TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/10 A4 229282-0/2008

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Veröffentlicht am 10.10.2008
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Spruch

A4 229.282-0/2008/6E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richter Mag. LAMMER als Vorsitzenden und die Richterin Dr. HOLZSCHUSTER als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin VB WILHELM über die Beschwerde der O.L., geb. 00.00.1976, StA. Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.05.2002,

 

FZ. 02 11.699-BAI, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 01.10.2008 zu Recht erkannt:

 

5020 Salzburg

 

A. Die Beschwerde der O.L. vom 17.06.2002 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.05.2002, FZ. 02 11 699-BAI, wird gem. § 7 AsylG 1997 abgewiesen.

 

B. Gem. § 8 Abs. 1 AsylG i.d.F. BGBl. I Nr. 101/2003 iVm. § 50 des Fremdenpolizeigesetzes (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005, wird festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung und Abschiebung der O.L. nach Nigeria zulässig ist.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. 1. Die (nunmehrige) Beschwerdeführerin behauptet, Staatsangehörige von Nigeria zu sein. Sie reiste am 03.05.2002 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf Asylgewährung. Zu ihrem Fluchtweg und den Fluchtgründen wurde sie im Beisein eines Dolmetschers für die englische Sprache am 22.05.2002 niederschriftlich einvernommen.

 

Hiebei gab sie im Wesentlichen an, dass ihre Eltern Christen waren. Ihre Großmutter wäre Mitglieder der Ogboni-Gesellschaft. Im Mai 2001 hätte diese Sekte ihren Vater überreden wollen, der Gesellschaft beizutreten. Weil er dies nicht gewollt hätte, sei er geflüchtet. Sie wisse aber nicht wohin. Sie selbst wäre bei ihrer Großmutter geblieben, vom Vater hätte sie nichts weiteres gehört. Auf Vorhalt, dass sie in den Generalien angegeben habe, dass ihr Vater verstorben wäre, gab sie an, dass sie nicht genau wisse, wie das sei. Im Jänner 2002 habe die Mutter erklärt, dass der Vater verstorben wäre. Nach dem Tode des Vaters sei die Mutter Ende 2002 nach Kanada gefahren, um den Bruder zu besuchen. Sie selbst sei bei ihrer Großmutter verblieben, die in der Folge Ende März 2002 erkrankt und am 03.04.2002 verstorben wäre. Da von ihrer Familie niemand mehr da gewesen sei, wäre nun sie von der Ogboni-Sekte aufgefordert worden, dieser beizutreten. Da sie Christin wäre, hätte sie das Ansinnen abgelehnt und sei von den Ogboni-Leuten geschlagen worden. Sie habe dann zugestimmt, Mitglied zu werden und wäre in der Nacht vom Haus geflüchtet und über einen Zaun gesprungen. Sie sei ins nächste Dorf gerannt, wäre auf einen "Jäger" getroffen, dem sie die Probleme berichtet hätte. Dieser Mann habe ihr in der Folge geholfen, nach Lagos zu kommen. Sie habe sich nicht um Hilfe an die Polizei gewandt, da auch bei dieser Mitglieder der Ogboni-Gesellschaft wären und in Nigeria schütze die Polizei nie jemanden. In Lagos hätte sie neue Probleme gehabt. Bei einer Rückkehr würden sie die Ogboni-Leute erwischen und umbringen.

 

2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.05.2002, FZ. 02.11.699-BAI, wurde der am 13.05.2002 gestellte Antrag gem. § 7 AsylG 1997 (AsylG) abgewiesen und gleichzeitig festgestellt, dass gem. § 8 AsylG die Zurückweisung, Zurückschiebung und Abschiebung der nunmehrigen Beschwerdeführerin nach Nigeria zulässig ist.

 

3. Gegen diese Entscheidung erhob sie am 17.06.2002 fristgerecht und zulässig Berufung (nunmehr Beschwerde).

 

II. Der Asylgerichtshof hat über diese Beschwerde ein ergänzendes Ermittlungsverfahren im Zuge einer mündlichen Verhandlung durchgeführt. Im Zuge dieser Verhandlung wurde Beweis erhoben durch ergänzende Parteivernehmung der Beschwerdeführerin, sowie durch Verlesung und Erörterung folgender beigeschafften Berichte zur Situation in Nigeria:

 

ein von der Beschwerdeführerin beschriebenes Blatt (der Niederschrift angeschlossen);

 

Bericht des AA Berlin über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Nigeria, 06.11.2007 (Beilage I.);

 

US Department of State, 11. März 2008 (Beilage II.);

 

ACCORD-Länderbericht Nigeria, August 2004 (Beilage III.);

 

British Home Office, Nigeria, 13.11.2007 (Beilage IV.).

 

Auf Grundlage der Ersteinvernahme und der ergänzenden Parteieinvernahme im Rahmen der stattgefundenen öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof wird folgender Sachverhalt festgestellt und der Entscheidung zugrunde gelegt:

 

Die von der Beschwerdeführerin behaupteten Fluchtgründe werden der Entscheidung mangels Glaubwürdigkeit nicht zugrunde gelegt. Der Reiseweg der Beschwerdeführerin (Zeitpunkt und Art der Reise von Nigeria nach Österreich) kann nicht festgestellt werden.

 

Zur allgemeinen politischen Situation in Nigeria werden folgende Feststellungen getroffen:

 

Die Situation in Nigeria ist grundsätzlich ruhig, die Staatsgewalt (Polizei und Justiz) funktionsfähig. Anzumerken ist jedoch, dass die nigerianische Bundespolizei in personeller Hinsicht im Vergleich zu westlichen Staaten relativ schlecht ausgestattet und verschiedentlich auch mangelhaft ausgebildet ist, weshalb in einzelnen Bundesstaaten so genannte Bürgerwehren polizeiliche Aufgaben übernommen haben. In einzelnen Landesteilen Nigerias (insbesondere in den nördlichen Bundesstaaten Kano und Kaduna) kommt es wiederholt zu religiös motivierten Auseinandersetzungen zwischen Christen und Moslems. Weiters kommt es im Niger-Delta verschiedentlich zu Auseinandersetzungen zwischen den verfeindeten Volksgruppen Ijaw und Itsekiri. In bestimmten Fällen wurde das Militär zur Niederschlagung von Unruhen eingesetzt. Abgesehen von diesen lokal begrenzten Auseinandersetzungen ist die Situation in Nigeria jedoch ruhig. Nigerias Präsident Obasanjo wurde nach seinem Wahlsieg im April 2003 für eine weitere Amtszeit vereidigt. Die nigerianische Bevölkerung leidet großteils unter Verarmung, doch ist die Basisversorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln zumindest im städtischen Bereich grundsätzlich gewährleistet. In den Großstädten ist eine ausreichende medizinische Versorgungslage gegeben. Es gibt sowohl staatliche als auch zahlreiche privat betriebene Krankenhäuser.

 

Diese Feststellungen gründen sich auf folgende Beweiswürdigung:

 

Zu der Negativ-Feststellung hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Fluchtgründe:

 

Die durchwegs unkonkreten und widersprüchlichen Angaben der Beschwerdeführerin deuten nach Ansicht der erkennenden Behörde darauf hin, dass die Beschwerdeführerin die behaupteten Ereignisse tatsächlich nicht erlebt hat. Dies zeigt sich unter anderem dadurch, dass die Beschwerdeführerin im Laufe der mündlichen Verhandlung oft keine genauen Zeitangaben machen konnte. So war sie nicht im Stande den genauen Todeszeitpunkt ihres Vaters anzugeben. Der Todeszeitpunkt ihres Vaters stellt aber den auslösenden Moment ihres fluchtbegründeten Ereignisses dar, weshalb es unverständlich ist, warum sich die Beschwerdeführerin nicht an das genaue Datum erinnern kann.

 

Auch gab die Beschwerdeführerin divergierende Angaben zur Vorgeschichte. So gab sie bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 22.05.2002 an, dass sie von der Mutter im Jänner 2002 erfahren hätte, dass der Vater verstorben wäre. Anlässlich der mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof führte sie hingegen aus, dass der Vater im März 2002 verstorben sei. In der Niederschrift vor dem Bundesasylamt brachte sie vor (AS 19 des erstinstanzlichen Aktes), dass ihre Mutter Ende Jänner 2002 nach Kanada verzogen sei. Anlässlich der mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof führte sie hingegen aus, dass die Mutter erst im März 2002 das Land verlassen hätte.

 

Auch brachte sie vor, dass die Leute der Ogboni-Sekte sie bei ihrer Weigerung, der Gesellschaft beizutreten, geschlagen hätten. Bei der mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof erwähnte sie dieses wohl einschneidende Ereignis mit keinem Wort. Sie steigerte hingegen ihr Vorbringen in dem sie ausführte, die Leute der Gesellschaft wären nicht nur einmal, sondern öfters gekommen. Zum Tode der Großmutter führte sie vor dem Bundesasylamt aus, dass diese am 03.04.2002 verstorben sei. Hingegen brachte sie vor dem Asylgerichtshof vor, nicht zu wissen, wann die Großmutter verstorben wäre (siehe Niederschrift OZ 4Z vom 01.10.2008. Seite 4, 5. Absatz).

 

Diese unbestimmten Angaben zu wesentlichen Punkten ihrer Fluchtgeschichte stellen für die erkennende Behörde ein Indiz für die Unglaubwürdigkeit der Beschwerdeführerin da.

 

Zusammenfassend ist somit aus den unbestimmten und auch widersprüchlichen Aussagen der Schluss zu ziehen, dass die Beschwerdeführerin unwahre Angaben zu ihren Fluchtgründen macht und diese tatsächlich nicht erlebt haben kann.

 

Der Reiseweg von Nigeria nach Österreich konnte nicht festgestellt werden, zumal die Beschwerdeführerin diesbezüglich nur allgemeine, nicht objektivierbare Angaben macht.

 

Die Feststellungen zur allgemeinen politischen Situation in Nigeria ergeben sich aus den in der Verhandlung vom 01.10.2008 erörterten Beilagen II bis IV. Insbesondere ist auf die Abschnitte I.1. sowie II.4. der Beilage I zu verweisen, woraus sich ergibt, dass derzeit in keinem Teil von Nigeria eine Bürgerkriegssituation herrscht. Vielmehr kommt es lediglich zu vereinzelten lokal begrenzten gewalttätigen Auseinandersetzungen (in der Regel zwischen der Mehrheitsbevölkerung und ethnischen oder religiösen Minderheiten). Die Feststellung betreffend Grundversorgung mit Nahrungsmitteln gründet sich auf den Abschnitt IV.1 der Beilage I. Die Beschwerdeführerin ist diesen Feststellungen nicht substanziert entgegengetreten.

 

Rechtlich folgt aus dem festgestellten Sachverhalt:

 

A.

 

Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1, Abschnitt A, Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1, Abschnitt C oder F der Genfer

 

Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes 1997 ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiver weise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welche geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorherigen Aufenthalts zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit im Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr. Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen stellen im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende pro futuro zu erwartende Verfolgungsgefahr dar.

 

Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht des Asylgerichtshofes die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine "begründete Furcht vor Verfolgung" im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK nicht gegeben. Dies im Hinblick darauf, dass die Beschwerdeführerin die von ihr behaupteten Fluchtgründe nicht glaubhaft machen konnte.

 

Der Berufung (nunmehr Beschwerde) war demnach hinsichtlich der Abweisung des Asylantrages nicht Folge zu geben.

 

B.

 

Zum Ausspruch über die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin in ihren Heimatstaat Nigeria ist Folgendes auszuführen:

 

Gemäß Art. 5 § 1 des Fremdenrechtspakets BGBl. I 100/2005 ist das FrG mit Ablauf des 31.12.2005 außer Kraft getreten; am 1.1.2006 ist gemäß § 126 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (Art. 3 BG BGBl. I 100/2005; in der Folge: FPG) das FPG in Kraft getreten. Gemäß § 124 Abs. 2 FPG treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des FrG verwiesen wird, an deren Stelle die entsprechenden Bestimmungen des FPG. Demnach ist die Verweisung des § 8 Abs. 1 AsylG auf § 57 FrG nunmehr auf die "entsprechende Bestimmung" des FPG zu beziehen, das ist § 50 FPG. Anzumerken ist, dass sich die Regelungsgehalte beider Vorschriften (§ 57 FrG und § 50 FPG) nicht in einer Weise unterscheiden, die für den vorliegenden Fall von Bedeutung wäre. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die sich - unmittelbar oder mittelbar - auf § 57 FrG bezieht, lässt sich insoweit auch auf § 50 FPG übertragen.

 

Die Zurückweisung, die Hinderung an der Einreise, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre (§ 8 Abs. 1 AsylG iVm § 50 Abs. 1 FPG) bzw. dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der GFK iVm § 50 Abs. 2 FPG und § 8 Abs. 1 AsylG), es sei denn es bestehe eine inländische Fluchtalternative.

 

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 50 FPG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Fremden demnach unzulässig, wenn dieser dadurch der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen würde (§ 50 Abs. 1 FPG iVm Art. 3 EMRK), wenn sein Recht auf Leben verletzt würde (§ 50 Abs. 1 FPG iVm Art. 2 EMRK) oder ihm die Vollstreckung der Todesstrafe drohen würde (§ 50 Abs. 1 FPG idF BGBl. I 126/2002 iVm Art. 1 des 13. Zusatzprotokolls zur EMRK). Da sich § 50 Abs. 1 FPG inhaltlich weitestgehend mit § 57 Abs. 1 FrG deckt und die Neufassung im Wesentlichen nur der Verdeutlichung dienen soll, kann die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu § 57 Abs. 1 FrG weiterhin als Auslegungsbehelf herangezogen werden. Nach dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, VwGH 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist sohin auch in diesem Fall, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte oder nicht effektiv verhinderbare Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Heimatstaat des Asylwerbers keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht mehr vorhanden ist und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in § 50 Abs. 1 FPG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre (vgl. VwGH 95/21/0294 vom 26.6.1997). Unter "außergewöhnlichen Umständen" (z.B. fehlende medizinische Behandlung bei lebensbedrohender Erkrankung) können auch von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertretende lebensbedrohende Ereignisse ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 50 Abs. 1 FPG darstellen (Urteil des EGMR in D vs. Vereinigtes Königreich vom 2.5.1997).

 

Auf Basis der Sachverhaltsfeststellungen liegt nach Ansicht der erkennenden Behörde keine aktuelle Bedrohung im Sinne von § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 50 FPG vor. Dies im Hinblick darauf, dass die Beschwerdeführerin die ihre Person betreffenden Fluchtgründe nicht glaubhaft machen konnte.

 

Es besteht auch kein Hinweis auf "außergewöhnliche Umstände" (lebensbedrohende Erkrankung oder dergleichen), die eine Abschiebung im Sinne von Art. 3 EMRK und § 50 Abs. 1 FrG unzulässig machen könnten. Zu verweisen ist diesbezüglich auch auf die Feststellung, wonach in Nigeria keine Bürgerkriegssituation herrscht und die Staatsgewalt funktionsfähig ist. Insbesondere ist darauf zu verweisen, dass die religiös oder ethnisch bedingten Unruhen zeitlich und lokal auf einzelne Städte Nigerias begrenzt sind. Die Beschwerdeführerin hat im Übrigen weder eine lebensbedrohende Erkrankung noch einen sonstigen auf ihre Person bezogenen "außergewöhnlichen Umstand" behauptet, der ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 50 Abs. 1 FPG darstellen könnte. Wie aus den Feststellungen hervorgeht, würden der Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr keine "außergewöhnlichen Umstände" wie etwa Hungertod, unzureichende medizinische Versorgung, eine massive Beeinträchtigung der Gesundheit oder gar der Verlust des Lebens drohen.

 

Die Beschwerde erweist sich sohin auch hinsichtlich des Ausspruches über die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria als nicht berechtigt.

 

Eine Ausweisung im Sinne von § 8 Abs. 2 AsylG idF BGBl. I Nr. 101/2003 war in verfassungskonformer Auslegung von § 8 Abs. 2 iVm § 44 Abs. 3 AsylG nicht auszusprechen. Dies deshalb, weil die erstinstanzliche Behörde - der damaligen Rechtslage entsprechend - nicht über die Ausweisung abgesprochen hat und der Asylgerichtshof gemäß 129c B-VG als Beschwerdeinstanz in Asylsachen eingerichtet ist und solcherart nicht zu einer - im Ergebnis - erstinstanzlichen Entscheidung über die Ausweisung eines Fremden zuständig gemacht werden darf. Verfassungskonform kann § 8 Abs. 2 iVm § 44 Abs. 3 AsylG nur dahingehend ausgelegt werden, dass der Asylgerichtshof nur dann über eine Ausweisung entscheiden darf, wenn bereits die erstinstanzliche Behörde darüber abgesprochen hat.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Glaubwürdigkeit, non refoulement
Zuletzt aktualisiert am
31.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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