A14 221.887-2/2008/7E
Erkenntnis
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Monika LASSMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde des O. alias M.C. alias D., 00.00.1982 alias 00.00.1983 alias 00.00.1979, geb., StA. von Uganda alias Nigeria, vertreten durch Verein PANACARE, 1230 Wien, Hochwassergasse 60/8/4, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.09.2008, Zahl: 08 08.002 EAST West, zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 41 Abs.3 AsylG idF BGBL I Nr.100/2005 stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Der nunmehrige Beschwerdeführer reiste im November 2000 illegal per LKW in das österreichische Bundesgebiet ein und brachte am 22.11.2000 erstmalig beim Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz ein.
Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahmen gab er an, den Namen D.M. zu führen, am 00.00.1983 in G., Uganda geboren und Staatsangehöriger von Uganda zu sein. Er sei im Feber 2000 von Angehörigen der "Lord Resistant Army" festgenommen und in ein Camp gebracht worden und hätte er gegen die Regierung kämpfen sollen. Er habe auch Leute im Nahkampf umgebracht, allerdings hätte er das nicht gewollt sondern sei er dazu gezwungen worden. Nachdem der Beschwerdeführer im Laufe der Befragung vor dem Bundesasylamt über die rechtliche Situation in Österreich aufgeklärt wurde behauptete er, persönlich nie einen Menschen getötet zu haben. Im Falle einer Rückkehr nach Uganda befürchte der Beschwerdeführer von Angehörigen dieser Gruppierung getötet zu werden.
Dieser Asylantrag wurde mit Bescheid vom 02.03.2001, ZI. 00 16:483 BAW, gem. § 6 Z 3 AsylG 1997, BGBL I 1997/76 AsylG idgF als offensichtlich unbegründet abgewiesen und wurde weiters festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Uganda gem. § 8 AsylG zulässig sei.
Der Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass den Angaben des Beschwerdeführers mangels Glaubwürdigkeit nicht gefolgt werden könne und sollten seine Behauptungen offensichtlich lediglich der Asylerlangung dienen. Weiters wurde festgestellt, die Identität des Bf. stehe in Ermangelung geeigneter identitätsbezeugender Dokumente nicht fest, auch die Staatsangehörgkeit sei ungeklärt.
Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer am 28.03.2001 fristgerecht Berufung ein.
Mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 14.05.2001, GZ. 221.887/0-V/13/01, wurde die Berufung des Antragstellers gem. § 6 Z 3 AsylG abgewiesen und wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Uganda zulässig sei.
In weiterer Folge wurde der Beschwerdeführer in Österreich als O. alias L.M., Vorname E.C. alias H.D., geboren am 00.00.1982 alias 00.00.1979 alias 00.00.1983 in O., Nigeria alias G., Uganda " mehrmals rechtskräftig verurteilt:
Mit Urteil des JGH Wien vom 00.00.2003 wegen § 28 Abs. 2 und 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, davon 13 Monate bedingt, Probezeit 3 Jahre.
Mit Urteil des LG Korneuburg vom 00.00.2006 wegen § 231 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten bedingt, Probezeit 3 Jahre.
Mit Urteil des LG für Strafsachen Wien vom 00.00.2007 wegen §§ 27 Abs. 1 1., 2., 4., und 5. Fall, 28 Abs. 3 1. Fall SMG, § 12 3. Fall StGB, §§ 28 Abs. 2 4. Fall, 28 Abs. 3 1. Fall SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten.
Am 02.09.2008 brachte der im Betreff Genannte aus dem Stande der Schubhaft neuerlich einen Asylantrag ein. Begründend führte er aus, nicht in seine Heimat zurückkehren zu können, da man dort nach ihm suche und würde man ihn töten, wenn er gefunden werde. Als Neuerung bzw. Änderung gegenüber seiner ersten Asylantragstellung im Jahr 2000 gab der Beschwerdeführer an, dass nachdem er aus dem Camp wieder nach Hause gekommen sei, er seinem Vater erzählt habe, was sich zugetragen hätte und hätte dieser die militante Gruppe bei der Polizei anzeigen wollen. Daraufhin sei er von Mitgliedern dieser Gruppe getötet worden. Sein Bruder wäre ebenfalls umgebracht worden und habe der Beschwerdeführer in seiner Heimat niemanden mehr.
Ausserdem behauptete der Beschwerdeführer im Zuge des gegenständlichen Asylverfahrens plötzlich den Namen E.O. zu führen, am 00.00.1 9 8 2geboren zu sein und nicht aus Uganda zu stammen, sondern Staatsangehöriger von Nigeria zu sein. Einen Reisepass habe er nie besessen, den Reisepass den er hätte, hätte er von einem Freund in Spanien bekommen. "Ich habe diesen von einem Freund in Spanien, dem ich ein Photo von mir gab, wie er diesen Reisepass organisiert hat, weiß ich nicht (Seite 47 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes)".
Der zweite Asylantrag des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.09.2008, ZI. 08 08.002 EAST West, gemäß § 68 Abs. 1 AsylG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und wurde er als " Herr O. alias M.C. alias D. , geboren 00.00.1982 alias 00.00.-1983, StA Uganda alias Nigeria" gem. § 10 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Uganda ausgewiesen.
Im Bescheid wurde unter anderem festgestellt: Ihre Identität, Staatsangehörigkeit. Herkunftsregion, Volkszugehörigkeit stehen nicht fest. Gleichzeitig wurden Feststellungen zur Lage im "Herkunftsland Uganda" getroffen.
Mit Schriftsatz vom 22.09.2008 erhob der im Betreff Genannte fristgerecht gegen den Bescheid Beschwerde und machte hierbei im Wesentlichen geltend, dass sein erstes Asylverfahren bereits seit mehr als sieben Jahren rechtskräftig abgeschlossen wäre und hätte sich die Situation grundlegend verändert. Zudem hätte der Beschwerdeführer nun seine Daten und seine Nationalität richtiggestellt und habe er dies sogar durch seinen Reisepass bewiesen. Die Asylbehörde habe es jedoch unterlassen diesbezüglich ein Ermittlungsverfahren durchzuführen um die Angaben des im Betreff Genannten zu bestätigen und würde diese Vorgangsweise einen groben Verfahrensmangel darstellen.
Mit Beschluss des Asylgerichtshofes vom 01.10.2008 wurde der Beschwerde des Beschwerdeführers gem. § 37 Abs. 1 AsylG idF BGBL. I Nr. 100/2005 die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.
Mit 01.01.2006 ist das Asylgesetz 2005 (AsylG) in Kraft getreten.
Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß den Absätzen 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Entschiedene Sache liegt immer dann vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert haben. Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nicht anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtswirksamen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl. z. B. VwGH 27.09.2000, Zl. 98/12/0057; siehe weiters die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I, 2. Aufl. 1998, E 80 zu § 68 AVG wiedergegebene Judikatur). Stützt sich ein Asylantrag auf einen Sachverhalt, der verwirklicht worden ist, bevor das Verfahren über einen (früheren) Antrag beendet worden ist, so steht diesem zweiten Antrag die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.6.1998, 96/200266).
Zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen iSd § 28 AsylG - kann die Behörde jedoch nur durch eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes berechtigt und verpflichtet werden, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. (Dabei muss die neue Sachentscheidung - obgleich auch diese Möglichkeit besteht - nicht zu einem anderen von der seinerzeitigen Entscheidung abweichenden Ergebnis führen.) Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den diese positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung, ob der (neuerliche) Asylantrag zulässig ist, mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Antragstellers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen. Ergeben ihre Ermittlungen, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (VwGH 21.10.1999, 98/20/0467; 24.2.2000, 99/20/0173; 19.7.2001, 99/20/0418; 21.11.2002, 2002/20/0315; vgl. auch VwGH 9.9.1999, 97/21/0913; 4.5.2000, 98/20/0578; 4.5.2000, 99/20/0193; 7.6.2000, 99/01/0321; 21.9.2000, 98/20/0564; 20.3.2003, 99/20/0480). Wird in einem neuen Asylantrag eine Änderung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts nicht einmal behauptet, geschweige denn nachgewiesen, so steht die Rechtskraft des Vorbescheides einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen und berechtigt die Behörde dazu, ihn zurückzuweisen (VwGH 4.5.2000, 99/20/0192).
Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben - nochmals - zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl. z. B. VwGH 25.04.2002, 2000/07/0235; VwGH 15.10.1999, 96/21/0097). Der Begriff "Identität der Sache" muss in erster Linie aus einer rechtlichen Betrachtungsweise heraus beurteilt werden, was bedeutet, dass den behaupteten geänderten Umständen Entscheidungsrelevanz zukommen muss (VwGH 25.04.2002, 2000/07/0235). Nur eine solche Änderung des Sachverhaltes kann zu einer neuen Sachentscheidung führen, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteibegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (vgl. z.B. VwGH 09.09.1999, 97/21/0913; VwGH 20.03.2003, 99/20/0480; und die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I, 2. Aufl. 1998, E 90 zu § 68 AVG wiedergegebene Judikatur).
Die Prüfung der Zulässigkeit eines neuerlichen Antrages wegen geänderten Sachverhaltes darf ausschließlich anhand jener Gründe erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht worden sind; in der Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid können derartige Gründe nicht neu vorgetragen werden (vgl. z.B. VwGH 20.03.2003, 99/20/0480; VwGH 04.04.2001, 98/09/0041; VwGH 07.05.1997, 95/09/0203; siehe weiters die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I, 2. Aufl. 1998, E 105 zu § 68 AVG wiedergegebene Judikatur).
Ist Sache der Entscheidung der Rechtsmittelbehörde nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, darf sie demnach nur über die Frage entscheiden, ob die Zurückweisung durch die Vorinstanz zu Recht erfolgt ist oder nicht, und hat dementsprechend - bei einer Zurückweisung wegen entschiedener Sache - entweder (im Falle des Vorliegens entschiedener Sache) das Rechtsmittel abzuweisen oder (im Falle der Unrichtigkeit dieser Auffassung) den bekämpften Bescheid ersatzlos mit der Konsequenz zu beheben, dass die erstinstanzliche Behörde in Bindung an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde den gestellten Antrag jedenfalls nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Es ist der Rechtsmittelbehörde aber verwehrt, über den Antrag selbst meritorisch zu entscheiden (vgl. VwGH 30.05.1995, 93/08/0207).
Gemäß § 41 Abs.3 AsylG st in Verfahren über eine Beschwerde gegen eine zurückweisende Entscheidung und die damit verbundene Ausweisung § 66 Abs.2 AVG nicht anzuwenden. Ist der Beschwerde gegen die die Entscheidung des Bundesasylamtes im Zulassungsverfahren statt zu geben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch statt zu geben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.
Im vorliegenden Fall gab der Bf. bei 2 Asylanträgen und 4 Strafverfahren jeweils verschiedene Namen, Geburtsdaten und Staatsbürgerschaften an. Seine richtige Identität steht nicht fest.
Er legte jedoch bei seinem neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz auch einen Reisepaß vor, welcher von Seiten der Erstbehörde keiner Prüfung auf seine Echtheit unterzogen wurde.
Nach Ansicht des Beschwerdegerichtes ist aufgrund der geänderten Angaben zu Identität und Staatsangehörigkeit sehr wohl von einem geänderten Sachverhalt auszugehen, welcher von der erstinstanzlichen Behörde einer genaueren inhaltlichen Prüfung zu unterziehen gewesen wäre und einer neuerlichen Entscheidung gemäß § 68 Abs.1 AVG entgegensteht.
Auch die im erstinstanzlichen Bescheid ausgesprochene Ausweisung nach Uganda ist unter Zugrundelegung des Akteninhaltes rechtlich verfehlt.
Im weiteren Verfahren wird daher insbesonders die genaue Identität und Herkunft des Bf. festzustellen sein, dies unter anderem durch eine kriminaltechnischen Untersuchung des im Verfahren vorgelegten Reisepasses, genauere Befragung des Bf. zu seinem Herkunftsland, die Durchführung einer Sprachanalyse und weitere Erhebungen zu seiner Herkunft.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem AsylGH unterblieb gemäß § 67d Abs 2 Z 1 2.Fall AVG.
Aus den dargelegten Erwägungen war sohin spruchgemäß zu entscheiden.