TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/08 S10 401719-1/2008

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Veröffentlicht am 08.10.2008
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Spruch

S10 401.719-1/2008/2E ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. ROSENAUER als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn G.M. alias H.M., geb. ungeklärt, StA. Somalia, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.09.2008, Zahl: 08 05.283-EAST Ost, zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird gemäß § 41 Abs. 3 AsylG 2005 stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

1. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und stellen sich im Wesentlichen wie folgt dar:

 

1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF) ist Staatsangehöriger von Somalia, gehört der Volksgruppe der Ashraf an und ist Moslem. Er hat am 17.06.2008 beim Bundesasylamt einen Antrag auf internationalen Schutz eingebracht. Im Zuge der niederschriftlichen Befragung vor einem Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes der PI Traiskirchen EAST Ost am 18.06.2008 gab er im Wesentlichen Folgendes an:

 

Er sei am 16.06.2008 mit einem Flugzeug vom Flughafen Aaden Adde in Mogadisho abgeflogen und am 17.06.2008 illegal mit einem gefälschten Reisepass direkt nach Österreich eingereist. Er sei im Reisepass des Schleppers als Kind eingetragen gewesen, der Reisepass befinde sich beim Schlepper. Den Schlepper und dessen Bezahlung habe seine Mutter organisiert.

 

Als Fluchtgrund gab er an, dass er aufgrund seiner Stammeszugehörigkeit Angst gehabt hätte, in Somalia getötet zu werden. Er sei von Islamisten aufgefordert worden, am Jihad teilzunehmen und sei wegen seiner Weigerung mit dem Umbringen bedroht worden. Ihm seien auch vom Stamm der Abgaal mehrere Verletzungen zugefügt worden.

 

Auf Vorhalt zweier EURODAC-Treffer in Italien und in Schweden im Jahr 2007 gab er an, er sei von Juni 2007 bis September 2007 in Italien gewesen. Dort habe er um Asyl angesucht. Seinem Asylantrag sei stattgegeben worden und er hätte einen Aufenthaltstitel erhalten. Mit diesem sei er legal am 24.09.2007 nach Schweden gereist. Auch in Schweden hätte er um Asyl angesucht. Am 12.06.2008 sei er von Schweden nach Italien abgeschoben worden und am 16.06.2008 von Florenz mit dem Zug direkt nach Wien gefahren. Nach seiner Rückkehr von Schweden nach Italien hätten ihm die Behörden gesagt, dass aufgrund seiner Ausreise aus Italien sein Asylverfahren negativ sei. In Italien habe er sich als M.H. ausgegeben und angegeben, dass er 22 Jahre alt sei. Jetzt habe er die Wahrheit gesagt, dass er 17 Jahre alt sei. Damals hätte er nicht gewusst, was er sagen sollte, die Behörden in Italien hätten ihn vor dem Ertrinken gerettet. In Italien könne man nicht überleben. Es gäbe keine Unterbringung, kein Essen, kein Geld und keine medizinische Versorgung.

 

Zur Reiseroute gab er nunmehr an, dass er mit einem LKW über Äthiopien und Sudan nach Libyen gefahren sei, wo er mit einem Boot nach Italien gefahren sei. Es hätte sich um ein sehr kleines Boot gehandelt, ca. 5 Meter lang. Auf dem Schiff hätten sich 26 Personen befunden, die Fahrt hätte 4 Tage gedauert. Während der Fahrt wäre das Schiff kaputt gegangen und die italienische Polizei hätte sie gerettet.

 

1.2. Ein AFIS-Abgleich ergab, dass der BF bereits am 02.07.2007 in Italien und am 19.12.2007 in Schweden erkennungsdienstlich behandelt worden war. Da die erstinstanzliche Behörde ein Vorgehen nach § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG 2005 (in der Folge AsylG) beabsichtigte, wurde dem BF mit Schriftstück vom 20.06.2008, vom BF übernommen am 23.06.2008, mitgeteilt, dass Konsultationen mit Schweden gemäß der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates (in der Folge Dublin II VO) geführt würden und somit die 20-Tages-Frist gemäß § 28 Abs. 2 AsylG für Verfahrenszulassungen nicht mehr gelte. Es wurde ihm eine Aktenabschrift ausgehändigt und eine Frist zur Stellungnahme eingeräumt, in der die Rechtsberatung erfolgte. Überdies wurden dem Rechtsberater die relevanten Aktenbestandteile zugänglich gemacht. Da Schweden die Wiederaufnahme mit der Begründung ablehnte, dass Italien für die Führung des Asylverfahrens zuständig sei, wurde dem BF wiederum mit Schriftstück vom 24.06.2008, vom BF übernommen am 26.06.2008, mitgeteilt, dass Konsultationen mit Italien gemäß Dublin II VO geführt würden und somit die 20-Tages-Frist gemäß § 28 Abs. 2 AsylG für Verfahrenszulassungen nicht mehr gelte. Es wurde ihm eine Aktenabschrift ausgehändigt und eine Frist zur Stellungnahme eingeräumt, in der die Rechtsberatung erfolgte. Überdies wurden dem Rechtsberater die relevanten Aktenbestandteile zugänglich gemacht.

 

1.3. Am 24.06.2008 leitete die Erstbehörde ein Konsultationsverfahren mit Italien gemäß Dublin II VO ein und ersuchte um Wiederaufnahme. Mit Erklärung vom 24.06.2008 erklärte sich Italien ausdrücklich gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. e der Dublin II VO für zuständig.

 

1.4. Zur Klärung der Frage des Alters des BF beauftragte die Erstbehörde den medizinischen Sachverständigen Dr. A. K. K. mit der Erstellung eines Gutachtens. Der Sachverständige untersuchte am 10.07.2008 den BF und kam in seinem Gutachten zusammengefasst zum Schluss, dass er das Alter des BF auf 22 bis 24 Jahre, "jedoch" deutlich über 18 Jahre einschätze. Der Sachverständige legte seinem Gutachten einen Auszug aus dem Lehrbuch "Ultraschalldiagnostik in Pädiatrie und Kinderchirurgie", Hofmann et al. bei, aus dem hervorgehe, dass Länge und Volumen der Nieren mit dem Alter der Patienten korrelierten.

 

1.5. Einer Ladung zu einer Einvernahme beim Bundesasylamt am 02.07.2008 leistete der BF nicht Folge und entschuldigte sich mit einer Bestätigung einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 19.06.2008, wonach der BF zu einem Neurologen überwiesen werde (Diagnose/Begründung: Kopfschmerzen seit Schlag auf Hinterkopf vor 1 Tag).

 

1.6. Am 24.07.2008 erfolgt eine Untersuchung des BF durch die von der Erstbehörde beauftragte Fachärztin für Psychiatrie, Dr. R. Y. ("PSY III Untersuchung"), als Sachverständige. Deren gutachtlichen Stellungnahme zufolge liegt beim BF eine belastungsabhängige krankheitswertige psychische Störung vor und stehen der Überstellung nach Italien schwere psychische Störungen entgegen, die bei einer Überstellung eine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes aus ärztlicher Sicht bewirken würden. Die Gutachterin begründet dies damit, dass der Patient sich akut suizidal beschreibe, sollte er nach Italien abgeschoben werden; er werde sich diesfalls aus einem Fenster stürzen. Unter Beschreibung der Symptome, die sich verschlechtern können, beurteilte sie die vom BF geäußerte Suizidalität sowohl aufgrund der nicht verifizierbaren Lebensgeschichte als auch in Anbetracht der erkennbaren Persönlichkeitsstruktur "unbedingt als real anzunehmen". Eine Besserungsfähigkeit liege vor, eine Überstellung sei nach begonnener Therapie in frühestens 8 bis 10 Monaten möglich.

 

1.7. Am 19.08.2008 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme zur Wahrung des Parteiengehörs unter Beisein eines Dolmetsch für die somalische Sprache und eines Rechtsberaters. Die Fragen: "Sind Sie gesund?" und "Sind Sie körperlich und geistig in der Lage, jetzt einvernommen zu werden?" beantwortete der BF mit "Ja". Dem BF wurden die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens zur Kenntnis gebracht. Zum Gutachten bezüglich seines Alters gab er an, seine Eltern hätten ihm gesagt, dass er am 00.00.1991 geboren sei und er glaube eher seinen Eltern als dem begutachtenden Arzt.

 

Im Zuge dieser Einvernahme brachte die Rechtsberaterin des BF eine schriftliche Stellungnahme ein, die zum Akt genommen wurde. In dieser Stellungnahme wird moniert, dass das Gutachten des Dr. K. nach der jüngsten Rechtssprechung des Asylgerichtshofes nicht geeignet sei, die Volljährigkeit des BF festzustellen. Der BF sei daher minderjährig. In Italien hätte "der BF lediglich einen fremdenrechtlichen Dublin Treffer, einen sogenannten 2-er Treffer". Einen Asylantrag habe der Minderjährige in Italien daher nicht gestellt, sodass Italien für ihn nicht zuständig wäre. Weiters sei der BF aufgrund des psychologischen Gutachtens vom 24.07.2008 zuzulassen. Eine Überstellung sei nach diesem Gutachten erst nach 8 bis 10 Monaten möglich.

 

1.8. Das Bundesasylamt hat mit dem verfahrensgegenständlichen angefochtenen Bescheid vom 12.09.2008, Zahl: 08 05.283-EAST Ost, den Antrag auf internationalen Schutz, ohne in die Sache einzutreten, gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass für die Prüfung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. e der Dublin II VO Italien zuständig sei. Gleichzeitig wurde der BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Italien ausgewiesen und gemäß § 10 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass die Abschiebung nach Italien zulässig sei.

 

Die Erstbehörde traf in diesem Bescheid Feststellungen zur Person des BF - bezüglich des Alters wurde festgestellt, dass der BF volljährig sei -, zur Begründung des Dublin-Tatbestandes, zum Privat- und Familienleben des BF und zur Lage im Mitgliedsstaat Italien, insbesondere zum Asylverfahren, zur Refoulementprüfung und zur allgemeinen und medizinischen Versorgung von Asylsuchenden in Italien.

 

Festgestellt wurde weiters, dass keine Umstände ermittelt werden konnten, wonach der BF in Italien systematischen Misshandlungen oder Verfolgungen ausgesetzt gewesen wäre oder diese zu erwarten hätte. Der BF hätte mit seinen Angaben keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht, dass er tatsächlich konkret Gefahr liefe, in Italien Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass ihm eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte dadurch drohen könnte.

 

Zum Einwand der Rechtsberaterin des BF bezüglich der erkennungsdienstlichen Behandlung in anderen Mitgliedstaaten wurde festgehalten, dass - wie sich aus der von Schweden eingelangten Ablehnung und der von Italien eingelangten Zustimmung ergebe - bereits vor der Überstellung des BF von Schweden nach Italien dort ein Asylverfahren betreffend den BF geführt worden wäre.

 

Beweiswürdigend wurde im Bescheid dargelegt, dass bezüglich des Alters des BF seinen Angaben kein Glauben geschenkt werde. Dies deshalb, weil er sein Alter - wie auch die Angaben zu seinem Namen - in Italien bzw. in Schweden ohne nachvollziehbare bzw. rechtfertigende Gründe anders angegeben habe, was sich nach der ständigen Judikatur des VwGH negativ auf seine Glaubwürdigkeit auswirke, und zum anderen, weil das Gutachten des medizinischen Sachverständigen schlüssig und nachvollziehbar sei und zudem der geschätzte Wert deutlich über der Volljährigkeitsgrenze liege. Auch der Augenschein durch den zuständigen Amtswalter der Erstbehörde bestätige dies.

 

Zum Gesundheitszustand des BF wurde ausgeführt, dass den aus ärztlicher Sicht getroffenen Feststellungen in der Entscheidungsfindung von der Erstbehörde gefolgt werde. Aus rechtlicher Sicht folge daraus jedoch nach der Rechtssprechung des EGMR und des VfGH zu Art. 3 EMRK nicht, dass das Selbsteintrittsrecht der Dublin II VO im vorliegenden Fall zwingend auszuüben wäre, da dies nur dann der Fall sei, wenn durch den Überstellungsvorgang eine existenzbedrohende Situation drohe. Da - wie in den Feststellungen angeführt - in Italien bei psychischen und physischen Erkrankungen die unerlässliche medizinische Versorgung gewährleistet sei und Behandlungsmöglichkeiten gegeben wären, sei nicht davon auszugehen, dass dem BF die erforderliche medizinische Versorgung (einschließlich Therapie) in Italien vorenthalten werden würde. Die Überstellung des BF nach Italien würde daher keine Verletzung seiner in Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen.

 

Die beim BF bestehende Selbstmordgefährdung bedeute auch nicht seine Transportunfähigkeit. Damit eine Beurteilung der konkreten Effektuierbarkeit durch die dafür zuständige fremdenpolizeiliche Behörde erfolgen könne, würde eine Verständigung an diese über die Selbstmordgefährdung vor der Zustellung der den BF betreffenden Entscheidung erfolgen.

 

1.9. Gegen diesen Bescheid hat der BF fristgerecht mit Schreiben vom 18.09.2008, eingelangt bei der Erstbehörde am 25.09.2008, Beschwerde erhoben und beantragt, sein Alter festzustellen, ihn zum Asylverfahren zuzulassen sowie der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

 

In der Begründung dazu werden unrichtige rechtliche Beurteilung und Verletzung von Verfahrensvorschriften moniert. Im Einzelnen wiederholt der BF im Wesentlichen sein aktuelles Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren. Das Gutachten von Dr. K. bewertet der BF als nicht schlüssig und kritisiert im Detail die Methode des Sachverständigen. Weiters bringt der BF vor, dass die Behörde zu einem Zeitpunkt, als sie ihn als aufgrund seiner Angaben als minderjährig zu betrachten hatte, keine Konsultationen mit Italien hätte einleiten dürfen. Den Feststellungen zu Italien hält der BF andere Berichte entgegen, mit denen zum Ausdruck gebracht wird, dass die asylverfahrensrelevante Situation in Italien anders sei und er im Falle einer Überstellung nach Italien die notwendige medizinische Therapie für seine psychische Krankheit nicht erhalten würde und eine mehrmonatige Anhaltung unter schlechten Haftbedingungen befürchten müsse. Darüber hinaus drohe in Italien die Gefahr einer Kettenabschiebung.

 

1.10. Die gegenständliche Beschwerde samt erstinstanzlichem Verwaltungsakt langte am 30.09.2008 beim Asylgerichtshof ein.

 

2. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Rechtlich ergibt sich daraus Folgendes:

 

2.1. Mit Datum 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG idF BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 4/2008) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 AsylG erledigter Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin II VO zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Asylbehörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist die Zurückweisung eines Antrages nach Maßgabe des § 10 Abs. 3 und Abs. 4 AsylG mit einer Ausweisung zu verbinden.

 

Die Dublin II VO ist eine Verordnung des Gemeinschaftsrechts im Anwendungsbereich der 1. Säule der Europäischen Union (vgl. Art. 63 EGV), die Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen von Drittstaatsangehörigen trifft. Sie gilt also nicht für mögliche Asylanträge von EU-Bürgern, ebensowenig ist sie auf Personen anwendbar, denen bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Das Grundprinzip ist, dass Drittstaatsangehörigen das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren in einem Mitgliedstaat zukommt, jedoch nur in einem Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Zuständigkeitskriterien ergibt.

 

2.1.1. Es ist daher zunächst zu überprüfen, welcher Mitgliedstaat nach den hierarchisch aufgebauten (Art. 5 Abs. 1 Dublin II VO) Kriterien der Art. 6-12 bzw. 14 und 15 Dublin II VO, beziehungsweise dem Auffangtatbestand des Art. 13 Dublin II VO zur inhaltlichen Prüfung zuständig ist.

 

2.1.1.1. Das aufgrund des Vorliegens der Tatbestandsmerkmale des Art. 16 Abs. 1 lit. e der Dublin II VO eingeleitete Aufnahmeersuchen an Italien erfolgte innerhalb der Frist von drei Monaten nach Einreichung des Asylantrages durch den BF (Art. 17 Abs. 1 Dublin II VO).

 

Im vorliegenden Fall ist die Frage entscheidungsrelevant, ob der BF tatsächlich volljährig ist, da andernfalls jedenfalls eine Zuständigkeit Österreichs gemäß Art. 6 Dublin II VO bestünde. Da die Erstbehörde Zweifel an der vom Beschwerdeführer behaupteten Minderjährigkeit hatte, beauftragte sie Dr. K. mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens zur Feststellung des Alters des Beschwerdeführers. Das Gutachten ist ausgesprochen kursorisch gehalten, Angaben über die spezifische Qualifikation des Gutachters und die Verlässlichkeit der von ihm verwendeten Methoden, sowie die Gewichtung der verschiedenen Methoden untereinander fehlen. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht möglich, schlüssig nachzuvollziehen, wie der Gutachter zu der von ihm festgelegten Altersbestimmung gelangen konnte.

 

Unter diesen Prämissen kann aber der Kritik in der Beschwerde hinsichtlich vermeintlicher Unschlüssigkeit des Gutachtens und Ungeeignetheit der Untersuchungsergebnisse auf Basis der Aktenlage nicht hinreichend begegnet werden. Es muss von Amts wegen Aufgabe der Erstbehörde sein, gerade in einem wissenschaftlich notorischerweise sensiblen Bereich wie jenem der "Altersfeststellung" vor Befassung eines Gutachters Erhebungen zu dessen Untersuchungsmethodik und Reputation (sofern diese nicht als notorisch anzusehen ist) zu machen.

 

An dieser Einschätzung vermag auch die Stellungnahme von Dr. K. nichts zu ändern, in der er die von ihm angewandte Methode zur Altersfeststellung mittels Ultraschalluntersuchung von Niere und Schilddrüse zu untermauern versucht. In dieser Stellungnahme wird nämlich einerseits keinerlei spezifische ausgewiesene Expertise Dris. K. zur Altersfeststellung dargelegt und andererseits bestätigt, dass für die Feststellung des Alters einer Person die Methode der Vermessung von Niere und Schilddrüse lediglich als Unterstützung des subjektiven Eindrucks der körperlichen Stigmata und der persönlichen Einschätzung dienen könne. Zudem gesteht die Stellungnahme zu, dass Überschneidungen der Messdaten aus dem Kinder- und Jugendalter und aus dem Erwachsenenalter möglich seien und eine genaue Feststellung des chronologischen Alters mit der Methode der Vermessung von Nieren- und Schilddrüsenvolumen nicht möglich seien. Dies sei nach Ansicht Dris. K. nur mittels eines Handwurzelröntgens und Bestimmung des Knochenalters möglich. Aus dem Gutachten von Dr. K. geht nun geradezu nicht hervor, inwieweit im gegenständlichen Fall in nachvollziehbar dargestellter Weise andere Methoden zwecks Feststellung des Alters konkret angewandt worden sind. Im Gutachten von Dr. K. wird somit nicht dargestellt, wie und inwiefern unter Zugrundelegung anderer Methoden Rückschlüsse auf das konkrete Alter des Beschwerdeführers gezogen werden konnten.

 

2.3. Gemäß § 41 Abs. 4 AsylG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnte angesichts des Spruchinhaltes entfallen.

 

Bei dieser Sachlage konnte auch eine Erörterung der weiteren Kritik in der Beschwerde am italienischen Asylverfahren sowie der Frage der Überstellung nach Italien entgegen dem vorliegenden psychiatrischen Gutachten, aufgrund dessen die Überstellbarkeit derzeit negativ beurteilt wird, entfallen.

Schlagworte
Gutachten, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung, Volljährigkeit
Zuletzt aktualisiert am
06.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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