S2 401.761-1/2008/2E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Schnizer-Blaschka als Einzelrichterin über die Beschwerde der O.Z., geb. 00.00.2007, StA: Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.09.2008, Zahl 08 07.842- EAST West, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß §§ 5 Abs. 1 iVm 10 Abs. 1 Z 1 und 10 Abs. 4 AsylG idF BGBl. I Nr. 4/2008 als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
1.1. Die Beschwerdeführerin, Staatsangehörige der Russischen Föderation, gelangte unter Umgehung der Grenzkontrollen in Begleitung ihrer Eltern und ihrem minderjährigen Bruder in das österreichische Bundesgebiet und stellte - vertreten durch ihre Mutter K.Z. - am 28.08.2008 bei der Erstaufnahmestelle Ost einen Antrag auf internationalen Schutz.
1.2. Hinsichtlich der Mutter der Beschwerdeführerin scheint ein EURODAC-Treffer für Polen auf (18.08.2008, Lublin; AS 15 des erstinstanzlichen Aktes der Mutter, AIS 08 07.839).
1.3. Im Verlauf der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 28.08.2008 gab die Mutter der Beschwerdeführerin an, sie hätte am 17.08.2008 gemeinsam mit ihren beiden minderjährigen Kindern und ihrem Ehegatten ihre Heimat mit dem Zug in Richtung Brest verlassen. Anschließend seien sie nach Terespol gefahren und an der Grenze am 18.08.2008 kontrolliert worden. Dort hätten sie einen Asylantrag gestellt und es seien ihnen Fingerabdrücke abgenommen worden. Am 27.08.2008 seien sie per Autostop bis nach Wien gefahren und von dort mit dem Zug nach Traiskirchen. Ihr Heimatland hätten sie verlassen, weil ihr Mann Probleme mit der Polizei hätte und sie um sein Leben fürchte. Sie hätten schriftliche Ladungen von der Polizei und eine medizinische Bestätigung, dass ihr Mann zusammengeschlagen worden sei. Sie seien auch bedroht worden und könnten deswegen nicht in ihre Heimat zurückkehren. Auf die Frage, was sie bei einer Rückkehr für das Asylverfahren nach Polen zu befürchten hätte, gab die Beschwerdeführerin an, dass die ganze Familie an Hepatitis C leide, welche Krankheit in Polen nur schwer behandelbar sei. Ferner gab sie an, dass ihre Angaben auch für die mitgereisten minderjährigen Kinder gälten, die keine eigenen Fluchtgründe hätten. Auf die Frage nach Verwandten bzw. Personen mit familienähnlicher Beziehung in Österreich bzw. im EU-Raum gab die Mutter der Beschwerdeführerin ihren Ehegatten und ihre minderjährigen Kinder an. (AS 17ff).
1.4. Das Bundesasylamt richtete am 03.09.2008 ein Wiederaufnahmeersuchen (ua) bezüglich der Beschwerdeführerin gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (im Folgenden: "Dublin II-VO") an Polen (AS 51ff des erstinstanzlichen Aktes der Mutter).
1.5. Mit Schreiben vom 03.09.2008 wurde der Mutter der Beschwerdeführerin gemäß § 29 Abs. 3 AsylG mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, ihren Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen und dass seit 03.09.2008 Konsultationen mit Polen geführt würden (AS 65/67 des erstinstanzlichen Aktes der Mutter).
1.6. Mit Schreiben vom 08.09.2008, eingelangt am 09.09.2008, stimmte Polen dem Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO ausdrücklich zu (AS 29).
1.7. Im Verlauf einer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 15.09.2008 machte die Mutter der Beschwerdeführerin, nach erfolgter Rechtsberatung, ergänzend zusammengefasst folgende Angaben: Befragt nach dem Gesundheitszustand gab sie an, dass sie, ihr Mann und die Beschwerdeführerin Hepatitis C hätten und sie dafür einen russischen ärztlichen Befund vorlegen könne. Sie würde außerdem Tabletten einnehmen. Befragt nach weiteren Dokumenten führte die Mutter der Beschwerdeführerin aus, dass ihr die polnischen Behörden ihren Reisepass abgenommen hätten. Sie könne nur einen Inlandsreisepass vorlegen. Alles andere sei in ihrem Haus verbrannt. Über den Hausbrand könne sie ebenfalls eine Bestätigung vorlegen. Die Mutter der Beschwerdeführerin brachte weiter vor, dass sie in Polen schlecht behandelt worden seien, da sie kein heißes Wasser gehabt hätten. Sie hätten Polen verlassen, weil die Krankheit der Beschwerdeführerin in Polen nicht heilbar sei und sie hätte gehört, dass die medizinische Behandlung in Österreich sehr gut sei. Nachgefragt gab die Mutter der Beschwerdeführerin an, dass sie in Polen nie bedroht oder verfolgt worden sei. In Polen sei noch kein Bescheid über ihr Asylverfahren ergangen. Die Mutter der Beschwerdeführerin gab weiters an, dass in Österreich, abgesehen von ihrem Mann und ihren beiden Kindern, keine Verwandten in Österreich aufhältig seien und sie auch mit sonst niemandem in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft leben würde oder von jemandem finanziell abhängig sei. (AS 83ff des erstinstanzlichen Aktes der Mutter)
2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesasylamtes wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass für die Prüfung des gegenständlichen Asylantrages gemäß Art. 16 (1) lit. c Dublin II-VO, Polen zuständig sei. Gleichzeitig wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen, und gemäß § 10 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Polen zulässig sei. (AS 47ff)
Begründend wurde hervorgehoben, dass im Verfahren kein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen besonderer, bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung ernstlich möglich erscheinen lassen, hervorgekommen sei. Eine konkrete Schutzunwilligkeit oder -unfähigkeit des polnischen Staates habe sich in diesem Einzelfall nicht ergeben. Die Regelvermutung des § 5 Abs 3 AsylG treffe daher zu. Es hätten sich keine medizinischen Indikationen ergeben, welche aus rechtlicher Sicht im Hinblick auf Art 3 EMRK einer Überstellung nach Polen entgegenstehen würden. Zu verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkten führte die Erstbehörde aus, dass ein Familienverfahren vorliege und die Kernfamilie der Beschwerdeführerin eine gleich lautende Entscheidung erhalten würde. Somit bestehe kein Familienbezug zu einer anderen in Österreich zum Aufenthalt berechtigten Person und stelle die Ausweisung daher keinen Eingriff in Art. 8 EMRK dar.
Der Bescheid enthält eine ausführliche Darstellung zur Lage in Polen, zum polnischen Asylverfahren, zur allgemeinen Versorgung von Asylwerbern, zu staatlichen Leistungen für Fremde mit (bloß) toleriertem Aufenthalt sowie insbesondere auch zur medizinischen Versorgung von Asylwerbern.
3. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, welche am 01.10.2008 bei der Erstbehörde einlangte. Darin wird im Wesentlichen der Sache nach vorgebracht, dass die belangte Behörde sich nicht näher mit den Asylgründen auseinandergesetzt hätte. Des Weiteren hätte es die Erstbehörde unterlassen, sich näher mit der Krankheit der Beschwerdeführerin zu beschäftigen und herauszufinden, in welchem Stadium sich die Krankheit befände und wie die Behandlungsmöglichkeiten dafür in Polen wären. Stattdessen würden nur allgemeine Feststellungen zur medizinischen Lage in Polen gemacht und dargelegt, dass ein Arzt und eine Krankenschwester während der Woche im Asylaufnahmezentrum anwesend wären. Demnach wäre die medizinische Versorgung unzureichend. Im erstinstanzlichen Bescheid sei ferner nicht berücksichtigt worden, dass der Vater der Beschwerdeführerin am 00.00.2008 um 07:00 Uhr einen Operationstermin im Thermenklinikum Baden habe. Es sei über die Krankheit des Vaters kein Sachverständigengutachten eingeholt und daher nicht ausreichend festgestellt worden, ob eine Abschiebung nach Polen für den Vater zulässig sei. Dies habe aber unmittelbare Auswirkung auf die Beschwerdeführerin, weshalb ihr Verfahren mangelhaft gewesen sei. Die medizinische Versorgung in Polen sei nicht ohne weiteres gewährleistet und stelle für Flüchtlinge ohne finanzielle Mittel ein kaum überwindbares Problem dar. Demnach hätte Österreich von seinem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO Gebrauch machen müssen. Abschließend brachte die Beschwerdeführerin vor, dass Inhaftierungen nach Dublin-Überstellungen in Polen vorkommen würden und beruft sich dabei auf Juristen des UNHCR und die Helsinki-Stiftung. Daher würde eine Abschiebung nach Polen Art. 3 EMRK verletzen. Abschließend wird beantragt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. (AS 137ff)
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerdeführerin reiste gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrem Bruder aus Machatschkala kommend mit dem Zug über Moskau nach Brest und von dort nach Terespol. Ab Moskau reiste auch ihr Vater mit und sie stellte am 18.08.2008 in Lublin erstmals einen Asylantrag. Sie wartete das Verfahren dort jedoch nicht ab, sondern reiste illegal mit der Familie in das österreichische Bundesgebiet ein, wo sie am 28.08.2008 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Die übrige Familie stellte ebenfalls einen Antrag auf internationalen Schutz. Ein sie betreffendes Asylverfahren ist in Polen anhängig. Die Beschwerdeführerin hat Hepatitis C, ebenso ihre Eltern. Ihr Vater plant außerdem einen Operationstermin mit stationärem Aufenthalt ab 00.00.2008 wegen Haemorrhoiden (Mariske).
2. Die Feststellungen zum Reiseweg der Beschwerdeführerin, zu ihrer Asylantragstellung in Polen und ihre persönlichen Verhältnisse ergeben sich aus dem Vorbringen der Mutter der Beschwerdeführerin iZm der damit im Einklang stehenden Aktenlage, die zum Operationstermin des Vaters samt Diagnose aus dessen erstinstanzlichem Verwaltungsakt AIS 08 07.840 (dort: AS 129).
3. Rechtlich ergibt sich Folgendes:
3.1. Mit 01.01.2006 ist das AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in Kraft getreten und ist auf alle ab diesem Zeitpunkt gestellten Asylanträge idgF anzuwenden.
Im gegenständlichen Fall wurde der Antrag auf internationalen Schutz im August 2008 gestellt, weshalb § 5 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 zur Anwendung gelangt.
3.2. Zur Frage der Zuständigkeit eines anderen Staates (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
a) Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin II-VO zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Behörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 5 Abs. 2 AsylG ist auch nach Abs. 1 vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin II-VO dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder bei der Behörde offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
Die Dublin II-VO sieht in den Art. 6 bis 14 des Kapitels III Zuständigkeitskriterien vor, die gemäß Art. 5 Abs. 1 Dublin II-VO in der im Kapitel III genannten Reihenfolge Anwendung finden. Gemäß Art. 5 Abs. 2 Dublin II-VO wird bei der Bestimmung des nach diesen Kriterien zuständigen Mitgliedstaats von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt. Gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO kann jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der betreffende Mitgliedstaat wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne dieser Verordnung und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen.
In Art. 16 sieht die Dublin II-VO in den hier relevanten Bestimmungen Folgendes vor:
"Art. 16 (1) Der Mitgliedstaat der nach der vorliegenden Verordnung zur Prüfung des Asylantrags zuständig ist, ist gehalten:
(...)
c) einen Antragsteller, der sich während der Prüfung seines Antrags unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates aufhält, nach Maßgabe des Artikels 20 wieder aufzunehmen.
(...)
(3) Die Verpflichtungen nach Absatz 1 erlöschen, wenn der Drittstaatsangehörige das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für mindestens drei Monate verlassen hat, es sei denn, der Drittstaatsangehörige ist im Besitz eines vom Mitgliedstaat ausgestellten gültigen Aufenthaltstitels."
Unter Zugrundelegung des festgestellten Sachverhaltes, wonach die Beschwerdeführerin zunächst in Polen einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, sowie sich vor Abschluss dieses Verfahrens nach Österreich begeben, das sie seither nicht verlassen hat, und sie auch keine "Familienangehörigen" (iSd Art 7 iVm Art 2 lit i Dublin II-VO) in Österreich hat, kommt nach der Rangfolge der Kriterien der Dublin II-VO deren Art 16 Abs. 1 lit. c (iVm Art 13) als zuständigkeitsbegründende Norm in Betracht. Polen hat auch auf Grundlage dieser Bestimmung seine Zuständigkeit bejaht und sich zur Übernahme der Beschwerdeführerin und Behandlung ihres Antrages bereit erklärt.
Die erste Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der getroffenen Unzuständigkeitsentscheidung ist somit gegeben.
b) Das Bundesasylamt hat ferner von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher noch zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.
Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 17.06.2005, Zl. B 336/05, festgehalten, die Mitgliedstaaten hätten kraft Gemeinschaftsrecht nicht nachzuprüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat generell sicher sei, da eine entsprechende normative Vergewisserung durch die Verabschiedung der Dublin II-VO erfolgt sei, dabei aber gleichzeitig ebenso ausgeführt, dass eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung im Einzelfall gemeinschaftsrechtlich zulässig und bejahendenfalls das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs 2 Dublin II-VO zwingend geboten sei.
Die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Determinanten dieser Nachprüfung lehnt sich an die Rechtsprechung des EGMR an und lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059): "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949).
Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde (Art. 16 Abs 1 lit. e Dublin II-VO). Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0025, VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673), ebenso andere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs (zur Bedeutung solcher Sachverhalte Filzwieser/Liebminger, Dublin II VO, K13. zu Art 19 Dublin II-VO).
Des Weiteren hatte der Asylgerichtshof folgende Umstände zu berücksichtigen:
Bei entsprechender Häufung von Fällen, in denen in Folge Ausübung des Selbsteintrittsrechts die gemeinschaftsrechtliche Zuständigkeit nicht effektuiert werden kann, kann eine Gefährdung des "effet utile"- Grundsatzes des Gemeinschaftsrechts entstehen. Zur effektiven Umsetzung des Gemeinschaftsrechts sind alle staatlichen Organe kraft Gemeinschaftsrechts verpflichtet.
Der Verordnungsgeber der Dublin II-VO, offenbar im Glauben, dass sich alle Mitgliedstaaten untereinander als "sicher" ansehen können, wodurch auch eine Überstellung vom einen in den anderen Mitgliedstaat keine realen Risken von Menschenrechtsverletzungen bewirken könnte (vgl. insbesondere den 2. Erwägungsgrund der Präambel der Dublin II-VO), hat keine eindeutigen verfahrens- oder materiellrechtlichen Vorgaben für solche Fälle getroffen, diesbezüglich lässt sich aber aus dem Gebot der menschenrechtskonformen Auslegung des Gemeinschaftsrechts und aus Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundrechte ableiten, dass bei ausnahmsweiser Verletzung der EMRK bei Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat eine Überstellung nicht stattfinden darf. Die Beachtung des Effizienzgebots (das etwa eine pauschale Anwendung des Selbsteintrittsrechts oder eine innerstaatliche Verfahrensgestaltung, die Verfahren nach der Dublin II-VO umfangreicher gestaltet als materielle Verfahren verbietet) und die Einhaltung der Gebote der EMRK stehen daher bei richtiger Anwendung nicht in Widerspruch (Filzwieser, migraLex, 1/2007, 18ff, Filzwieser/Liebminger, Dublin II VO², K8-K13. zu Art. 19).
Die allfällige Rechtswidrigkeit von Gemeinschaftsrecht kann nur von den zuständigen gemeinschaftsrechtlichen Organen, nicht aber von Organen der Mitgliedstaaten rechtsgültig festgestellt werden. Der EGMR hat jüngst festgestellt, dass die Rechtsschutz des Gemeinschaftsrechts regelmäßig den Anforderungen der EMRK entspricht (30.06.2005, Bosphorus Airlines v Irland, Rs 45036/98).
Es bedarf sohin europarechtlich eines im besonderen Maße substantiierten Vorbringens und des Vorliegens besonderer vom Antragsteller bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, um die grundsätzliche europarechtlich gebotene Annahme der "Sicherheit" der Partnerstaaten der Europäischen Union als einer Gemeinschaft des Rechts im individuellen Fall erschüttern zu können. Diesem Grundsatz entspricht auch die durch das AsylG 2005 eingeführte gesetzliche Klarstellung des § 5 Abs. 3 AsylG, die Elemente einer Beweislastumkehr enthält. Es trifft zwar ohne Zweifel zu, dass Asylwerber in ihrer besonderen Situation häufig keine Möglichkeit haben, Beweismittel vorzulegen (wobei dem durch das Institut des Rechtsberaters begegnet werden kann), und dies mitzubeachten ist (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949), dies kann aber nicht pauschal dazu führen, die vom Gesetzgeber - im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht - vorgenommene Wertung des § 5 Abs. 3 AsylG überhaupt für unbeachtlich zu erklären. Eine Rechtsprechung, die in Bezug auf Mitgliedstaaten der EU faktisch höhere Anforderungen entwickelte, als jene des EGMR in Bezug auf Drittstaaten wäre jedenfalls gemeinschaftsrechtswidrig.
aa) Mögliche Verletzung des Art. 8 EMRK: Es leben (mit Ausnahme der gemeinsam eingereisten Familie) keine Familienangehörigen der Beschwerdeführerin in Österreich und sie lebt mit sonst niemandem in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft. Es liegen auch sonst keine Hinweise auf eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration in Österreich, etwa aufgrund sehr langer Verfahrensdauer vor (vgl. VfGH 26.02.2007, B 1802, 1803/06). Dies wurde von der Beschwerdeführerin auch nicht behauptet.
bb) Mögliche Verletzung des Art. 3 EMRK: Im Hinblick auf die Beschwerdeführerin wurde eine mögliche Verletzung des Art. 3 EMRK in Bezug auf ihre Hepatitis C Erkrankung vorgebracht, da in Polen wegen fehlender Behandlung schwerer Krankheiten eine existenzbedrohende Situation entstünde und deshalb das Selbsteintrittsrecht auszuüben gewesen wäre. Bezüglich der medizinischen Versorgung kann auf die Länderfeststellungen der Erstbehörde verwiesen werden. Asylwerber haben in Polen uneingeschränkten Zugang zu Behandlungsmöglichkeiten wie polnische Staatsbürger auch. Es ist davon auszugehen, dass die medizinische Behandlung von Hepatitis C in Polen den europäischen Standards entspricht und in nicht wesentlich schlechterem Maße behandelbar ist wie in Österreich. Dazu ist weiters anzuführen, dass sich Asylwerber im Zuge der Feststellung des für das Asylverfahren zuständigen Dublinstaates nicht jenen Mitgliedstaat aussuchen können, in dem sie die für ihre Erkrankung beste medizinische Behandlung erwarten können. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Lediglich das gänzliche Fehlen der Behandlungsmöglichkeit im zuständigen Mitgliedstaat oder das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt dazu, dass die Abschiebung eine Verletzung in Art. 3 EMRK darstellt und rechtfertigt und gebietet vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen. Solche außergewöhnlichen Umstände liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Erkenntnis des VfGH 06.03.2008, B 2400/07, unter Hinweis auf die Judikatur des EGMR). Vergleichbare Umstände liegen aber im Beschwerdefall nicht vor. Es ist diesbezüglich auch auf den Hauptzweck der Dublin II-VO zu verweisen, wonach eine im Allgemeinen von individuellen Wünschen der Asylwerber losgelöste Zuständigkeitsregelung zu treffen ist. Darüber hinaus hat die Beschwerdeführerin keine auf sich selbst bezogenen besonderen Gründe, die für eine reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK in Polen sprächen, dargelegt. Bezüglich des von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Operationstermins ihres Vaters wird festgestellt, dass es sich dabei um keine zur Abwendung einer lebensbedrohlichen Erkrankung nötige Operation handelt. Ihr Vater leidet an Haemorrhoiden, auch diese sind in Polen behandelbar.
Zusammengefasst stellt daher eine strikte Wahrnehmung der Unzuständigkeit Österreichs und die damit verbundene Überstellung der Beschwerdeführerin nach Polen kein "real risk" einer Verletzung des Art. 3 EMRK oder des Art. 8 EMRK und somit auch keinen Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechtes Österreichs nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO dar.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. war daher abzuweisen.
3.3. Zur Ausweisung der Beschwerdeführerin nach Polen (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn 1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden. Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben. Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.
Zu diesem Spruchpunkt sind im Beschwerdefall keine Hinweise für eine Unzulässigkeit der Ausweisung im Sinne des § 10 Abs. 2 AsylG ersichtlich, zumal weder ein nicht auf das AsylG gestütztes Aufenthaltsrecht aktenkundig ist, noch die Beschwerdeführerin in Österreich über - die erwähnten Familienmitglieder hinausgehende - Verwandte verfügt, zu denen sie einen engen Familienbezug hätte. Darüber hinaus sind auch keine Gründe für einen Durchführungsaufschub gemäß § 10 Abs. 3 AsylG zu sehen.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.