S5 401.784-1/2008/2E
Erkenntnis
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Benda als Einzelrichter über die Beschwerde des N.S., geb. 1975, StA. von Afghanistan, vertreten durch: Mag. Tanja Svoboda, p. A. Asyl in Not, Währinger Straße 59/2/1, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.9.2008, Zahl: 08 06.045, gem. § 66 Abs. 4 AVG iVm § 61 Abs. 3 Z 1 lit b des Asylgesetzes 2005 idgF (AsylG) zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß §§ 5 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 AsylG abgewiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Der Asylwerber, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, reiste eigenen Angaben zufolge im März 2008 über die Türkei illegal nach Italien, wo er am 11.7.2008 erkennungsdienstlich behandelt wurde. Von Italien aus reiste der Asylwerber am selben Tag nach Österreich weiter, wo er ebenfalls erkennungsdienstlich behandelt und bereits an der Grenze von den österreichischen Behörden nach Italien zurückgeschoben wurde (vgl. Aktenseite 19, 31 u. 61). Am 13.7.2008 reiste er erneut illegal nach Österreich, wo er am selben Tag einen Asylantrag stellte.
Am 16.7.2008 stellte Österreich an Italien ein Informationsersuchen gem. Art. 21 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II).
Mit Schreiben vom 6.8.2008 teilte Italien Österreich mit, dass der Asylwerber am 11.7.2008 in Italien erkennungsdienstlich behandelt wurde (Aktenseite 61).
Mit e-mail vom 18.8.2008 ersuchte Österreich Italien um Rückübernahme des Asylwerbers. Italien hat sich mit Schreiben vom 26.8.2008 (Aktenseite 87) ausdrücklich bereit erklärt, den Asylwerber gem. Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) wieder aufzunehmen.
Anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 15.9.2008 erklärte der Antragsteller nach Vorhalt, dass Italien zur Prüfung seines Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei, dass Italien für Afghanen ein unsicheres Land wäre. Er habe gehört, dass "viele Gruppen" in Italien wären und man dort Häuser anschreiben würde (Aktenseite 143).
Mit Bescheid vom 16.9.2008, Zahl: 08 06.045, wurde der Antrag auf internationalen Schutz gem. § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und wurde Italien gemäß Art. 9 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) für zuständig erklärt. Gleichzeitig wurde der Asylwerber aus dem Bundesgebiet nach Italien ausgewiesen.
Gegen diesen Bescheid hat der Asylwerber fristgerecht Beschwerde erhoben und hiebei im Wesentlichen geltend gemacht, dass die Ermittlungen seitens des Bundesasylamtes in seinem Fall nur sehr oberflächlich durchgeführt worden seien, zumal das Bundesasylamt es unterlassen habe, zu den von ihm ins Treffen geführten Einwendungen gegen seine Überstellung nach Italien Nachforschungen anzustellen. Er habe nie beabsichtigt, in Italien einen Asylantrag zu stellen, da er schon im Vorfeld von den unhaltbaren Zuständen des italienischen Asylverfahrens gehört habe. Das Bundesasylamt habe weiters lediglich Länderberichte zum Mitgliedstaat Italien als Beweismittel angegeben, jedoch seien diese Länderberichte nicht näher abgedruckt oder beschrieben. Weiters wolle er auf den Fall zweier Asylwerber hinweisen, die in Italien keine Versorgung erhalten hätten, obwohl sich Italien für ihr Asylverfahren als zuständig erklärt hätte. Er selbst leide an Schlafstörungen und sei gesundheitlich "in keinem guten Zustand".
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Mit 1.7.2008 ist das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) in Kraft getreten.
Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 (AsylG) in Kraft getreten.
§ 61 AsylG 2005 lautet wie folgt:
(1) Der Asylgerichtshof entscheidet in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über
Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und
Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.
(2) Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 2 sind beim Asylgerichtshof einzubringen. Im Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht geht die Entscheidung auf den Asylgerichtshof über. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesasylamtes zurückzuführen ist.
(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen
1. zurückweisende Bescheide
a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;
b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5
c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und
2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung
(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.
Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.
Gemäß § 5 Abs. 2 AsylG ist auch nach Abs. 1 vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.
Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesasylamt oder beim Asylgerichtshof offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird.
Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn 1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.
Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist.
Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.
Italien hat auf Grundlage des Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) akzeptiert, den Asylwerber aufzunehmen.
Bereits das Bundesasylamt hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens sowie die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage rechtsrichtig ausgeführt. Der Asylgerichtshof schließt sich den Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid hinsichtlich beider Spruchpunkte vollinhaltlich an und erhebt diese zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses.
Lediglich der Vollständigkeit halber ist auszuführen, dass das Bundesasylamt zu Recht die Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz verneint hat:
So wurde seitens der italienischen Behörden die am 11.7.2008 in Italien erfolgte erkennungsdienstliche Behandlung des Asylwerbers, die seinen illegalen dortigen Grenzübertritt belegt, bestätigt und hat Italien seine Zuständigkeit gem. Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) auch ausdrücklich akzeptiert. Die erste Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der getroffenen Unzuständigkeitsentscheidung ist somit gegeben.
Es sind auch aus der Aktenlage keine Hinweise ersichtlich, wonach die Führung der Konsultationen im gegenständlichen Fall derart fehlerhaft erfolgt wäre, sodass von Willkür im Rechtssinn zu sprechen wäre und die Zuständigkeitserklärung des zuständigen Mitgliedstaates wegen Verletzung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundsätze aus diesem Grund ausnahmsweise keinen Bestand haben könnte (Filzwieser, Subjektiver Rechtsschutz und Vollziehung der Dublin II VO - Gemeinschaftsrecht und Menschenrechte, migraLex, 1/2007, 22ff; vgl auch das Gebot der Transparenz im "Dublin-Verfahren", VwGH 23.11.2006, Zl. 2005/20/0444). Das Konsultationsverfahren erfolgte mängelfrei.
Zu folgen ist dem Bundesasylamt weiters, wenn dieses ausführt, dass der Asylwerber nicht ansatzweise ein substantiiertes und glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen besonderer, außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK im Falle seiner Überstellung nach Italien ernstlich möglich erscheinen ließen, getätigt habe: So brachte der Asylwerber auf den Vorhalt hinsichtlich der für sein Asylverfahren vorliegenden Zuständigkeit Italiens vor, dass Italien für Afghanen generell nicht sicher sei, da es dort "viele Gruppen" gebe, die Häuser anschreiben würden (Aktenseite 143). Diese Angaben des Beschwerdeführers erscheinen jedoch bei Weitem zu unkonkret, um daraus auch nur ansatzweise eine mögliche Gefährdung seiner Person im Falle seiner Überstellung nach Italien ableiten zu können, zumal jener seine oben wiedergegebene Behauptung nicht näher zu konkretisieren vermochte, sondern auf Nachfrage lediglich vorbrachte, dies "nur gehört" zu haben.
Umstände, die darauf schließen ließen, dass der Asylwerber in Italien selbst einer unmenschlichen Behandlung iSd Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre, sind vor dem Hintergrund der erstinstanzlichen Feststellungen letztlich ebenso wenig vorhanden wie dass ihm Italien entsprechenden Schutz versagen würde, sofern ihm im Heimatland unmenschliche Behandlung drohen würde. Soweit der Asylwerber in seiner Beschwerde auf den Fall zweier Asylwerber verweist, die in Italien keine Versorgung erhalten hätten, obwohl sich Italien für ihr Asylverfahren zuständig erklärt hätte, ist zu entgegnen, dass keinerlei Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Italien gegen seine gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen aus der Dublin-Verordnung qualifiziert verstoßen würde und vor diesem Hintergrund seine Einwendungen wiederum nicht substantiiert genug erscheinen, um ein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - "real risk" einer Verletzung seiner Rechte gem. Art. 3 EMRK darzutun.
Zum Vorbringen in der Beschwerde, wonach der Asylwerber an Schlafstörungen leiden würde und "auch sonst gesundheitlich in keinem guten Zustand" sei, ist zunächst auszuführen, dass der Asylwerber keinerlei ärztliche Atteste vorgelegt hat, die etwaige gesundheitliche Probleme belegen könnten.
In diesem Zusammenhang ist weiters auf das jüngste diesbezügliche Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH vom 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9) zu verweisen, welches die aktuelle Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK festhält (D. v. the United Kingdom, EGMR 02.05.1997, Appl. 30.240/96, newsletter 1997,93; Bensaid, EGMR 06.02.2001, Appl. 44.599/98, newsletter 2001,26; Ndangoya, EGMR 22.06.2004, Appl. 17.868/03; Salkic and others, EGMR 29.06.2004, Appl. 7702/04; Ovdienko, EGMR 31.05.2005, Appl. 1383/04; Hukic, EGMR 29.09.2005, Appl. 17.416/05; EGMR Ayegh, 07.11.2006; Appl. 4701/05; EGMR Goncharova & Alekseytsev, 03.05.2007, Appl. 31.246/06).
Zusammenfassend führt der VfGH aus, das sich aus den erwähnten Entscheidungen des EGMR ergibt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. v. the United Kingdom).
Vor dem Hintergrund dieser strengen Judikatur des EGMR kann jedenfalls - selbst ungeachtet des tatsächlichen Vorliegens der vom Asylwerber behaupteten gesundheitlichen Probleme - nicht erkannt werden, dass eine Zurückschiebung des Asylwerbers nach Italien eine Verletzung der Rechte gem. Art. 3 EMRK darstellen würde, da in casu keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass beim Asylwerber das Endstadium einer tödlichen Krankheit gegeben wäre bzw. in Italien nicht entsprechende Behandlungsmöglichkeiten verfügbar wären, sodass - nach dem Maßstab der Judikatur des EGMR - eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer Verletzung der Rechte gem. Art. 3 EMRK nicht erkannt werden kann. Da auch keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Ausweisung nach Italien in seinen Rechten gem. Art. 8 EMRK verletzt werden könnte (der Asylwerber verfügt nach eigenen Angaben über keine Familienangehörige im Bundesgebiet), war die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes gem. Art. § 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates somit nicht in Betracht zu ziehen.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.