TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/08 E2 305474-1/2008

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Veröffentlicht am 08.10.2008
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Spruch

E2 305474-1/2008-15E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. HUBER-HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde desD. auch B. alias D.O., geb.00.00.1971 alias 00.00.1969, StA. Mongolei, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 08.09.2006, FZ. 06 08.706-EAST West, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.05.2008 und am 17.09.2008 zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde wird gemäß § 3 AsylG 2005 hinsichtlich Spruchpunkt I. als unbegründet abgewiesen.

 

II. Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 wird festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von D. auch B. alias D.O. in die Mongolei nicht zulässig ist.

 

III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird D. auch B. alias D.O. eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 08.10.2009 erteilt.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Der Beschwerdeführer (vormals Berufungswerber, im Folgenden: BF), ein mongolischer Staatsangehöriger, reiste am 21.08.2006 in Begleitung seines Sohnes D.T., GZ: E2 305475-1/2008 illegal in das Bundesgebiet von Österreich ein. Beide stellten an diesem Tag einen Antrag auf internatonalen Schutz.

 

2. Am 23.08.2006 erfolgte die Erstbefragung des BF durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes bei der EAST- West (AS 19 ff). Dabei gab der BF als Fluchtgrund an, dass seine Schwester einen Kasachen geheiratet habe, der im Jahre 2005 durch einen Unfall ums Leben gekommen sei. Laut kasachischen Sitten hätte seine Schwester ihren Schwager heiraten sollen, was sie jedoch verweigert habe. Mit Hilfe des BF sei ihr die Flucht nach Südkorea gelungen. Der BF werde von der Familie des verstorbenen Ehemannes verfolgt und erpresst. Diese würde ihm Schwierigkeiten bereiten, indem sie den BF bei der Polizei anzeige. So soll er als Taxifahrer einen Gast ausgeraubt haben.

 

3. Zur Begründung seines Antrages auf internationalen Schutz machte der BF bei der ersten asylbehördlichen Einvernahme am 28.06.2006 vor der EAST- West (AS 29 ff) zunächst geltend, dass er eine kleine Schwester habe, die mit einem Kasachen namens K. verheiratet gewesen sei. Dieser sei am 25.11.2005 bei einem Arbeitsunfall ums Leben gekommen. Nachdem K. verstorben sei, hätte dessen Bruder U. die Schwester des BF aus kasachischer Tradition heiraten wollen. Die Schwester des BF habe dies abgelehnt. Sie sei geschlagen, vergewaltigt und in weiterer Folge schwanger geworden, habe das Kind aber nicht zur Welt gebracht. Aus diesem Grunde sei die Schwester am 00.00.2006 nach Korea gefahren. U. habe dem BF vorgeworfen, seine Schwester aufgefordert zu haben, das Kind abzutreiben bzw. das Land zu verlassen. U. habe am 29.02.2006 den BF aufgesucht. An diesem Tag sei es auch zu einer Schlägerei zwischen U. und dem BF gekommen. Außerdem habe U. das ganze Haus des Beschwerdeführers verwüstet und gesagt, dass er den Sohn des BF umbringen würde. Der BF habe die Polizei gerufen und Anzeige erstattet.

 

Einmal hätten zwei Männer auf den BF, der als Taxifahrer tätig gewesen sei, bei seinem Fahrzeug gewartet. Nachdem sie am gewünschten Zielort angekommen seien , hätten sie dem BF von hinten eine Schnur um den Hals gelegt. Der BF sei so stark geschlagen worden, dass er für ca. 10 Minuten auf dem Boden liegen geblieben sei. Weiters hätten sie ihm seine ganzen Einkünfte weggenommen. Auch über diesen Vorfall habe er bei der Polizei Anzeige erstattet.

 

Schließlich seien am 20.06.2006 um 3.00 Uhr zwei Männer zum Taxistandplatz gekommen, die nach T. gebracht werden wollten. Der neben dem BF sitzende Mann habe diesem etwas in die Augen gespritzt. Der BF sei dann vom Auto weggelaufen und in einen Regenkanal gefallen, wo er für ca. 20 Minuten liegen geblieben sei. Die Männer seien mit dem Auto weggefahren und er habe auch in diesem Fall bei der Polizei Anzeige erstattet. Am nächsten Tag sei das Auto in T.A. gefunden worden. Die Vorderscheibe des Fahrzeugs sei kaputt gewesen und neben dem Auto habe sich Benzin befunden.

 

Am 11.07.2006, dem großen mongolischen Nationalfeiertag, habe die Polizei den BF verhaftet. Es sei eine Anzeige erstattet worden, wonach der BF Kunden geschlagen und deren Geld geraubt hätte. Der BF sei 72 Stunden in Untersuchungshaft und 14 weitere Tage in Haft gewesen. Andere Insassen hätten zu ihm gesagt, dass er die Frau eines anderen gestohlen habe. Dann habe er verstanden, dass dies U.gemacht habe. In der ersten Woche der Haft habe keine Untersuchung stattgefunden. In der zweiten Woche sei der Untersuchungsrichter zwei Mal gekommen. Dieser habe ihn freigelassen, nachdem er ihm alles geschildert hatte.

 

Sollte der BF wieder ins Gefängnis kommen oder sterben, würde sich niemand um seinen Sohn kümmern. In der Zeit der Haft habe sein Sohn nichts gegessen. Er sei ganz schwach geworden und habe jeden Tag auf den BF gewartet. Nach Rückübersetzung der bisherigen Niederschrift korrigierte der BF seine Angaben dahingehend, dass er den Richter mit seinem Auto bestochen habe, um freizukommen. U. sei bei den beiden Überfällen nicht dabei gewesen. Als der BF in Haft gewesen sei, habe er sich aber gedacht, dass U. diese organisiert habe. Er wisse es aber nicht. Es sei niemals Anklage erhoben worden. Der BF habe die Mongolei verlassen, weil er Probleme mit einer Privatperson gehabt habe. Der BF hätte zwar in ein anderes Dorf ziehen können, U. hätte ihn aber trotzdem gefunden. Bei einer Rückkehr würde ihn U. sicherlich finden. Der BF müsste dann ins Gefängnis oder sterben.

 

Auf Vorhalt, dass seine Ehefrau am 00.00.1999 verstorben sei, als Geburtsdatum seines Sohnes aber der 00.00.1999 angeführt sei, gab der BF als Antwort: "Wir heirateten 1994. Am 00.00.1999 kam mein Sohn zur Welt. Bei der Geburt verstarb meine Frau. Da der 00.00. so ein schwerer Tag für mich war, habe ich die Geburtsurkunde für meinen Sohn mit 00.00. ausstellen lassen."

 

Nachdem dem BF eine Länderfeststellung zur Mongolei (Beilage 1 zu FZ: 06 08. 706 und 06 08. 707) vorgelegt wurde, gab er folgende Stellungnahme ab: "Es gibt in jedem Land Gesetze. In der Mongolei bedeutet das Gesetz aber nichts, wenn jemand Geld hat. Ich denke, die Mongolei ist in der Welt die Nummer 1 der korruptesten Staaten. In der Mongolei gibt es so viele arme Leute. Die Straßenkinder werden auch immer mehr. In der Mongolei werden auch viele Kinder gestohlen. Ich hatte auch Angst, dass jemand meinen Sohn stiehlt."

 

Bei der Zweiteinvernahme am 31.08.2006 vor der EAST-West gab der BF zunächst an, dass er die im Rahmen der ersten Einvernahme gemachten Angaben aufrecht erhalte. Als der BF in Haft genommen worden sei, sei ihm klar gewesen, dass die Polizisten kein Interesse daran hätten, ihn zu schützen. Schon damals habe er sich große Sorgen um sein Kind gemacht.

 

Die Kasachen würden ihn nicht in Ruhe lassen. Sie hätten auch diese falsche Anzeige gemacht. Die kasachische Familie strebe an, den BF ins Gefängnis zu bringen. Auf Grund der falschen Anzeige laufe noch eine Untersuchung und er werde von der Polizei gesucht. Er sei aus der Haft entlaufen. Auf Vorhalt in der ersten Einvernahme angegeben zu haben durch einen Richter freigelassen worden zu sein. Nunmehr anzuführen, aus der Haft entlaufen zu sein, gab der BF an: "Ich sagte nicht, dass es ein Richter gewesen wäre. Ich sagte, dass ich eine Vereinbarung mit Polizisten getroffen hätte." Sein Auto habe er der Untersuchungsbehörde als "Kaution" gegeben. Nur so habe er diese Vereinbarung treffen können.

 

4. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesasylamtes vom 08.09.2006, Zahl: 06 08.706 EAST- West, wurde der Antrag auf internationalen Schutz von D.O. vom 21.08.2006 gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 abgewiesen und ihm der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I). Weiters wurde dem BF der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Mongolei gemäß § 8Absatz 1 Z 1 Asylgesetz 2005 nicht zuerkannt (Spruchpunkt II) und gleichzeitig gemäß § 10 Absatz 1 Z 2 Asylgesetz 2005 die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Mongolei ausgesprochen.

 

5. Die Erstbehörde begründete die abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die vom BF präsentierte "Fluchtgeschichte" als zu "blass", wenig detailreich und zu oberflächlich und daher in der Folge - unter Berücksichtigung der aktuellen Länderfeststellung - als keinesfalls glaubhaft zu qualifizieren sei. Das gesamte Vorbringen des BF erwecke den Anschein, dass es sich um ein Konstrukt handle, welches offensichtlich nur dazu dienen solle, um den Aufenthalt des BF und seines Sohnes in Österreich zu legalisieren. Zu Spruchpunkt I. wurde in der rechtlichen Beurteilung auf die Beweiswürdigung verwiesen, wonach im gegenständlichen Fall keine Motive der Genfer Flüchtlingskonvention vorgelegen seien. Aus diesem Grund habe das Vorbringen des BF keine Asylrelevanz zu erlangen vermocht. Zu Spruchpunkt II. ist in der rechtlichen Beurteilung ausgeführt worden, dass das Bestehen einer Gefährdungssituation bereits unter Spruchpunkt I. geprüft und verneint worden sei, weswegen spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei. Im Hinblick auf Spruchpunkt III. gelte, dass kein Familienbezug (Kernfamilie) zu einem dauernd aufenthaltsberechtigten Fremden vorliege. Der Aufenthalt der Angehörigen sei, so wie der des BF, nur ein vorübergehender. Die Ausweisung stelle daher keinen Eingriff in Art. 8 EMRK dar. Aus dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens würden auch sonst keine Hinweise vorliegen, welche den Schluss zulassen, dass durch eine Ausweisung auf sonstige Weise unzulässigerweise in das Privatleben des BF eingegriffen würde.

 

6. Gegen diesen Bescheid, zugestellt am 08.09.2006, richtet sich die fristgerecht eingebrachte Berufung (nunmehr Beschwerde) vom 13.09.2006. Begründend wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die erstinstanzliche Behörde ihre Pflicht zur Erforschung des maßgeblichen Sachverhalts und zur Wahrung des Parteiengehörs verletzt habe. Weiters hätten die im Asylwesen tätigen Spezialbehörden nach der Judikatur des VwGH das ihnen zugängliche Amtswissen von Amts wegen zu verwerten. Der BF bringt weiters vor, dass es in seiner Heimat sehr schlecht funktionierende Strafverfolgungsmechanismen gebe und auch die Gerichtsbarkeit und Gerichte noch immer von Korruption erfasst seien. Hinsichtlich des Vorbringens des BF werde u.a. die Schutzfähigkeit des Staates keiner Prüfung unterzogen und finde keinen Niederschlag in der Beweiswürdigung. Die erkennende Behörde belasse es im Wesentlichen bei allgemeinen Feststellungen und verweise lediglich auf angebliche Widersprüche.

 

7. Der Asylgerichtshof - zum gegebenen Zeitpunkt noch als Unabhängiger Bundesasylsenat - führte in der Sache der BF D.O. bzw. D.T. (Vater und minderjähriger Sohn) am 08.05.2008 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher die BF und als Dolmetscher für die mongolische Sprache Dr. B.B. teilnahmen. Ein geladener Vertreter des Bundesasylamtes ist zur öffentlichen mündlichen Verhandlung entschuldigt nicht erschienen.

 

Im Zuge der Verhandlung wurde folgendes Berichtsmaterial zur Mongolei dargetan:

 

Anfragbeantwortung von ACCORD vom 28.10.2004, zu Mongolei: Mischehen zwischen moslemischen Kaschen und Buddhistinnen, Konflikt mit den Familien und staatlicher Schutz vor Übergriffen;

 

Das Schweizerische Bundesamt für Migration, Direktionsbereich Asylverfahren, Bericht über eine Dienstreise in die Mongolei vom 01. bis 08.10.2006, von Erich Bertschi, Länderreferent Sektion MILA;

 

US DOS, Country Reports on Human Rights Practices-2007 vom 11.03.2008-Mongolia;

 

Home Office, COI vom September 2005, Bewegungsfreiheit;

 

Feststellungen des BAA zur Mongolei vom 21.05.2007;

 

8. Am 09.06.2008 erstattete der mit Bescheid vom 16.05.2008 zum Länder-Sachverständigen für die Mongolei bestellte Dr. B.B. sein Gutachten, das Informationen über die Identität der BF, eine Überprüfung des Gefährdungsvorbringens und Informationen zu den Haftbedingungen in den Gefängnissen der Mongolei beinhaltet.

 

9. Der Asylgerichtshof setzte in der Sache der BF D.O. bzw. des D.T. (Vater und minderjähriger Sohn) am 17.09.2008 die öffentliche mündliche Verhandlung vom 08.05.2008 zur Gutachtenserörterung fort. An der Beschwerdeverhandlung nahmen die BF, der Sachverständige Dr.B.B. und als Dolmetscher für die mongolische Sprache Frau D.teil. Ein geladener Vertreter des Bundesasylamtes ist zur öffentlichen mündlichen Verhandlung nicht erschienen. Mit Schreiben vom 22.08.2008 wurde mitgeteilt, dass kein Vertreter entsandt werde, und der Antrag gestellt, die Beschwerden abzuweisen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Beweis erhoben wurde

 

durch Einsichtnahme in den gegenständlichen Verwaltungsakt des Beschwerdeführers sowie in den Verwaltungsakt seines Sohnes D.T. (GZ: E2 305475-1/2008), durch Einsichtnahme in die oben genannten, für das gegenständliche Verfahren relevanten Länderdokumentationen, durch Einholung des Ländergutachtens des Dr. B.B.und durch Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat (nunmehr Asylgerichtshof).

 

2. Festgestellt wird nachstehender Sachverhalt:

 

2.1. Zur Person des BF und seiner Fluchtgründe:

 

Der BF trägt den im Spruch angeführten Namen, ist mongolischer Staatsangehöriger und am 00.00.1971 geboren. Er reiste gemeinsam mit seinem Sohn am 21.08.2006 illegal in das Bundesgebiet ein.

 

Die Schwester des BF war mit einem Kasachen namens K.verheiratet. Am 25.11.2005 kam dieser bei einem Arbeitsunfall ums Leben. Anschließend wollte dessen Bruder U. die Schwester des BF aus kasachischer Tradition heiraten. Nachdem sie dies abgelehnt hatte, schlug und vergewaltigte er die Schwester des BF. Eine daraus resultierende Schwangerschaft wurde abgebrochen. Aus diesem Grunde ist die Schwester des BF am 26.02.2006 nach Korea geflohen. U. warf in der Folge dem BF vor, seine Schwester aufgefordert zu haben, das Kind abzutreiben bzw. das Land zu verlassen. Am 00.00.2006 kam es zwischen U. und dem BF zu einer Schlägerei. Dabei verwüstete U. das gesamte Haus des BF und drohte dessen Sohn umzubringen.

 

Beruflich war der BF in der Mongolei als Taxifahrer tätig. An einem Tag im April warteten um ca. 23.00 Uhr zwei Männer bei seinem Fahrzeug. Nachdem sie am gewünschten Zielort angekommen waren , legten sie dem BF von hinten eine Schnur um den Hals. Als Folge heftiger Schläge blieb der BF für ca. 10 Minuten auf dem Boden liegen. Weiters wurden ihm die gesamten Einkünfte geraubt.

 

Am 20.06.2006 kamen um ca. 3.00 Uhr zwei Männer zum Taxistandplatz in U., die nach T. gebracht werden wollten. Der neben dem BF sitzende Mann spritzte diesem eine Flüssigkeit in die Augen. Daraufhin lief der BF vom Fahrzeug weg und fiel in einen Regenkanal, wo er für ca. 20 Minuten liegen blieb. Die Männer fuhren mit dem Auto weg. Am nächsten Tag wurde das Taxi des BF in T.A. gefunden. Die Vorderscheibe des Autos war kaputt und neben dem Wagen befand sich Benzin. Der BF erstattete hinsichtlich aller drei Verbrechen Anzeige.

 

Am 11.07.2006, dem großen mongolischen Nationalfeiertag, verhaftete die Polizei den BF. Er habe Kunden geschlagen und deren Geld geraubt. Der BF saß deshalb für 72 Stunden in Untersuchungshaft. 14 weitere Tage musste er in Haft verbringen. In seiner Zelle befanden sich noch weitere Personen, die zu ihm sagten, dass er die Frau eines anderen gestohlen habe. Erst dann verstand er, dass diese Überfälle U. organisiert habe. In der ersten Woche der Haft fand keine Untersuchung statt, erst in der zweiten Woche wurde er einvernommen. Sein Auto gab er der Untersuchungsbehörde als "Kaution." Auf Grund dieser Vereinbarung mit den Polizisten, wurde er aus der Haft entlassen. Es wurde niemals Anklage erhoben. Der BF könnte zwar in ein anderes Dorf ziehen, U. würde ihn aber trotzdem finden. Die kasachische Familie strebt an, den BF ins Gefängnis zu bringen. Auf Grund der falschen Anzeige läuft noch eine Untersuchung. Es existiert eine polizeiliche Fahndung vom 10.01.2008 betreffend den BF. Er wird wegen einer Straftat, die er im Bezirk S. begangen habe, landesweit gesucht. Bei einer Rückkehr in die Mongolei droht dem BF bei einer Anklage und einem Schuldspruch gem. § 96.2.1 des mongolischen Strafgesetzes eine Haftstrafe von 7 bis 10 Jahren wegen absichtlicher Körperverletzung.

 

2.2. Zur Situation in der Mongolei:

 

ACCORD führt dazu in dem oben zitierten Bericht aus: "Das US State Department (USDOS) hält in seinem Jahresbericht zur Religionsfreiheit 2004 fest, dass etwa 93% der ethnisch mongolischen Bevölkerung die eine oder andere Form des Buddhismus praktizierten. Kasachen, die hauptsächlich Muslime seien, hätten einen landesweiten Bevölkerungsanteil von 4%, und stellten in der westlichen Provinz Bayan-Olgiy mit 85% eine Mehrheit. Das generell freundschaftliche Verhältnis zwischen den Religionen trage zur Religionsfreiheit bei und es gebe keine Berichte über religiös motivierte Gewalt. Einige Spannungen gebe es jedoch zwischen christlichen missionarischen Gruppen und der Bevölkerung und Konservative hätten ausländische Einflüsse auf Kinder und Jugendliche kritisiert.

 

Eine aus der Mongolei stammende Dissertantin der Politikwissenschaft an der Rutgers University führte in einem Telefoninterview vom Jänner 1999 gegenüber der Dokumentationsabteilung der kanadischen Flüchtlingsbehörde aus, dass interethnische und interreligiöse Ehen oft auf das Gleiche hinausliefen, da die Khalka oder Mongolen mehrheitlich Buddhisten und die Kasachen mehrheitlich Muslime seien. Kein Gesetz verbiete solche Ehen, nationalistische Gefühle in beiden Gruppen würden jedoch von der Schließung solcher Ehen abschrecken und gemischt-ethnische Ehepartner würden wahrscheinlich stigmatisiert und in seltenen Fällen sogar von ihren Familien verleugnet werden."

 

In Bezug auf die Situation in der Mongolei ist in dem oben zitierten Bericht des schweizerischen Bundesamtes für Migration zu lesen:

"Alle Gesprächsteilnehmer bestätigten, dass in der Mongolei eine Verfolgung aus asylrelevanten Motiven sehr unwahrscheinlich ist. Dagegen sind die harschen Haftbedingungen und Gewaltanwendungen durch die Behörden ein Problem. Die Delegation konnte unter anderem auch Gefängniszellen besichtigen."

 

In der Feststellung des BAA zur Mongolei vom 21.05.2007 sind Informationen zum Strafvollzug, zu den Gefängnissen und zur Folter beinhaltet: "Die Haftstrafen sind in der Mongolei schon für kleine Delikte aus general-präventiven Gründen enorm hoch. Sie reichen für Gewalt-, Raub- und Sexualdelikte deutlich über Strafmaße europäischer Standards hinaus. Das Institut der vorzeitigen Entlassungen oder der Strafaussetzungen zur Bewährung ist formal in der Mongolei vorhanden, aber es wird davon wenig Gebrauch gemacht.

 

Die Bedingungen in Gefängnissen und Untersuchungshaften sind sehr schlecht. Die Anstalten sind generell überbelegt, die hygienischen Verhältnisse mangelhaft und unter den Häftlingen herrscht eine hohe Infektionsrate mit Tuberkulose. Sie leiden unter unzureichender Ernährung, sowie -je nach Jahreszeit- unter extrem heißen und kalten Temperaturen in ihren Zellen.

 

Trotz aller Bemühungen und positiven Fortschritte zur Bekämpfung von Misshandlungen wird auch von der mongolischen Regierung selbst eingeräumt, dass Folter - primär in Polizeistationen und Haftanstalten - weiterhin ein Problem in ihrem Land ist. In der Regel wird Vorwürfen über Missbrauch in den eigenen Reihen in der mongolischen Polizei nur schleppend nachgegangen. Über systematische Untätigkeit bei Strafanzeigen ist jedoch nichts bekannt."

 

Im Country Reports on Human Rights Practices - 2007 vom 11.03.2008 - Mongolia wird angeführt, dass die Korruption in den Vollzugsbehörden enorm ist. Es gibt keine großen Veränderungen um Misshandlungen von Häftlingen durch die Polizei zu verhindern oder zu bestrafen. Die Regierung bemüht sich aber die Ausbildung und Professionalität der Sicherheitskräfte zu verbessern. Es bedarf eines durch einen Richter ausgestellten Haftbefehls, um einen Verdächtigen zu inhaftieren. Trotzdem scheint eine Haft ohne Haftbefehl, ziemlich häufig möglich zu sein. Eine Ausnahme in dringenden Fällen erlaubt der Polizei Verdächtige ohne Einholung eines Haftbefehls festzuhalten. Dies ist weit verbreitet. Die Polizei muss nach dem Strafgesetzbuch einen Gerichtsbeschluss beantragen, um den Verdächtigen nach Ablauf von 24 Stunden weiter festhalten zu können. Wird die Erlaubnis erteilt, darf die Polizei den Verdächtigen bis zu 72 Stunden festhalten bevor eine Entscheidung getroffen werden muss, ob er angeklagt oder freigelassen wird. Die maximale Haftdauer vor einer Verhandlung beträgt mit Gerichtsbeschluss 24 Monate; weitere sechs Monate sind bei gewissen schweren Verbrechen wie Mord erlaubt. Häftlingen wird ein schneller Kontakt zu ihren Familien gewährt. Ein Häftling hat das Recht auf einen Verteidiger in allen Phasen des Gerichtsverfahrens und der Zeit davor. Wenn sich der Häftling keinen privaten Verteidiger leisten kann, muss die Regierung einen Verteidiger zur Verfügung stellen.

 

Das Gesetz sieht eine unabhängige Judikative vor und die Regierung respektiert gewöhnlich diese Bestimmung. Korruption und äußere Einflüsse sind jedoch ein Problem. Bestechung kann dazu beitragen eine Klage abzuweisen oder ein Urteil zu reduzieren. Angeklagte dürfen Zeugen befragen, Beweise anbieten und gegen Entscheidungen berufen. Das Gesetz sieht vor, dass Angeklagte bis zum Beweis ihrer Schuld unschuldig sind.

 

Trotz dieser Bestimmungen sind Gerichtsverhandlungen oft von Rechtswidrigkeiten geprägt. Vielen Angeklagten mangelt es an adäquater rechtlicher Vertretung. Man stützt sich oft auf Geständnisse bei der Verurteilung von Angeklagten, wobei viele von diesen von der Polizei erzwungen wurden.

 

Dr. B. führt in seinem Gutachten zu den Haftbedingungen in den Gefängnissen in der Mongolei aus: "Die Mongolei verhängt und vollstreckt weiterhin die Todesstrafe. Exekutionen finden im Geheimen statt, und es gibt keine amtlichen statistischen Angaben über die Anwendung der Todesstrafe und über deren Anzahl. Nach unseren Informationen kam es vor, dass Gefangene im Todestrakt länger als 24 Monate ständig Hand- und Fußfesseln tragen mussten.

 

Die Haftbedingungen in Polizeistationen und Gefängnissen gelten bis heute als grausam und unmenschlich. Die Zellen sind überbelegt und der Zugang zur medizinischen Versorgung und sanitären Einrichtungen ist unzureichend.

 

Das Strafgesetzbuch kennt keine Definition für Folter, obwohl dies gem. der UN-Konvention gegen Folter vorgeschrieben ist. Es herrscht immer noch Straflosigkeit für diejenigen, die für Folter und Misshandlungen in den Haftanstalten verantwortlich sind.

 

In der Mongolei sterben Gefangene an Unterernährung und Krankheit, schuld daran ist grobe Vernachlässigung von Seiten der Behörden und in manchen Fällen auch bewusster Missbrauch. Unter den derzeitigen Bedingungen ist in der Mongolei jede Gefängnisstrafe ein potentielles Todesurteil.

 

Das Verhungern ist kein neues Problem im Haftsystem der Mongolei.

Das Problem hat zwei Aspekte: die in Geldmangel begründete Unfähigkeit, Gefangene, die Strafen in Haftanstalten verbüßen, angemessen mit Nahrung zu versorgen und absichtliches Aushungern von Untersuchungsgefangenen, um sie zu Geständnissen zu zwingen. Eine Behandlung, die auf eine grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung und möglicherweise auf Folter hinausläuft.

 

Für Personen, die sich während der Ermittlungen und des Gerichtsverfahrens in Gewahrsam befinden, ist die Polizei zuständig. Sie werden in Bezirks- oder Provinzpolizeistationen oder auch im Untersuchungs- bzw. Isolierungsgefängnis von Gants Khudag in Ulaanbaatar festgehalten.

 

Der allgemeine Standard der Haftbedingungen ist unzulässig niedrig. Die Anstalten sind überfüllt, es gibt zu wenig Kleidung und medizinische Versorgung sowie schlechte sanitäre Verhältnisse. Diese Bedingungen, die internationalen Standards nicht genügen, können dazu beitragen, dass Gefangene an Krankheiten sterben.

 

In den meisten Haftanstalten bestehe ein Mangel an sauberem Trinkwasser. Manche haben nicht einmal eine direkte Wasserversorgung aus dem zentralen Netz oder einem Brunnen, so dass das Trinkwasser mit Lastwagen geliefert werden muss. Besonders im Sommer führt dies zu gesundheitlichen Problemen wie dem Ausbruch von Durchfallepidemien. Es mangelt in den Krankenhäusern in den Haftanstalten an medizinischen Geräten.

 

Korruption ist ein im Land weit verbreitetes und institutionell verwurzeltes Übel. Im Januar 2007 ratifizierte die Mongolei das UN-Übereinkommen gegen Korruption. Im Juli wurde ein Antikorruptionsgesetz verabschiedet, das im November in Kraft trat. Trotzdem verbreitet sich die Korruption flächendeckend in der ganzen Mongolei."

 

3. Beweiswürdigung

 

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus den eigenen Angaben des BF. Dieser machte zwar im Verfahren zunächst unwahre Angaben über seinen Namen bzw. sein Geburtsdatum. Um die von ihm geschilderten Vorfälle in der Mongolei auf ihre Wahrheit überprüfen lassen zu können, gab der BF aber in einem Schreiben vom 16.05.2008 seine wahren Personalien bekannt. Diese Angaben wurden auch durch den vorgelegten Führerschein des BF belegt bzw. vom länderkundigen Sachverständigen verifiziert. Die Feststellungen zur Identität des Sohnes des BF ergeben sich aus den Angaben des BF, dem Verwaltungsakt des Sohnes bzw. wurden ebenfalls vom Sachverständigen bestätigt.

 

Die Feststellungen zum vorgebrachten Fluchtgrund des Beschwerdeführers resultieren aus den Aussagen des BF in Verbindung mit dem nicht in Zweifel zu ziehenden Länder-Gutachten des Dr. B.. Die Angaben des BF zu den fluchtauslösenden Ereignissen sind im gesamten Asylverfahren in etwa gleich geblieben und weichen nicht wesentlich von einander ab. Bereits in der Ersteinvernahme am 28.08.2006 vor dem BAA gab der BF an, dass er schon in der Mongolei erfahren habe, aus welchen Gründen man Asyl bekommen kann. Seine Gründe seien zwar "nur privater Natur", er könne aber trotzdem nicht mehr in der Mongolei leben. Es ist plausibel, dass der Beschwerdeführer letztlich aus Sorge um seinen Sohn aus seinem Heimatland geflüchtet ist. Bei dieser Auffassung blieb er auch bei der Verhandlung vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat am 08.05.2008. Es gibt keinen Grund, weshalb der BF bei Kenntnis der möglichen Asylgründe ein fluchtauslösendes Ereignis konstruieren sollte, das ihm von Beginn an keine Chance auf Asylgewährung bietet. Vor dem Hintergrund der in der Berufungsverhandlung erörterten Länder- und Medienberichte ist das Vorbringen nachvollziehbar und plausibel. Besonders hervorzuheben ist das Gutachten des Dr. B., zumal durch das Sachverständigengutachten bestätigt wurde, dass der BF infolge seiner Flucht in der Mongolei landesweit von der Polizei gesucht werde. Der Asylgerichtshof folgt diesem Sachverständigen-Gutachten, das schlüssig ist und keine Anhaltspunkte enthält, die für eine unrichtige oder tendenziöse Darstellung der Lage sprechen. Dieses Ermittlungsergebnis wird schließlich durch den persönlichen Eindruck, den der BF in der Berufungsverhandlung vermittelte, gestützt. Das Vorbringen des BF als solches wird vom Asylgerichtshof als glaubhaft qualifiziert. In einigen Punkten konnten Widersprüche und Ungereimtheiten durch das Ergebnis der Erhebungen des Ländersachverständigen ausgeräumt werden. Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass der Berufungswerber in seinen Ausführungen zum fluchtauslösenden Ereignis glaubwürdig ist.

 

Das Vorbringen des BF steht insbesondere auch in Einklang mit den getroffenen Länderfeststellungen, welche zum einen auf dem eingeholten Sachverständigengutachten und zum anderen auf den im Verfahren erörterten Länderberichten beruhen. Die Länderberichte stammen aus verschiedenen Quellen, sind ausgewogen und geben ein abgerundetes Bild über die derzeit in der Mongolei bestehende Lage, insbesondere die Haftbedingungen. Ihre Übereinstimmung mit den tatsächlichen Gegebenheiten ist nicht in Zweifel zu ziehen. Auch der Beschwerdeführer gab in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll, dass diese Länderberichte der Realität in der Mongolei entsprechen. Zum Gutachten erklärte der BF in der Verhandlung am 17.09.2008, dass es mit dem identisch ist, was er selbst in der Mongolei über die Gesetzeslage gelesen bzw. gewusst habe.

 

4. Rechtliche Beurteilung

 

4.1. Gemäß § 75 Abs. 7 Z 1 Asylgesetz 2005 idF Art. 2 BG BGBl. I 4/2008 sind Verfahren, die am 1. Juli 2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängig sind, vom Asylgerichtshof weiterzuführen; Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter zu führen.

 

Da im vorliegenden Verfahren bereits vor dem 1. Juli 2008 eine mündliche Verhandlung vor dem nunmehr zuständigen Richter stattgefunden hat, ist von einer Einzelrichterzuständigkeit auszugehen.

 

Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008) sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt."

 

4.2. Zur Nichtgewährung von Asyl gem. § 3 AsylG 2005:

 

4.2.1. Gem. § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht. Der Antrag auf internationalen Schutz ist gem. Abs. 3 leg. cit. bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

 

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

 

2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

 

4.2.2. Im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vom 28.07.1951, BGBL. Nr. 55/1955, iVm Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31.01.1967, BGBl. Nr. 78/1974, ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und sich nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

4.2.3. Zentraler Aspekt des aus Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention übernommenen Flüchtlingsbegriffes ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Zu fragen ist daher nicht danach, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen.

 

4.2.4. Eine asylrelevante Verfolgung kann im Lichte der Genfer Flüchtlingskonvention und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes weiters nur dann angenommen werden, wenn die Verfolgungshandlungen entweder vom Verfolgerstaat ausgehen oder ihm diese infolge Billigung der Verfolgungshandlungen Dritter zuzurechnen ist (vgl. hiezu etwa VwGH 30.06.2005, Zahl 2002/20/0205), was im letzteren Fall dann Relevanz zeitigen könnte, wenn die staatlichen Behörden nicht schutzwillig oder schutzfähig gegenüber solchen - aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen erfolgenden - Angriffen Dritter sind. An der Schutzwilligkeit würde es dann fehlen, wenn der Staat nicht gewillt ist, von Privatpersonen ausgehende Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, sofern diesen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - Asylrelevanz zukommen sollte (vgl. hiezu etwa VwGH 23.07.1999, Zahl 99/20/0208; VwGH 21.09.2000, Zahl 2000/20/0226). An der Schutzfähigkeit würde es dann mangeln, wenn die von dritter Seite ausgehende Verfolgung von staatlichen Stellen in Folge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (vgl. hiezu etwa VwGH 07.07.1999, Zahl 98/18/0037; VwGH 06.10.1999, Zahl 98/01/0311; VwGH 22.03.2000, Zahl 99/01/0256).

 

4.2.5. Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist gem. § 11 Abs. 1 AsylG der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind. Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist gem. Abs. 2 leg. cit. auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen.

 

4.2.6. Im gegenständlichen Fall wurde der BF nach den getroffenen Feststellungen festgenommen, weil er von einer Privatperson beschuldigt wurde, einen Taxigast ausgeraubt und verletzt zu haben. Nach Hinterlegung einer "Kaution", d.h. Übergabe seines Fahrzeugs an die Ermittlungsbehörden wurde er befristet aus der Haft entlassen und ist geflüchtet. Im Falle der Rückkehr droht ihm die Verhaftung, eine Verurteilung und weitere Anhaltung in Haft. Hinweise darauf, dass der BF aus rassistischen, religiösen, nationalistischen oder politischen Gründen bzw. wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt wird, haben sich im Ermittlungsverfahren nicht ergeben. Es mangelt daher im vorliegenden Fall am notwendigen Kausalzusammenhang mit einem Konventionsgrund. Strafrechtliche Verfolgungsmaßnahmen sind nur dann asylrelevant, wenn gegen den Betroffenen aus den genannten Gründen vorgegangen wird oder eine strengere Strafe aus diesen Gründen droht (vgl. Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005, 101). Der vorliegende Sachverhalt lässt aber keinen Schluss zu, dass die Verfolgung des BF auf anderen Gründen als der gewöhnlichen Strafverfolgung wegen der Begehung eines strafbaren Deliktes beruht. Auch wenn ihn eine unangemessen hohe Strafe erwarten würde, liegt noch kein Konventionsgrund vor, da jegliche Anhaltspunkte für das Vorliegen eines in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Motivs fehlen.

 

Es liegt daher dieses - für eine Asylgewährung erforderliche - Tatbestandselement eines Konventionsgrundes nicht vor. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war somit abzuweisen.

 

4.3. Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung:

 

4.3.1. Gem. § 8 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Abs. 2 leg cit, bestimmt, dass die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden ist.

 

4.3.2. Zur Auslegung des § 8 AsylG 2005 ist aus Sicht des Asylgerichtshofs weiterhin die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu § 37 Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, und § 57 Fremdengesetz, BGBl I Nr. 126/2002. heranzuziehen.

 

4.3.3. Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH 99/20/0573 v. 19.2.2004 mwN auf die Judikatur des EGMR).

 

4.3.4. Laut den getroffenen Feststellungen ist der BF in seinem Herkunftsstaat Mongolei - mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit - von Festnahme und Inhaftierung bedroht. Es besteht aufgrund des ihm unterstellten Delikts (absichtliche Körperverletzung) die Androhung einer Haftstrafe von mehreren Jahren (gem. § 96.2.1 des mongolischen Strafgesetzbuches: 7 bis 10 Jahre).

 

In einem derartigen Fall sind die zu erwartenden Haftbedingungen ins Kalkül zu ziehen, zumal unmenschliche oder erniedrigende Haftbedingungen gegen Art. 3 EMRK verstoßen können (vgl. Putzer/Rohrböck, Leitfaden Asylrecht, Rz 188).

 

Laut den getroffenen Feststellungen gelten in der Mongolei die Haftbedingungen in Polizeistationen und Gefängnissen heute als grausam und unmenschlich. Die Zellen sind überbelegt und der Zugang zur medizinischen Versorgung und zu sanitären Einrichtungen unzureichend. In den Haftanstalten existieren Folter und Misshandlungen. Unter den derzeitigen Bedingungen könnte in der Mongolei eine Gefängnisstrafe schwere gesundheitliche Schäden mit sich bringen, wobei auch eine reale Todesgefahr nicht ausgeschlossen werden kann.

 

Aus diesen Gründen würde die Rückverbringung des BF in seinen Herkunftsstaat eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen (bzw. besteht ein reales Risiko hierfür) und ist daher unzulässig.

 

Der Beschwerde (Berufung) gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides war somit Folge zu geben. Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF in die Mongolei ist nicht zulässig.

 

4.4. Vorläufige Aufenthaltsberechtigung:

 

4.4.1. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, von der zuerkennenden Behörde gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesasylamt verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

 

4.4.2. Da dem BF vom Asylgerichtshof der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, war von diesem gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung in dem im Spruchpunkt III. ausgesprochenen Umfang zu erteilen.

Schlagworte
befristete Aufenthaltsberechtigung, Folter, Haft, mangelnde Asylrelevanz, Misshandlung, strafrechtliche Verfolgung, Straftatbestand, subsidiärer Schutz
Zuletzt aktualisiert am
29.01.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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