B10 238.716-0/2008/9E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Stefan HUBER gemäß § 61 iVm § 75 Abs. 7 Z 1 Asylgesetz 2005, BGBl I 2005/100 idF BGBl. I 2008/4, (AsylG) und 66 Abs. 4 AVG, über die Beschwerde des E.S., geb. 00.00.1957, Staatsangehörigkeit Mazedonien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 06.06.2003, Zahl: 03 09.182-BAI, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde von E.S. wird gemäß § 7 AsylG abgewiesen.
II. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wird festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von E.S. nach Mazedonien zulässig ist.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Mazedonien und am 20.03.2003 illegal in das Bundesgebiet eingereist. Am selben Tag stellte er einen Antrag auf Gewährung von Asyl, woraufhin er am 05.06.2003 im Beisein eines geeigneten Dolmetschers der albanischen Sprache niederschriftlich einvernommen wurde.
Diese Einvernahme gestaltete sich im vollen Wortlaut wie folgt:
"Frage: Aus welchem Grund haben Sie Ihre Heimat verlassen?
Antwort: Am 15.02.2002 habe ich mich der UCK in der Gemeinde L. als einfacher Soldat angeschlossen und habe in Z. und M. gekämpft. Im Jänner 2003 bekamen ich und ca. 20 andere Männer aus meinem Dorf einen Brief von der ASHK, das ist eine neue Partei, dass wir in die Wälder gehen sollen und für sie kämpfen sollen. Da ich das nicht mehr wollte, habe ich die Heimat verlassen.
Frage: Wo befindet sich dieser besagte Brief?
Antwort: Diesen Brief habe ich zu Hause weggeworfen.
Frage: Was genau stand in diesem Brief?
Antwort: Das war ein Aufruf, um sich sofort der ASHK anzuschließen.
Frage: Was würde passieren wenn man der Partei der ASHK nicht beitritt?
Antwort: Die können einen umbringen, wenn man nicht hingeht.
Frage: Gegen wen haben Sie in Z. und M. gekämpft?
Antwort: Wir kämpften gegen die mazedonische Armee. Wir kämpften für die Menschenrechte der Albaner.
Frage: Wann genau fanden diese Kämpfe in Z. und M. statt?
Antwort: Es gab Kämpfe im April 2002. Aber die meisten Kämpfe fanden im Mai 2002 statt. Es gab schwere Kämpfe in Z.. Ich kämpfte als Soldat der UCK. Die Mazedonier haben sich letztendlich zurückgezogen und konnten in Z. nicht einziehen.
Frage: Wie heißt der Rebellenführer der UCK?
Antwort: Der Name des Rebellenführers der gesamten UCK hieß H.. H. ist jetzt in der Partei des Ali Ahmeti. Die Partei heißt PDI, der Sitz dieser Partei ist in der Gemeinde Skopje.
Vorhaltung: Am 27.09.2001 erklärte der UCK-Rebellenführer Ali Ahmeti auf einer Pressekonferenz in Sipkovica die UCK als aufgelöst. Die Rebellen gaben ihre Waffen ab. Wie ist es möglich, dass sie im April und Mai 2002 für die UCK gekämpft haben?
Antwort: Ich habe mich verrechnet. Die Kämpfe die ich geführt habe fanden im Jahre 2001 statt.
Vorhaltung: Ihre Angaben sind weder glaubhaft noch nachvollziehbar zumal sie gesagt haben, dass die am 15.02.2002 der UCK beigetreten sind. Jetzt gaben Sie an, dass sie im Jahre 2001 bereits für die UCK gekämpft haben. Sie werden an dieser Stelle nochmals an die Wahrheits- und Mitwirkungspflicht in Ihrem Asylverfahren aufmerksam gemacht.
Antwort: Der Krieg hat 2001 begonnen. Und der UCK bin ich am 15.02.2001 beigetreten.
Frage: Hatten Sie nach der Auflösung der UCK am 27.09.2001 irgendwelche Probleme. Wurden Sie von irgendjemandem verfolgt oder bedroht?
Antwort: Von der mazedonischen Polizei wurden wir ja ständig verfolgt.
Frage: Warum wurden Sie von der mazedonischen Polizei verfolgt und wann fanden diese Verfolgungen statt?
Antwort: Da ich Mitglied der UCK war. Die Verfolgungen waren im Jänner 2003.
Frage: Welchen Verfolgungshandlungen der mazedonischen Polizei waren Sie ausgesetzt?
Antwort: Am 10. Jänner 2003 fuhr ich zusammen mit meinem Freund im Auto. Die Polizei hielt das Auto meines Freundes an, und verlangte unsere Ausweise. Sie überprüften unsere Namen und sagten etwas von UCK. Ich lief sofort aus dem Auto und floh. Meinen Freund nahmen sie fest, er befindet sich heute noch in Haft.
Frage: Gab es weitere Übergriffe auf Sie?
Antwort: Nein. Nur die Verfolgungen die ich bereits angegeben habe.
Frage: Warum wurde Ihr Freund festgenommen?
Antwort: Weil er für die UCK gekämpft hat.
Frage: Woher wusste die Polizei, dass Sie und Ihr Freund bei der UCK gekämpft haben?
Antwort: Es wurde spioniert. Wir sind alle bei der Polizei registriert.
Frage: Wurden Sie nach dem Einlangen des Briefes im Jänner bis zu Ihrer Ausreise am 16.03.2003 von Mitgliedern der ASHK verfolgt oder bedroht?
Antwort: Ich glaube es war der 00.00., gegen 04.00 Uhr, da kamen drei Personen der ASHK. Sie klopften an der Tür. Meine Frau öffnete die Tür und sie fragten nach mir. Meine Frau hat ihnen gesagt, dass ich nicht da bin und dann sind sie wieder gegangen. Sie sagten zu meiner Frau, dass ich mit ihnen in die Wälder kommen sollte um Militärübungen zu trainieren. Verfolgt oder bedroht wurde ich von der ASHK nicht.
Frage: Warum wählten Sie nicht eine inländische Fluchtalternative?
Antwort: Wenn mich die Mazedonier erwischen, dann bringen sie mich um. Mein Name ist registriert, die finden mich überall.
Frage: Woher wissen Sie, dass Ihr Name registriert ist?
Antwort: Meine Freunde haben sie erwischt, deshalb weiß ich das.
Frage: Warum haben Sie Ihre Heimat nicht sofort verlassen?
Antwort: Bis 2003 hat mich die UCK in Ruhe gelassen. Im Jänner 2003 bekamen wir den Brief, dass wir wieder kämpfen sollen. Ich will jetzt aber nicht mehr kämpfen. Deshalb bin ich auch vor der ASHK geflüchtet.
Frage: Um welche Organisation handelt es sich bei der ASHK?
Antwort: Das ist keine legale Partei oder so, die ASHK ist nicht gemeldet oder registriert. Oberhaupt der ASHK ist Arben XHAFERI, einer wird THAQI genannt. Die ASHK will aber nichts von der UCK.
Vorhaltung: Es ist weder glaubhaft, dass die Leute der ASHK Sie als behaupteten ehemaligen UCK-Kämpfer "anwerben", zumal Sie zuvor behauptet haben, dass die ASHK mit der UCK nicht sympathisiert.
Antwort: 20 Leute haben in meinem Dorf so einen "Werbebrief" der ASHK bekommen. Diese Briefe wurden an die Türe geheftet. Warum die Leute mich ausgesucht haben, weiß ich nicht, es gab keine speziellen Hinweise darauf, dass bestimmte Leute angeworben worden sind, ohne erkennbare Auswahl bestimmter Leute.
Frage: Sind Sie in Ihrem Heimatland vorbestraft?
Antwort: Nein, ich bin nicht vorbestraft.
Frage: Haben Sie in Ihrem Heimatland strafbare Handlungen begangen?
Antwort: Nein.
Frage: Sind oder waren Sie jemals Mitglied einer politischen Partei?
Antwort: Nein, ich war nie Mitglied einer politischen Partei.
Frage: Hatten Sie in Ihrem Heimatland jemals Probleme mit der Polizei, einem Gericht oder einer anderen staatlichen Behörde?
Antwort: Nein, ich hatte mit den staatlichen Behörden keine Probleme.
Frage: Werden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite wegen Ihrer Zugehörigkeit zur Religion, Ihrer Rasse, politische Gesinnung, Nationalität oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt?
Antwort: Nein, außer den Problemen die ich bereits erwähnt habe, habe ich keine Probleme.
Frage: Was befürchten Sie für den Fall der Rückkehr in Ihr Heimatland?
Antwort: Die Mazedonische Polizei würde mich festnehmen und vielleicht auch umbringen. Von der ASHK fühle ich mich auch bedrängt. Sie würden mich fragen warum ich geflüchtet bin.
Vorhaltung: Ihre Aussagen einer Verfolgung durch die mazedonische Polizei aufgrund Ihrer behaupteten Zugehörigkeit zur UCK ist weder glaubhaft noch nachvollziehbar und ist offensichtlich, dass Ihre Angaben nicht den Tatsachen entsprechen, zumal die mazedonische Regierung nach Beendigung der Kämpfe eine Amnestie erlassen hat und aufgrund dieser Amnestie es keine Verfolgungshandlungen für UCK-Kämpfer erblickbar sind. Was sagen Sie dazu?
Antwort: Das stimmt schon, in den Dörfern hat man vor der mazedonischen Polizei seine Ruhe, aber in den Städten nicht. Sonst kann ich dazu nichts mehr sagen.
Frage: Die Befragung wird hiermit beendet. Wollen Sie sonst noch etwas vorbringen, was Ihnen von Bedeutung erscheint?
Antwort: Nein, ich habe alles gesagt. Ich möchte derzeit nicht nach Hause zurück, ich möchte abwarten, bis sich die Situation gebessert hat.
Frage: Können Sie das konkreter erklären?
Antwort: In Mazedonien wird sich die Situation nie bessern, mehr kann ich dazu nicht sagen."
Das Bundesasylamt hat den Antrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 06.06.2003, Zahl: 03 09.182-BAI, gemäß § 7 AsylG abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Mazedonien gemäß § 8 AsylG für zulässig erklärt. Begründend wurde ausgeführt, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubwürdig sei.
Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer fristgerecht berufen und im Rahmen der Berufung wie folgt ausgeführt:
"Der Bescheid wird seinem gesamten Umfang nach wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen, meinem Antrag stattgebenden Bescheid gelangt wäre, angefochten.
Ich verweise hautsächlich auf mein erstinstanzliches Vorbringen, das von der belangten Behörde nicht in gehöriger Weise berücksichtigt wurde. Da es mir bis jetzt aufgrund terminlicher Schwierigkeiten nicht möglich war, einen Termin mit meiner Rechtsberaterin und einem Dolmetscher zu vereinbaren, bin ich - vor allem aufgrund sprachlicher Schwierigkeiten - momentan leider nicht in der Lage, meine Berufung inhaltlich zu konkretisieren."
Eine Berufungsergänzung ist bis zur Bescheiderlassung der Berufungsbehörde nicht eingelangt.
Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 16.03.2005, GZ: 238.716/0-XI/33/03, wurde die Berufung wegen Unglaubwürdigkeit der Fluchtgründe gemäß §§ 7, 8 AsylG abgewiesen.
Am 12.05.2005 stellte der Beschwerdeführer erneut einen Antrag auf Gewährung von Asyl.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.06.2005, Zahl: 05 06.864-EAST West, wurde der Asylantrag vom 12.05.2005 gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen, weiters wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Mazedonien gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zulässig sei sowie dass der Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen werde.
Gegen den Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates erhob der Beschwerdeführer am 23.06.2005 Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.
Gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.06.2005 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht am 28.06.2005 Berufung.
Der Verwaltungsgerichtshof behob mit Erkenntnis vom 21.03.2006, Zahl: 2005/01/0307, den Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates wegen Rechtswidrigkeit infolge von Verletzungen von Verfahrensvorschriften. Begründend wurde ausgeführt, dass eine mündliche Verhandlung durchgeführt hätte werden müssen.
Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 08.09.2006 wurde der bekämpfte Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.06.2005 gemäß § 66 Abs. 4 AVG ersatzlos behoben, da nach Behebung des ersten Berufungsbescheides durch den Verwaltungsgerichthof kein neuer Asylantrag, sondern lediglich eine Berufungsergänzung vorliegt.
Der unabhängige Bundesasylsenat hat eine mündliche Verhandlung am 16.10.2007 durchgeführt. Das Bundesasylamt verzichtete auf eine Teilnahme und beantragte die Berufung abzuweisen. Im Rahmen dieser Verhandlung wurde Beweis erhoben durch Einvernahme des Beschwerdeführers als Partei, seiner Ehegattin als Beteiligte sowie durch Einsicht und Erörterung folgender Unterlagen:
Bericht des Auswärtigen Amtes zu Mazedonien vom 28.01.2005
Der Ablauf der Verhandlung vom 16.10.2007 gestaltete sich wie folgt (VL = Verhandlungsleiter, BW1= Ehegattin, BW2=Beschwerdeführer):
BW1: Man sieht es auch in den Medien, dass viele Gruppen gegründet sind, es gibt keine Stabilität in Mazedonien. Die Albaner sind mit den Mazedoniern nicht zufrieden.
VL: Haben Sie individuelle Fluchtgründe?
BW: Ja, ich habe meine eigenen Fluchtgründe.
VL: Welche?
BW: Ich stamme aus einer nicht albanischen Familie, ich stamme aus einer Goraner-Familie. Ich habe einen Albaner geheiratet, damit war meine Familie nicht einverstanden. Die Tradition der Goraner ist so, dass ein Goraner nur einen Goraner heiraten darf, aber keinen Albaner. Ich habe die Tradition gebrochen. Ich habe seit der Heirat keinen Kontakt mehr zu meiner Familie, sie reden nicht mit mir. Denn ich habe eine Person geheiratet, mit der meine Familie nicht einverstanden war, somit haben auch die Problem begonnen. Ich habe drei Kinder, ich hatte schon vor dem Krieg Probleme mit der Familie meines Ehegatten, aber nach dem Krieg in Mazedonien ist das Problem größer geworden. In der Gemeinde L., wo mein Mann wohnt, gibt es nur Albaner. Mein Mann lebt eigentlich im Dorf I., das gehört zu Gemeinde L.. Die Minderheit der Goraner, die dort lebt, unterstützt die Mazedonier. Daher mögen die Albaner die Goraner nicht. Ich habe mit meiner Schwiegermutter und mit dem Schwager zusammengelebt, sie mögen mich aber nicht. Ich habe in der Familie meines Ehegatten gelebt, aber dieses Leben war dort, wie Hausarrest, wie ein Hausgefängnis. Sie sagten, "du gehörst nicht zu uns! Du gehörst zu einer anderen Volksgruppe!" Ich wurde ständig unterdrückt. Ich hatte keine Unterstützung, zu meiner Familie habe ich ja auch keinen Kontakt. Es gab nur einen Cousin von mir, der mich ein wenig unterstützt hat, er hat aber seine eigene Familie und konnte mir nicht ständig helfen. Während des Krieges in Mazedonien, nahm ich meine Kinder und fuhr zu meinem Cousin, ich hatte sonst keine andere Unterstützung. Ich blieb einige Zeit beim Cousin, nach dem Krieg musste ich dann wieder zurück zu der Familie meines Ehegatten. Mein Cousin wollte, dass ich weiterhin bei ihm lebe. Da er der Meinung war, dass mein Leben bei den Albanern in Gefahr sei. Er hat aber seine eigene Familie und seine eigenen Probleme und bin ich deshalb ausgezogen. Es war eine Katastrophe für mich, während der Kampfhandlungen mit den Kindern unterwegs zu sein und habe auch erwartet, dass mir etwas passieren wird, entweder auf der Straße oder bei der Familie meines Ehegatten. Ich bin dorthin gegangen und es wurde mir ein Zimmer zu Verfügung gestellt. Es wurde mir auch gleich gesagt, dass ich mit denen nichts zu tun hätte. Es haben in der Folge auch die albanischen Dorfbewohner begonnen mich zu verfolgen. Sie fragten meinen Schwager, was ich als Goranerin dort zu suchen hätte. Sie sagten auch dazu, dass ich kein Recht hätte, mich im Gebiet der Albaner aufzuhalten, denn die Mazedonier haben uns zerstört und unsere Kinder umgebracht. Eines Tages sagte mir mein Schwager, dass ich das Haus unbedingt verlassen solle, ich soll einfach weg von hier, sagte er. Ich habe ihm gebeten, weiterhin dort bleiben zu dürfen, ich habe ihm gesagt, dass ich drei Kinder habe, und auch nicht zu meiner Familie gehen kann, denn für meine Familie existiere ich nicht, für meine Familie bin ich tot. Mein Vater hat zu mir gesagt, dass ich die Ehre der Familie verletzt hätte.
VL: Warum sind Sie geflohen?
BW: Ich hatte keinen anderen Ausweg.
VL: Warum sind Sie von Mazedonien geflohen?
BW: Ich hatte große Probleme in Mazedonien, mein Leben und das Leben meiner Kinder wurde zerstört. Ich konnte mich dort nicht mehr länger aufhalten. Nach einiger Zeit habe ich meinen Cousin wieder um Hilfe gebeten, denn ich kann nicht länger bei der Familie meines Ehegatten bleiben. Er hat mich aufgenommen, ich habe mich ca. 2, 3 Monate dort aufgehalten. Eines Tages sagte er zu mir, dass ich keinen Ausweg hätte außer mit meinen Kindern Mazedonien zu verlassen.
VL: Ich dachte, Sie sind wegen den Problemen Ihres Mannes ausgereist?
BW: Er hat auch Probleme, er hatte Probleme wegen dem Krieg. Der Krieg war zu Ende, aber die Hälfte der Soldaten die am Krieg teilnahmen, haben sich einer anderen Gruppe angeschlossen. Er hat auch ein weiteres Problem, weil er seine Waffe nach dem Krieg nicht abgegeben hat.
VL: Wie schauen die Probleme Ihres Mannes konkret aus?
BW: Mein Mann kann nicht nach Mazedonien zurück, weil er von dieser Gruppe gesucht wird. Solange ich mich im Haus meiner Schwiegereltern aufgehalten habe, suchten Menschen aus dieser Gruppe nach meinen Ehegatten. Sie haben auch einen Brief mitgebracht, und wollten dass mein Mann zu Türe kommt, ich sagte aber, dass er sich hier nicht aufhalten würde. Er sollte unterschreiben. Ich habe aber wiederholt, dass er sich hier nicht aufhalten würde. Sie haben mir diesen Brief auch ausgehändigt, darin stand, dass mein Mann gesucht wird. Ich fragte, warum er gesucht wird, sie sagten, dass es ihr Problem wäre, dann sind sie gegangen. Es gibt auf der einen Seite die Probleme meines Ehegatten und auf der anderen Seite meine Probleme.
VL: Was ist Ihre Muttersprache?
BW: Die alte mazedonische Sprache.
VL: Sprechen die Goraner altes mazedonisch?
BW: Ja, die Goraner in Kosovo sprechen serbisch, die in Mazedonien sprechen mazedonisch. Eigentlich sprechen die Goraner in Kosovo halbserbisch und halbmazedonisch.
VL: Ihr Vorname ist aber albanisch?
BW: Nein, das ist kein albanischer Name.
VL an D: Ist M. ein albanischer Name?
D: Soviel ich weiß, schon. E. ist auch albanisch, es kann als Vor- und auch Familienname genannt werden.
VL: Warum sagten Sie vor dem BAA, dass Sie Albanerin wären?
BW: Bei der Asylantragstellung? Ich wurde nur befragt, wie meine Kinder heißen und wie ich nach Österreich gereist bin und ob ich mich den Gründen meines Ehegatten anschließe.
VL: Sie sind mehr gefragt worden, alle Verwandten, Geburtsdatum, Geburtsort usw (AS 51).
BW; Ich stand unter Stress, vielleicht wurde das einfach hineindiktiert, ich habe es nicht gesagt. Ich würde ein Dokument vorlegen, dass es beweist, aber ich habe leider keines, ich habe Angst gehabt, ein Dokument mitzunehmen.
VL an D: Wie spricht die BW1?
D: Normal albanisch mit dem Dialekt der Albaner aus Mazedonien.
VL: AS 47 wird verlesen. Sie habe selbst handschriftlich geschrieben, dass Sie Albanerin sind.
BW: Ich wurde befragt, ob mein Mann Albaner ist, dass bejahte ich.
VL: Wer hat das Formular ausgefüllt?
BW: Ich. Ich sage nicht, dass ich das Formular ausgefüllt habe, oder nicht.
VL: Ist es Ihre Schrift?
BW: Ja. Ich wurde gefragt, ob mein Mann Albaner sei und ich habe ja auch bei Albanern gelebt. Ich konnte früher nicht albanisch, ich habe es von der Familie meines Mannes gelernt. Denn bei meiner Familie wird kein albanisch gesprochen. Ich war gezwungen albanisch zu sprechen, denn ich konnte mitten bei Albanern nicht meiner Sprache sprechen.
BWV: Keine Fragen.
VL: Sie haben in Skopje gelebt?
BW: Ja.
VL: In der Einvernahme vor dem BAA wird kein albanisches Dorf erwähnt.
BW: Es liegt in K.. K. liegt ca. 45 Minuten von Skopje entfernt.
VL: Vor dem BAA haben Sie als letzte Wohnadresse die Adresse Ihres Vaters angegeben, heute sagen Sie aber, dass Sie von Ihren Eltern verstoßen wurden?
BW: Als ich heiratete habe ich die Adresse meines Vaters behalten, damit meine ich, dass ich dort weiterhin angemeldet war.
VL: Wofür?
BW: Ich wollte von meinen Vater akzeptiert werden, ich war noch jung und war der Meinung, dass irgendwann mal die Zeit kommen wird, dass ich von meinem Vater wieder akzeptiert werde, auch meinen Familiennamen habe ich nicht geändert. Ich habe nicht den Familiennamen meines Ehegatten angenommen, ich habe gekämpft um von meiner Familie akzeptiert zu werden. Ich wollte alles tun, um nur in der Nähe meiner Familie zu sein.
VL an D: Ist S. ein albanischer Name?
D: Ja.
VL: Das ist der Vorname Ihres Vaters.
BW: Ich möchte noch sagen, dass es viele Goraner in Mazedonien gibt, die albanische Namen tragen. Das sind halt Moslems, die Goraner sind Moslems. Die Sprache ist zwar anders, aber sie sind Moslems.
D: Ich habe gehört, dass es im Kosovo auch Goraner gibt, die albanische Namen tragen.
BW: Ich lebe seit vier Jahren mit Goranern in Asylheimen zusammen, und sie haben normale albanische Namen wie, Sheval, Bajram, Xhafer. Das Problem für die Goraner ist nicht der Name, sondern die Sprache, sie sind die Minderheit. Die Albaner unterstützen nicht die Minderheit.
VL: Sie haben die gleichen Namen, die gleiche Religion und die gleiche Sprache, trotzdem mögen die Albaner die mazedonischen Goraner nicht?
BW: Sie mögen sie wegen der Sprache nicht. Wenn man nach Mazedonien fährt, und einen Albaner fragt, was die Goraner sind, dann sagt der Albaner, dass es Mazedonier sind.
BWV: Die Zugehörigkeit der BW1 zur Volksgruppe der Goraner kann hier ohne Sachverständigen nicht geklärt werden, der anwesende Dolmetscher ist, wie er selbst erwähnte, kein länderkundiger Sachverständiger und damit nicht im Stande festzustellen, ob die BW1 aufgrund ihres Dialektes, Familiennamens und Aussehens Angehörige der Goraner ist. Die Goraner sprechen einen an viele türkische Lehnwörter angelehnten Übergangsdialekt zwischen den torlakischen Dialekten des serbischen und den nördlichen Dialekten des Mazedonischen. Die BW1 erwähnte mir gegenüber im Vorgespräch, dass sie diesen Dialekt spricht, was hier natürlich nicht feststellbar ist, dass die BW1 in der Lage ist, frei albanisch zu sprechen, erscheint aufgrund der Eheschließung mit einem Albaner, einleuchtend. Die vom VL angesprochene Unterschied zu den vor der Erstinstanz aufgenommen Daten, könnten ohne weiters bei der Aufnahme entstanden sein, da sich die erste Instanz bei Asylerstreckungsanträgen oft und gerne an den Antrag des Hauptantragstellers orientiert und diese aufgrund zeitlichen Drucks rasch abhandelt, dies kann von der Vertreterin aufgrund langjähriger Erfahrung als früherer Flüchtlingsberaterin beim Asylamt und Rechtsberaterin bei der Erstaufnahmestellung bestätigt werden.
Zur Situation der Goraner in Mazedonien werden zwei Berichte vorgelegt aus denen hervorgeht, dass sie als ethnische Minderheit subtilen oder offenen Belästigungen Vandalismus und Gewalt ausgesetzt sind. Sie haben bei Inanspruchnahme Probleme bei medizinischen- und Ausbildungsdiensten. Fehlende ökonomische Fähigkeiten isolieren Familien und bringen diese in eine Außenseiterposition.
Bei Minderheitenangehörigkeiten der Goraner können Hinweise auf Verfolgung vorliegen.
VL: Was haben Sie für eine aktuelle Bedrohung?
BW2: Ich bin in Gefahr, sowohl vor den Mazedoniern als auch von der AKSH.
VL: Jetzt auch noch?
BW: Ja, noch immer, da ich meine Waffe nicht abgegeben habe.
VL: Wieso haben Sie die Waffe nicht abgegeben?
BW: Ich wollte sie nicht abgeben.
VL: In wie fern sind Sie in Gefahr?
BW: Ich bin mit einem Freund von mir nach K. gefahren. Wir wurden in der Stadt von zwei Polizisten angehalten und kontrolliert. Ich bin bei der UCK gewesen. In dem Moment als mein Freund kontrolliert wurde, bin ich davon gelaufen. Mein Freund wurde inhaftiert, seitdem habe ich nichts mehr von ihm gehört.
VL: Wann war das?
BW: Das passierte im Jahr 2001. Zu diesem Zeitpunkt hat die mazedonische Polizei keine Kontrolle über die albanischen Dörfer gehabt. Sie hat es einfach nicht gewagt in die Dörfer zu kommen, sie hat damals in K. kontrolliert. Jetzt ist es anders, jetzt können die Polizei auch in die Dörfer.
VL: Vor dem BAA haben Sie gesagt, dass Ihr Freund am 10. Jänner 2003 festgenommen wurde?
BW: Ich habe kein Datum erwähnt.
VL: Wann haben Sie für die UCK gekämpft?
BW: Im März 2001. Es gab eine Versammlung am 15.03.2001 in T..
VL: Seit dem waren Sie dabei?
BW: Richtig.
VL: Wie lange?
BW: Am 26.09.2001 sind die Waffen abgegeben worden. Ich war bei der UCK vom 13.08.2001 bis 26.09.2001.
VL: Ich habe vorher gefragt, ob Sie seit der Versammlung bei der UCK waren, und sie bejahten. Jetzt auf einmal sagen Sie seit 13.08.2001. Was stimmt nun?
BW: Ich war seit dem 15.03.2001 dabei. Am 13.08.2001 wurden die Waffen abgegeben und wir hatten bis 26.09.2001 noch Zeit die Waffen abzugeben.
VL: Sie haben davor gesagt: "Ich war bei der UCK vom 13.08.2001 bis 26.09.2001."
BW: Ich bin am 15.03.2001 der UCK beigetreten und zwar bis 13.08.2001, die Waffen wurden abgegeben und wir gingen nach Hause. Ich habe aber wie gesagt, die Waffe nicht abgegeben.
VL: Das kann man so einfach?
BW: Ja, ich wollte sie nicht abgeben.
VL: Das wird nicht kontrolliert?
BW: Es war gerade die Zeit in der die mazedonische Polizei es nicht gewagt hat, in die Dörfer zu kommen, sie hatten Angst.
VL: Warum haben Sie vor dem BAA immer vom Jahr 2002 gesprochen?
BW: Vielleicht habe ich da einen Fehler gemacht. Ich hatte Stress.
VL: Alle anderen gaben die Waffen ab?
BW: Es gab auch einige die die Waffen nicht abgegeben haben, sie haben sich der AKSH angeschlossen.
VL: Sie auch?
BW: Die AKSH wurde in Diber in der Nähe von Skopje gegründet.
VL: Da waren Sie dabei?
BW2: Nein, ich bin nicht hingegangen.
VL: Wann war das in etwa?
BW2: Im März 2002. Sie haben nach mir gesucht, aber ich habe mich versteckt. Ich habe mich im Heimatort so auch im Nachbarort N. versteckt. In N. habe ich die meiste Zeit verbracht, da ich Angst hatte, in meinem Heimatdorf gefunden zu werden. Ich habe Geld von meinen Freunden geborgt und bin dann 2003 aus Mazedonien geflohen. Ich wäre früher geflohen, aber ich hatte kein Geld dafür.
VL: Die AKSH wurde schon vor der UCK gegründet?
BW2: Ja, schon früher, da war es noch eine geheime Organisation. Sie haben es nicht gewagt sich offiziell zu präsentieren.
VL: Was befürchten Sie jetzt, im Jahr 2007?
BW2: Die Lage ist schlecht, das wird auch im RTK berichtet (Radiotelevision Kosovo).
VL: Wie meinen Sie das?
BW2: Im Dorf F. in der Gemeinde K. sind 5 Polizisten getötet worden. Die Polizei hat sich dorthin begeben um jemanden festzunehmen, es gibt dort aber eine starke Gruppe namens Tushka, diese hat gegen die Polizei gekämpft. Drei Personen sind getötet worden, 2 weitere wurden verletzt und ins Krankenhaus gebracht. Ich habe noch gehört, dass es wieder Krieg in Mazedonien geben wird, einen neuen Krieg, denn die Albaner haben die Rechte nicht erhalten.
VL: Kämpfen Sie dort wieder mit?
BW2: Nein, ich möchte nicht wieder zurück. Zwei der getöteten Polizisten waren Albaner, einen davon kannte ich persönlich, er hieß A.F. und stammte aus N..
VL: Sie fürchten sich also von der Gruppe Tushka und vor einem neuen Krieg?
BW2: Nein, Tushka hat mit mir nichts zu tun. Ich wollte nur erzählen, was es neues gibt.
VL: Wovor fürchten Sie sich dann im Jahr 2007?
BW2: Es gibt Streit zwischen den Parteien, ich habe gehört, dass der neue Krieg ausbrechen wird, davor habe ich Angst. Es wurde über den Vorfall in den Zeitungen berichtet. Die Gruppe Tushka ist eine sehr starke und gefährliche Gruppe, welche Leute tötet.
VL: Ist es eine albanische Gruppe?
BW2: Ja.
VL: Was wollen diese?
BW2: Sie bringen Leute um.
VL: Welchen Zweck erfüllt diese Gruppierung?
BW2: Mazedonische Polizei wagt es nicht in das Dorf F. zu gehen, ansonsten bricht der Krieg aus. Einmal hat es die Polizei gewagt und es gab Tote. Diese Gruppe hat Verbindungen zu der AKSh.
VL: Wer von Ihrer Familie ist noch in Mazedonien?
BW2: Zwei Brüder leben noch, mein Vater ist schon tot. Meine Mutter lebt noch dort und weitere Verwandte von mir.
VL: Wo haben Sie die Waffe versteckt?
BW2: Zuhause.
VL: In Ihrem Haus?
BW2: Ja.
VL: Diese Waffe wurde noch nicht gefunden?
BW2: Ich habe sie gut versteckt, die kann niemand finden.
VL: Wer wohnt in diesem Haus?
BW2: Einer meiner Brüder und meine Mutter.
BWV: Sie haben mir gegenüber im Vorbereitungsgespräch angegeben, dass Sie sich auch fürchten, wegen der Teilnahme an Kämpfen zur Rechenschaft gezogen werden, können Sie das bestätigen?
BW2: Ich kann sagen, dass ich sowohl von der AKSh als auch von der mazedonischen Polizei gesucht werde.
VL: Warum werden Sie von der AKSh gesucht?
BW2: Um zu kämpfen.
VL: Warum gerade Sie?
BW2: Weil ich Mitglied der UCK gewesen bin und ich ein guter Soldat war, deswegen werde ich gesucht.
VL: Sie sind aber schon 50 Jahre?
BW2: Ich möchte ja nicht zurück, sie wollen mich. Ich habe Angst davor.
VL: Erzählen Sie mir etwas über Ihre Kämpfe, wenn Sie ein guter Soldat waren?
BW2: Was soll ich Ihnen erzählen?
VL: Wenn Sie gekämpft haben, müssen Sie etwas erzählen können?
BW2: Halb 5 in der Früh in N. hat der Krieg begonnen. Wir waren ca. 70 Personen, dass habe ich bereits noch nicht erwähnt, aber ich werde aufgefordert es zu erzählen. Die mazedonische Polizei versuchte das Dorf zu stürmen, wir haben 2 Stunden gekämpft. Die Polizei war auch mit Panzern unterwegs, es waren ca. 100 Panzer, sie wollten das Dorf stürmen. Als der erste Panzer versuchte, in das Dorf zu gelangen wurde dieser vom Kommandant Teli, ein Albaner aus Albanien, von 5 weiteren Soldaten gestoppt, dieser Panzer befindet sich heut noch im Dorf, wir kämpften 2 Stunden lang und die Mazedonier haben es nicht geschafft, das Dorf zu erobern, so stark waren wir.
VL: Was haben Sie gemacht?
BW2: Ich habe wie die anderen gekämpft.
VL: Womit?
BW2: Wir haben geschossen, sie haben das Dorf nicht erobern können und haben sich zurückgezogen.
VL: Sie schießen mit den Gewehren gegen die Panzer?
BW2: Ja
VL: Was bewirkt eine Gewehrkugel gegen den Panzer?
BW2: Wir haben auch mit Zoll gekämpft. Das ist eine Antipanzerrakete.
VL: Diese hatten Sie?
BW2: Nein, ich hatte ein Maschinengewehr. Andere Freunde hatten die Antipanzerrakte. Ich habe geschossen.
VL: Auf den Panzer?
BW2: Es waren ca. 100 Panzer, die versuchten das Dorf zu stürmen. Es hat auch Soldaten gegeben, als sie gesehen haben, dass wir so stark sind, haben sie sich zurückgezogen. Das habe ich bis jetzt nicht angegeben, aber Sie haben mich aufgefordert und gefragt.
VL: Haben Sie jemand erwischt beim Schießen?
BW2: Wir haben geschossen, wir waren eine Gruppe, es ist möglich.
VL: War es der einzige Vorfall als Kämpfer?
BW2: Ich habe nur an dieser Kampfhandlung teilgenommen, es waren verschiedene Gruppen auf verschiedenen Dörfern verteilt.
VL: An welchen Tag war das?
BW2: Ich weiß es nicht.
VL: In etwa?
BW2: Das genaue Datum weiß ich nicht, ich glaube, es war ein Donnerstag.
VL: Wissen Sie die Jahreszeit?
BW2: Es war Frühling.
VL: Wie ist die AKSh mit Ihnen in Kontakt getreten?
BW2: Mit mir? Sie hatten keinen Kontakt zu mir, sie suchten mich nur. Die UCK hatte der AKSh meinen Namen bekannt gegeben.
VL: Ich dachte Sie bekamen einen Brief?
BW2: Ja, es gab einen Brief.
VL: Wann kam dieser?
BW2: Es war am 4 Uhr in der Früh, meine Gattin war zuhause, ich war nicht zuhause.
VL: Wo waren Sie, am 4 Uhr in der Früh?
BW2: Ich war in N..
VL: An welchem Tag?
BW2 überlegt.
BW2: Ich war nicht zuhause. Meine Gattin kann sich nicht erinnern. Sie hat diesen Brief nicht behalten, sie habe in zerrissen.
BW1: Ich kann mich leider nicht erinnern.
BW2: Ich habe sie gefragt, wieso sie den Brief nicht aufgehoben hat.
VL: Welches Jahr war das?
BW1: Im Jahr 2002, nach dem Krieg. Die Jahreszeit weiß ich nicht mehr.
VL: Was geschah dann?
BW1: Er wurde auch 2-3 Mal bei seiner Mutter gesucht, nachdem wir schon in Österreich waren. Wir haben große Probleme, mein Mann wird gesucht.
VL an BW2: Warum sagten Sie das nicht bei der ersten Einvernahme?
BW2 überlegt: Das habe ich gesagt. Beim BAA wurde auch gesagt, dass ich nach Mazedonien zurückkehren soll, weil sich die Lage gebessert hat und ich sagte, dass ich nicht zurückkehre, dass steht in der Einvernahme auch nicht darin. Das habe ich schon früher gesagt, die Lage wird nie besser.
VL: Sie haben auch nicht erwähnt, dass Sie die Waffe nicht abgegeben haben?
BW2: Ich kann mich nicht mehr erinnern, ob ich das angegeben habe oder nicht.
BWV: Der BW hatte im Laufe seines gesamten Verfahren Schwierigkeiten Daten korrekt anzugeben, diesbezüglich wird ein psychologischer Befundbericht vorgelegt, in welchem ein schweres posttraumatisches Belastungsstörung diagnostiziert wurde, und darauf hingewiesen, dass die mangelnde zeitliche Orientierung ein typisches Symptom der Erkrankung ist. Weiters wird darauf hingewiesen dass der BW bereits in seinem 2. Asylantrag, bzw. Ergänzung angegeben hat, seine Waffe nicht abgegeben zu haben, d.h. bereits vor Erlassung des VwGh-Urteils. Im Laufe des Verfahrens wurde von drei unterschiedlichen Amnestien gesprochen, wobei es sich bei jener vom Jahr 2001 um einen Regierungserlass handelt und kein Gesetz, dieser Erlass nimmt ausdrücklich Personen aus, die ihre Waffe nicht abgegeben haben. Dieser Regierungserlass wurde am 08.03.2002 in ein Gesetz umgesetzt, in welchem auch expliziert das Abgeben der Waffe als Voraussetzung für die Amnestie vorgesehen ist. Die letzte Amnestie aus dem Jahr 2003 bezieht sich nur auf die Wehrdienstverweigerer, damit bestünde für den BW die Gefahr eines Strafverfahrens im Falle der Rückkehr, wobei davon auszugehen ist, dass er als ehemaliger UCK-Kämpfer und Ehemann einer Goranerin vermehrte Willkür der Behörden ausgesetzt ist, als andere, dazu wird ebenfalls eine Entscheidung vom 29.08.2006. Mag. SCHWARZGRUBER vorgelegt, welcher für einen albanischen Staatsangehörigen aus Mazedonien der in das Blickfeld der mazedonischen Sicherheitsbehörden gerückt ist wegen Unterstützung der UCK, Asyl gewährt wurde. Laut diesem Bescheid ist es zudem nicht ausgeschlossen, das Polizeikräfte in Mazedonien ohne das dies von Behörden gewollt wäre, in Eigenregie unter außer Achtlassung der Gesetze (wie den Amnestiegesetz), gegen in ihren Augen missliebige der albanischen Volksgruppe angehörenden Familien vorgehen. Eine innerstaatliche Fluchtalternative steht dem BW nicht offen, zumal dieser keine Möglichkeit hat eine Lebensgrundlage für seine goranische Familie zu finden, noch weniger die notwendigen Medikamenten zu finden, dazu wird auf dem bereits vorgelegten Befundbericht verwiesen. Laut diesem wird eine psychotherapeutische Behandlung empfohlen. Beide BW nehmen regelmäßig Medikamente zur Besserung ihrer psychischen Verfassung ein. Der BW2 leidet an Diabetes, wofür ebenfalls regelmäßige Medikamenteneinnahme notwendig ist. Ich verweise auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hamburg, aus welchem hervorgeht, dass Medikamente bei psychischen Erkrankungen zwar verfügbar, aber nicht finanzierbar sind. Weiters wird eine Accordanfragebeantwortung vom 21.06.2005 in dieser Sache vorgelegt, aus welcher entnommen werden kann, dass immer noch ehemalige UCK-Mitglieder verhaftet würden, bzw. außergerichtlich zur Rechenschaft gezogen werden und diese Gefahr in besondere Maße von Polizeikräften ausgeht. Des weiteren sind einige Beispiele und Meldungen angeführt, die sich allerdings alle auf das Jahr 2002, 2003 beziehen und angemerkt wird, dass für heute derartige Meldungen fehlen. Ich weise daraufhin, dass aufgrund des Fehlens dieser Meldung nicht automatisch der Umkehrschluss gezogen werden kann, dass das heute nicht mehr vorkommt.
VL: Warum gehen Sie mit Ihren psychischen Problemen erst im Oktober 2007 zum Arzt?
BW2: Ich habe früher in XY gewohnt, und da wurde auch meine Zuckerkrankheit entdeckt.
VL: Frage wiederholt.
BW2: Ich habe Schlafstörungen und war beim Arzt, dieser sagte mir, dass ich einen Psychologen aufsuchen soll.
BW1: Wir haben auch früher schon Termine ausgemacht, aber der Termin wurde immer wieder verschoben.
VL: Warum erst so spät?
BW1: Er ist jetzt vor 8 Monaten krank geworden.
BW2: Ich leide an Bronchitis. Ich war dreimal im Spital für eine Woche.
VL an BW1: Was meinen Sie mit, er ist vor 8 Monaten krank geworden?
BW1: Er kann nicht einschlafen, er muss Tabletten nehmen, dann kann er schlafen. Er muss sich beruhigen, sonst ist er die ganze Zeit wach.
VL: Warum seit 8 Monaten?
BW1: Aus Stress. Ich bin auch krank auf dieser Seite, Lungen- und Herzkrank.
VL: Was ist mit Ihrem Knie?
BW1: Es wurde operiert, ich habe Schmerzen. Wir leben nur mit Medikamenten. Wir müssen die Medikamente einnehmen um Leben zu können, wenn Sie uns die Chance geben in Österreich zu bleiben, dann werden wir auch arbeiten, das macht gesund. Ich war glücklicher als ich gearbeitet habe, ich habe als Küchengehilfe gearbeitet. Wir wurden dann nach L. verlegt und da hatte ich keine Arbeitsbewilligung. Ich habe auch gefragt, warum ich nicht arbeiten darf, sie sagten dass Asylwerber nicht arbeiten dürfen.
Medikamente des BW2: Temesta ist gegen Schlafstörung, Diamicron, Diabetex, er nimmt sie seit 4 Jahren wegen Diabetes.
BW1: Ich nehme Medikamente wegen der Schilddrüse und Schmerzen im Brustkorbbereich. Wenn ich viel Nachdenke über die Probleme und nervös bin habe ich Schmerzen, wenn ich an meine Kinder denke, was mit ihnen später wird, bekomme ich keine Luft mehr.
BW2: Die Kinder gehen in die Schule und haben gute Ergebnisse, sie spielen auch Fußball, in L..
Erörtert wird der Bericht des auswärtigen Amtes zu Mazedonien, 28.01.2005
BWV: Dem Bericht des auswärtigen Amtes ist zu entnehmen, dass eine Vielzahl von Medikamenten nur in privaten Apotheken gegen volle Kostenübernahme des Patienten erhältlich sind.
Wenn die BW Sozialhilfe erhalten, wovon bei einer Mischehe nicht grundsätzlich davon auszugehen ist, ist laut dem Bericht der Primärschutz kostenlos. Doch auch dann gäbe es Eigenbeteiligung an den Medikamenten und der Behandlung. Der Eigenbeteiligung durch die Patienten. Der Eigenbeteiligungssatz beträgt bei den Medikamenten 20 %, bei kostenpflichtigen Behandlungen bis zu 70 %. Eine grundsätzliche Befreiung bestimmter Patientengruppen (Dialysepatienten) von jeder Eigenbeteiligung wird nicht mehr gewährt."
Im Anschluss an diese Verhandlung wurden folgende Fragen des UBAS vom Spezialattachè des Innenministeriums der österreichischen Botschaft in Skopje am 22.11.2007 wie folgt beantwortet:
1) Falls es der Botschaft möglich ist, die ethnische Zugehörigkeit von Personen zu eruieren, wird um Mitteilung ersucht, ob die an der Adresse XX, wohnhafte Familie E. der Volksgruppe der Goraner angehört.
Antwort zu Frage 1:
Es ist nicht möglich, Personen direkt aufzusuchen und zu ihrer ethnischen Herkunft zu befragen.
Grundsätzlich ist zu sagen, dass die Goraner hauptsächlich im Kosovo leben, und die goranische Volksgruppe in Mazedonien sehr klein ist. Offene Diskriminierungen gegen Goraner sind nicht bekannt, allerdings sind sie auch keine anerkannte Minderheitengruppe mit Parlamentsvertretung (ähnlich den Torbeschi - mazedonische Moslems). Dem Großteil der Goraner die 1999 aus dem Kosovo geflüchtet sind, wurde die mazedonische Staatsbürgerschaft zuerkannt.
2) Trifft es zu oder gibt es Hinweise darauf, dass Insurgenten der UCK nicht in den Genuss des Amnestiegesetzes vom März 2002 kommen, wenn sie ihre Waffen nicht bis zum 26.09 2001 abgegeben haben?
Antwort zu Frage 2:
Es trifft zu, dass sich die UCK am 27.9.2001, nach Abgabe von mehr als 4.000 Waffen und 400.000 Schuss Munition, als aufgelöst erklärt hat.
Im März 2002 wurde eine Amnestie für alle am Konflikt Beteiligten erlassen. Ausgenommen waren lediglich Personen, denen Kriegsverbrechen zur Last gelegt wurden, die in die Zuständigkeit des Internationalen Gerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag fielen. Die Amnestie gilt auch für Vorbereitungshandlungen, die vor dem 1. Januar 2001 getätigt wurden und erstreckt sich über den Friedensschluss vom 13. August 2001 hinaus für Delikte, die im Zusammenhang mit dem Konflikt stehen, bis zum 16. September 2001.
Im Zuge der Amnestie kamen 54 Gefangene frei und es wurden Hunderte von Verfahren gegen frühere UCK Kämpfer und Helfer eingestellt. Die Anklagebehörde forderte in fünf Fällen die Übertragung der Gerichtsbarkeit von der mazedonischen Justiz an das Haager Tribunal. Vier der Verfahren hatten mutmaßliche Übergriffe der UCK zum Gegenstand, das fünfte stand mit der Tötung von mindestens sechs Albanern in Ljuboten in Zusammenhang, für die die Sicherheitskräfte verantwortlich gemacht werden.
Das Amnestiegesetz wurde anfangs auf beiden Seiten unterschiedlich interpretiert, was zu wachsenden Spannungen führte. Die Praxis war jedenfalls im Jahr 2002 widersprüchlich, da vom zweiten Gericht in Skopje neben den Freilassungen auch Anklagen wegen Kriegsverbrechen ausgefertigt wurden. Vor Erlass der dazumal bereits angekündigten Amnestie war es zu Haftbefehlen gegen ehemalige UCK-Mitglieder gekommen.
Die Umsetzung des Gesetzes von März 2002 ist in allen Fällen, welche der Botschaft bekannt wurden, gelungen. Wenn sich manche ethnische Albaner nicht dem Gericht stellen wollten, was zum Erlangen der Amnestie erforderlich ist, dann deshalb, weil sie von den Sicherheitsbehörden wegen kriminellen Taten, die nicht der Amnestie unterliegen, gesucht werden. Auch in Skopje, wo sich die Richter zunächst gegen die Anwendung der Amnestie gewehrt haben, ist es energischen ethnisch-albanischen Anwälten gelungen, die Amnestie in allen Fällen, in welchen sie beantragt wurde, durchzusetzen, wenn nicht vor dem Grundgericht, dann zumindest vor dem Appellationsgericht.
Es erscheint unwahrscheinlich, dass ein solches Verfahren gem. Asylgesetz 2002 für den AW nicht positiv ausgehen würde, auch im Hinblick auf den Einfluss der ethnisch-albanischen Parteien. Die DPA wird keine Strafverfahren gegen ehemalige Angehörige der mazedonischen UCK zulassen.
3) Sind folgende Medikamente bzw. Substitute in Mazedonien verfügbar:
Temesta (Wirkstoff Lorazepam, angst- und krampflösend), Diamicron (Gliclozid) und Diabetex (Metformin), beides orale Antidiabetika zur Behandlung von Diabetes mellitus Typ 2 ?
Antwort zur Frage 3:
Alle 3 Medikamente sind in Mazedonien erhältlich.
Auf Grundlage des durchgeführten Ermittlungsverfahrens werden seitens des Unabhängigen Bundesasylsenates folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zu Grunde gelegt:
Festgestellt werden konnte, dass der Beschwerdeführer den im Spruch genannten Namen trägt, am 00.00.1957 geboren und Staatsangehöriger von Mazedonien albanischer Ethnie ist.
Zwei Brüder, die Mutter und die Schwiegereltern des Beschwerdeführers sind weiter in Mazedonien aufhältig. Ein Bruder und die Mutter des Beschwerdeführers leben in dessen Haus in V., nahe der Hauptstadt Skopje.
Der Beschwerdeführer ist im Besitze eines mazedonischen Personalausweises, ausgestellt am 00.00.2000 in Skopje.
Der Beschwerdeführer stellte am 20.03.2003 einen Asylantrag. Er ist verheiratet mit E.M. und hat mit ihr drei gemeinsame minderjährige Kinder. Ehegattin und Kinder haben am 04.08.2003 Asylersteckungsanträge gestellt.
Der Beschwerdeführer leidet seit Anfang 2007 an Schlafstörungen, laut psychologischen Befundbericht vom 09.10.2007 handelt es sich dabei um ein PTBS. Weiters laut Ärztlichem Attest vom 11.06.2007 an Diabetes mellitus Typ II, welches medikamentös behandelt wird. Er nimmt Temesta gegen die Schlafstörungen und Diamicron, Diabetex wegen der Diabetes.
Die Ehegattin nahm im Jahr 2006 Medikamente wegen einer Schilddrüsenerkrankung.
Feststellungen zu Mazedonien:
Mazedonien ist seit seiner Unabhängigkeit (1991) eine parlamentarische Demokratie, in der demokratische Prinzipien, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit verfassungsmäßig garantiert sind. Die innere Stabilität Mazedoniens bleibt aufgrund der ethnischen Polarisierung zwischen der ethn.-mazedonischen Mehrheit (ca. 64%) und insbesondere den ethn. Albanern (mindestens ca. 25%) als zweitgrößter Volksgruppe fragil. Im Februar 2001 kam es dabei in den Grenzregionen zum Kosovo zu teils schweren bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen albanischen Extremisten und mazedonischen Sicherheitskräften, in deren Verlauf zahlreiche Menschenrechtsverletzungen und große Flüchtlingsbewegungen zu verzeichnen waren. Auf internationale Ve