A5 401.122-1/2008/3E
BESCHLUSS
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. SCHREFLER-KÖNIG als Vorsitzende und die Richterin Mag. UNTERER als Beisitzerin im Beisein der Schriftführerin VB Wilhelm über die Beschwerde des J.P., geb. 00.00.1985, Staatsangehöriger von Liberia, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 23.12.2003, Zl. 03 36.626 BAW, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Die Beschwerde des J.P. vom 07.08.2008 wird gemäß § 63 Abs. 5 AVG als verspätet zurückgewiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Verfahrensgang und Sachverhalt
I.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Liberia, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen am 28.11.2003 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Asylantrag.
I.2. Mit Bescheid des Bundesasylamt vom 23.12.2003, Zl. 03 36.626 BAW, wurde dieser Antrag gemäß § 7 AsylG 1997 idF BGBl Nr. I 126/2002 abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Liberia gemäß § 8 leg. cit. für zulässig erklärt.
I.3. Dieser Bescheid wurde am 30.12.2003 durch Anschlag an der Amtstafel gemäß § 25 ZustellG bei der belangten Behörde zur Abholung aufgelegt und gilt mangels rechtzeitiger Behebung innerhalb der gesetzlich vorgesehen, zweiwöchigen Frist mit 14.01.2004 als rechtmäßig zugestellt. Der Bescheid erwuchs in weiterer Folge mit 29.01.2004 in Rechtskraft.
I.4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 07.08.2008 Beschwerde.
I.5. Mit 22.08.2008 wurde gegenständliche Beschwerdeangelegenheit dem nunmehr erkennenden Senat des Asylgerichtshofes zur Entscheidung zugewiesen.
I.6. Der Beschwerdeführer wurde vom Landesgericht für Strafsachen Wien mit 1) Urteil von 00.00.2004 wegen eines Vergehens gegen § 28 Abs. 2 und 3 erster Fall SMG zu einer unbedingten zwölfmonatigen Freiheitsstrafe sowie 2) mit Urteil von 00.00.2007 gemäß §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten fünfmonatigen Freiheitsstrafe, und 3) mit Urteil von 00.00.2007 gemäß §§ 15, 107 Abs 1, §§ 83 Abs. 1, 88 Abs. 1 StGB und § 27 Abs 1 und 2 Satz 2 erster Fall SMG zu einer unbedingten achtmonatigen Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt.
I.7. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 41 Abs. 7 AsylG 2005 auf Grund des aus der Aktenlage als geklärt anzusehenden Sachverhaltes Abstand genommen.
II. Rechtliche Beurteilung und Beweiswürdigung:
II.2.1. Gemäß § 28 Abs. 1 AsylGHG, BGBl.I Nr. 2008/4 nimmt der Asylgerichtshof mit 01.07.2008 seine Tätigkeit auf. Das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat (UBASG), BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2005, tritt mit 01.07.2008 außer Kraft.
II.2.2. Gemäß § 23 AsylGHG sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof, sofern sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005, BGBl. Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.
II.2.3. Gemäß § 9 leg.cit. entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, sofern bundesgesetzlich nicht die Entscheidung durch Einzelrichter oder verstärkte Senate (Kammersenate) vorgesehen ist.
II.2.4. Gemäß § 61 Abs. 1 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes. Gemäß Abs. 3 entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4, wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5 und wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG sowie über die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.
II.2.5. Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005 sind am 1.7.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:
Mitglieder des Unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.
Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.
Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des Unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständigen Senat weiterzuführen.
II.2.6. Gemäß § 41 Abs.7 AsylG 2005 kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 67d AVG.
Zwar enthalten die Übergangsbestimmungen des § 75 AsylG 2005 keine Regelung, die eine Anwendung des § 41 Abs. 7 leg. cit. Auf sogenannte "Altverfahren" (i.e. Verfahren auf Grundlage des AsylG 1997 idF BGBl. Nr. I 126/2002) explizit vorsehen.
Für den Asylgerichtshof ergibt sich die Geltung dieser Bestimmung auch im gegenständlichen (Alt)Fall allerdings aus dem Wortlaut der Überschrift des 6. Abschnittes "Sonderbestimmungen für das Verfahren vor dem Asylgerichtshof" einerseits und der Überschrift der in diesem Abschnitt enthaltenen Bestimmung des § 41 leg. cit. selbst, die folgendermaßen lautet: "Verfahren vor dem Asylgerichtshof". Nachdem der Asylgerichtshof am 01.07.2008 seine Arbeit aufgenommen hat, die besagten Sonderbestimmungen in ihrer weiteren Textierung keine Unterscheidung nach "Altverfahren" oder "Neuverfahren" treffen, kann davon ausgegangen werden, dass die in diesem Abschnitt enthaltenen Regeln uneingeschränkt auf sämtliche Verfahren vor dem Asylgerichtshof, unabhängig vom Zeitpunkt ihres Anfalls, anzuwenden sind.
II.2.7. Gemäß § 63 Abs. 5 AVG ist eine Berufung von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Fall bloß mündlicher Verkündung mit dieser. Gemäß § 32 Abs. 2 AVG wird bei der Berechnung von Fristen, die nach Tagen bestimmt sind, der Tag nicht mitgerechnet, in den der Zeitpunkt oder das Ereignis fällt, wonach sich der Anfang der Frist richten soll. Nach § 32 Abs. 2 AVG enden nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monates, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Gemäß § 33 Abs. 1 und 2 AVG wird der Beginn und Lauf der Frist durch Sonn- oder Feiertage nicht behindert. Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag oder den Karfreitag, so ist der nächste Werktag letzter Tag der Frist. Die Tage des Postenlaufes werden gemäß § 33 Abs. 3 AVG in die Frist nicht eingerechnet. Zur Wahrung der Frist genügt es, dass der Postenlauf vor Ablauf des letzten Tages der Frist in Gang gesetzt wird, d.h., dass die Berufung der Post zur Beförderung - an die richtige Stelle - übergeben wird (vgl. Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht, 8. Auflage 2003, Rz 237; Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht, 3. Auflage 2004, S. 130ff).
II.2.8. An Personen, deren Abgabestelle unbekannt ist, dh. wenn der Behörde keine Abgabestelle bekannt ist, kann gemäß § 25 ZustellG durch öffentliche Bekanntmachung zugestellt werden. Im Anwendungsbereich des AVG hat die Behörde jedoch gemäß § 39 AVG zunächst zu versuchen, von Amtswegen eine Abgabestelle zu ermitteln. Sie muss dazu alle ihr zu Gebote stehenden Mittel ausschöpfen (z.B. Anfrage an Meldebehörden, Auskünfte von Bekannten des Adressaten). Nur wenn diese Versuche erfolglos bleiben, darf nach § 25 ZustellG vorgegangen werden. Ist der Behörde eine elektronische Zustelladresse bekannt, so kommt eine Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung nicht in Frage, ebenso wenig für den Fall, dass nach § 8 ZustellG vorzugehen ist, beispielsweise bei mangelnder Mitteilung über die Änderung der Abgabestelle.
Die Zustellung nach § 25 ZustellG ist so vorzunehmen, dass an der Amtstafel der Behörde angeschlagen wird, dass bei ihr ein zuzustellendes Schriftstück aufliegt. Findet sich der Empfänger nicht zur Übernahme des Schriftstückes nach § 24 ZustellG bei der Behörde ein, gilt die Zustellung als bewirkt, wenn seit dem Anschlag zwei Wochen verstrichen sind (vgl. Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht, 3. Auflage aus 2004, S. 357f).
II.2.9. Der Bescheid des Bundesasylamtes vom 23.12.2003 wurde am 30.12.2003 durch öffentliche Bekanntmachung gemäß § 25 ZustellG beim Bundesasylamt zur Abholung aufgelegt. Dem Beschwerdeführer wurde hiezu eine einmonatige Frist gesetzt, den Bescheid bis zum 28.01.2004 zu beheben und ihm gleichzeitig mitgeteilt, dass die Zustellung gemäß § 25 ZustellG als bewirkt gilt, wenn seit dem Anschlag auf der Amtstafel der Behörde zwei Wochen vergangen sind. Mangels rechtszeitiger Behebung gilt der nunmehr bekämpfte Bescheid des Bundesasylamtes nach Ablauf der zweiwöchigen Frist mit 14.01.2004 als zugestellt und erwuchs mit 29.01.2004 in Rechtskraft.
Eine Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung setzt wie bereist erwähnt voraus, dass die Behörde alle ihr zu Gebote stehenden Mittel für die Ermittlung der Abgabestelle und die ihr nach den Umständen zumutbaren amtswegigen Ermittlungen zu deren Erforschung ausgeschöpft hat (vgl. VwGH vom 19.11.2003, Zahl 2003/11/0056; Hinweis E 21. Mai 1996, Zl. 95/04/0201, mwN). Der Beschwerdeführer verfügte zum Zeitpunkt der Bescheidausstellung über keine aufrechte Meldeadresse und war laut Auszug aus dem Zentralen Melderegister seit seiner Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 28.11.2003 auch noch nie an einer in Österreich befindlichen Abgabestelle behördlich gemeldet, so dass auch § 8 ZustellG in gegenständlichem Fall nicht zur Anwendung gelangte. Ein nunmehr von diesem im Wege seines rechtsfreundlichen Vertreters geltend gemachter Zustellmangel auf Grund der Verletzung der amtswegigen Ausforschungspflicht des Bundesasylamtes liegt daher nach dem Dafürhalten des Asylgerichtshofes nicht vor, da alle zur Ausforschung nötigen und zumutbaren Schritte unternommen wurden, da der Beschwerdeführer insbesondere auch über keine Bezugspersonen im Inland verfügte, die Auskunft über eine mögliche Abgabestelle geben hätten können. Die wahllose Nachfrage bei diversen Obdachloseneinrichtungen, ob ein Asylwerber eventuell bereits vorstellig geworden sei, erscheint vor allem in Hinblick auf die vom Asylwerber geforderten Mitwirkungspflichten im Sinne des § 26 Abs. 2 AsylG 1997, sich zum Zwecke eines Verfahrens nach diesem Bundesgesetz zur Verfügung zu halten, nicht innerhalb des vom VwGH aufgestellten Zumutbarkeitskalküls zu liegen. Dem Beschwerdeführer wurde das diesbezügliche Merkblatt über die Rechte und Pflichten im Asylverfahren nachweislich am 28.11.2003 übergeben und ihm der Inhalt durch die anwesende Dolmetscherin zur Kenntnis gebracht. Behauptet er weiters in seiner Beschwerde, er sei nach seiner Einvernahme aus den Räumlichkeiten des Bundesasylamtes weggewiesen worden, ohne in die Grundversorgung (damals: Bundesbetreuung) aufgenommen worden zu sein, so ist auf § 18 Abs. 2 AsylG 1997 hinzuweisen, wonach das Bundesasylamt im Inland befindlichen Asylwerbern zur Sicherung der raschen Durchführung des Asylverfahrens eine Unterkunft, insbesondere eine solche im Rahmen der Einrichtung der Bundesbetreuung, bezeichnen kann, die sie bis zu ihrer Einvernahme benützen können. Ein Rechtsanspruch eines mittellosen Asylwerbers auf Betreuung durch den Bund bestand in Hinblick auf § 1 Abs. 3 BBetrG 1991 zum damaligen Zeitpunkt auch nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht (vgl. VwGH vom 18.03.2003, Zahl 2000/21/0113).
Das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid wurde sohin erst nach Ablauf der gesetzlichen Beschwerdefrist eingebracht, weshalb die Beschwerde als verspätet zurückzuweisen war.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.