TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/08 C2 224701-0/2008

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Veröffentlicht am 08.10.2008
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Spruch

C2 224701-0/2008/29E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Marth als Einzelrichter über die Beschwerde der L.J., geb. 00.00.1979, StA. China, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.10.2001, FZ. 01 21.857-BAS, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.06.2008 zu Recht erkannt:

 

Die Berufung von L.J. vom 25.10.2001 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.10.2001, FZ. 01 21.857-BAS, wird gemäß §§ 7 und 8 Abs. 1 AsylG abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I.

 

I.1. Verfahrensgang

 

Die nunmehr berufende Partei hat am 19.9.2001 einen Asylantrag gestellt.

 

Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens wurde der unter i. bezeichnete Asylantrag der berufenden Partei mit im Spruch bezeichneten Bescheid vom 16.10.2001, erlassen am 18.10.2001, abgewiesen. Unter einem wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der berufenden Partei in die VR China zulässig sei. Zur Begründung wird auf jenen Bescheid verwiesen.

 

Mit am 25.10.2004 zur Post gegebener Berufung wurde gegen den im Spruch bezeichneten Bescheid berufen. Zur Begründung wird auf den Verwaltungsakt verwiesen.

 

Vom entscheidenden Richter des Asylgerichtshofes wurde - noch als Mitglied des Unabhängigen Bundesasylsenates - am 21.8.2007, am 17.12.2007 und am 5.6.2008 jeweils eine mündliche Verhandlung unter Beiziehung eines Dolmetschers bzw. einer Dolmetscherin und - von der ersten Verhandlung abgesehen - eines Sachverständigen abgehalten. Dieser, ein Sinologe, der in Wien, Peking und Nanking studiert hatte, wissenschaftlicher Projektleiter am Ostasieninstitut der Österreichischen Akademie der Wissenschaften war, seit 2002 als nicht-amtlicher Chinasachverständiger in Asylangelegenheiten tätig ist und sich immer wieder regelmäßig in China aufhält, hatte in einem Gutachten dargetan, dass sich zwar die Fluchtgeschichte der Berufungswerberin einer investigativen Erfassung durch Personen, die nicht dem Sicherheits- oder Geheimdienst angehören, entziehe, aber das Vorbringen der Berufungswerberin einen Mangel an innerer Kohärenz hätte. Dies folgt aus den nunmehr darzustellenden Gründen.

 

Zwingend musste der Freund der Berufungswerberin Mitarbeiter eines auf lokaler Ebene operierenden Sicherheitsdienstes sein, der die etwaige Verwicklung lokaler Behörden in Korruptionsfälle untersuchen sollte. Allerdings sei diese Annahme nicht mit der Fluchtgeschichte der Berufungswerberin in Einklang zu bringen, da in China derartige höchst riskante Explorationen immer von Kollegialverbänden in variierender zahlenmäßiger Zusammensetzung durchgeführt werden würde, auch wenn diese nicht immer als Kollektiv in Erfahrung treten würden; die Mitarbeiter des Kollektivs würden sich wechselseitig kontrollieren. Dies wisse der Sachverständige aus einem in Hongkong geführten Gespräch mit einem ehemaligen Geheimdienstmitarbeiter. Daher sei der offensichtlich völlig unbeaufsichtigt agierenden Freund der Berufungswerberin, der sich in eine Beziehung mit einer Frau verstrickt und schließlich von Sympathien zu den Kriminellen übermannt wird, mit der historischen Realität nicht in Einklang zu bringen.

 

Weiters wäre es vollkommen ausgeschlossen, dass ein mit einem derart heiklen Auftrag beauftragter Sonderermittler seine Geliebte zu Treffen mit den Bespitzelungsopfern mitnehmen würde, da dies diametral entgegen den unbedingt notwendigen Mindeststandards hinsichtlich Geheimhaltung und Verschwiegenheit solcher Einsätze gehen würde.

 

Auch nicht der historischen Realität in China würde es entsprechen, dass Mitarbeiter eines auf Lokalebene operierenden Sicherheitsdienstes nach Belieben ins westliche Ausland (Japan) reisen könnten, da es für die übergeordnete Dienststelle keinen Grund gegeben hätte, einen mit Innenrevision betrauten Beamten derart weitreichende Ausreisebefugnisse zu geben, schon gar nicht, wenn man das extrem jugendliche Alter des Mannes ins Kalkül zieht.

 

Weiters sei die Person des Freundes, von dem die Berufungswerberin nur einen Rufnamen wisse, nicht überprüfbar, was darauf hindeutet, dass es sich um eine Kunstfigur handle.

 

Auch sei nicht nachvollziehbar, warum die Kriminellen die Freundin eines Polizisten, der auf ihre Seite gewechselt habe, verfolgen sollten bzw. warum sie dies nicht nach dem Verschwinden des Polizisten getan hätten, da die Berufungswerberin nach ihren Angaben noch zwei Monate bei ihren Eltern gelebt hätte.

 

Auch für die Sicherheitsbehörden gelte, dass diese die Berufungswerberin, so sie dieser hätten habhaft werden wollen, in den zwei Monaten, die sie vor ihrer Flucht noch zu Hause gelebt hätte, hätten festnehmen können. Entweder hätten sie an der Berufungswerberin kein Interesse gehabt oder - das Vorbringen zum allein agierenden Sonderermittler unterstellend - nichts von der Berufungswerberin gewusst.

 

Zum illegalen Schwangerschaftsabbruch vermerkte der Gutachter, dass dieser in der geschilderten Art und Weise nicht nachvollziehbar sei. Dies unter Bedachtnahme auf die rechtliche und tatsächliche Situation in China, wo insbesondere nicht genehmigte Schwangerschaften von ledigen Müttern dazu führen würden, dass diese von der Behörde - wenn diese Kenntnis erhalten würde - unter massiven Druck gesetzt werden würde, das Kind abtreiben zu lassen. Daher hätte sich das Interesse der Berufungswerberin - die das Kind nicht behalten hätte wollen - mit dem der Behörde gedeckt, sodass es keinen Grund gegeben hätte, nicht das Angebot der staatlichen Spitäler, die Schwangerschaft unterbrechen zu lassen, anzunehmen. Das Argument, dies sei nicht möglich gewesen, da die Berufungswerberin nicht gewollt hätte, dass die Öffentlichkeit von ihrem Fehltritt erfahren würde, sei nicht relevant, da die Berufungswerberin aus den traditionellen Verhaltensmustern, schon alleine durch die Beziehung zu ihrem damaligen Freund, ausgebrochen sei und allfälligen Ächtungsversuchen seitens der Familie mit Indifferenz gegenüber gestanden sei. Es wäre ihr auch offen gestanden, mit der lokalen Geburtenplanungsbehörde ein spezielles Arrangement zu treffen, der die Abtreibung außerhalb ihrer Gemeinde möglich gemacht hätte. Es sei jedenfalls festzustellen, dass der genannte Betrag, den die Berufungswerberin für die Abtreibung bezahlt haben will, jedenfalls nicht realistisch, da 2001 Privatkliniken immens teuer und für "Normalverbraucher" unerschwinglich waren; wenn der Eingriff illegal durchgeführt worden wäre, wäre dies auf Grund des immensen Risikos sicherlich auch teurer gewesen. Auch sei nicht nachvollziehbar, wie die angeblich behütete Berufungswerberin auf die Idee gekommen sei, eine Privatklinik zu wählen, anstatt das in China einzig naheliegende zu tun und sich an ein staatliches Spital zu wenden, da sie niemals etwas anderes kennengelernt hatte als den klassischen staatsmonopolistischen Versorgungssozialismus.

 

Auch die im Jahre 2001 durchgeführte Ferienreise sei im Hinblick auf die geschilderten Rahmenbedingungen nicht nachvollziehbar, wenn auch theoretisch möglich. Die Kosten der Reise müssten sich 2001 auf einige tausend RMB belaufen haben, die die Berufungswerberin, die damals erst knapp über 20 Jahre alt war, ihre mäßig bezahlte Stellung gerade aufgegeben hatte und auf Grund des Verhältnisses zu ihren Eltern kaum Unterstützung erfahren haben dürfte, zumal solche Reisen als extravagant angesehen worden wären, wohl nicht hätte leisten können, zumal es sich der Schilderung der Berufungswerberin offenbar um eine Einzel- und keine Gruppenreise gehandelt hatte. Eine solche wäre gegenüber dem chronisch mit größter Zurückhaltung agierenden Passamt wohl nicht erklärbar gewesen, zumal die jugendliche Privatreisende keine familiäre Basis in Malaysia hatte.

 

Weiters führte der Sachverständige aus, dass die Berufungswerberin, die ja nach ihrem subjektiven Wissen bis zum Schwangerschaftsabbruch Umgang mit einem Kriminellen gepflegt hatte, wohl keine Probleme mit der von ihr angedeuteten sozialen Ächtung für den Fall des Bekanntwerdens des Schwangerschaftsabbruchs hätte.

 

Zur befürchteten Verfolgung durch die Schlepper wegen des offenen Schlepperlohns sei einerseits darauf hinzuweisen, dass die vereinbarte Leistung nicht erbracht worden sei und die Schlepper auch in Österreich auf die Berufungswerberin greifen könnten.

 

Hinsichtlich der Ausführungen des Sachverständigen zum Sohn der Berufungswerberin ist auf dessen Bescheid zu verweisen.

 

Zum Gutachten des Sachverständigen führte mit Schriftsatz vom 19.6.2008 die berufende Partei lediglich aus, dass nach einem Gespräch mit der Berufungswerberin in lockerer Atmosphäre die Geschehnisse in China besprochen wurden, während vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat eine angespannte Verhandlungs- und Gerichtsatmosphäre herrschen würde, was durch die Befragung durch den Sachverständigen noch weiter die freie Erzählung der Berufungswerberin beeinträchtigt hätte. Auch sei die Beauftragung des Sachverständigen verfehlt gewesen, der Sachverständige sei "aus der Ferne" nicht in der Lage ihre wahrheitsgemäß vorgetragene Geschichte zu überprüfen. Weiters wurde eine weitere Frist beantragt, um das Beratungsgespräch zu protokollieren und dem erkennenden Richter zur Verfügung stellen zu können und eine abschließende Stellungnahme zu den Ermittlungsergebnissen abgeben zu können. Auch eine weitere mündliche Berufungsverhandlung ohne Beiziehung des Sachverständigen wurde beantragt. Das Gutachten würde einer wissenschaftlichen Prüfung nicht standhalten, auch verfüge der Sachverständige nicht über das Fakten- und Sachwissen in Bezug auf alle geschilderten Vorbringen der Berufungswerberin und das Vorbringen der Berufungswerberin ließe sich auf diese Art nicht überprüfen. Daher sei der Sachverständige abzulehnen.

 

Die in der unter v. bezeichneten Stellungnahme beantragte weitere Frist verstrich ungenützt.

 

Im Verfahren vor dem Asylgerichtshof wurden folgende Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des Berufungswerbers in das Verfahren als Beweismittel eingeführt:

 

European Commision, Conclusions of the China workshop in Brussels, 2006

 

Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage, in der Volksrepublik China, Oktober 2006

 

Human Rights Watch, China, Jänner 2007

 

Country Reports on Human Rights Practices, China, 2006

 

Amnesty International, China, 2007

 

Home Office, China, Juli 2007

 

Home Office, China, August 2007

 

Freedom House, China, 2007

 

Economic and Social Council, Mission to China, März 2006

 

Weiters wurden im Verfahren vor dem Bundesasylamt bzw. vor dem Asylgerichtshof folgende Beweismittel vorgelegt oder von Amts wegen beigeschafft:

 

Eine Geburtsurkunde des Sohnes der Berufungswerberin;

 

Kurzbriefe der Landesklinik für innere Medizin III über den Gesundheitszustand der Berufungswerberin vom 9.8.2002, 19.8.2002, 9.9.2002 und 12.11.2002;

 

CT-Befunde der oben genannten Klinik vom 30.9.2002, 2.12.2002, 13.3.2003, 27.5.2003, 6.7.2004, 11.7.2005, 23.1.2006, 17.7.2006 und 15.1.2007;

 

CT-Befund des LKH vom 3.12.2007;

 

NUK-Befund PET vom 12.12.2002;

 

Ein Versicherungsdatenauszug der ASVG bzgl. der Versicherungszeiten der Berufungswerberin;

 

Ein Schreiben der Berufungswerberin zum Wahrheitsgehalt ihrer Aussagen vor den Asylbehörden;

 

Ein psychiatrisch-neurologisches Gutachten des Dr. P. vom 7.12.2007 und

 

Ein länderkundliches Gutachten des Dr. R. vom 7.4.2008.

 

I.2. Feststellungen und Beweiswürdigung

 

Die nachfolgenden Feststellungen gründen sich auf die oben erwähnten Beweismittel und auf den gesamten erstinstanzlichen Verwaltungsakt sowie auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof.

 

Die berufende Partei ist volljährig und chinesische Staatsangehörige.

 

Die Berufungswerberin hat während des gesamten Verfahrens zum Geburtsdatum gleiche Angaben gemacht. Weiters ist der Berufungswerberin in den festgestellten Angaben zu glauben, weil sie durch falsche Angaben keinen Vorteil hätte und im Verfahren nichts hervorgekommen ist, was gegen diese Annahme spricht. Auf das Alter der Berufungswerberin lässt zudem der in der mündlichen Verhandlung vorgenommene Augenschein schließen. Die Staatsangehörigkeit der Berufungswerberin steht auf Grund ihrer Angaben, ihrer Sprachkenntnisse und ihrem Wissen über ihren Herkunftsstaat fest.

 

Im Herkunftsstaat kommt es zu keiner systematischen Verfolgung von Gruppen, denen die Berufungswerberin angehört.

 

Dies ergibt sich aus den oben angeführten Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat der berufenden Partei. Insoweit die Berufungswerberin angegeben hat einer Gruppe anzugehören, die im Herkunftsstaat verfolgt wird oder werden soll, siehe iii. und iv.

 

Zwar sind die Länderquellen aus dem Verfahren vor dem Bundesasylamt bereits nicht mehr aktuell, es ist jedoch weder amtsbekannt noch von der Berufungswerberin vorgebracht worden, dass es in China zu einer Gruppenverfolgung von Menschen kommt, die einer Gruppe angehören, der auch die Berufungswerberin - die der Volksgruppe der Chinesen angehört - angehört, kommen würde.

 

Die berufende Partei hat eine Verfolgung durch staatliche Organe oder Privatpersonen nicht glaubhaft gemacht.

 

Vorauszuschicken ist, dass die Berufungswerberin den Vater ihres Kindes erst in Österreich kennengelernt hat und deren Fluchtgeschichten keinen Zusammenhang haben.

 

Die Berufungswerberin hatte - wiewohl sie noch vor der Polizei angegeben hatte, im Herkunftsstaat nicht verfolgt zu werden - zusammengefasst angegeben, dass sie in China einen Freund gehabt hätte, den sie anfangs für einen Kaufmann gehalten habe, der aber - wie sich in weiterer Folge herausgestellt hätte - Polizist bzw. Geheimagent gewesen sei. Dieser hätte "undercover" gearbeitet und sich in eine kriminelle Verbindung eingeschlichen. Als die Behörde aber verlangt hatte, dass er die Kriminellen ausliefere, hätte sich der Mann, der inzwischen Sympathien für diese Menschen entwickelt hatte, geweigert. Da er aber viel über diese Kriminellen wisse und die Behörde angenommen hätte, dass die Berufungswerberin über eine Liste dieser Kriminellen verfügen würde, sowie die Beziehung der Berufungswerberin zu dem ehemaligen Beamten sowohl den Kriminellen als auch der Behörde bekannt sei, fürchte sie Verfolgung von beiden Gruppen, auch durch korrupte Beamte, die sich vor ihrer und der Aussage ihres (ehemaligen) Freundes fürchten. Auch befürchte sie, dass ihre Familie wegen ihrer Beziehung zu diesem Mann ihr Gesicht in der Gesellschaft verlieren würde, weil die Berufungswerberin diese gegen den Willen und ohne das Wissen ihrer Eltern aufrecht erhalten habe.

 

Weiters fürchte sie eine Bestrafung wegen der illegalen Ausreise aus China und sie fürchte eine Verfolgung durch die Schlepper, da ein Teil des Schlepperlohns noch offen sei.

 

Allerdings hat die Berufungswerberin nicht vermocht, diese Fluchtgeschichte glaubhaft zu machen, da diese teilweise in sich widersprüchlich und vor allem auch widersprüchlich zur historischen, realen Situation in China war.

 

Auch wenn es scheint, dass die folgenden Widersprüche nur Details betreffen, so sind es gerade diese Details, die der Lebenserfahrung nach eine Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Vorbringens ermöglichen. Der erkennenden Richter verkennt nicht, dass es sein kann, dass Details vergessen werden; allerdings ist es bei der Beurteilung eines Vorbringens relevant, wenn sich Details ändern; insbesondere wenn Details zu Beginn des Verfahrens vorgebracht worden in weiterer Folge abgeändert werden. Wird ein Detail vergessen, so ist dies - wenn es sich nicht um Ereignisse handelt, die sehr intensiv erlebt wurden - nachvollziehbar; die Abänderung eines Details in der Fluchtgeschichte hingegen spricht für die Unglaubwürdigkeit, da die berufende Partei nicht bedrängt wurde, Details zu schildern, sondern dies aus eigenem gemacht hat und jederzeit die Möglichkeit hatte, anzugeben, dass sie sich an ein bestimmtes Detail nicht mehr erinnert.

 

Auch zu berücksichtigen ist, dass die Berufungswerberin laut dem Gutachten des Dr. P. aus psychiatrischer Sicht im Wesentlichen unauffällig ist und keine medizinischen Gründe fassbar wären, die diese außer Lage setzen würden, erlebte Sachverhalte wahrheitsgemäß darzulegen.

 

Bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit nicht berücksichtigt wurde die Abweichung im Namen des angeblichen Freundes, da dieser auf Übersetzungsfehler beruhen könnte.

 

So hat die berufende Partei vor dem Bundesasylamt angegeben, dass sie nach ihrer Flucht von ihrem damaligen Freund, der ebenfalls geflüchtet war, aus M. angerufen worden sei, während sie vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat angegeben hatte, dass dieser sie aus Japan angerufen hatte. Die Rechtfertigung der Berufungswerberin führte zu einem weiteren Widerspruch, da sie dann angab, dass sie mit einem in M. befindlichen Freund ihres Freundes gesprochen hatte und den Anruf des Freundes aus Japan nie erwähnt hatte.

 

Weiters hatte die Berufungswerberin vor dem Bundesasylamt angegeben, dass sie, während sie in Salzburg in Schubhaft war, mit einem Freund ihres Freundes gesprochen hat, während sie vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat angab, mit dem Freund selbst gesprochen zu haben. Die Begründung, ihren Freund nicht gefährden zu wollen, überzeugt nicht, da die Gefährdung durch die Aussage bzw. die subjektive Befürchtung einer Gefährdung nicht nachvollzogen werden kann.

 

Auch hatte die Berufungswerberin vor dem Bundesasylamt angegeben, dass sowohl die Kriminellen wie auch die Behörde Interesse an einer Namensliste hätten, die zwar real nicht existieren würde, aber die man bei der Berufungswerberin vermuten würde, während sie vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat angegeben hatte, dass es sich um ein Dokument handeln solle, dass die Zusammenarbeit zwischen staatlichen Stellen und Kriminellen beweisen würde. Auch wenn die Berufungswerberin auf Vorhalt des Widerspruchs versucht hatte, diesen dadurch zu beseitigen, dass sie vorgab, dem Dokument nur verschiedene Namen gegeben zu haben, so erscheint diese Verantwortung dem erkennenden Richter - wenn der Widerspruch für sich alleine auch nicht ausgereicht hätte, das Vorbringen als unglaubwürdig zu qualifizieren - doch nicht schlüssig, da davon auszugehen ist, dass die Berufungswerberin - so sie ihr Vorbringen wirklich erlebt hätte - sich auch nach ihrer Flucht mit diesen Vorfällen regelmäßig beschäftigt hätte, um diese aufzuarbeiten. Die Lebenserfahrung zeigt allerdings, dass man dann einen relevanten Umstand oder ein solches Objekt immer gleich bezeichnet, wenn nicht von außen neue Informationen dazukommen, die es notwendig machen, das Erlebte im neuen Licht zu betrachten und gegebenenfalls anders zu sehen; dies war aber diesfalls auch der Verantwortung der Berufungswerberin folgend nicht der Fall.

 

Auch ist zu berücksichtigen, dass die Berufungswerberin ihr Vorbringen gesteigert hat; so hat sie den Schwangerschaftsabbruch erst in einer Stellungnahme nach einer bereits erfolgten Einvernahme vor dem erkennenden Richter erwähnt; dies alleine wäre im Hinblick auf den höchst persönlichen und der Berufungswerberin gegebenenfalls unangenehmen Vorfall nicht entscheidungsrelevant und war auch hier beweiswürdigend für sich alleine unbeachtlich; der Umstand fügt sich jedoch in einer Gesamtbetrachtung ins Bild und ist jedenfalls nicht in der Lage, die Glaubwürdigkeit der Berufungswerberin zu steigern.

 

Zwar ist der Berufungswerberin insoweit zuzustimmen, als das Gutachten des Sachverständigen in einigen Punkten nicht zu verwerten war, da es sich anmaßt, beweiswürdigend zu sein.

 

Allerdings bleiben folgende Punkte - hinsichtlich derer die berufende Partei nicht Stellung genommen hat - zu beachten:

 

Einerseits ist dem Gutachter auf Grund seiner Erfahrung und Ausbildung zuzubilligen, dass er die allgemeine tatsächliche Situation in China einschätzen kann, andererseits ist - auf Grund der Wahrheitspflicht als Gutachter - nicht davon auszugehen, dass der Gutachter wissentlich die Unwahrheit angibt.

 

So bleiben seine Ausführungen zur nicht mit der historischen Realität in Einklang zu bringenden Figur des A. relevant; auch in Österreich würde man einen "undercover"-Polizisten nicht alleine ermitteln lassen, sondern - das zeigt die Lebenserfahrung und das Spezialwissen des erkennenden Richters, der über polizeiliche Erfahrung als Exekutivorgan und Polizeijurist verfügt - diesen jedenfalls durch einen Führungsbeamten anleiten und mit einem Partner versehen, schon alleine um der Eigensicherung zu genügen und ein Abgleiten des Beamten nach Möglichkeit zu verhindern. Dass dies in China umso mehr der Fall ist, da dieses Land einerseits autoritär geführt wird und andererseits ein erhebliches Korruptionsproblem hat, ist augenscheinlich. Auch den Angaben des Sachverständigen, über dieses Thema mit einem ehemaligen chinesischen Sicherheitsorgan gesprochen zu haben, ist zu folgen, da dieser keinen Grund für eine Falschaussage hätte sondern viel mehr deren Folgen fürchten müsste.

 

Weiters ist es dem Sachverständigen zuzubilligen, zu beurteilen, ob A. im historischen Kontext eine Ausreisebewilligung hätte erhalten können oder nicht; auch decken sich die Angaben des Sachverständigen hier mit der auf dem Amtswissen beruhenden Einschätzung des erkennenden Richters.

 

Ebenso ist die Darstellung des Sachverständigen zum Schwangerschaftsabbruch nachvollziehbar, sodass der erkennende Richter bei der Beurteilung des Vorbringens der Berufungswerberin zum gleichen Ergebnis wie der Sachverständige kommt, nämlich, dass deren Verhalten beim Schwangerschaftsabbruch nicht mit der geschilderten Situation in Einklang zu bringen ist; allerdings ist anzumerken, dass dieser Punkt für sich alleine nicht ausgereicht hätte, um das Vorbringen der Berufungswerberin als unglaubwürdig zu qualifizieren, er deutet jedoch in diese Richtung.

 

Auch hinsichtlich der Ferienreise der Berufungswerberin, die - da sie auf jener A. kennengelernt haben will - das Fundament ihrer Fluchtgeschichte darstellt, ist dem Sachverständigen insoweit zu folgen, als dieser ausführt, dass die geschilderte Reise 2001 für eine junge Frau einerseits schwierig gewesen wäre auszuführen, da sie den nötigen Reisepass kaum erhalten hätte und andererseits praktisch unerschwinglich gewesen wäre, wenn die Angaben der Berufungswerberin zu ihrer Situation gestimmt hätten.

 

Die anderen Ausführungen des Sachverständigen, insbesondere Wertungen, wurden im Rahmen der Beweiswürdigung nicht berücksichtigt.

 

In einer Gesamtbetracht ist daher davon auszugehen, dass es der Berufungswerberin auf Grund des widersprüchlichen und nicht der historischen Realität entsprechenden Vorbringens nicht möglich war, eine Verfolgung in China durch Kriminelle oder staatliche Stellen glaubhaft zu machen.

 

Aber auch die angeblich drohende Verfolgung durch die Schlepper ist unglaubhaft. Einerseits wären die Schlepper, die der Lebenserfahrung nach auch in Österreich über ein gutes Netz verfügen, in der Lage, die gemeldete Berufungswerberin genau so leicht zu finden wie in China und andererseits ist die Familie der Berufungswerberin in China offensichtlich wohlhabend; sollten die Schlepper trotz Nichterfüllung des Auftrages daher die Berufungswerberin - so sie ihren Schlepperlohn wirklich noch nicht bezahlt hat, was, da sie in Österreich offenbar keine Probleme mit den Schleppern hat - belästigen, wäre diese und ihre Familie in der Lage, den Schlepperlohn zu bezahlen. Dies ergibt sich aus den Aussagen der Berufungswerberin zu den Verhältnissen ihrer Familie, die etwa ohne Probleme in der Lage waren, eine Wohnung in M. zu kaufen.

 

Zur angeblich rechtswidrigen Ausreise ist anzuführen, dass die Berufungswerberin im Jahr 2001 nach den eigenen Angaben einen Reisepass erhalten hatte und mit diesem nach dem Stand der Länderdokumente hätte legal ausreise können (siehe etwa den oben zitieren Bericht des Auswärtigen Amtes); weiters ergibt sich, dass der Berufungswerberin, die das erste Mal rechtswidrig ausgereist sei, keine schwere Strafe erhalten würde (siehe etwa den Bericht des Home Office), dass sie Umerziehungsmaßnahmen über sich ergehen lassen müsste, lässt sich aus den Länderdokumenten auch nicht herauslesen.

 

Daher sind weder die behauptete Verfolgung durch die Schlepper noch die befürchtete Bestrafung wegen der illegalen Ausreise in der Lage eine asylrelevante oder gegen die Art. 2 und 3 EMRK widersprechende Verfolgung darzustellen.

 

Da eine andere Verfolgung nicht behauptet oder von Amts wegen hervorgekommen ist, konnte eine solche nicht glaubhaft gemacht werden.

 

Im Falle einer Verbringung der berufenden Partei in deren Herkunftsstaat droht dieser kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 und 3 EMRK.

 

Die berufende Partei ist derzeit gesund, sie hat zwar an einer Krebserkrankung im Harnleiterbereich gelitten, diese wurde aber in Österreich behandelt und derzeit finden sich laut dem Schreiben der berufenden Partei vom 6.3.2008 keine Anzeichen für das Wiederaufleben der Krebserkrankung. Daher droht ihr aufgrund einer allenfalls unzureichenden medizinischen Behandlung keine Versetzung in eine hoffnungslose bzw. unmenschliche Lage. Dies ergibt sich aus den Aussagen der berufenden Partei zu ihrem Gesundheitszustand und aus dem eingeholten Sachverständigengutachten.

 

Weiters könnte die Berufungswerberin - so der Sachverständige - nach ihrer Rückkehr ein Dienstverhältnis eingehen, dass mit einer Kranken- und Sozialversicherung verbunden sei; dass dies mit Sicherheit nicht möglich sei - wie dies in der Stellungnahme vermerkt wird - ist nach Ansicht des Sachverständigen auf Grund der herrschenden Hochkonjunktur nicht nachvollziehbar. Auch sei davon auszugehen, zumal die Familie der Berufungswerberin, die für den Kauf einer Wohnung 1 Million RMB auftreiben hätten können, über genügend wirtschaftlichen Rückhalt verfügen müssten, um sich die in China mögliche, aber teure Behandlung leisten zu können. Dass die Berufungswerberin verstoßen worden wäre, hätte diese - so der Sachverständige abschließend - nie erwähnt; viel mehr hätte sie Wochen vor der Flucht bei ihren Eltern Unterkunft genommen.

 

Die berufende Partei ist jung und gesund und wird daher im Herkunftsstaat in der Lage sein sich notfalls mit Hilfstätigkeiten ein ausreichendes - wenn auch nicht gutes - Auskommen zu sichern, und daher nicht in eine hoffnungslose Lage kommen. Darüber hinaus kann sie auf die Unterstützung der Familie, die sie bereits vor ihrer Flucht unterstützt hat, zählen. Dies alles ergibt sich aus ihren Aussagen. Im Herkunftsstaat der berufenden Partei besteht eine hinreichende Existenzsicherung für nicht selbst erhaltungsfähige Menschen. Dies ergibt sich aus den Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat der berufenden Partei.

 

Eine nicht asylrelevante Verfolgung der berufenden Partei, die das reale Risiko einer Verletzung der Rechte nach Art. 2 oder 3 EMRK darstellen würde, hat diese nicht glaubhaft gemacht (siehe hiezu iii.).

 

Es besteht kein reales Risiko, dass die berufende Partei im Herkunftsstaat einer dem 6. oder 13. Zusatzprotokoll zur EMRK widerstreitenden Behandlung unterworfen wird.

 

Auf Grund der Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat der berufenden Partei steht fest, dass es in diesem Staat die Todesstrafe gibt. Dass die berufende Partei einem bestehenden realen Risiko unterliegen würde, hat sich jedoch auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nicht ergeben und wurde von der berufenden Partei auch nicht behauptet.

 

II.

 

II.1.: Zur Berufung gegen Spruchpunkt I des im Spruch genannten Bescheides

 

Anzuwenden war das AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76 in der Fassung BGBl. I Nr. 126/2002, die §§ 8, 15, 22, 23 Abs. 3, 5 und 6, 36, 40 und 40a in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003 (im Folgenden: "AsylG 1997"), das AVG, BGBl. Nr. 51/1991 in der geltenden Fassung und das ZustG, BGBl. Nr. 200/1982 in der geltenden Fassung. Hinsichtlich des Verfahrens vor dem Asylgerichthof waren die einschlägigen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100 in der geltenden Fassung (im Folgenden: "AsylG 2005")? anzuwenden.

 

Gemäß § 9 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, soweit eine Entscheidung durch einen Einzelrichter oder Kammersenat nicht bundesgesetzlich vorgesehen ist. Gemäß § 42 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung oder Rechtsfragen, die sich in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartender Verfahren stellt, sowie gemäß § 11 Abs. 4 AsylGHG, wenn im zuständigen Senat kein Entscheidungsentwurf die Zustimmung des Senates findet durch einen Kammersenat. Gemäß § 61 Abs. 3 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide nach den §§ 4 und 5 AsylG 2005 und nach § 68 AVG durch Einzelrichter; ebenso entscheidet der Asylgerichtshof gemäß § 75 Abs. 7 Z 1 AsylG 2005 durch Einzelrichter, wenn im vor dem 1.7.2008 anhängigen Verfahren bereits vor diesem Zeitpunkt eine Verhandlung vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat stattgefunden hatte; dies ist im vorliegenden Verfahren der Fall, sodass der erkennende Richter als Einzelrichter zur Entscheidung zuständig war.

 

Gemäß § 7 AsylG 1997 hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (in Folge: GFK), droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Die berufende Partei konnte keine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende Verfolgung glaubhaft machen. Eine solche ist auch nicht im Rahmen des Ermittlungsverfahrens hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt.

 

Daher war die Berufung gegen Spruchpunkt I des im Spruch bezeichneten Bescheides abzuweisen.

 

II.2.: Zur Berufung gegen Spruchpunkt II des im Spruch genannten Bescheides

 

Zur Anwendbarkeit der relevanten Rechtsvorschriften und zur Zuständigkeit des entscheidenden Senates siehe oben II.1. i. und ii..

 

Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist und diese Entscheidung mit der Abweisung des Asylantrags zu verbinden. Die Prüfung ist - im Falle der Abweisung des Asylantrags - von Amts wegen vorzunehmen.

 

Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde die berufende Partei nicht in ihren Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder den relevanten Zusatzprotokollen verletzt werden. Weder droht ihr im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substantiell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten Rechte nach der EMRK. Eine solche Gefahr hat die berufende Partei weder glaubhaft gemacht noch ist diese von Amts wegen hervorgekommen oder der Behörde bekannt. Selbiges gilt für die reale Gefahr der Todesstrafe unterworfen zu werden.

 

Daher war die Berufung gegen Spruchpunkt II des im Spruch bezeichneten Bescheides abzuweisen.

 

II.3. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
gesteigertes Vorbringen, Glaubwürdigkeit, Lebensgrundlage, non refoulement
Zuletzt aktualisiert am
06.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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