TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/09 E9 218269-0/2008

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Veröffentlicht am 09.10.2008
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Spruch

E9 218.269-0/2008-4E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Reinhard ENGEL als Vorsitzenden und den Richter Mag. Hermann LEITNER als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Barbara MAYER über die Beschwerde des O.A., geb. am 00.00.1962, StA. Türkei, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Michael-Thomas REICHENVATER, 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 24.07.2000, FZ. 00 07.682-BAG, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde wird gemäß § 7 AsylG 1997, BGBl I 76/1997 idF BGBl I 129/2004, als unbegründet abgewiesen.

 

II. Hinsichtlich Spruchpunkt II wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gem. § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt verwiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei, stellte am 23.06.2000 beim Bundesasylamt (BAA) einen Asylantrag ein.

 

Als Begründung für das Verlassen des Herkunftsstaates brachte er im Wesentlichen vor, er sei mit seiner Firma in Konkurs gegangen.Nunmehr werde er von ehemaligen Gläubigern bzw. von diesen beauftragten Angehörigen der Mafia bedroht und es würden diese geschuldetes Geld von ihm fordern.

 

Der Asylantrag wurde folglich mit Bescheid des BAA vom 24.07.2000, Zahl: 00 07.682-BAG, gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl I 1997/76 (ASylG) idgF abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 AsylG wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Türkei für zulässig erklärt (Spruchpunkt II.).

 

Gegen diesen Bescheid hat der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Hinsichtlich des konkreten Inhaltes der Beschwerde, der bei den Erwägungen des Asylgerichtshofes berücksichtigt wurde, wird auf den Akteninhalt verwiesen (VwGH 16.12.1999, 99/20/0524).

 

Die im angefochtenen Bescheid bereits enthaltene Sachverhaltsdarstellung wird hiermit zum Inhalt dieser Entscheidung erklärt. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist das erkennende Gericht berechtigt näher bezeichnete Teile des angefochtenen Bescheides zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses zu erheben ohne sie wiederholen zu müssen (vgl. z.B. VwGH vom 4. 10. 1995, 95/01/0045; VwGH 24. 11. 1999, 99/01/0280; auch VwGH 8. 3. 1999, 98/01/0278).

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes.

 

Die belangte Behörde legte im Rahmen der Beweiswürdigung (Bescheid S 3-4) dar, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei, sein dargelegtes und unbescheinigt gebliebenes ausreisekausales Vorbringen glaubhaft zu machen, da dieses in wesentlichen Punkten widersprüchlich bzw. nicht plausibel war.

 

So sei es nicht plausibel, dass der BF, obwohl er behauptetermaßen von der "Mafia" verfolgt wurde, dann sich während der häufigen "Bedrohungen" durch die Mafia und auch über 8 Monate nach der letzten Drohung noch ständig in seinem Wohnhaus aufgehalten haben soll, wobei er dieses bis zur Ausreise nie verlassen habe. Zu konkreten Übergriffen sei es in dieser Zeit nicht gekommen. In so einer Lage wäre es im Falle einer tatsächlichen Bedrohung von Leib oder Leben der allgemeinen Lebenserfahrung nach zu erwarten gewesen, einen Ortswechsel vorzunehmen und nicht an der auch sicherlich den Gläubigern als ehemalige Geschäftspartner bzw. der "Mafia" bekannten Wohnadresse des BF zu verweilen.

 

Nicht schlüssig sei auch, dass der BF als Leiter der konkursbehafteten Lederfabrik nicht in der Lage gewesen sei diejenigen Gläubiger der Firma zu benennen, welche im Konkursverfahren "leer" ausgegangen waren.

 

Der BF habe auch dargelegt, dass er nach dem Konkurs ab Juni 1999 "zu Hause gewesen sei und es nie verlassen habe". Andererseits habe er aber dargelegt, dass er ab Mai [gemeint wohl "April" [AS 35]) 1999 für 3 Monate (also noch den gesamten Juni, wo er sich eigentlich schon im Haus in der Türkei versteckt haben soll) auf Besuch bei seinen Brüdern in der BRD gewesen sei.

 

Die vom BAA vorgenommene Beweiswürdigung ist im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze in sich schlüssig und stimmig. Sie steht auch im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Behörde einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anerkennen kann, wenn der Asylwerber während des Verfahrens im Wesentlichen gleich bleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängten, dass sie nur der Asylerlangung um jeden Preis dienen sollten, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen. Als glaubhaft könnten Fluchtgründe im Allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 6.3.1996, 95/20/0650).

 

Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,

5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: "Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (...)".

 

Aus Sicht des Asylgerichtshofes ist unter Heranziehung dieser, von der höchstgerichtlichen Judikatur festgelegten, Prämissen für den Vorgang der freien Beweiswürdigung dem Bundesasylamt nicht entgegenzutreten, wenn es das ausreisekausale Vorbringen im Ergebnis als nicht glaubhaft qualifiziert. Der Asylgerichtshof schließt sich den hier nur auszugsweise dargestellten beweiswürdigenden Argumenten des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid an und erklärt sie zum Inhalt dieser Entscheidung.

 

Trotz des Umstandes, dass dem BF durch die angefochtene Entscheidung des BAA bekannt sein musste, dass ihm mit diesem unbescheinigten Vorbringen die Glaubhaftmachung nicht gelungen ist, blieb es auch im Beschwerdeverfahren unbescheinigt. Dass solche Nachweise auch im Asylverfahren eine nicht unbedeutende Rolle spielen, musste ihm spätestens seit der zugestellten Ladung zur Einvernahme beim BAA bewusste sein, worin er aufgefordert wurde "für das Verfahren relevante Beweismittel, wie Zeugnisse, Fotografien usw." zur Einvernahme mitzubringen. Zudem verfügt der BF im Beschwerdeverfahren über Unterstützung durch einen Rechtsanwalt.

 

Dass es hier zur "Glaubhaftmachung" (der Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt zu sein) überhaupt keiner Bescheinigungsmittel seitens des BF bedurft hätte, bietet der gegenständliche Fall unter Berücksichtigung (der nicht unmittelbar anwendbaren Norm) des Art 4 Abs 5 der Richtlinie 2004/83 des Rates, worin hinsichtlich der Glaubhaftmachung Grundsätze der Staatenpraxis dargestellt werden, keine hinreichenden Anhaltspunkte. Die Grundsätze lauten:

 

"Wenden die Mitgliedstaaten den in Absatz 1 Satz 1 genannten Grundsatz an, wonach der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz begründen muss, und fehlen für Aussagen des Antragstellers Unterlagen oder sonstige Beweise, so bedürfen diese Aussagen keines Nachweises, wenn

 

a) der Antragsteller sich offenkundig bemüht hat, seinen Antrag zu substanziieren;

 

b) alle dem Antragsteller verfügbaren Anhaltspunkte vorliegen und eine hinreichende Erklärung für das Fehlen anderer relevanter Anhaltspunkte gegeben wurde;

 

c) festgestellt wurde, dass die Aussagen des Antragstellers kohärent und plausibel sind und zu den für seinen Fall relevanten besonderen und allgemeinen Informationen nicht in Widerspruch stehen;

 

d) der Antragsteller internationalen Schutz zum frühest möglichen Zeitpunkt beantragt hat, es sei denn, er kann gute Gründe dafür vorbringen, dass dies nicht möglich war;

 

e) die generelle Glaubwürdigkeit des Antragstellers festgestellt worden ist."

 

Im gegenständlichen Fall sind wesentliche Teile seines Vorbringens nicht kohärent und plausibel. Es kann auf Grund der Ausführungen des Bundesasylamtes auch die generelle Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden. Somit hätten seine entscheidungsrelevanten Aussagen auch nach der leg cit eines "Nachweises" zur Glaubhaftmachung bedurft, der bis zur gegenständlichen Entscheidung jedoch nicht erbracht wurde.

 

Im Übrigen wird die Beweiswürdigung des BAA in der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. auch nicht substantiiert bekämpft, weshalb der Asylgerichtshof nicht veranlasst war das Ermittlungsverfahren zu wiederholen bzw. zu ergänzen (vgl. zB. VwGH 20.1.1993, 92/01/0950; 14.12.1995, 95/19/1046; 30.1.2000, 2000/20/0356; 23.11.2006, 2005/20/0551 ua.).

 

Der BF ist den die Beweiswürdigung tragenden Argumenten der belangten Behörde nicht konkret und substantiiert entgegen getreten. Insbesondere das stichhaltigste Argument für eine mangelnde Plausibliität eines tatsächlich bestehenden Verfolgungsszenarios, nämlich der Umstand, dass sich der BF vor seinen Verfolgern genau an jenem Ort "versteckt" hält, der für diese noch am leichtesten zum Ausforschen ist, nämlich sein eigenes Haus, wurde im Wesentlichen nicht bekämpft. Auch nicht das Argument, dass es gegen eine aktuelle Verfolgungsgefahr bzw. auch gegen eine subjektive Furcht vor einer solchen spricht, dass er nach der letzten Drohung noch rund 8 Monate bis zur Ausreise zu Hause verweilte.

 

In der Beschwerde wird gerügt, dass die belangte Behörde, hätte sie "entsprechende Ermittlungen zur allgemeinen Lage im Heimatland" des BF getroffen, auf die Glaubwürdigkeit seiner Angaben schließen hätte können. Es hätte sich dabei ergeben, "dass in der Türkei zahlreiche Mafiagruppierungen tätig seien" und die Polizei nicht in der Lage wäre solche Übergriffe zu verhindern.

 

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt die Ansicht, dass die Behauptungen des Asylwerbers auch am "Verhältnis zu der Berichtslage in Bezug auf das Ereignis, von dem er betroffen gewesen sein will", zu messen (VwGH 30.9.2004, 2001/20/0135, in diesem Sinne auch VwGH 31.5.2005, 2005/20/0176) sind.

 

Zweifelsfrei hätte es einer Darstellung der diesbezüglichen Lage im Herkunftsstaat bedurft, wenn das BAA die Nichtglaubhaftmachung darauf gestützt hätte, dass sie das ausreisekausale Vorbringen deshalb für nicht glaubhaft hält, weil es die Ansicht vertrete, dass es derartige kriminelle Strukturen in der Türkei nicht gebe oder solche Verhaltensweisen von Kriminellen in der Türkei generell nicht real bzw. auszuschließen wären. Hier hätte es jedenfalls entsprechender Ermittlungen und einer Darstellung im angefochtenen Bescheid bedurft, damit diese Schlüsse auf Grund der Berichtslage nachvollziehbar wären.

 

Im konkreten Fall hat die Erstbehörde dies offensichtlich an sich nicht in Zweifel gezogen und ihre Beweiswürdigung auch nicht auf solche Argumente gestützt, sondern auf seine Angaben über Erlebnisse, die er persönlich erfahren haben will und die in wesentlichen Punkten widersprüchlich bzw. nicht plausibel waren. Das BAA hat daraus im Rahmen einer nachvollziehbaren und zutreffenden Beweiswürdigung geschlossen, dass es nicht glaubhaft sei, dass dies der BF tatsächlich so erlebt hat bzw. dies sein Ausreisemotiv war. Seinem Vorbringen ist unter Einbeziehung der allgemeinen Lebenserfahrung nicht ansatzweise zu entnehmen, dass es sich bei seinen geschilderten persönlichen Erlebnissen um Ereignisse handelt, die etwa derart öffentlichkeitswirksam gewesen wären, dass sie in Berichten ihren Widerhall gefunden hätten. Es wurde vom BF weder im erstinstanzlichen Verfahren noch in der Beschwerde konkret behauptet, dass es eine "Berichtslage in Bezug auf das konkrete Ereignis" geben würde, in der also seine persönlichen Erlebnisse, etwa auch unter Erwähnung seines Namens, wiedergegeben werden. Solche Bescheinigungsmittel wurden seitens des BF auch nicht angeboten. Er legte auch nicht konkret dar, wie sich aus "allgemeinen" Berichten seine Widersprüche bzw. Unplausibilitäten in den eigenen Angaben über nicht dokumentierte persönlich Erlebnisse konkret aufklären ließen. Ohne hier eine antizipierte Beweiswürdigung vorzunehmen, kann vertretbar davon ausgegangen werden, dass es in diesem speziellen Fall zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides nicht auf die "allgemeine" Berichtslage über ohnedies unstreitige Punkte - nämlich, dass in der Türkei zahlreiche Mafiagruppierungen tätig sind - ankommt, weshalb auch der Asylgerichthof diesbezüglich kein ergänzendes Ermittlungsverfahren durchzuführen hat. (vlg. dazu die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach Beweisanträge nur dann abgelehnt werden dürfen, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, wenn es auf sie nicht ankommt oder wenn das Beweismittel - ohne unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung - untauglich ist (vgl etwa jüngst das hg Erkenntnis vom 27. Februar 2003, Zl 2002/20/0492) mit Verweis auf die hg Rechtsprechung). (VwGH 24. 4. 2003, 2000/20/0231).

 

Insoweit ergibt sich im konkreten Fall aus dem Unterlassen einer diesbezüglichen Darstellung der allgemeinen Lage kein Verfahrensmangel von Entscheidungsrelevanz.

 

Abgesehen davon, kam es im Rahmen der asylrechtlichen Entscheidung auch deshalb nicht darauf an, weil es auch bei Wahrunterstellung der als ausreisekausal dargelegten persönlichen Ereignisse, mangels Anknüpfung an ein GFK-relevantes Motiv (siehe nähere Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung zum angefochtenen Spruchpunkt I.), zu keiner Asylgewährung kommen würde.

 

Im konkreten Fall kommt es in Folge nicht gelungener Glaubhaftmachung seiner ausreisekausalen Angaben auch nicht darauf an Feststellungen zur Schutzfähigkeit bzw. den Schutzmechanismen gegen derartige Bedrohungen zu treffen, da dies nur im Falle der Glaubhaftmachung ein relevantes Beweisthema wäre. Die Rüge in der Beschwerde ist daher diesbezüglich nicht beachtlich und führt nicht zu einer notwendigen Ergänzung des Ermittlungsverfahrens.

 

Im Anwaltsschriftsatz wird angeführt, dass der BF angegeben habe, dass "ein Verfahren bei der Staatsanwaltschaft anhängig sei" und es eine Verpflichtung für die erstinstanzliche Behörde gewesen wäre bei der " entsprechenden Staatsanwaltschaft anzufragen" wie weit der Verfahrensstand gediehen sei.

 

Der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer hat weder im erstinstanzlichen Verfahren noch in der Beschwerdeschrift ein derart konkretes Vorbringen erstattet, das eine Überprüfung möglich gemachte hätte. Auch in der Beschwerde nennt der BF nicht den Namen der zuständigen Staatsanwaltschaft und gibt auch keine diesbezügliche Adresse (vgl. VwGH 31.7.1996, 92/13/0020; 19.11.1998, 97/15/0010) bekannt. Dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt ist auch nicht zu entnehmen, dass der BF einen derartigen Beweisantrag stellte oder hier ein konkretes Beweisanbot dargetan hätte. Auch der Asylgerichtshof ist nicht verhalten diesem unkonkreten Beweisantrag nachzukommen. Es besteht auch keine Verpflichtung den BF bzw. seinen Anwalt zu manuduzieren (§ 13a AVG) was ein ordnungsgemäß gestellter Beweisantrag zu enthalten hat. Zudem ist anzumerken, dass der BF, welcher über Unterstützung durch seinen Rechtsanwalt verfügt, selbst seit der Beschwerdeerhebung im August 2000, also seit über 8 Jahre, offensichtlich untätig blieb, zumal bis zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde keine derartigen Bescheinigungsmittel einlangten.

 

Trotz des das asylrechtliche Ermittlungsverfahren zum Inhalt habenden § 28 Asylgesetz 1997 liegt dadurch aber keine Beweis- bzw. Bescheinigungslastumkehr zugunsten des Beschwerdeführers vor, sondern leuchtet aus den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zu dieser Bestimmung hervor, dass in dieser Anordnung lediglich explizit darauf hingewiesen wird, dass das Asylverfahren den fundamentalen Prinzipen des Verwaltungsverfahrensrechts, insbesondere dem Prinzip der materiellen Wahrheit und dem Grundsatz der Offizialmaxime nach § 39 Absatz 2 AVG, folgt. Eine über §§ 37 und 39 Absatz 2 AVG hinausgehende Ermittlungspflicht normiert § 28 Asylgesetz nicht (VwGH 14.12.2000, Zahl 2000/20/0494).

 

Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre [VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua], gesundheitliche [VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601], oder finanzielle [vgl VwGH 15.11.1994, 94/07/0099] Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann (vgl auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279). Wenn Sachverhaltselemente im Ausland ihre Wurzeln haben, ist die Mitwirkungspflicht und Offenlegungspflicht der Partei in dem Maße höher, als die Pflicht der Behörde zur amtswegigen Erforschung des Sachverhaltes wegen des Fehlens der ihr sonst zu Gebote stehenden Ermittlungsmöglichkeiten geringer wird. Tritt in solchen Fällen die Mitwirkungspflicht der Partei in den Vordergrund, so liegt es vornehmlich an ihr, Beweise für die Aufhellung auslandsbezogener Sachverhalte beizuschaffen (VwGH 12.07.1990, Zahl 89/16/0069).

 

Der Antrag, die Asylbehörden mögen bei der Staatsanwaltschaft Erkundigungen einholen, "wie weit das Verfahren gediehen sei", ist auch aus dem Grund noch unbeachtlich, weil es sich hier um einen Antrag auf einen als unzulässig zu erachtenden Erkundungsbeweis handelt. Erkundungsbeweise sind Beweise, die nicht konkrete Behauptungen sondern lediglich unbestimmte Vermutungen zum Gegenstand haben. Sie dienen also nicht dazu, ein konkretes Vorbringen der Partei zu untermauern, sondern sollen es erst ermöglichen, dieses zu erstatten. Nach der Rsp des Verwaltungsgerichtshofes sind Erkundungsbeweise im Verwaltungsverfahren unzulässig. Daher ist die Behörde einerseits nicht gem. §§ 37 iVm 39 Abs 2 AVG zur Durchführung eines solchen Beweises (zur Entsprechung eines dahin gehenden Antrages) verpflichtet, sodass deren Unterlassung keinen Verfahrensmangel bedeutet. (Hengstschläger - Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Manz Kommentar, Rz 16 zu § 46 mwN). Somit besteht keine Verpflichtung solche Erhebungen durchzuführen. Unabhängig davon ist aber auch nicht einsichtig, wieso der BF im Rahmen seiner Mitwirkungsverpflichtung mit Hilfe seines Rechtsanwaltes nicht derartige, in seiner persönlichen Sphäre gelegenen, Umstände selbst ermittelt und das Ergebnis den Asylbehörden vorlegt, wenn er tatsächlich der Ansicht ist, dass er damit sein Vorbringen glaubhaft machen könnte.

 

Der BF beantragt in der Beschwerde weiters eine "ergänzende Einvernahme" ohne aber darzulegen was bei einer nochmaligen Befragung dabei an entscheidungsrelevantem Sachverhalt hervorkommen hätte können, bzw. womit er die aufgetretenen Widersprüche bzw. Unplausibilitäten bekämpfen möchte. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der BF schon in der Beschwerdeschrift darzulegen was seine ergänzende Einvernahme an diesen hätte ändern können bzw. welche wesentlichen Umstände (Relevanzdarstellung) dadurch hervorgekommen wären. (zB. VwGH 4.7.1994, 94/19/0337). Da dies unterlassen wurde, war auch der Asylgerichtshof auf Grund dieses Antrages zu einem ergänzenden Ermittlungsverfahren verpflichtet.

 

Soweit das BAA im Spruch des angefochtenen Bescheides von einer Asylantragstellung am 17.5.2000 ausgeht, handelt es sich offensichtlich um ein Versehen der Behörde zumal aus dem Akteninhalt eine Antragstellung am 23.6.2000 hervorgeht. Daraus ergibt sich jedoch kein Mangel von Entscheidungsrelevanz zumal es auch in der Beschwerde nicht bestritten wurde, dass es sich hier um ein und denselben Asylantrag geht.

 

2. Artikel 151 Abs. 39 Z. 1 und 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) lauten:

 

(39) Art. 10 Abs. 1 Z 1, 3, 6 und 14, Art. 78d Abs. 2, Art. 102 Abs. 2, Art. 129, Abschnitt B des (neuen) siebenten Hauptstückes, Art. 132a, Art. 135 Abs. 2 und 3, Art. 138 Abs. 1, Art. 140 Abs. 1 erster Satz und Art. 144a in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. I Nr. 2/2008 treten mit 1. Juli 2008 in Kraft. Für den Übergang zur neuen Rechtslage gilt:

 

Z 1: Mit 1. Juli 2008 wird der bisherige unabhängige Bundesasylsenat zum Asylgerichtshof.

 

Z 4: Am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren sind vom Asylgerichtshof weiterzuführen.

 

Gemäß § 75 Abs 7 AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 sind am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:

 

1. Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

2. Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.

 

3. Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständigen Senat weiterzuführen."

 

Gemäß § 75 Abs 1 AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des AsylG 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt.

(....).

 

Gemäß § 38 Abs 1 AsylG 1997 BGBl I Nr. 76/1997 idF BGBl I Nr. 126/2002 entscheidet über Rechtsmittel gegen Bescheide des Bundesasylamtes der unabhängige Bundesasylsenat.

 

Gemäß § 61 (1) AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

2. [.....]

 

(2) [.....]

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

[......]

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Gem. § 23 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I, Nr. 4/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idgF sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, weshalb im gegenständlichen Fall im hier ersichtlichen Umfang das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr.51 zur Anwendung gelangt.

 

Gemäß § 66 Abs 4 AVG idgF hat der Asylgerichtshof [Berufungsbehörde], sofern die Beschwerde [Berufung] nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Er [sie] ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) seine [ihre] Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Zu Spruchpunkt I des Erkenntnisses:

 

Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist eine Person, die aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder die sich als Staatenlose infolge solcher Ereignisse außerhalb des Landes befindet, in welchem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen der erwähnten Befürchtungen nicht dorthin zurückkehren will.

 

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern, ob eine vernunftbegabte Person nach objektiven Kriterien unter den geschilderten Umständen aus Konventionsgründen wohlbegründete Furcht erleiden würde (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380). Dies trifft auch nur dann zu, wenn die Verfolgung von der Staatsgewalt im gesamten Staatsgebiet ausgeht oder wenn die Verfolgung zwar nur von einem Teil der Bevölkerung ausgeübt, aber durch die Behörden und Regierung gebilligt wird, oder wenn die Behörde oder Regierung außerstande ist, die Verfolgten zu schützen (VwGH 4.11.1992, 92/01/0555 ua.).

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 14.10.1998, Zl. 98/01/0262). Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194).

 

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes müssen konkrete, den Asylwerber selbst betreffende Umstände behauptet und bescheinigt werden, aus denen die von der zitierten Konventionsbestimmung geforderte Furcht rechtlich ableitbar ist (vgl zB vom 8. 11. 1989, 89/01/0287 bis 0291 und vom 19. 9 1990, 90/01/0113). Der Hinweis eines Asylwerbers auf einen allgemeinen Bericht genügt dafür ebenso wenig wie der Hinweis auf die allgemeine Lage, zB. einer Volksgruppe, in seinem Herkunftsstaat (vgl VwGH 29. 11. 1989, 89/01/0362; 5. 12. 1990, 90/01/0202; 5. 6. 1991, 90/01/0198; 19. 9 1990, 90/01/0113).

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.

 

Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht des Asylgerichtshofes die dargestellten Voraussetzungen für die Zuerkennung von Asyl, nämlich eine glaubhafte Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat aus einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK angeführten Grund nicht gegeben.

 

Dem BF ist es im Verfahren nicht gelungen sein als ausreisekausal dargelegtes Vorbringen glaubhaft zu machen.

 

Selbst bei Wahrunterstellung dieser Angaben käme eine Asylgewährung im gegenständlichen Fall auch unter dem Aspekt einer sozialen Gruppe nicht in Betracht, weil die Eigenschaft des Fremden als "Geldschuldner" (mag er auch von kriminellen Gläubigern verfolgt werden) reicht nicht aus, um ihm aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe Asylschutz zu gewähren. Die Schuldnereigenschaft stellt weder ein (im Sinne der obigen Definitionen) besonders geschütztes unveräußerliches Merkmal dar, noch macht sie den Fremden zum Mitglied einer von der Gesellschaft insgesamt hinreichend unterscheidbaren und deutlich identifizierbaren Gruppe (VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479). Handelt es sich - wie in diesem Fall - beim Vorgehen von Privatpersonen (nichtstaatlichen Akteuren) lediglich um von den Konventionsgründen losgelöste "kriminelle Machenschaften", kommt diesen auch lediglich dann Asylrelevanz zu, wenn die Verweigerung des staatlichen Schutzes selbst wiederum auf einem dieser Gründe beruht (VwGH 11.12.1997, Zahl 96/20/0045; VwGH 24.06.1999, Zahl 98/20/0574; VwGH 13.11.2001, Zahl 2000/01/0098). Dies wurde vom BF aber nicht behauptet.

 

Es war unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände daher zu Recht kein Asyl zu gewähren, die Entscheidung des BAA im Ergebnis zu bestätigen und die Beschwerde somit hinsichtlich Spruchpunkt I. abzuweisen.

 

Zu Spruchpunkt II des Erkenntnisses:

 

Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann der Asylgerichtshof [Berufungsbehörde], wenn der ihm [ihr] vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Gemäß Abs. 3 leg. cit. kann der AsylGH [Berufungsbehörde] jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

 

Auch der AsylGH ist zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG berechtigt (vgl. dazu VwGH v. 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315 und Zl. 2000/20/0084 zur Anwendbarkeit von § 66 (2) AVG durch den Unabhängigen Bundesasylsenat). Eine kassatorische Entscheidung darf vom AsylGH nicht bei jeder Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes, sondern nur dann getroffen werden, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Das erkennende Gericht hat dabei zunächst in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen, ob angesichts der Ergänzungsbedürftigkeit des ihm vorliegenden Sachverhaltes die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als "unvermeidlich erscheint". Für die Frage der Unvermeidlichkeit einer mündlichen Verhandlung i.S.d. § 66 Abs. 2 AVG ist es aber unerheblich, ob eine kontradiktorische Verhandlung oder nur eine Vernehmung erforderlich ist (vgl. etwa VwGH v. 14.03.2001, Zl. 2000/08/0200; zum Begriff "mündliche Verhandlung" i. S.d. § 66 Abs. 2 AVG siehe VwGH v. 21.11.2002, Zl. 2000/20/0084).

 

Im Erkenntnis vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315, welches sich auf den Unabhängigen Bundesasylsenat bezog und aufgrund der identischen Interessenslage in Bezug auf den AsylGH ebenfalls seine Gültigkeit hat, führte der VwGH zur Frage der Gesetzmäßigkeit der Ermessungsübung im Sinne des § 66 Abs. 2 und 3 AVG folgendes aus:

 

"Der Gesetzgeber hat in Asylsachen ein zweiinstanzliches Verfahren (mit nachgeordneter Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) eingerichtet, wobei der belangten Behörde die Rolle einer "obersten Berufungsbehörde" zukommt (Art. 129c Abs. 1 B-VG). In diesem Verfahren hat bereits das Bundesasylamt den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag relevanten Sachverhalt zu ermitteln und es ist gemäß § 27 Abs. 1 AsylG grundsätzlich verpflichtet, den Asylwerber dazu persönlich zu vernehmen. Diese Anordnungen des Gesetzgebers würden aber unterlaufen, wenn es wegen des Unterbleibens eines Ermittlungsverfahrens in erster Instanz zu einer Verlagerung nahezu des gesamten Verfahrens vor die Berufungsbehörde käme und die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen damit zur bloßen Formsache würde. Es ist nicht im Sinne des Gesetzes, wenn die Berufungsbehörde, statt ihre (umfassende) Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können, jene Behörde ist, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und einer Beurteilung unterzieht.

 

Dieser Gesichtspunkt ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes - freilich immer unter ausreichender Bedachtnahme auf das Interesse der Partei an einer raschen Erledigung des Asylverfahrens - bei der Ermessensausübung nach § 66 Abs. 2 und 3 AVG auch einzubeziehen. Unter dem Blickwinkel einer Kostenersparnis für die Partei ist dabei vor allem auch zu beachten, dass die Vernehmung vor dem Bundesasylamt dezentral durch die Außenstelle in den Bundesländern erfolgt, während der unabhängige Bundesasylsenat - anders als bei den unabhängigen Verwaltungssenaten in den Ländern, für die Vergleichbares auf Landesebene gilt - als zentrale Bundesbehörde in Wien eingerichtet ist (vgl. auch zu das bereits erwähnte Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl.2000/20/0084)."

 

Auch wenn der AsylGH eine Außenstelle in Linz einrichtete, ist auszuführen, dass aufgrund des organisatorischen Aufbaues des AsylGH und des Bundesasylamtes, sowie aufgrund des Aufenthaltsortes des BWs und der Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes eine Weiterführung des Verfahrens durch den AsylGH im Sinne des § 66 (3) AVG nicht mit einer Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

 

Der BF rügte in seiner Beschwerde zu Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides, dass der diesbezügliche Sachverhalt mangelhaft ermittelt wurde und ist in diesem Fall damit im Recht.

 

Das BAA traf im angefochtenen Bescheid keinerlei Feststellungen zur Lage in der Türkei, die eine Beurteilung der unter Spruchpunkt II. beachtlichen Rückkehrsituation ermöglichen würde. Wenngleich hier die behauptete Bedrohung - und damit auch die dargelegte und daraus resultierende Rückkehrgefährdung - als nicht glaubhaft zu werten war, kann es sich das BAA nicht ersparen doch Feststellungen auf Grund von Berichten zu treffen, woraus sich nachvollziehen lässt, dass durch die Lage (insb. Lebensbedingungen) im Herkunftsstaat unter Berücksichtigung der individuellen Situation des BF keine reale Gefahr der Verwirklichung der unter diesen Tatbestand fallenden Rechtsgüter besteht. Eine solche "Prüfung" hat im AsylG 1997 amtswegig zu erfolgen. Wenngleich grundsätzlich der Prüfungsrahmen des BAA durch die vom BF behaupteten Problemfelder abgesteckt wird, haben die Asylbehörden auch notorische oder amtsbekannte refoulementrelevante Sachverhalte nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes amtswegig zu berücksichtigen (VwGH 6.10.1999, 99/01/0329; 9.11.2004, 2004/01/0305). Von einer "Prüfung" kann auch nur dann gesprochen werden wenn sich die Behörde mit der Lage wirklich "nachvollziehbar" auseinandergesetzt hat, weshalb sie aber zwecks Überprüfbarkeit darzustellen hat, von welcher Situation in seinem Heimatland sie ausgeht.

 

Dies hat das BAA hiermit nachzuholen, das Ermittlungsergebnis dem BF mit der Möglichkeit zur Stellungnahme zu Gehör zu bringen und unter Einbeziehung seiner Standpunkte einer Würdigung und rechtlichen Beurteilung zu unterziehen.

 

Da das BAA durch die notwendig gewordene Zurückverweisung auch über die Ausweisung zu entscheiden hat (vgl. hierzu insbesondere die aktuelle Judikatur des EGMR zur Aufenthaltsbeendigung von Asylwerbern, NNYANZI gg. das Vereinigte Königreich, Darren Omoregie u. a. gg. Norwegen), hat sie die für diese Entscheidung notwendigen Fakten in Bezug auf das Privat- und Familienleben zu erheben, um eine Abwägung der öffentlichen Interessen mit jenen des BF zu ermöglichen.

 

Durch die gegenständliche Ergänzungsbedürftigkeit bzw. Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens wäre ein ergänzendes Ermittlungsverfahren und die Durchführung einer mündliche Verhandlung durch den Asylgerichtshof unvermeidlich.

 

Von der durch § 66 Abs. 3 AVG der Berufungsbehörde (Beschwerdebehörde) eingeräumten Möglichkeit, die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme selbst durchzuführen, wenn "hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist", war im vorliegenden Fall aus folgenden Gründen nicht Gebrauch zu machen:

 

Gemäß Art 129c B-VG erkennt der Asylgerichtshof nach Erschöpfung des Instanzenzuges (unter anderem) über Bescheide der Verwaltungsbehörden in Asylsachen.

 

Bereits aus dieser Bestimmung ist einleuchtend, dass es dem Bundesasylamt als erster und einziger Instanz im Asylverfahren zukommt, den gesamten entscheidungsrelevanten Sachverhalt zu ermitteln und den Asylwerber dazu persönlich zu vernehmen. Dies hat der VwGH in seinem Erkenntnis vom 30.09.2004, 2001/20/0315, bereits im Zusammenhang mit dem unabhängigen Bundesasylsenat ausgeführt und hat sich an diesem Grundsatz nichts geändert. Vielmehr würde die Beschwerdemöglichkeit des Asylwerbers an den Asylgerichtshof andernfalls zu einer bloßen Formsache degradiert werden, wenn Letzterer, statt seine "umfassende und letztinstanzliche" Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können, jene Instanz ist, die erstmals den gesamten entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und einer Beurteilung unterzieht. Dies gilt umso mehr nach dem der Verwaltungsgerichtshof in Asylsachen grds. keine einzelfallbezogene Kontrollbefugnis mehr hat und diese hinsichtlich einfachgesetzlicher Verletzungen nunmehr dem Asylgerichtshof zukommt. Würde man gegenteilige Ansicht vertreten, - nämlich dass der Asylgerichtshof jenes Organ ist, das erstmals den maßgeblichen Sachverhalt feststellt, so würde dem Asylwerber im Hinblick auf einfachgesetzliche Verletzungen eine Kontrollinstanz entzogen werden.

 

Dies spricht auch bei Bedachtnahme auf die mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens unter dem Gesichtspunkt, dass eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst bei der (letztinstanzlichen) Beschwerdeinstanz beginnen und zugleich enden soll, für ein Vorgehen nach § 66 Abs. 2.

 

Ausgehend von diesen Überlegungen war im vorliegenden Fall das dem Asylgerichtshof gemäß § 66 Abs. 2 und 3 AVG eingeräumte Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung zu üben. Besondere Gesichtspunkte, die aus der Sicht des Berufungswerbers gegen eine Kassation des erstinstanzlichen Bescheides sprechen würden, sind im vorliegenden Fall nicht erkennbar.

 

III. Gemäß § 41 Abs 7 AsylG 2005 kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 67 d AVG. Es ergibt sich aus § 23 AsylGHG, dass die dort als Rechtsfolge vorgesehene sinngemäße Anwendung des AVG 1991 unter dem Vorbehalt anderer Regelungsinhalte des B-VG, des AsylG 2005 und des VwGG steht. Derartige ausdrückliche andere Regelungen für das Verfahren vor dem Asylgerichtshof sind, in den in der Erläuterung laut AB 371 XXIII. GP genannten §§ 20, 22 und 41 AsylG 2005 enthalten, wohl aber auch in den §§ 42, 61 und 62 AsylG 2005. Es ergibt sich aus § 23 AsylGHG somit die Anwendung von Verfahrensbestimmungen für den Asylgerichtshof in allen anhängigen Verfahren einschließlich der gemäß den Übergangsbestimmungen des AsylG 2005 nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führenden Verfahren, ohne dass es dafür einer Nennung dieser Bestimmungen (auch) im § 75 Abs 1 AsylG 2005 bedürfte. § 41 Abs 7 ist daher im gegenständlichen Verfahren anwendbar.

 

Hinsichtlich Spruchpunkt I. erachtet der Asylgerichtshof den Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt. Der erstinstanzlichen schlüssigen Beweiswürdigung wurde in der Beschwerde nicht substantiiert entgegen getreten. Zudem ist das BAA nicht etwa auf Grund des persönlichen Eindruckes zu diesem Ergebnis gelangt, sondern auf Grund der dargelegten Widersprüche bzw. Unplausibilitäten, weshalb auch nicht ersichtlich ist, inwiefern der Asylgerichtshof im konkreten Fall durch einen persönlichen Eindruck im Rahmen der mündlichen Verhandlung zu einem anderen Ergebnis gelangen könnte. Es wurde durch den Asylgerichtshof auch dargelegt, dass es selbst bei Wahrunterstellung der als nicht glaubhaft erachteten Darstellungen mangels Anknüpfung an ein GFK-relevantes Motiv zu keiner Asylgewährung kommen würde.

 

Im gegenständlichen Fall konnte die mündliche Verhandlung hinsichtlich Spruchpunkt II. gem. § 67d Abs 4 AVG entfallen, da ein verfahrensrechtlicher Bescheid zu erlassen war und durch eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung der Sache zu erwarten war.

 

Eine mündliche Verhandlung konnte daher entfallen.

Schlagworte
Glaubwürdigkeit, Kassation, mangelnde Asylrelevanz, mangelnde Sachverhaltsfeststellung, private Verfolgung, staatlicher Schutz
Zuletzt aktualisiert am
28.01.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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