TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/08 E6 308232-1/2008

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Veröffentlicht am 08.10.2008
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Spruch

E6 308.232-1/2008-10E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Habersack als Vorsitzenden und die Richterin Dr. Grabner-Kloibmüller als Beisitzerin im Beisein der Schriftführerin Fr. Ahorner über die Beschwerde des D. B., geb. 00.00.1981, StA. Türkei, vertreten durch:

RA Dr. Kapferer, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 23.11.2006, FZ. 05 14.770-BAG, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 7, 8 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003, als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt. Der Beschwerdeführer stellte am 12.09.2005 einen Asylantrag und wurde hiezu am 22.09.2005 sowie am 22.11.2006 vor dem Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen.

 

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die Erstbehörde den Asylantrag des Beschwerdeführers vom 12.09.2005 gemäß § 7 AsylG 1997 ab, stellte fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zulässig sei und sprach zugleich gemäß § 8 Abs. 2 AsylG die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei aus. Die Erstbehörde traf darin aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben zur allgemeinen Situation der kurdischen Bevölkerung in der Türkei. Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers glaubwürdig, jedoch nicht geeignet sei, eine asylrelevante Verfolgung im Sinne der GFK zu begründen. Weiters wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer auch aufgrund seiner kurdischen Abstammung keine Verfolgung im Herkunftsstaat drohe und eine gegen ihn gerichtete Bedrohung im Sinne des § 50 Abs. 1 und Abs. 2 FPG nicht vorliege. Zu Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides wurde ausgeführt, dass die missbräuchliche Inanspruchnahme des Asylrechts als Instrument der Familienzusammenführung nicht im Einklang mit der Determiniertheit des Gesetzgebers nach einem geordneten Fremdenwesens stehe und sich aufgrund dieser Umstände ergebe, dass die Ausweisung trotz familiärer Anknüpfungspunkte in Österreich dringend zur Erreichung der Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele geboten sei.

 

Die dagegen fristgerecht erhobene Berufung (nunmehr Beschwerde) beschränkte sich auf eine allgemeine Kritik am erstinstanzlichen Verfahren, insbesondere auf die allgemeine Rüge, es habe an einer individuellen Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers gemangelt und sei dessen Ausweisung nicht im öffentlichen Interesse gelegen. Zudem wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer wäre aufgrund seiner kurdischen Abstammung Verfolgungen in der Türkei ausgesetzt.

 

Am 30.11.2007 wurde der Beschwerdeführer vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat im Rahmen einer ergänzenden Einvernahme befragt. Im Wesentlichen wiederholte er seine im erstinstanzlichen Verfahren getätigten Angaben und führte weiters aus, dass er keine Angst habe, in die Türkei zurückzukehren, er sich jedoch nicht von seiner Lebensgefährtin und seinen beiden Kindern, die seit Juli 2005 in Österreich aufhältig seien und über quotenfreie Niederlassungsbewilligungen als begünstigte Drittstaatsangehörige verfügen würden, trennen wolle.

 

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verwaltungsakt unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor der Erstbehörde, des bekämpften Bescheides, des Beschwerdeschriftsatzes sowie der ergänzenden Einvernahme vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Gemäß § 75 Abs. 7 Z 1 Asylgesetz 2005 idF BGBl. I 4/2008 sind Verfahren, die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig sind, vom Asylgerichtshof weiterzuführen.

 

Gemäß § 9 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 in der geltenden Fassung entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, soweit eine Entscheidung durch einen Einzelrichter oder Kammersenat nicht bundesgesetzlich vorgesehen ist. Gemäß § 60 Abs. 3 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide nach den §§ 4 und 5 AsylG 2005 und nach § 68 AVG durch Einzelrichter. Gemäß § 42 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung oder Rechtsfragen, die sich in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartender Verfahren stellt, sowie gemäß § 11 Abs. 4 AsylGHG, wenn im zuständigen Senat kein Entscheidungsentwurf die Zustimmung des Senates findet durch einen Kammersenat. Im vorliegenden Verfahren liegen weder die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch einen Einzelrichter noch die für eine Entscheidung durch den Kammersenat vor.

 

Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008) sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

2. Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt.

 

3. Das Bundesasylamt hat ein mängelfreies ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Der Asylgerichtshof schließt sich diesen Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid an und erhebt sie zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses.

 

4. Die Beschwerde hält der substantiierten Beweiswürdigung der Erstbehörde in Bezug auf die fehlende Asylrelevanz des Vorbringens des Beschwerdeführers nichts Substantiiertes entgegen. Insofern nunmehr angeführt wurde, der Beschwerdeführer sei aufgrund seiner kurdischen Abstammung Verfolgungshandlungen in der Türkei ausgesetzt, ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer stets ausdrücklich vorbrachte, zuletzt in der am 30.11.2007 ergänzenden Einvernahme vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat, dass er keinerlei Verfolgungshandlungen in der Türkei ausgesetzt war und auch im Falle einer Rückkehr keine solchen zu befürchten habe, sondern sein Heimatland lediglich zwecks Fortsetzung seines Familienlebens mit seiner in Österreich aufhältigen Lebensgefährtin und seinen Kindern verlassen habe.

 

5. Aus den unbestritten gebliebenen Feststellungen zur allgemeinen Situation der kurdischen Bevölkerung in der Türkei ergibt sich zudem, dass sich allein aus der Zugehörigkeit zur ethnischen Minderheit der Kurden in der Türkei kein asylrelevanter Umstand ergibt. In Ermangelung von Hinweisen, der Beschwerdeführer würde in seinem Herkunftsstaat einer Bedrohung im Sinne des § 50 Abs. 1 und Abs. 2 FPG ausgesetzt sein, war die Erstbehörde auch berechtigt, von der Gewährung subsidiären Schutzes in diesem Fall abzusehen.

 

6. Das Bundesasylamt hat im angefochtenen Bescheid zutreffend dargelegt, dass im gegenständlichen Fall durch eine Ausweisung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet in das durch Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützte Recht auf Privat- und Familienleben eingegriffen wird. Die vom Bundesasylamt im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK durchgeführte Interessensabwägung fiel zu Lasten des Beschwerdeführers aus.

 

Diese Entscheidung der Erstbehörde war insbesondere im Hinblick auf die zitierte Judikatur des EGMR und der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes nicht zu beanstanden.

 

Insgesamt übertreffen daher die öffentlichen Interessen an einer Effektuierung der negativen Asylentscheidung die gegenteiligen Interessen, sodass mangels Verletzung von Art. 8 EMRK nicht von der erstinstanzlichen Asylbehörde oder dem Asylgerichtshof auf eine Unzulässigkeit der Ausweisung zu entscheiden war.

 

Die Ausweisung stellt somit keinen unzulässigen Eingriff in eine gemäß Art 8 EMRK geschützte Rechtsposition dar.

 

Es wird in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen, dass das österreichische Niederlassungs- und Aufenthaltsrecht die Möglichkeit des Familiennachzuges - ohne die missbräuchliche Verwendung des Asylrechts als Instrument der Familienzusammenführung - bietet. Dies war dem Beschwerdeführer auch bewusst; er wollte bzw. will aber die Erteilung einer Einreisegenehmigung nach Österreich in der Türkei nicht abwarten.

 

7. Hinsichtlich der Frage der Zulässigkeit des Eingriffes in das Recht auf Privatleben des Beschwerdeführers ist im Hinblick auf die Judikatur des VwGH noch auszuführen, dass aufgrund der relativ kurzen Dauer des Aufenthaltes in Österreich (seit September 2005) nicht von einer nachhaltigen Integration, die schwerer als das öffentliche Interesse wiegen würde, ausgegangen werden kann (siehe VwGH vom 16.06.2000, Zl. 97/21/0349 zur Erlassung eines Bescheides betreffend die Ausweisung eines Fremden bei einer Aufenthaltsdauer von ca. zweieinhalb Jahren).

 

Nach der jüngsten Rechtsprechung des EGMR (EGMR 08.04.2008, Nnyanzi

v. the United Kingdom, 21878/06 bzgl. einer ugandischen Staatsangehörigen die 1998 einen Asylantrag in UK stellte) ist im Hinblick auf die Frage eines Eingriffes in das Privatleben maßgeblich zwischen niedergelassenen Zuwanderern, denen zumindest einmal ein Aufenthaltstitel erteilt wurde und Personen, die lediglich einen Asylantrag gestellt haben und deren Aufenthalt somit über die gesamte Dauer bis zur Entscheidung im Asylverfahren unsicher war, zu unterscheiden (im Falle der Beschwerdeführerin Nnyanzi wurde die Abschiebung nicht als ein unverhältnismäßiger Eingriff in ihr Privatleben angesehen, da von einem grundsätzlichen Überwiegen des öffentlichen Interesses an einer effektiven Zuwanderungskontrolle ausgegangen wurde).

 

Diesbezüglich ist ergänzend auszuführen, dass der Beschwerdeführer unter Umgehung der Grenzkontrolle illegal nach Österreich einreiste. Er stellte hier einen unbegründeten Asylantrag und zwar zu dem Zweck, in Österreich ein gemeinsames Leben mit seiner hier aufhältigen Lebensgefährtin und seinen beiden Kindern zu führen. Zum Entscheidungszeitpunkt hält sich der Beschwerdeführer insgesamt erst etwas mehr als drei Jahre in Österreich auf. Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang zentral auf VwGH 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479, wonach ein dreijähriger auf die Stellung eines Asylantrages gestützter Aufenthalt im Bundesgebiet (regelmäßig) noch keine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat begründet.

 

8. Nach Ansicht des Asylgerichtshofes fällt somit zusammenfassend unter Zugrundelegung dieser Kriterien die nach Art. 8 Abs. 2 EMRK gebotene Abwägung zu Lasten des Beschwerdeführers aus, dies insbesondere im Hinblick darauf, dass sich zum Entscheidungszeitpunkt der Beschwerdeführer insgesamt etwas mehr als drei Jahre in Österreich aufhält. Aufgrund der relativ kurzen Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich kann somit nicht von einer nachhaltigen Integration, die schwerer als das öffentliche Interesse an der Effektuierung der negativen Asylentscheidung wiegen würde, ausgegangen werden.

 

Die Ausweisung des Beschwerdeführers in die Türkei ist daher zulässig.

 

9. Der Sachverhalt ist zusammengefasst, wie dargestellt, aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde, geklärt (entspricht der bisherigen Judikatur zu § 67d AVG) und sind somit schon aus diesem Grund die Voraussetzungen des § 41 Abs 7 AsylG verwirklicht, von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

 

Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, non refoulement, Volksgruppenzugehörigkeit
Zuletzt aktualisiert am
26.01.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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