierenden Kongresspartei ernannt. Mitglieder der Akali Dal und der Kongresspartei die sich vor Verfolgung durch die Mitglieder der jeweils anderen Partei fürchten können sich an die zuständigen staatlichen Stellen wenden bzw. können sich in einem anderen Landesteil niederlassen (vgl. UK Home Office, Operational Guidance Note India, 20.02.2007, Abschnitt 3.10.6).

 

Die Sikhs, 60 % der Bevölkerung des Punjabs, stellen im Punjab einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen offen. Die Angehörigen der verschiedenen militanten Gruppen haben Punjab verlassen und operieren aus anderen Bundesstaaten oder Pakistan. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland. Laut Berichten von Menschenrechtsorganisationen ist es im Zuge der Bekämpfung der Militanz zwischen 1984 und 1994 zu ungesetzlichen Maßnahmen und Menschenrechtsverletzungen durch die Polizei gekommen, der in der Vergangenheit vor allem extralegale Tötung, willkürliche Verhaftung, Inhaftierung ohne richterliche Kontrolle, Folter und Verschwindenlassen vorgeworfen wurde. Bis 2001 zählte Amnesty International 500 Ermittlungsverfahren gegen Polizeikräfte und 75 Verurteilungen sowie weitere 2555 unbearbeitete Strafanträge von Menschenrechtsgruppen und Privatpersonen. Ein Bericht einer Kommission unter dem ehemaligen Richter Nanavati zu dem Pogrom gegen Sikhs 1984 (ca. 3000 Tote) wurde am 9. August 2005 veröffentlicht. Er entlastet die damalige Regierungsspitze, erhebt aber den Verdacht, dass einzelne Mitglieder der Congress-Partei des Schürens von Gewalt verdächtig seien. In Folge der Veröffentlichung ist einer der Beschuldigten von seinem Amt als Unionsminister zurückgetreten. PM Singh versprach am 10. August 2005, die Verdächtigen rechtlich zu belangen.

 

Grundsätzlich gibt es im Punjab keine Sicherheitsprobleme mehr.

 

Was Angehörige der Sikhs betrifft: Sikhs gelten als mobile und unternehmerische Gemeinschaft. In ganz Indien sind Sikhs in verschiedenen Berufen (Kraftfahrer, Mechaniker, Inhaber von Restaurant, Hotels oder Reisebüros etc.) und im öffentlichen Dienst sowie in der Armee anzutreffen. Bedürftigen Sikhs wird zumindest vorübergehend in den in ganz Indien verbreiteten Sikh-Tempeln (Gurudwara) Nahrung und Unterkunft gewährt. Sikhs aus dem Punjab könnten sich gegebenenfalls problemlos in Bundesstaaten wie Rajasthan, Haryana oder Uttar Pradesh niederlassen, außerdem in den Metropolen Delhi oder Bombay.

 

Die indische Verfassung enthält eine Garantie zum Schutz von Minderheiten vor Diskriminierungen wegen ihrer Zugehörigkeit zu besonderen Religionen, Rassen, Kasten Geschlecht oder Geburtsort (Art. 15). Minderheiten haben das Recht auf eigene Bildungseinrichtungen sowie auf Pflege ihrer eigenen Sprache, Schrift und Kultur (Art. 29 und 30). Unter eine besondere gesetzliche Regelung fallen die anerkannten religiösen Minderheiten der Muslime, Sikhs, Christen, Buddhisten und Parsen, deren Vertreter in einer staatlichen Nationalen Minderheiten-Kommission sitzen. Die seit 1978 bestehende Kommission wurde 1992 neu konstituiert. Um benachteiligte Minderheiten stärker in das öffentliche Leben zu integrieren und um die Chancengleichheit zu erhöhen, erfahren die unterste Schicht der Kastenordnung ("Dalits") sowie die so genannte Stammesbevölkerung ("Adivasis") eine positive Diskriminierung, die auch in der Verfassung niedergelegt ist (Art. 46).

 

Trotz aller staatlichen Bemühungen werden Minderheiten im öffentlichen und im privaten Bereich weiter benachteiligt, besonders deutlich auf dem Lande. Glaubwürdigen Berichten zufolge sind einige Minderheiten, Muslime und in einzelnen Fällen Christen weiterhin diskriminierenden Praktiken durch Polizei und Strafjustiz ausgesetzt. Oft schreiten Polizei und Ordnungskräfte bei Gewalttaten gegen Minderheiten nicht oder nicht mit der gebotenen Tatkraft ein. So gibt es Berichte aus

 

Bihar und Uttar Pradesh, wonach staatliche Organe tatenlos zusehen, wenn von Großgrundbesitzern ausgehaltene Banden gegen Landlose vorgehen.

 

(Quelle: Auswärtiges Amt, "Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien", Stand Oktober 2006, vgl. auch UK Home Office, India Country Report, April 2006, Abschnitt 6.529-6.541)

 

Indien ist das siebtgrößte Land der Erde mit über einer Milliarde Einwohnern. Volle Bewegungsfreiheit ist gewährleistet. Es gibt kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem für indische Bürger. Die Bürger besitzen in der Mehrzahl keine Ausweise. Wer sich verfolgt fühlt, kann sich demnach in einem anderen Landesteil niederlassen.

 

Die indische Verfassung garantiert indischen Staatsangehörigen das Recht auf Bewegungsfreiheit im Staatsgebiet sowie das Recht auf Niederlassung und Aufenthalt in jedem Teil des Landes. Diese Rechte unterliegen gewissen Einschränkungen im öffentlichen Interesse. Es gibt keine Überprüfungen von Personen, die neu aus einem Teil von Indien in einen anderen Teil von Indien ankommen, auch wenn es sich um einen Sikh aus dem Punjab handelt. Die lokalen Polizeidienststellen haben weder die Ressourcen noch die sprachlichen Fähigkeiten, um Hintergrundüberprüfungen über Personen, die aus anderen Teilen von Indien eintreffen, durchzuführen. Es gibt kein allgemeines Meldewesen und häufig haben die Menschen auch keine Identitätsausweise.

 

Auch bei strafrechtlicher Verfolgung ist in der Regel ein unbehelligtes Leben in ländlichen Gebieten in anderen Teilen Indiens möglich, ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss. In den großen Städten ist die Polizei jedoch personell und materiell besser ausgestattet, so dass die Möglichkeit, aufgespürt zu werden, dort größer ist. In Neu Delhi wurden Separatisten aus dem Punjab nach mehreren Jahren friedlichen Aufenthaltes aufgespürt und verhaftet.

 

Allerdings besteht die Gefahr, von staatlichen Behörden (strafrechtlich) verfolgt zu werden, in der Regel für hochrangige Führungspersonen separatistischer Bewegungen oder militanter Organisationen ("high profile activists") oder ihre Familienangehörige und weniger für "low profile activists".

 

Nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amts hat das Stellen eines Asylantrags allein keine nachteiligen Konsequenzen für abgeschobene indische Staatsangehörige. In den letzten Jahren hatten indische Asylbewerber, die in ihr Heimatland abgeschoben wurden, grundsätzlich - abgesehen von einer intensiven Prüfung der (Ersatz-) Reisedokumente und einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden unter Einschluss einer Überprüfung, ob der Rückkehrer auf der unionsweiten Suchliste steht - keine Probleme von Seiten des indischen Staates zu befürchten. Auf diese Liste werden jedoch nur Personen gesetzt, die im Verdacht schwerwiegender Delikte stehen, worunter nicht jedes schwere Verbrechen im Sinne des Strafgesetzbuches zu verstehen ist, sondern nur solche Delikte die die öffentliche Sicherheit in gravierender Weise zu bedrohen geeignet sind, wie insbesondere Anschläge auf Politiker und sonstige terroristische Akte. Gesuchte Personen werden allerdings den Sicherheitsbehörden übergeben.

 

In Indien lebt etwa ein Viertel der Bevölkerung unter dem veranschlagten Existenzminimum der Vereinten Nationen. Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine das Überleben sichernde Nahrungsversorgung auch der untersten Schichten der Bevölkerung grundsätzlich sichergestellt. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe gibt es nicht, die Rückkehrer sind auf die Unterstützung der eigenen Familie oder Privater angewiesen.

 

Diese Ausführungen gründen sich auf folgende Berichte, die in das Verfahren eingeführt wurden:

 

Auswärtiges Amt, "Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien", 19.11.2006

 

UK Home Office, India Country Report, April 2005

 

UK Home Office, Bericht zur allgemeinen, politischen und menschenrechtlichen Situation (Operational Guidance Note India), Februar 2007

 

UK Home Office, COI Report India, 30.09.2007

 

Human Rights Watch, Country Summary India, January 2007

 

US Department of State, India, Country Report on Human Rights Practices - 2005, 08.03.2006; 2006-06.03.2007

 

Mag. Christian Brüser, Gutachten Indien, Oktober 2003, Punkt 7 (Interne Fluchtalternative und Möglichkeit der Existenzsicherung außerhalb der engeren Heimat)

 

Mag. Christan Brüser, Gutachten Teil B vom 13.11.2007 zu Zahl:

207.131

 

BAA Staatendokumentation, Länderfeststellungen zu Indien, März 2006.

 

Die getroffenen Feststellungen zur Person ergeben sich aus dem diesbezüglich glaubwürdigen Vorbringen des Beschwerdeführers in der Beschwerdeverhandlung und vor dem BAA. So gab dieser vor dem BAA und vor dem Asylgerichtshof ausdrücklich an, dass er keine Probleme in Indien gehabt habe, sondern als Tourist ins Ausland habe reisen wollen, sowie, dass er keine Angst habe nach Indien zurückzukehren. Der Beschwerdeführer gab in der Beschwerdeverhandlung, auf Vorhalt, dass er vor der BH Gänserndorf angegeben hat politische Probleme mit einer Partei zu haben, ferner an, dass dies ein Fehler des Dolmetschers gewesen sei, da er auch vor der BH Gänserndorf gesagt habe, dass er keine Probleme in seinem Heimatland gehabt habe und lediglich als Tourist habe einreisen wollen.

 

Die allgemeine Lage ergibt sich aus den jeweiligen angeführten Quellen, deren Inhalt nicht zu bezweifeln ist, und auch vom Beschwerdeführer nicht bestritten wurde.

 

Rechtlich ergibt sich Folgendes:

 

Gemäß § 75 Abs. 7 des Asylgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 (AsylG 2005) sind Verfahren, die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig sind, vom Asylgerichtshof weiterzuführen.

 

Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 (AsylG 1997), zu Ende zu führen. Da das gegenständliche Verfahren zu obgenanntem Zeitpunkt anhängig war, ist es sohin nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen.

 

Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG 1997 werden Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30.April 2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 geführt. Da der gegenständliche Asylantrag bereits vor obgenanntem Zeitpunkt gestellt worden war, ist das Asylgesetz 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 anzuwenden. § 44 Abs. 3 idF BGBl. I Nr. 101/2003 findet - im Sinne einer verfassungskonformen Interpretation - nur in jenen Fällen Anwendung, die am 01.05.2004 beim Bundesasylamt anhängig waren.

 

Gemäß § 23 des Asylgerichtshofgesetzes, BGBl. I Nr. 4/2008 (AsylGHG), sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Zu Spruchpunkt I. des erstinstanzlichen Bescheides:

 

Gemäß § 7 Asylgesetz 1997 hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Artikel 1, Abschnitt A, Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Artikel 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes 1997 ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiverweise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorherigen Aufenthalts zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr. Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen stellen im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende pro futuro zu erwartende Verfolgungsgefahr dar.

 

Aus dem festgestellten Sachverhalt folgt, dass das der Beschwerdeführer keine Verfolgung im Sinne der GFK behauptet hat. Das Beschwerdevorbringen, wonach er in der Kindheit Probleme gehabt habe, geht ins Leere, da der Beschwerdeführer in der Beschwerdeverhandlung ausdrücklich angegeben hat, sich nicht an solche Probleme erinnern zu können.

 

Es bestehen auch keine ausreichenden Hinweise dafür, dass sich aus der allgemeinen Situation allein etwas für den Beschwerdeführer gewinnen ließe, zumal keine ausreichenden Anhaltspunkte bestehen, dass der Beschwerdeführer schon allein auf Grund der Zugehörigkeit zu einer Gruppe mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung zu fürchten habe. Wenngleich nicht verkannt wird, dass es in Indien zu Menschenrechtsverletzungen kommen kann, ist hiebei auch die Anzahl der dort lebenden Personen in Betracht zu ziehen (über 1 Milliarde Menschen), womit sich aber die Anzahl der berichteten Übergriffe relativiert, sodass auch unter Berücksichtigung dieser Berichte über Menschenrechtsverletzungen keine asylrelevante bzw. im Bereich des § 50 FPG relevante Verfolgungsgefahr betreffend den Beschwerdeführer auf Grund der allgemeinen Situation allein mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit erkannt werden kann.

 

Da sohin keine Umstände vorliegen, wonach es ausreichend wahrscheinlich wäre, dass der Beschwerdeführer in seiner Heimat in asylrelevanter Weise bedroht wäre, ist die Abweisung des Asylantrages durch das Bundesasylamt im Ergebnis nicht zu beanstanden.

 

Zu Spruchpunkt II. des erstinstanzlichen Bescheides:

 

Gemäß § 8 AsylG 1997 hat die Behörde im Falle einer Abweisung eines Asylantrages, von amtswegen bescheidmäßig festzustellen, ob eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist.

 

§ 8 AsylG verweist auf § 57 Fremdengesetz (FrG). Gem. § 124 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl I Nr. 100/2005, treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 verwiesen wird, an deren Stelle die entsprechenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes.

 

Gem. § 50 Abs.1 FPG ist die Zurückweisung, die Hinderung an der Einreise, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

Überdies ist gemäß § 50 Abs. 2 FPG die Zurückweisung oder die Zurückschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. 1955/55, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. 1974/78).

 

Der Prüfungsrahmen des § 50 FPG wurde durch § 8 AsylG auf den Herkunftsstaat beschränkt.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtssprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (für viele: VwGH 26.6.1997, 95/18/1291; 17.7.1997, 97/18/0336).

 

Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (VwGH 23.6.1994, Zl. 94/18/0295) und muss die drohende Maßnahme von einer bestimmten Intensität sein, ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 MRK zu gelangen.

 

Da der Beschwerdeführer keine Verfolgung im Sinne der GFK behauptet hat, kann auch keinerlei Bedrohung im Sinne des § 50 Abs.1 und 2 FPG erkannt werden kann.

 

Aus der allgemeinen Situation allein ergeben sich aber auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass es ausreichend wahrscheinlich wäre, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr im Sinne des § 50 Abs.1 und 2 FPG bedroht wäre. Auf die bereits oben zu Spruchpunkt I. des erstinstanzlichen Bescheides getätigten und auch hier einschlägigen Ausführungen wird verwiesen.

 

Da sohin keine Gründe für die Annahme bestehen, dass der Beschwerdeführer im Heimatland im Sinne des § 50 FPG bedroht wäre, ist die durch das Bundesasylamt ausgesprochene Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien nicht zu beanstanden.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
mangelnde Asylrelevanz, non refoulement
Zuletzt aktualisiert am
06.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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