TE Vwgh Erkenntnis 2001/4/20 2000/05/0129

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Veröffentlicht am 20.04.2001
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82009 Bauordnung Wien;

Norm

BauO Wr §129 Abs2 impl;
BauO Wr §129 Abs6;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2000/05/0213

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerden der Helga Arlow in Wien, vertreten durch Dr. Werner Masser, Dr. Ernst Grossmann, Dr. Eduard Klingsbigl, Dr. Robert Lirsch und Mag. Florian Masser, Rechtsanwälte in Wien I, Singerstraße 27, gegen 1. den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 18. Jänner 2000, Zl. UVS-02/A/11/1998/24, betreffend Durchführung einer notstandspolizeilichen Maßnahme im Zusammenhang mit einer Bausache, und 2. gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 26. April 2000, Zl. MD-VfR-B XVI-17/98, betreffend Kostenvorschreibung für die notstandspolizeiliche Maßnahme, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 15.000,--, daher insgesamt S 30.000,--, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist zu 7/12-Anteilen Miteigentümerin der Liegenschaft EZ 349 des GB 01405 Ottakring, BG Hernals, mit den Grundstücken Wien XVI, Ottakringerstraße 233-235, bestehend aus den Grundstücken Nr. 816/1, 816/3, 817 und 821/3, die als Baufläche gewidmet sind und insgesamt eine Fläche von ca. 3.846 m2 aufweisen. Miteigentümerin zu 5/12-Anteilen der genannten Grundstücke ist die Stadt Wien.

Auf den genannten Grundstücken haben sich drei Gebäude, die im Akt des UVS mit den Buchstaben A, B und C bezeichnet sind, befunden.

Laut Vorbringen in der Beschwerde habe am 3. März 1998 unter dem Titel "Abbruch verfallener Wirtschaftsgebäude auf einer Minderheitsanteilsfläche der Stadt Wien" in den Räumlichkeiten der MA 69 eine Besprechung stattgefunden, bei der u.a. die Vertreter der MA 37 und der MA 25 und die Beschwerdeführerin anwesend waren. Bei dieser Besprechung sei es primär darum gegangen, wer die "seit langem bestehenden rechtskräftigen Abtragungsaufträge" bezahlen sollte. Bei dieser Verhandlung habe ein Vertreter der MA 37 eingewendet, dass der ehemalige Eigentümer, Dr. Otto Arlow, gegen den Kostenvorauszahlungsbescheid berufen habe. Der Vertreter des Büros für Sofortmaßnahmen habe darauf hingewiesen, dass "eine interne Abklärung der Stadt Wien notwendig sei, ob die Ersatzvornahmen gegen die Stadt Wien durch die Stadt Wien zwangsweise vorgenommen werden können oder nicht".

Den vorgelegten Verwaltungsakten zufolge wurde am 1. April 1998 ein Aktenvermerk aufgenommen, wonach eine Anrainerin angegeben habe, dass Mauerwerksteile von der Liegenschaft Ottakringerstraße 235 auf den Gehsteig fielen. Am 2. April 1998 wurde der Gehsteig im Gefahrenbereich seitens des Magistrates der Stadt Wien auf eine Länge von ca. 20 m abgesperrt. Ebenfalls am 2. April 1998 wurde eine mündliche Verhandlung für 8. April 1998 festgesetzt. Gegenstand der mündlichen Verhandlung war die "Absperrung wegen Gefahr im Verzug in der Ottakringerstraße 235 auf eine Länge von ca. 20 m". Zu dieser Verhandlung wurden neben Dienststellen der Stadt Wien auch die Beschwerdeführerin sowie die Stadt Wien als Eigentümerin geladen.

In einem Aktenvermerk vom 8. April 1998 wurde festgehalten, die Baubehörde habe festgestellt, dass in dem auf der Liegenschaft Wien XVI, Ottakringerstraße Nr. 235, befindlichen Gebäude Baugebrechen bestünden, die eine Gefahr für die körperliche Sicherheit bildeten: die Gebäudefront Ottakringerstraße (ca 48 m) drohe umzustürzen. Der betreffende Gebäudeteil sei umgehend abzutragen.

Einer "Gedächtnisniederschrift" des Werkmeisters K. vom 8. April 1998 zufolge sei anlässlich der Verhandlung am 8. April 1998 festgestellt worden, dass die gesamte Mauer keine Verbundkraft mehr habe und außerdem Auswölbungen im oberen Bereich von ca. 10 bis 15 cm gesichtet worden seien. Diese Ausbuchtungen seien augenscheinlich immer größer geworden, sodass die Gefahr gedroht habe, dass Teile der Mauer auf den Gehsteig bis in den Haltestellenbereich der Straßenbahnlinie "J" zu stürzen drohten. Um 9.15 Uhr sei die Magistratsabteilung 25 von dem vorliegenden Notstand telefonisch informiert worden. Die Beschwerdeführerin habe versucht, ihren Architekten D.I. M. H. telefonisch zu erreichen, sie habe angegeben, den Notstand bis ca. 12 Uhr selbst durch Pölzen beheben zu können. Daraufhin sei die Verhandlung unterbrochen worden. Um 13 Uhr sei die Verhandlung fortgesetzt worden, die Beschwerdeführerin habe daran mit ihrem Architekten D.I. M. H. und dem Baumeister Ing. P. teilgenommen. Eine Halle sei geöffnet worden, darin habe sich eine Autowerkstatt mit ca. 15 bis 20 Oldtimern befunden. Das teilweise abgestürzte Hallendach sei mit Eisenstehern abgefangen gewesen. Die gesamte Dachkonstruktion habe gegen die Mauer gedrückt, dadurch seien die immer größer werdenden Ausbuchtungen an der Außenseite zu erklären gewesen. Weder Arch. D.I. H. noch der beigezogene Baumeister Ing. P. hätten die Standfestigkeit der gegenständlichen Mauer bestätigen können. Sie hätten vielmehr von der Notwendigkeit gesprochen, dass "etwas geschehen müsse".

Hierauf sei der Auftrag zur Durchführung notstandspolizeilicher Maßnahmen erteilt worden. Am 9. April 1998 um ca. 10 Uhr sei die Mauer nochmals besichtigt und es sei festgestellt worden, dass der Auftrag zur Durchführung notstandspolizeilicher Maßnahmen zu Recht ergangen sei.

Mit einem Schreiben vom 8. April 1998, nach der mündlichen Verhandlung vom selben Tag, erhob die Beschwerdeführerin Einspruch gegen die in Auftrag gegebenen Abbrucharbeiten im Bereich der Ottakringerstraße. In ihrem Besitz befänden sich seit dem Jahre 1996 Fotografien, mit denen bewiesen werden könne, dass sich keine Änderung im Bereich des Mauerwerkes von Juni 1996 bis zum heutigen Tage ergeben habe. Alle "Mängel, die nun als 'Notstandssofortmaßnahme' und einsturzgefährdet bezeichnet" würden, seien auf diesen Fotografien "mit denselben Mängeln sehr gut zu sehen". Von einer massiven Verschlechterung in den letzten sieben Tagen könne also überhaupt keine Rede sein. Ing. K. von der Baupolizei für den 16. Bezirk habe am 3. April 1997 im Beisein des Architekten D.I. M. H. eine Überprüfung des Areals vorgenommen und sei damals zur Erkenntnis gekommen, dass eine Einsturzgefahr der Mauer in Richtung Gehsteig und Straße nicht gegeben sei. Das Verfahren sei damals nach Einholung eines zusätzlichen Gutachtens durch die MA 37 eingestellt worden. Da sich der Zustand des Mauerwerkes in den letzten 12 Monaten nicht geändert habe und derselbe Herr Ing. K. nun das Gegenteil, nämlich die massive Einsturzgefahr, behaupte, sei die Vorgangsweise mehr als fragwürdig.

Mit Schreiben des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 25, vom 15. April 1998 wurde der Beschwerdeführerin und der Stadt Wien als verpflichteten Haus- und Grundeigentümerinnen mitgeteilt, dass Maßnahmen bezüglich der einsturzgefährdeten Gebäudefront wegen Gefahr im Verzug angeordnet und sofort vollstreckt werden mussten. Die hiedurch aufgelaufenen Kosten würden gesondert vorgeschrieben.

Mit einem an die Beschwerdeführerin gerichteten Schreiben vom 10. April 1998 teilte Architekt D.I. M. H. der Beschwerdeführerin mit, dass die Notwendigkeit der vom Magistrat gesetzten Maßnahmen betreffend Abbrucharbeiten wegen Gefahr im Verzug dem Umfang nach nicht nachvollziehbar sei. Die Standfestigkeit der Außenmauer sei bis auf einen Teilbereich mit Beschädigung durch Bäume in der Gesamtlänge nicht gefährdet, der Gesamtzustand habe sich im letzten Jahr nicht wesentlich verändert. Insbesondere erscheine es auch nicht gerechtfertigt, auch alle Mauerteile, die unterhalb des Hallenniveaus lägen, bis auf Gehsteighöhe abzubrechen.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 25, vom 13. Mai 1998 wurden der Beschwerdeführerin und der Stadt Wien, MA 69, als Haus- und Grundmiteigentümerinnen die mit S 177.921,36 bestimmten Kosten für die Durchführung der notstandspolizeilichen Maßnahmen, nämlich Abtragen der einsturzgefährdeten Gebäudefront nach Aufsperren einer Halle durch einen Schlüsseldienst, vorgeschrieben.

Auf Grund der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin hat die Bauoberbehörde für Wien mit Bescheid vom 17. August 1999 zunächst das Verfahren gemäß § 38 AVG bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates ausgesetzt.

Gegen die Durchführung der notstandspolizeilichen Maßnahme hat die Beschwerdeführerin Beschwerde an den UVS Wien erhoben, dieser hat einen Sachverständigen, D.I. W.M., bestellt, der ein Gutachten vorgelegt hat. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung hat der UVS Wien mit Bescheid vom 18. Jänner 2000 die Beschwerde gegen die Durchführung der notstandspolizeilichen Maßnahme als unbegründet abgewiesen.

Die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 21. Juni 2000, B 501/00-3, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. In der über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Unzuständigkeit der belangten Behörde geltend gemacht. Diese Beschwerde ist unter der hg. Zl. 2000/05/0213 protokolliert.

Auf Grund des Bescheides des UVS Wien vom 18. Jänner 2000 hat die Bauoberbehörde für Wien mit Bescheid vom 26. April 2000 die Berufung der Beschwerdeführerin gegen die mit S 177.921,36 bestimmten Kosten für die Durchführung notstandspolizeilicher Maßnahmen als unbegründet abgewiesen. Gegen diesen Bescheid richtet sich die zur hg. Zl. 2000/05/0129 protokollierte Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Unzuständigkeit der Behörde.

Die belangten Behörden haben die Verwaltungsakten jeweils mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der jeweiligen Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zunächst beschlossen, wegen des sachlichen Zusammenhanges beide Beschwerden zu gemeinsamer Beratung und Beschlussfassung zu verbinden.

In den Angelegenheiten selbst hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 129 Abs. 6 der Wiener Bauordnung kann die Behörde bei Gefahr im Verzuge auch ohne Anhörung der Partei die erforderlichen Verfügungen und Sicherungsmaßnahmen auf Gefahr und Kosten des Eigentümers (jedes Miteigentümers) eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage anordnen und sofort vollstrecken lassen.

Der bekämpfte verfahrensfreie Akt wurde auf Grund der ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung des § 129 Abs. 6 BO zu Recht als Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt qualifiziert, da durch die unverzügliche Anordnung und Vornahme der bekämpften Maßnahme mit rechtserzeugender Wirkung eine Amtshandlung gesetzt wurde, die sich gegen eine individuell bestimmte Person richtete und somit individuell normativen Inhalt entfaltete.

Gemäß § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998 entscheiden die Unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes.

Da die Maßnahme in Wien gesetzt wurde, war der UVS Wien zur Behandlung der Beschwerde zuständig. Daran ändert auch die unrichtige Zitierung des § 67a AVG im erstangefochtenen Bescheid nichts.

Für die Zulässigkeit notstandspolizeilicher Maßnahmen ist die unmittelbare Gefahrenabwehr typisch (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 30. September 1980, Slg. Nr. 10.238/A), es muss also eine Gefahr im Verzug gegeben sein, die es der Behörde nicht ermöglicht, die Verfahrensvorschriften einzuhalten. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 15. September 1954, Slg. Nr. 3.599/A, ausgesprochen hat, ist die Anordnung und Durchführung notstandspolizeilicher Maßnahmen auch dann zulässig, wenn zur Beseitigung eines Baugebrechens zwar ein vollstreckbarer baupolizeilicher Auftrag erteilt wurde, wegen Säumigkeit des Hauseigentümers aber ein über das seinerzeitige Gefahrenmoment hinausgehender gefahrendrohender Zustand eingetreten ist, sodass keine Zeit mehr bleibt, das Verwaltungsvollstreckungsverfahren einzuleiten.

Abgesehen davon, dass die vorliegenden Abtragungsaufträge wegen konsensloser Bauführung ergingen und damit nichts über den baulichen Zustand aussagen, muss im Beschwerdefall davon ausgegangen werden, dass die Annahme unmittelbar drohender Gefahr grundsätzlich begründet war: dies geht nicht nur aus dem Aktenvermerk und der "Gedächtnisniederschrift" vom 8. April 1998 hervor, es ist dies auch durch eine Fotodokumentation, die im Akt einliegt, belegt. Während der mündlichen Verhandlung vor dem UVS gaben sowohl Arch. D.I. M. H. als auch der vom UVS bestellte Sachverständige D.I. W.M. an, dass Gefahr im Verzug gegeben war, die jedenfalls die Durchführung einer notstandspolizeilichen Maßnahme rechtfertigte. Allerdings kamen beide Sachverständige zu dem Schluss, dass nach Abtragung von Fensterband und Parapetmauerwerk der die Grundstücksgrenze bildende Sockelbereich eine deutlich bessere Standsicherheit aufwies und deshalb hätte belassen werden können. D.I. M. H. wies in der mündlichen Verhandlung vor dem UVS darauf hin, dass während der Abbrucharbeiten sogar ein Bagger auf der verbliebenen Mauerkrone gestanden sei, und infolge der Dicke der Mauer (ca. 1 m) in diesem Bereich nach Abtragung der darüber liegenden Mauer keine akute Gefahr mehr gegeben war, was insbesondere dadurch erhärtet worden sei, dass nicht einmal infolge der Belastung durch den Bagger weitere Ausbuchtungen erfolgt seien. Auch wenn nach Einsturz des Daches im Jahre 1997 die Träger der Dachkonstruktion nur "dilettantisch" unterstellt waren und dadurch der Druck auf die Außenmauern erhöht wurde, bestand nach Angabe dieser Sachverständigen kein Grund zur Annahme, dass nach der Abtragung von Fensterband und Parapetmauerwerk auch der die Grundstücksgrenze bildende Sockelbereich eine unmittelbar drohende Gefahr dargestellt hätte.

Der Verwaltungsgerichtshof verkennt nicht die Schwierigkeit, die darin besteht, dass das amtshandelnde Organ bei der objektiv gegebenen Gefahr im Verzug nicht hinsichtlich des Ausmaßes der erforderlichen Arbeiten umfangreiche Untersuchungen vornehmen konnte. Die Verhältnismäßigkeit des Eingriffes muss dann angenommen werden, wenn das amtshandelnde Organ aus damaliger Sicht - nach Lage des Falles - mit gutem Grund (d.i. vertretbar) der - subjektiven - Auffassung sein konnte, dass die in Auftrag gegebenen Arbeiten auch dem Ausmaß nach erforderlich waren (vgl. dazu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 30. November 1992, Slg. Nr. 13.240, und die dort zitierte Judikatur).

Allerdings hat der von der belangten Behörde bestellte Sachverständige D.I. W. M. in seinem Gutachten (Seite 11) ausgeführt, dass am 8. April 1998, unmittelbar vor Erteilung des Auftrages betreffend die Beseitigung des gefahrendrohenden Zustandes auf die "sogar mit einfachen Mitteln erkennbaren" Unterschiede in der Gliederung der Gebäudefront und den unterschiedlichen Gefährdungs- respektive Sicherheitspotentialen der Objekte B, A und C einzugehen gewesen wäre. Die Anweisung, der "betreffende Gebäudeteil ist abzutragen", sei zu wenig differenziert erfolgt.

Bei Berücksichtigung des Umstandes, dass dieser Sachverständige ausgeführt hat, es wäre sogar mit einfachen Mitteln erkennbar gewesen, dass unterschiedliche Gefährdungs- bzw. Sicherheitspotentiale vorlagen, ist davon auszugehen, dass zwar die Durchführung notstandspolizeilicher Maßnahmen grundsätzlich gerechtfertigt war, jedoch das Ausmaß der durchgeführten Arbeiten insoweit, als auch der die Grundstücksgrenze bildende Sockelbereich ebenfalls abgetragen wurde, unverhältnismäßig war und dies auch selbst im Rahmen notstandspolizeilicher Maßnahmen erkennbar sein musste.

Da der UVS Wien trotz dieser Beweisergebnisse die Erforderlichkeit aller Maßnahmen bejahte, belastete er in diesem Umfang seinen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb dieser Bescheid - mangels Teilbarkeit - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben war.

Zur Kostenvorschreibung:

Die Beschwerdeführerin hat bereits im Verwaltungsverfahren darauf hingewiesen, dass die beauftragten Unternehmen (H. J. GesmbH. und Schlüsseldienst B. Nfg. Z.) Rechnungen gelegt hätten, die von der Behörde eingehend überprüft und für richtig befunden worden seien. Seitens der Stadt Wien sei sodann eine Banküberweisung im Gesamtbetrag von S 177.921,36 erfolgt. Da die Stadt Wien als Miteigentümerin solidarisch für den Gesamtbetrag hafte, habe sie infolge der am 15. Mai 1998 bzw. 29. Mai 1998 vorgenommenen Vollanweisung an die beiden ausführenden Unternehmungen als gemäß § 129 Abs. 6 BO Verpflichtete die Schuld bezahlt. Die Bezahlung des vorgeschriebenen Betrages durch die Beschwerdeführerin hätte zur Folge, dass der Betrag doppelt bezahlt werden würde. Die Stadt Wien als Miteigentümerin dürfe nicht ihre privatrechtliche Stellung mit ihrer behördlichen Stellung verknüpfen und der Beschwerdeführerin im Rahmen der Kostenvorschreibung die Bezahlung der Schuld auferlegen, vielmehr sei die Stadt Wien als Grundeigentümerin gehalten, den auf die Beschwerdeführerin entfallenden Betrag auf dem Zivilrechtsweg einzuklagen.

Diesem Vorbringen hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid entgegen gehalten, dass es jedenfalls gerechtfertigt sei, jedem Miteigentümer die vollen Kosten vorzuschreiben. Die Zahlung der Kosten durch einen Miteigentümer schließe dann selbstverständlich die Einhebung bei anderen Miteigentümern aus.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass sich bei einer Kostenersatzforderung für eine notstandspolizeiliche Maßnahme gemäß § 129 Abs. 6 BO die Verpflichtung des Eigentümers zur Beseitigung des Gebrechens, die nicht durchgesetzt werden konnte, in eine Kostenschuld umwandelt (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 3. April 1955, Zlen. 1559, 2274/54). Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof zu der mit § 129 Abs. 6 BO im Hinblick auf die Bezeichnung der Verpflichteten vergleichbaren Regelung des § 129 Abs. 2 leg. cit. die Auffassung vertreten, dass jeder Miteigentümer zur Vornahme von Instandhaltungsarbeiten verpflichtet ist und dementsprechend für die gesamten Kosten der Ersatzvornahme solidarisch mit den übrigen Miteigentümern haftet (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 25. Juni 1991, Zl. 87/05/0185, und vom 19. September 1995, Zl. 95/05/0241).

Da die belangte Behörde aber nicht erkannte, dass der vorgeschriebene Betrag unrichtig war, weil darin alle Kosten der durchgeführten Maßnahmen enthalten waren und somit auch jene, die im Sinne der obigen Ausführungen zum Ausmaß der notstandspolizeilichen Maßnahme "überschiessend" waren, belastete sie aus diesem Grund ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Der Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 26. April 2000 war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 20. April 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000050129.X00

Im RIS seit

02.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

23.07.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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