TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/07 D1 238283-0/2008

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Veröffentlicht am 07.10.2008
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Spruch

D1 238283-0/2008/5E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Stracker als Vorsitzenden und den Richter Dr. Feßl als Beisitzer über die Beschwerde der P.N., geb. 00.00.1966, staatenlos, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.05.2003, FZ.

 

03 03.263-BAW, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Die (nunmehrige) Beschwerdeführerin gelangte laut eigenen Angaben am 28.01.2003 unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet und beantragte am 29.01.2003 die Gewährung von Asyl. Die Beschwerdeführerin wurde hiezu am 27.05.2003 vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Wien, niederschriftlich einvernommen. Das Bundesasylamt wies den Asylantrag mit dem angefochtenen Bescheid vom 28.05.2003 in Spruchteil I unter Berufung auf § 7 AsylG 1997 ab; in Spruchteil II stellte es fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin "in ihr behauptetes Herkunftsland Weißrussland" gemäß § 8 AsylG 1997 zulässig sei. Gegen diesen am 03.06.2003 zugestellten Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit dem am 11.06.2003 zur Post gegebenen und als Berufung eingebrachten Schriftsatz vom 10.06.2003 fristgerecht Beschwerde.

 

2. Hinsichtlich der Angaben der Beschwerdeführerin bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 27.05.2003 wird ausdrücklich auf die Wiedergabe im angefochtenen Bescheid (S. 2-6) verwiesen. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen vorgebracht, dass sie gemeinsam mit ihrer Freundin S. B., mit welcher sie damals in Brest zusammen gewohnt habe, am 09.08.2002 am Ufer des Flusses Bug in Brest festgenommen worden sei, weil sie unerlaubterweise im Bikini in der Sonne gelegen seien. Damals seien sie zur Polizeistation Brest gebracht und drei Tage festgehalten worden. Während dieser Zeit seien sie mehrmals von Polizisten geschlagen und von diesen auch dabei beobachtet worden, wenn sie die Toilette aufgesucht hätten. Nach Bezahlung einer Strafe habe man sie wieder freigelassen. Am 15.08.2002 hätten sie sich, aufgrund der Behandlung der Polizisten, bei der Staatsanwaltschaft in Brest beschwert. Zwei Wochen später sei ihre Freundin zur Staatsanwaltschaft geladen worden, um ihre Aussage zu machen. Seitens der Staatsanwaltschaft sei ihrer Freundin dabei mitgeteilt worden, dass sie bei weiteren Beschwerden von Seiten der übergeordneten Stellen mit Schwierigkeiten zu rechnen habe. Trotzdem habe sich ihre Freundin bei der Staatsanwaltschaft für das Gebiet Brest beschwert. Ihre Freundin hätte eine Ladung von der Staatsanwaltschaft bekommen und danach sei diese im September 2002 spurlos verschwunden. Sie habe versucht bei der Staatsanwaltschaft anzurufen, jedoch habe sich niemand gemeldet. Ungefähr eine Woche später habe sie eine ähnliche Ladung erhalten und wobei ihr ein Beamter erklärt habe, dass sie dieser Ladung nachkommen müsse. Konkret nach dem Verbleib ihrer Freundin gefragt, habe der Beamte zwar zugegeben, dass diese bei der Staatsanwaltschaft gewesen, jedoch von dort auch wieder weggegangen sei. Daraufhin sei sie nicht zur Staatsanwaltschaft gegangen, sondern habe noch drei Monate lang zuhause zugewartet und danach Brest verlassen, weil sie befürchtet habe, dass ihr Ähnliches wie der Freundin passieren würde.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Gemäß § 28 Abs. 1 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz nimmt der Asylgerichtshof mit 01.07.2008 seine Tätigkeit auf. Das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat (UBASG), BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2005, tritt mit 01.07.2008 außer Kraft.

 

2. Gemäß § 61 Abs. 1 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

§ 61 Abs. 3 Z. 1 AsylG sieht eine Einzelrichterentscheidung im Fall einer zurückweisenden Entscheidung wegen

 

a) Drittstaatsicherheit gem. § 4 AsylG,

 

b) Zuständigkeit eines anderen Staates gem. § 5 AsylG,

 

c) entschiedener Sache gem. § 68 Abs. 1 AVG, sowie gem. Z. 2 bei einer mit diesen Entscheidungen verbundenen Ausweisung vor.

 

3. Gemäß § 23 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof, sofern sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930, dem AsylG 2005, BGBl. Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

4. Gemäß 75 Abs. 1 AsylG sind alle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des AsylG 1997 - hier gem. § 44 Abs. 1 AsylG 1997 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 126/2002 - zu Ende zu führen.

 

5.1. Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde, so der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen.

 

Gemäß § 66 Abs. 3 AVG kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

 

5.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315, zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG durch den Unabhängigen Bundesasylsenat ausgeführt:

 

"Im Berufungsverfahren vor der belangten Behörde ist gem. § 23 AsylG und Art. II Abs. 2

 

Z 43a EGVG (unter anderem) § 66 AVG anzuwenden. Nach § 66 Abs. 1 AVG i. d.F. BGBl. I Nr. 158/1998 hat die Berufungsbehörde notwendige Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durch eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde durchführen zu lassen oder selbst vorzunehmen. Außer dem in § 66 Abs. 2 AVG erwähnten Fall hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, gem. § 66 Abs. 4 AVG immer in der Sache selbst zu entscheiden. (...)

 

Die Berufungsbehörde darf eine kassatorische Entscheidung nicht bei jeder Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes, sondern nur dann treffen, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Die Berufungsbehörde hat dabei zunächst in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen, ob angesichts der Ergänzungsbedürftigkeit des ihr vorliegenden Sachverhaltes die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als ¿unvermeidlich erscheint'. Für die Frage der Unvermeidlichkeit einer mündlichen Verhandlung i.S.d. § 66 Abs. 2 AVG ist es aber unerheblich, ob eine kontradiktorische Verhandlung oder nur eine Vernehmung erforderlich ist (vgl. etwa das Erkenntnis v. 14.03.2001, Zl. 2000/08/0200; zum Begriff ¿mündliche Verhandlung' i.S.d. § 66 Abs. 2 AVG siehe auch die Nachweise im Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2000/20/0084).

 

Der Gesetzgeber hat in Asylsachen ein zweiinstanzliches Verfahren (mit nachgeordneter Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) eingerichtet. In diesem Verfahren hat bereits das Bundesasylamt den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag relevanten Sachverhalt zu ermitteln und es ist gem. § 27 Abs. 1 AsylG grundsätzlich verpflichtet, den Asylwerber dazu persönlich zu vernehmen. Diese Anordnungen des Gesetzgebers würden aber unterlaufen, wenn es wegen des Unterbleibens eines Ermittlungsverfahrens in erster Instanz zu einer Verlagerung nahezu des gesamten Verfahrens vor die Berufungsbehörde käme und die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen damit zur bloßen Formsache würde. Es ist nicht im Sinne des Gesetzes, wenn die Berufungsbehörde, statt ihre (umfassende) Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können, jene Behörde ist, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und einer Beurteilung unterzieht.

 

Dieser Gesichtspunkt ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichthofes - freilich immer unter ausreichender Bedachtnahme auf das Interesse der Partei an einer raschen Erledigung des Asylverfahrens - bei der Ermessensausübung nach § 66 Abs. 2 und 3 AVG auch einzubeziehen. Unter dem Blickwinkel einer Kostenersparnis für die Partei ist dabei vor allem auch zu beachten, dass die Vernehmung vor dem Bundesasylamt dezentral durch die Außenstellen in den Bundesländern erfolgt, während der Unabhängige Bundesasylsenat - anders als bei den unabhängigen Verwaltungssenaten in den Ländern, für die Vergleichbares auf Landesebene gilt - als zentrale Bundesbehörde in Wien eingerichtet ist (vgl. auch dazu das bereits erwähnte Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2000/20/0084)."

 

Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 17.10.2006, Zl. 2005/20/0459, zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG durch den Unabhängigen Bundesasylsenat ausgeführt:

 

"Einem zurückweisenden Bescheid i.S.d. § 66 Abs. 2 AVG muss (demnach) auch entnommen werden können, welche Mängel bei der Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes im Verfahren vor der Unterbehörde unterlaufen und im Wege der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung zu beheben sind (vgl. zum Ganzen zuletzt das Erkenntnis v. 20.04.2006, Zl. 2003/01/0285)."

 

Was für den Unabhängigen Bundesasylsenat bis zum 30.06.2008 zu gelten hatte, gilt nunmehr gleichermaßen für den Asylgerichtshof, zumal dieser nicht - wie der Unabhängige Bundesasylsenat - ein gerichtsähnlicher unabhängiger Verwaltungssenat, sondern ein Gerichtshof ist, dem noch weniger zuzusinnen ist, erstmals mit der ernsthaften Prüfung des Antrages zu beginnen und das gesamte Verfahren von Anbeginn an durchzuführen.

 

6. Im gegenständlichen Fall ist der angefochtene Bescheid des Bundesasylamtes und das diesem zugrunde liegende Verfahren aus folgenden Gründen mangelhaft:

 

Die erstinstanzliche Behörde führt im Rahmen ihrer Beweiswürdigung als tragende Argumente für die nicht gelungene Glaubhaftmachung einer asylrelevanten Verfolgung durch die Beschwerdeführerin an, dass sie über ihren behaupteten Herkunftsstaat keinerlei fundierte Angaben machen habe können. Sie habe unter anderem nicht gewusst, wann in Weißrussland der Unabhängigkeitstag begangen werde, noch habe sie über einfache Dinge des alltäglichen Lebens, wie die weißrussischen Banknoten, das weißrussische Fernsehen und die weißrussischen Tageszeitungen Auskunft erteilen können. Als Universitätsabsolventin habe sie nicht einmal gewusst, welche Länder an Weißrussland grenzen würden bzw. in welche Gebiete Weißrussland organisatorisch unterteilt werde. Ihre fehlenden Kenntnisse über Weißrussland würden völlig dem vorgegebenen Aufenthalt in Weißrussland und somit auch der dargelegten Verfolgung widersprechen. Zudem habe sie der eigenen Behauptung, wonach sie ausschließlich in Weißrussland verfolgt worden wäre, im Formblatt des Bundesasylamtes widersprochen, indem sie dort angegeben habe, dass sie auch in der Ukraine asylrelevante Probleme gehabt hätte. Des Weiteren sei das eigentliche Vorbringen über angebliche Fluchtgründe auch völlig widersprüchlich dargelegt worden, da sie zu Beginn der niederschriftlichen Einvernahme auf konkrete Befragung angegeben habe, dass sie in Weißrussland niemals inhaftiert worden wäre und später in einer nicht nachvollziehbaren Weise angegeben habe, dass sie bei der Polizei in Brest drei Tage lang in Haft gewesen wäre. Dazu wird ausgeführt, dass sich schon diese von der Erstbehörde vorgenommene Beweiswürdigung anhand der mit der Beschwerdeführerin aufgenommenen Niederschrift nicht nachvollziehen lässt, zumal die Beschwerdeführerin auf alle Fragen des Organwalters des Bundesasylamtes geantwortet hat und dieser dabei mit keinem Wort erwähnt hat, dass eine der Antworten nicht korrekt wäre. Dass die Beschwerdeführerin auf die Frage, des weißrussischen Unabhängigkeitstages angegeben hat, dass sie diesen nicht kennen würde, lässt nicht automatisch den von der Erstbehörde gezogenen Rückschluss zu, dass die in der Russischen Föderation geborene und dort aufgewachsene Beschwerdeführerin nicht die letzten zwei Jahre vor ihrer Ausreise aus Weißrussland in Brest gelebt hat. Noch dazu, wo die Beschwerdeführerin auch nicht behauptet hat, weißrussische Staatsangehörige zu sein und zudem in den vom Bundesasylamt getroffenen Länderfeststellungen zum Unabhängigkeitstag davon ausgegangen wird, dass dieser seit kurzen[m] am 3. Juli gefeiert werde, weshalb auch nicht erkennbar ist, warum die Beschwerdeführerin darüber Kenntnis haben muss (siehe dazu Seite 7 [AS 63] Feststellungen zu Weißrussland im angefochtenen Bescheid). Die Frage der weißrussischen Fahne hingegen wurde von der Beschwerdeführerin in ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Wien, am 27.05.2003 erschöpfend beantwortet und findet Deckung mit den vom Bundesasylamt getroffenen Länderfeststellungen auf AS 63. Dass die Beschwerdeführerin über alltägliche Dinge des Lebens wie das weißrussische Fernsehen und Tageszeitungen keine Auskünfte erteilen habe können, lässt sich ebenfalls anhand der mit der Beschwerdeführerin aufgenommenen Niederschrift nicht in Einklang bringen, zumal die Beschwerdeführerin zu diesen Fragen angegeben hat, dass sie über keinen Anschluss zum weißrussischen Fernsehen verfügt, sondern einen Lokalsender empfangen habe und die lokale Zeitung aus Brest "Nowosti" heißen würde. Das Bundesasylamt ignoriert mit der vorgenommenen Beweiswürdigung in konsequenter Weise die Antworten der Beschwerdeführerin, was auch auf die Frage nach den Nachbarländern von Weißrussland und den weißrussischen Banknoten ersichtlich ist. Die mit der Beschwerdeführerin aufgenommene Niederschrift und die darauf basierende Beweiswürdigung bildet jedenfalls keine tragfähige Grundlage für die Annahme, dass die Beschwerdeführerin nicht zuletzt in Weißrussland gelebt hat und daher auch nicht (in asylrelevanter Weise) verfolgt worden wäre.

 

Der schwere Verfahrensmangel findet sich jedoch darin, dass im gegenständlichen Fall auf den Kern des Vorbringens der Beschwerdeführerin überhaupt nicht eingegangen wurde. So hat die Beschwerdeführerin bei ihrer Asylantragstellung am 29.01.2003 ein vom Bundesasylamt erstelltes Formblatt zu ihren Fluchtgründen ausgefüllt. In diesem Formblatt auf Seite 3 (AS 7, siehe dazu Übersetzung auf AS 45) führt die Beschwerdeführerin an, dass ihre Fluchtgründe im Zusammenhang mit ihrer nicht traditionellen, sexuellen Orientierung stehen würden. Schon aus diesem Grund hätte bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Wien, am 27.05.2003, der Organwalter des Bundesasylamtes i. S.d. § 28 AsylG 1997 darauf hinzuwirken gehabt, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt werden und somit den Hintergrund der nicht traditionellen, sexuellen Orientierung der Beschwerdeführerin hinterfragen müssen. Dies nicht zuletzt auch deshalb, um zu überprüfen ob nicht i.S.d. § 27 Abs. 3 AsylG 1997 ein Organwalter desselben Geschlechtes die Einvernahme zu führen gehabt hätte (siehe dazu auch Erkenntnis des VwGH v. 03.12.2003, Zl. 2001/01/0402). Der asylrelevante Sachverhalt und die Frage des eigentlichen Asylgrundes, nämlich die Beziehung zu ihrer verschwundenen Freundin S. B., wurde nicht einmal ansatzweise hinterfragt, dies obwohl, die sexuelle Ausrichtung der Beschwerdeführerin als entsprechendes Merkmal im Hinblick auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten "sozialen Gruppe" i.S.d. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK zu untersuchen gewesen wäre und es somit in jedem Fall einer differenzierten Auseinandersetzung mit der individuellen Situation der Beschwerdeführerin bedarf, welche das Bundesasylamt im gegenständlichen Fall vollständig außer Acht gelassen hat.

 

7. Aufgrund der dargestellten Mängel wäre daher jedenfalls die Einvernahme der Beschwerdeführerin zu ergänzen gewesen, sodass die erste Voraussetzung für die Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG (infolge Mangelhaftigkeit des vorliegenden Sachverhaltes erscheint die Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich) im gegenständlichen Fall erfüllt ist.

 

8. Der zuständige Senat des Asylgerichtshofes ist daher der Ansicht, dass die schweren Mängel vom Bundesasylamt zu sanieren sind, da im gegenteiligen Fall der Großteil des Ermittlungsverfahren vor den Asylgerichtshof als gerichtliche Beschwerdeinstanz verlagert würde und somit - im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - der zweiinstanzliche Verfahrensgang unterlaufen würde.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung
Zuletzt aktualisiert am
09.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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