C8 247289-0/2008/1E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Felseisen als Vorsitzenden und den Richter Mag. Dragoni als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Fr. Bernold über die Beschwerde S.J., geb. 00.00.1984, StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 03.02.2004, AZ. 03 31.998-BAW, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt.
Die Beschwerde des S.J. vom 16.02.2004 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 03.02.2004, Zl. 03 31.998-BAW wird gemäß § 7, § 8 Abs. 1 und 2 AsylG 1997, BGBl I Nr. 76/1997 idF BGBl I Nr. 101/2003, abgewiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsbürger, stellte am 16.03.2003 einen Asylantrag in Österreich. Er wurde in diesem Zusammenhang am 2.2.2004 vom Bundesasylamt, Außenstelle Traiskirchen, einvernommen.
In der Niederschrift vom 2.2.2004 gab der Beschwerdeführer an, dass er am 19.9.2003 sein Heimatdorf D. verlassen habe und nach Neu-Dheli gefahren wäre. Von dort sei er am 24.9.2003 nach Moskau geflogen. Bei der Ausreise aus Indien habe er keine Probleme gehabt.
Nachdem sein Vater im Jahr 1996 verstorben sei, habe ihm sein Onkel, S.V., laufend Probleme gemacht, weil dieser das Land von seinem Vater bewirtschaftet habe. Er habe ihn oft verprügelt und mit dem Umbringen gedroht. Die Mutter des Beschwerdeführers habe daraufhin mit ihrem Bruder, Herrn R.H., gesprochen. Da diese aber Angst gehabt hätte, habe ihn sein Onkel, Herr R.H., ins Ausland geschickt.
Die Probleme hätten sich im konkreten so dargestellt, dass sein Vater fünf Brüder gehabt hätte. Das Land seines Vaters sei untereinander aufgeteilt worden. Den Teil des Landes, welchen er von seinen Vater hätte erben sollen, hätte er allerdings nicht bekommen. Sobald er davon geredet habe, hätten sie ihn gedroht umzubringen.
Sein Onkel, mütterlicherseits, R.H., habe bei der Polizei zwar Anzeige erstattet. Die Polizei sei aber nach Aussage des Beschwerdeführers bestochen und unternehme nichts. Die Anzeige sei im Jahr 2000 erstattet worden. Der Beschwerdeführer gab an, dass sein Onkel drei bis vier Mal bei der Polizei gewesen sei. Es sei allerdings nichts passiert.
Einen Anwalt zur Durchsetzung seiner Ansprüche habe er nicht kontaktiert. Darüber hinaus habe er keine Ahnung gehabt, was er bei der Beauftragung eines Rechtsanwaltes machen hätte müssen.
Der Beschwerdeführer gab überdies an, dass er einerseits nie in Haft gewesen wäre und andererseits nie Probleme mit den Sicherheitsbehörden oder dem Militär gehabt hätte.
Auf die Frage, ob sich der Beschwerdeführer vorstellen hätte können in einen anderen Teil Indiens zu arbeiten bzw. zu leben, gab der Beschwerdeführer an, dass er nicht gewusst hätte, wo er in Indien hingehen solle. Sein Onkel hätte ihn nach Österreich geschickt. Dieselbe Antwort gab der Beschwerdeführer auf die Frage, ob es für ihn vorstellbar wäre in New Dheli zu leben bzw. zu arbeiten, von sich.
2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 3.2.2004, Aktenzahl 03 31.998-BAW wurde der Asylantrag des Asylwerbers gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen, zugleich wurde ihm im Spruchpunkt II gemäß 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Indien nicht zuerkannt.
Die Aussagen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen wurden als nicht glaubwürdig gewertet (Seite 16 ff. des Erstbescheides). Dem Beschwerdeführer wurde insofern nicht gefolgt, als das Bundesasylamt im Rahmen der von ihr vorgenommenen Beweiswürdigung die Angaben des Beschwerdeführers als unwahr angenommen hat, sodass die vom Beschwerdeführer behaupteten Fluchtgründe nicht als Feststellung der rechtlichen Begründung zugrunde gelegt wurden. Daher sei auch deren Eigenschaft zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung nicht näher zu beurteilen gewesen.
Unabhängig von der Frage der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers ging das Bundesasylamt davon aus, dass die vom Beschwerdeführer geltend gemachten bzw. pauschal befürchteten Übergriffe durch seinen Onkel S.V. bzw. dessen Brüder keine Flüchtlingseigenschaft begründen würden.
Nach Ansicht des Bundesasylamtes könne der Staat nicht jeden denkbaren Übergriff Dritter verhindern. Es könne von keinem Staat verlangt werden, dass er jeden Staatsbürger jederzeit umfassend schützen könne. Übergriffe von privater Seite würden nur dann eine Verfolgung im Sinne der GFK darstellen, wenn der Staat für jenes Tun wie für eigenes Handeln verantwortlich sei. Dies sei nur dann der Fall, wenn der Staat zu Verfolgungsmaßnahmen anregen würde oder derartige Handlungen unterstützen, billigen oder tatenlos hinnehmen würde. Dafür würden sich jedoch weder aus dem Amtswissen noch aus den Erkenntnissen der allgemeinen Verhältnisse in Indien objektivierbare Anhaltspunkte ergeben.
Im Übrigen würde darauf hingewiesen, dass sich der Beschwerdeführer in einem anderen Landesteil von Indien z.B. in New Dheli niederlassen könne und dort unbehelligt von Übergriffen seitens dieser Personen leben könne. Für die Gewährung von Asyl sei nämlich auch erforderlich, dass der Asylwerber im gesamten Gebiet seines Heimatlandes Verfolgung zu befürchten hätte.
Zu Spruchpunkt II führte das Bundesasylamt aus, dass den Angaben des Beschwerdeführers nach keine Glaubwürdigkeit zuerkannt werden hätte können, weshalb auch nicht von einer Gefährdung im Sinne des § 57 FrG ausgegangen werden könne. Auch hätten sich keine in der Person des Beschwerdeführers gelegenen außergewöhnlichen Umstände (lebensbedrohende Erkrankung oder dergleichen) ergeben, welche einer Abschiebung im Sinne von Artikel 3 EMRK entgegenstehen könnten.
3. Dagegen richtet sich die rechtzeitig erhobene Berufung.
4. Beweis wurde durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verwaltungsakt und zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Berufungswerbers vor der Erstbehörde des bekämpften Bescheides sowie des Berufungsschriftsatzes erhoben.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1. Anzuwenden war das AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76 in der Fassung BGBl. I Nr. 126/2002, die §§ 8, 15, 22, 23 Abs. 3, 5 und 6, 36, 40 und 40a in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003 (im Folgenden: "AsylG 1997"), das AVG, BGBl. Nr. 51/1991 in der geltenden Fassung und das ZustG, BGBl. Nr. 200/1982 in der geltenden Fassung. Hinsichtlich des Verfahrens vor dem Asylgerichthof waren die einschlägigen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100 in der geltenden Fassung (im Folgenden: "AsylG 2005") anzuwenden.
Gemäß § 9 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 in der geltenden Fassung entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, soweit eine Entscheidung durch einen Einzelrichter oder Kammersenat nicht bundesgesetzlich vorgesehen ist. Gemäß § 60 Abs. 3 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide nach den §§ 4 und 5 AsylG 2005 und nach § 68 AVG durch Einzelrichter. Gemäß § 42 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung oder Rechtsfragen, die sich in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartender Verfahren stellt, sowie gemäß § 11 Abs. 4 AsylGHG, wenn im zuständigen Senat kein Entscheidungsentwurf die Zustimmung des Senates findet durch einen Kammersenat. Im vorliegenden Verfahren liegen weder die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch einen Einzelrichter noch die für eine Entscheidung durch den Kammersenat vor.
2. Das Bundesasylamt, Außenstelle Traiskirchen, hat mit dem Beschwerdeführer eine Einvernahme durchgeführt. Der Beschwerdeführer wurde konkret und ausführlich zu seinen Fluchtgründen befragt. Der festgestellte Sachverhalt, dessen Beweiswürdigung und rechtliche Subsumtion finden ihren Niederschlag im angefochtenen Bescheid.
Der Asylgerichtshof geht, wie bereits die Behörde erster Instanz festgestellt hat, davon aus, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers zum Fluchtgrund nicht glaubhaft ist und folgt insofern der Ansicht des Bundesasylamtes, als es nicht glaubhaft erscheint, dass der Beschwerdeführer von seinem Onkel S.V. bzw. den anderen Brüdern des Vaters verfolgt worden sein soll. In diesem Zusammenhang bleibt zu erwähnen, dass es ebenso unglaubwürdig erscheint, dass die Polizei jegliche Handlungen unterlassen haben soll, nachdem der Onkel mütterlicherseits drei oder vier Mal bei der Polizei vorgesprochen hat soll. Die Annahme des Beschwerdeführers, dass die Polizei bestochen worden ist, lässt sich ebenso wenig aus dem vom Beschwerdeführer vorgebrachten nachvollziehen.
In der Beschwerde werden den individuellen Ausführungen des Bundesasylamtes keine konkreten Argumente entgegengesetzt bzw. wird kein substantiiertes Beweisanbot getätigt, welches Anlass zu weiteren Ermittlungen des Asylgerichtshofes geboten hätte. Ferner sind nach Ansicht des erkennenden Gerichtshofes - vor allem auch im Hinblick der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers - die von der Erstbehörde der Entscheidung zu Grunde gelegten Länderberichte und die getroffenen Länderfeststellungen für den konkreten Fall ausreichend.
Dass sich seit der Erlassung des Erstbescheides in Indien allgemein eine entscheidende Lageveränderung ergeben hätte, kann in diesem Fall verneint werden und stellt sich die Lage in Indien seit Jahren im Wesentlichen unverändert dar, wie sich der Asylgerichtshof durch ständige Beachtung der aktuellen Quellenlage, u.a. durch Einschau in die Folgeberichte des Auswärtigen Amtes- im Interesse des Beschwerdeführers- versichert hat.
Der Asylgerichtshof geht wie bereits die Behörde erster Instanz davon aus, dass der vom Beschwerdeführer angeführte Fluchtgrund nicht asylrelevant ist, da die Verfolgung von Privatpersonen ausgeht und der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen konnte, dass ihm aus einem Grund der Genfer Flüchtlingskonvention kein staatlicher Schutz gewährt würde. Der Beschwerdeführer stützte die behauptete mangelnde Schutzwillig-, bzw. Schutzfähigkeit der Polizei lediglich darauf, dass sein Onkel R.H. drei oder vier Mal bei der Polizei gewesen wäre. Inwieweit von diesem eine Anzeige erstattet wurde, konnte allerdings vom Beschwerdeführer selbst nicht beantwortet werden.
Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer seinen eigenen Angaben nach zur Durchsetzung seiner zivilrechtlichen Ansprüche die Einschaltung eines Rechtsanwaltes nicht in Erwägung gezogen, zumal dieser gar nicht gewusst hat, wie er diesen beauftragen hätte sollen.
Ferner wird - wie schon von der Erstbehörde ausgeführt - auf die in den Länderfeststellungen angeführte Möglichkeit verwiesen, sich in anderen Landesteilen Indiens niederzulassen und könnte der Beschwerdeführer somit durch Verlegung seines Aufenthaltsortes in eine andere Region Indiens, beispielsweise nach Delhi oder Mumbai, der befürchteten Verfolgung, dass der Beschwerdeführer durch seine Onkeln wegen des umstrittenen Landes umgebracht werden könnte, entgehen.
Der Beschwerdeführer schließt es seinen eigenen Angaben nach -abgesehen davon, dass er nicht gewusst habe, an welchen anderen Ort er sich in Indien begeben sollte- nicht aus in einem anderen Landesteil in Indien leben bzw. arbeiten zu können. Unabhängig davon ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit - auch angesichts der Größe und der Bevölkerungsdichte - nicht davon auszugehen, dass die in seinem Heimatort lebenden Onkeln ihn tatsächlich überall in Indien suchen würden und finden könnten, zumal es diesen offensichtlich lediglich um die Innehabung des Grundstückes des Beschwerdeführers gegangen ist. Anhaltspunkte für eine Unzumutbarkeit im individuellen Fall, sich in anderen Landesteilen niederzulassen, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.
Schließlich ist noch festzuhalten, dass der Beschwerdeführer niemals eine drohende Verfolgung durch staatliche Behörden vorgebracht hat.
Auch die Ausführungen des Bundesasylamtes zu Spruchpunkt II sind nicht zu beanstanden. Es ist, wie schon von der Erstbehörde dargelegt nicht ersichtlich, warum dem Beschwerdeführer eine Existenzsicherung auch in anderen Landesteilen Indien nicht möglich und zumutbar sein sollte. Eine schwere Krankheit oder ein sonstiger Hinweis auf eine besondere Vulnerabilität des Beschwerdeführers sind im Asylverfahren nicht hervorgekommen.
Darüber hinaus ist der erstinstanzlichen Behörde zuzustimmen, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestehen, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr Gefahr liefe, in Indien einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden und daher kein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 8 Abs. 1 AsylG vorliegt. Auch besteht in Indien bezogen auf den Gesamtstaat derzeit keine exzeptionelle Situation, wodurch eine Gefährdung im Sinne der Art. 2 und 3 EMRK gegeben wäre. Eine ausnahmsweise andere Situation hat der Beschwerdeführer nicht belegen können. Ebenso wenig sind auf die Person des Beschwerdeführers bezogene "außergewöhnliche Umstände" ersichtlich.
4. Die Prüfung einer Ausweisung im Sinne von § 8 Abs. 2 AsylG idF BGBl. I 101/2003 war in verfassungskonformer Auslegung von § 8 Abs. 2 iVm § 44 Abs. 3 AsylG nicht vorzunehmen; dies im Hinblick darauf, dass mit erstinstanzlichem Bescheid - der damaligen Rechtslage entsprechend - keine Ausweisung verfügt wurde und der Asylgerichtshof auf Grund Art. 129c B-VG als Überprüfungsinstanz in Asylsachen eingerichtet ist und solcherart nicht zu einer - im Ergebnis - erstinstanzlichen Entscheidung über die Ausweisung eines Fremden zuständig gemacht werden darf. Verfassungskonform kann § 8 Abs. 2 iVm § 44 Abs. 3 AsylG nur dahingehend ausgelegt werden, dass eine Ausweisung nur dann vom Asylgerichtshof verfügt werden darf, wenn bereits die erstinstanzliche Entscheidung darüber abgesprochen hat.
5. Der Sachverhalt ist zusammengefasst, wie dargestellt, aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde, geklärt (entspricht der bisherigen Judikatur zu § 67d AVG) und sind somit schon aus diesem Grund die Voraussetzungen des § 41 Abs 7 AsylG verwirklicht, von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.
Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.