E9 303.304-1/2008-5E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. R. Engel als Vorsitzenden und den Richter Mag. H. Leitner als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Fr. Mayer über die Beschwerde des A. K., geb. 00.00.1978, StA. Türkei, (vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater) gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 02.02.2006, FZ. 05 05.889-BAG, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß §§ 7, 8 Abs 1 u. 2 AsylG 1997 BGBl I Nr. 76/1997 idF BGBl I Nr. I 129/2004 als unbegründet abgewiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Der Beschwerdeführer (BF), seinen Angaben nach ein Staatsangehöriger der Türkei, stellte
am 25.04.2005 beim Bundesasylamt (BAA) einen Asylantrag.
Als Begründung für das Verlassen seines Herkunftsstaates Türkei brachte er im erstinstanzlichen Verfahren zusammengefasst dargestellt vor, dass er Sympathisant der PKK, aber auch der ehemaligen HADEP (der jetzigen DEHAP) sei. Sein Bruder werde mit der PKK in Verbindung gebracht und einige seiner Cousins seien Freiheitskämpfer. Deshalb sei seine gesamte Familie immer unter der Kontrolle der Regierung gestanden und Drohungen bzw. Verfolgungen ausgesetzt gewesen. Er selbst sei mehrmals festgenommen worden. Der BF verwies auch auf die allgemeine Lage der Kurden in der Türkei, speziell in seiner Schulzeit habe er gespürt einer Minderheit anzugehören.
Das BAA hat folglich den Asylantrag gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 AsylG wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung für zulässig erklärt (Spruchpunkt II.). Gemäß § 8 Abs 2 AsylG wurde die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet verfügt (Spruchpunkt III.).
Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Hinsichtlich des konkreten Inhalts der Beschwerde, der bei den Erwägungen des Asylgerichtshofs berücksichtigt wurde, wird auf den Akteninhalt verwiesen (VwGH 16.12.1999, 99/20/0524).
Die im angefochtenen Bescheid bereits enthaltenen verfahrensgegenständlichen Niederschriften und Feststellungen zum Herkunftsstaat werden hiermit zum Inhalt dieser Entscheidung erklärt. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist das erkennende Gericht berechtigt, näher bezeichnete Teile des angefochtenen Bescheides zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses zu erheben, ohne sie wiederholen zu müssen (vgl. z.B. das Erk. d. VwGH vom 4. 10. 1995, 95/01/0045; VwGH 24. 11. 1999, 99/01/0280; auch VwGH 8. 3. 1999, 98/01/0278).
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1. Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes.
Die belangte Behörde legte im Rahmen der Beweiswürdigung (BAA-Bescheid AS 23 und 24) dar, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei, sein ausreisekausales Vorbringen glaubhaft zu machen, da dieses in wesentlichen Punkten widersprüchlich bzw. nicht plausibel war.
Die vom BAA vorgenommene Beweiswürdigung ist im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze in sich schlüssig und stimmig. Sie steht auch im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Behörde einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anzuerkennen hat, wenn der Asylwerber während des Verfahrens im Wesentlichen gleich bleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängten, dass sie nur der Asylerlangung um jeden Preis dienen sollten, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen. Als glaubhaft könnten Fluchtgründe im Allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 6.3.1996, 95/20/0650).
Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,
5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: "Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (...)".
Aus Sicht des Asylgerichtshofes ist unter Heranziehung dieser, von der höchstgerichtlichen Judikatur festgelegten, Prämissen für den Vorgang der freien Beweiswürdigung dem Bundesasylamt nicht entgegenzutreten, wenn es das ausreisekausale Vorbringen im Ergebnis als nicht glaubhaft qualifiziert. Der Asylgerichtshof schließt sich daher diesen beweiswürdigenden Argumenten an und erklärt sie zum Inhalt dieser Entscheidung.
Im Übrigen wird die Beweiswürdigung des BAA in der Beschwerde auch nicht substantiiert bekämpft, weshalb der Asylgerichtshof nicht veranlasst war das Ermittlungsverfahren zu wiederholen bzw. zu ergänzen (vgl. zB. VwGH 20.1.1993, 92/01/0950; 14.12.1995, 95/19/1046; 30.1.2000, 2000/20/0356; 23.11.2006, 2005/20/0551 ua.).
Soweit in der Beschwerde gerügt wird, dass von Seiten des BAA unter Zugrundelegung der Ausführungen des BF eine Verpflichtung bestanden hätte, einen medizinischen Sachverständigen dem Verfahren beizuziehen, um so auf die Glaubwürdigkeit der Angaben des BF schließen zu können, zumal sich durch die Untersuchung des BF darlegen hätte können, dass dieser bis zum heutigen Tage noch an den Folgen der Misshandlungen und Folterungen in der Türkei leide, ist zunächst anzumerken, dass durch ein derartiges Gutachten der allgemeinen Lebenserfahrung nach noch nicht erwiesen wäre, ob vom Sachverständigen festgestellte Verletzungen auch von den vom BF behaupteten Ereignissen stammen.
Die Beurteilung der Glaubwürdigkeit bzw. Glaubhaftmachung im Asylverfahren unterliegt aber jedenfalls, auch im gegenständlichen Fall, der freien Beweiswürdigung des BAA bzw. Asylgerichtshofes (vgl zB die Judikatur des VwGH wonach die Beurteilung der Frage, ob Widersprüche in den Angaben einer Partei auf deren "Verwirrung" zurückzuführen sind oder an ihrer Glaubwürdigkeit zweifeln lassen, in den Kernbereich der freien Beweiswürdigung fällt und entspricht es nicht der Rechtslage, dass der Glaubwürdigkeit einer Partei abträgliche Teile ihrer Aussage nur in Verbindung mit -laienhaft oder unter Beiziehung medizinischer Sachverständiger getroffenen - Feststellungen über ihre "psychische und physische Verfassung" verwertbar seien [VwGH, 21.10.1999, 99/20/0414]). Im konkreten Fall liegen dem Asylgerichtshof - so wie auch schon der Erstbehörde - zu dieser Beurteilung umfassende Erkenntnisquellen, nämlich sämtliche Niederschriften und sonstigen Aktenteile zur Erkenntnisgewinnung vor. Der Fall gebietet keinen hinreichenden Anlass zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit einen medizinischen Sachverständigen beiziehen zu müssen.
Der Beschwerdeführer bringt damit aber auch im Asylverfahren erstmals in der Beschwerde vor, dass er - abgesehen von einer erlittenen Verletzung in der Schulzeit - in der Türkei Misshandlungen und Folterungen ausgesetzt gewesen sei.
In Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesasylamtes dürfen nur eingeschränkt neue Tatsachen und Beweismittel vorgebracht werden.
Die dafür maßgebliche Norm des § 32 Absatz 1 Asylgesetz 1997 lautet (nach der partiellen Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis G 237/03 vom 15.10.2004):
"In einer Berufung gegen Entscheidungen des Bundesasylamtes dürfen nur neue Tatsachen und Beweismittel vorgebracht werden,
1. wenn sich der Sachverhalt, der der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, nach
der Entscheidung erster Instanz entscheidungsrelevant geändert hat;
2. wenn das Verfahren erster Instanz mangelhaft war;
3. wenn diese dem Asylwerber bis zum Zeitpunkt der Entscheidung
erster Instanz nicht zugänglich waren (nova reperta) oder
4. wenn der Asylwerber nicht in der Lage war, diese vorzubringen."
Das gegenständliche Verfahren hat keinen hinreichenden Anhaltspunkt für das Vorliegen eines dieser Ausnahmetatbestände hervorgebracht. Eine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens, die ursächlich dafür ist, dass er dies nicht schon im erstinstanzlichen Verfahren hätte darlegen können, ist nicht ersichtlich. Der Beschwerdeführer hat einen Ausnahmetatbestand auch in seiner Beschwerde nicht konkret aufgezeigt. Es ist somit nicht nachvollziehbar, weshalb der BF dies nicht schon im erstinstanzlichen Verfahren hätte vorbringen können, wenn es den Tatsachen entsprechen würde, zumal er dazu in mehreren Einvernahmen ausreichend Gelegenheit hatte.
Am Boden der zu dieser Bestimmung ergangenen und für deren Auslegung maßgeblichen Judikatur der beiden Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts (siehe VfGH 15.10.2004, Zahl G237/03 ua., Punkt III.4.7.4.2.; VwGH 27.09.2005, Zahl 2005/01/0313) ist in diesem Kontext noch zu beurteilen, ob diese späte, erst im Stadium der Beschwerde erfolgte Tatsachenbehauptung von dem Versuch gekennzeichnet ist, das Asylverfahren missbräuchlich zu verlängern. Im Rahmen einer gesamthaften Abwägung gelangt der Asylgerichtshof angesichts der obdargelegten Ausführungen zu der Ansicht, dass im Falle des Beschwerdeführers das Vorliegen eines Missbrauchs zu bejahen ist.
Der Beschwerdeführer beantragt in der Beschwerde zum Beweis der darin vorgebrachten Umstände die (nochmalige) persönliche Einvernahme. In der Beschwerde wird nicht angeführt, was bei dieser Einvernahme an entscheidungsrelevantem und zu berücksichtigendem Sachverhalt noch hervorkommen hätte können, insbesondere, womit er die aufgetretenen und für die Entscheidung maßgeblichen Widersprüche und Unplausibilitäten, die zur Nichtglaubhaftmachung seiner ausreisekausalen Gründe führten, aufzuklären beabsichtige. So argumentiert auch der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass schon in der Beschwerde darzulegen ist, was seine ergänzende Einvernahme an diesen Widersprüchen hätte ändern können bzw. welche wesentlichen Umstände (Relevanzdarstellung) dadurch hervorgekommen wären. (zB. VwGH 4.7.1994, 94/19/0337). Wird dies unterlassen, so besteht keine Verpflichtung zur neuerlichen Einvernahme, da damit der erstinstanzlichen Beweiswüdigung, der sich der Asylgerichshof anschließt, nicht substantiiert entgegen getreten wird. Sofern der Beschwerdeführer mit seiner nochmaligen Einvernahme seine Neuerungen "beweisen" möchte, so ist darauf hinzuweisen, dass diese unzulässig und damit nicht beachtlich sind, womit auch keine Verpflichtung zur Verhandlungsdurchführung ausgelöst wird.
In der Beschwerde wird weiters beantragt, der Asylgerichtshof möge Amnesty International-Länderberichte der Jahrgänge 2000-2005 über die allgemeine Menschenrechtssituation in der Türkei beischaffen und bei der UNHCR-Zentrale in Wien anfragen, welchen Sanktionen der BF bei zwangsweiser Abschiebung in die Türkei zu gegenwärtigen hat.
In der Beschwerde wird den erstinstanzlichen Feststellungen zum Herkunftsstaat nicht konkret und substantiiert entgegen getreten. Da diese Feststellung auch seitens des Asylgerichtshofes nicht als unzutreffend bezeichnet werden können und es auch nicht notorisch ist bzw. nicht dem Amtswissen entspricht, dass sich seither die entscheidungsrelevante Lage maßgeblich zum Nachteil geändert hätte, besteht keine Verpflichtung dem Antrag, es möge noch weiter ermittelt werden, Folge zu leisten (vgl. Hengstschläger-Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Manz Kommentar, Rz 65 zu § 52 AVG).
Diese käme auch einem Antrag auf einen als unzulässig zu erachtenden Erkundungsbeweis gleich. Erkundungsbeweise sind Beweise, die nicht konkrete Behauptungen sondern lediglich unbestimmte Vermutungen zum Gegenstand haben. Sie dienen also nicht dazu, ein konkretes Vorbringen der Partei zu untermauern, sondern sollen es erst ermöglichen, dieses zu erstatten. Nach der Rsp des Verwaltungsgerichtshofes sind Erkundungsbeweise im Verwaltungsverfahren - und somit auch im asylgerichtlichen Verfahren - unzulässig. Daher ist der Asylgerichtshof nicht gem. §§ 37 iVm 39 Abs 2 AVG zur Durchführung eines solchen Beweises (zur Entsprechung eines dahin gehenden Antrages) verpflichtet, sodass deren Unterlassung keinen Verfahrensmangel bedeutet. (Hengstschläger - Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Manz Kommentar, Rz 16 zu § 46 mwN).
Im Ergebnis ist es dem Beschwerdeführer mit dessen Beschwerde weder gelungen eine wesentliche Unschlüssigkeit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung aufzuzeigen, noch ist er dieser im Rahmen der Anfechtungsbegründung, in substantiierter Form entgegengetreten. Hiezu wäre es erforderlich gewesen, dass der Beschwerdeführer entweder in begründeter Form eine maßgebliche Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung dargetan oder Argumente vorgebracht hätte, die einerseits zu einer anderen Gewichtung oder Bewertung der verfahrensgegenständlichen Beweismittel führen würden oder aus denen andererseits im Rahmen der allgemeinen Denklogik eine Prävalenz des von ihm dargestellten Geschehnisablaufes gegenüber jenem von der Erstbehörde angenommenen hervorleuchtet, was im Ergebnis zu einer anders gelagerten Wahrscheinlichkeitsbeurteilung des der weiteren rechtlichen Würdigung zugrunde zu legenden historisch-empirischen Sachverhaltes führen würde.
2. Gemäß § 38 Abs 1 AsylG 1997 BGBl I Nr. 76/1997 idF BGBl I Nr. I 129/2004 entscheidet über Rechtsmittel gegen Bescheide des Bundesasylamtes der unabhängige Bundesasylsenat.
Gemäß § 75 Abs 7 AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 sind am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:
1. Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.
2. Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.
3. Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständigen Senat weiterzuführen."
Gemäß § 75 Abs 1 AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des AsylG 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt.
(....).
Gegenständlicher Asylantrag wurde am 25.04.2005 gestellt, weshalb sich die Anwendung des AsylG 1997 in der im Spruch zitierten Fassung ergibt. Das Verfahren war am 1.7.2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig und es hat noch keine mündliche Verhandlung stattgefunden. Die Zuständigkeit des erkennenden Senates ergibt sich aus der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes.
Soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof gem. § 23 Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.
Gemäß § 66 Abs 4 AVG idgF hat der Asylgerichtshof [Berufungsbehörde], sofern die Beschwerde [Berufung] nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Er [sie] ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) seine [ihre] Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
Zu Spruchpunkt I.:
Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist eine Person, die aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder die sich als Staatenlose infolge solcher Ereignisse außerhalb des Landes befindet, in welchem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen der erwähnten Befürchtungen nicht dorthin zurückkehren will.
Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern, ob eine vernunftbegabte Person nach objektiven Kriterien unter den geschilderten Umständen aus Konventionsgründen wohlbegründete Furcht erleiden würde (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380). Dies trifft auch nur dann zu, wenn die Verfolgung von der Staatsgewalt im gesamten Staatsgebiet ausgeht oder wenn die Verfolgung zwar nur von einem Teil der Bevölkerung ausgeübt, aber durch die Behörden und Regierung gebilligt wird, oder wenn die Behörde oder Regierung außerstande ist, die Verfolgten zu schützen (VwGH 4.11.1992, 92/01/0555 ua.).
Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 14.10.1998, Zl. 98/01/0262). Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194).
Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes müssen konkrete, den Asylwerber selbst betreffende Umstände behauptet und bescheinigt werden, aus denen die von der zitierten Konventionsbestimmung geforderte Furcht rechtlich ableitbar ist (vgl zB vom 8. 11. 1989, 89/01/0287 bis 0291 und vom 19. 9 1990, 90/01/0113). Der Hinweis eines Asylwerbers auf einen allgemeinen Bericht genügt dafür ebenso wenig wie der Hinweis auf die allgemeine Lage, zB. einer Volksgruppe, in seinem Herkunftsstaat (vgl VwGH 29. 11. 1989, 89/01/0362; 5. 12. 1990, 90/01/0202; 5. 6. 1991, 90/01/0198; 19. 9 1990, 90/01/0113).
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.
Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht des Asylgerichtshofes die dargestellten Voraussetzungen für die Zuerkennung von Asyl, nämlich eine glaubhafte Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat aus einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK angeführten Grund nicht gegeben.
Wie sich aus der Beweiswürdigung ergibt, ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen eine solche glaubhaft zu machen, weshalb diese vorgetragenen ausreisekausalen Angaben des Asylwerbers gar nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung gar nicht näher zu beurteilen (vgl. VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380). Auch aus der allgemeinen Lage lässt sich konkret für den Beschwerdeführer kein Asyl ableiten.
Selbst bei Wahrunterstellung seines Vorbringens könnte eine günstige Entscheidung über den Asylantrag des BF nicht erfolgen. Die behaupteten mehrfachen kurzfristigen Festnahmen und Befragungen zum Aufenthaltsort seines Bruders sowie die angeführten Hausdurchsuchungen sind mangels Intensität des Eingriffes nicht als asylrechtlich relevante Verfolgung anzusehen, zumal in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs auch der Eingriff durch kurzfristige Inhaftierungen und Hausdurchsuchungen, die folgenlos bleiben, mangels Intensität nicht als asylrechtlich relevante Verfolgung angesehen wird (Fessl/Holzschuster AsylG 2005, Kommentar, E.63 zu § 3 unter Hinweis auf VwGH 14.10.1998, 98/01/0262; 12.05.1999, 98/01/0365 und E.71 zu § 3 AsylG unter Hinweis VwGH 21.04.1993, 92/01/1059 MWN; 21.02.1995, 94/20/0720, 19.12.1995, 95/20/0104; 10.10.1996, 95/20/0487). Die mangelnde Intensität der Eingriffe ist in den Einvernahmen des BF etwa auch darin zum Ausdruck gekommen, dass die Anhaltungen, ohne weitere Folgen, noch am selben, spätestens am nächsten Tag beendet worden seien.
Außerdem müsste die im Asylverfahren glaubhaft zu machende Gefahr einer Verfolgung aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe bis zur Ausreise andauern. Vorgänge, die bereits längere Zeit zurückliegen, weisen in der Regel keine ausreichende Asylrelevanz mehr auf. Solche Umstände können bloß zur Abrundung des Gesamtbildes bei Prüfung der Frage einer nach wie vor gegebenen begründeten Furcht vor Verfolgung herangezogen werden.
Im Einklang mit der hg Judikatur sind geltend gemachte Umstände, denen es an einem entsprechenden zeitlichen Konnex zur Ausreise eines Asylwerbers mangelt, nicht zur Glaubhaftmachung eines Fluchtgrundes geeignet (vgl für viele andere zB das hg Erkenntnis vom 30. November 1992, Zl 92/01/0800-0803) (VwGH 17. 6. 1993, 92/01/1081).
Ein derartiger zeitlicher Zusammenhang zwischen den vom BF geltend gemachten Umständen und seiner Ausreise wäre hier nicht zu erblicken. Die Kontrollen seines Personalausweises seien im Jahr 2004 erfolgt, die Festnahmen hätten sich bereits im Jahr 2001 ereignet und hinsichtlich der angeblich vorgenommen Hausdurchsuchungen war dem BF eine zeitliche Zuordnung der Ereignisse überhaupt nicht mehr möglich. Auch einer allfälligen Unterdrückung wegen seiner kurdischen Abstammung während der Schulzeit wird die nötige Aktualität bei einem im Ausreisezeitpunkt bereits über 25 Jahre alten Mann nicht mehr zugestanden werden können. Die ausreisekausalen Umstände liegen jedenfalls bereits mehrere Jahre zurück, und wären nicht dazu geeignet die erforderliche Aktualität im Hinblick auf eine behauptete Verfolgung zu begründen.
Es war unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände daher zu Recht kein Asyl zu gewähren, die Entscheidung des BAA im Ergebnis zu bestätigen und die Beschwerde somit hinsichtlich Spruchpunkt I. abzuweisen.
Zu Spruchpunkt II.:
Gem. § 8 Abs 1 AsylG 1997 hat die Behörde im Falle einer Abweisung eines Asylantrages von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat zulässig ist; diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden.
§ 8 AsylG 1997 beschränkt den Prüfungsrahmen auf den "Herkunftsstaat" des Asylwerbers. Gemäß § 1 Z 4 leg cit ist Herkunftsstaat der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt, oder - im Falle der Staatenlosigkeit - der Staat seines gewöhnlichen Aufenthaltes. Dies ist dahin gehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen ist, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300).
Gemäß Art. 5 § 1 des Fremdenrechtspakets BGBl. I 100/2005 ist das FrG mit Ablauf des 31.12.2005 außer Kraft getreten. Am 1.1.2006 ist gemäß § 126 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (Art. 3 BG BGBl. I 100/2005; in der Folge: FPG) das FPG in Kraft getreten. Gemäß § 124 Abs. 2 FPG treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des FrG verwiesen wird, an deren Stelle die entsprechenden Bestimmungen des FPG. Demnach ist die Verweisung des § 8 Abs. 1 AsylG auf § 57 FrG nunmehr auf die "entsprechende Bestimmung" des FPG zu beziehen und das ist nun § 50 FPG. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die sich - unmittelbar oder mittelbar - auf § 57 FrG bezieht, lässt sich insoweit auch auf § 50 FPG übertragen.
Die Zurückweisung, die Hinderung an der Einreise, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat ist demnach unzulässig, wenn dadurch Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung) oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre (§ 8 Abs 1 AsylG 1997 iVm § 50 Abs. 1 FPG) bzw. dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der GFK iVm § 50 Abs. 2 FPG und § 8 Abs 1 AsylG 1997), es sei denn, es bestehe eine inländische Fluchtalternative.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). So auch der EGMR in stRsp, welcher anführt, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller "Beweise" zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt - so weit als möglich - Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht ( zB EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005)
Im gegenständlichen Fall ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen seine vorgebrachte Bedrohung bzw. Verfolgungsgefahr im Sinne des § 50 Abs. 2 FPG iVm § 8 Abs 1 AsylG 1997 im dargestellten Ausmaß glaubhaft zu machen, weshalb sich daraus auch kein zu berücksichtigender Sachverhalt ergibt, der gemäß § 50 Abs 1 iVm § 8 Abs 1 AsylG 1997 zur Unzulässigkeit der Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung in den Herkunftsstaat führen könnte.
Unter Berücksichtigung der individuellen Situation des Beschwerdeführers ist festzuhalten, dass hinsichtlich der Lebensbedingungen von einer lebensbedrohenden Notlage in seinem Herkunftsstaat, welche bei einer Rückkehr eine über die bloße Möglichkeit hinausgehende "reale Gefahr" ("das ist. eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat"; vgl zB VwGH 19.2.2004, 99/20/0573 mwN) einer unmenschlichen Behandlung des Beschwerdeführers iSd Art 3 EMRK indizieren würde, aus Sicht des Asylgerichtshofes nicht gesprochen werden kann.
Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass es sich beim BF laut Aktenlage um einen arbeitsfähigen jungen Mann handelt. Unabhängig davon, ob nun die näheren Familienmitglieder des BF (Eltern, Großeltern, eine Schwester, Tanten, Onkel, Cousins und Cousinen) nach wie vor in der Türkei leben (AS 59) oder wie in der Beschwerde ausgeführt im Bundesgebiet aufhältig sind (AS 135), kann sich der BF seinen Lebensunterhalt - wie schon vor seiner Ausreise - jedenfalls durch Gelegenheitsarbeiten verdienen (AS 59) bzw. ist ihm dies zumutbar.
Auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ergibt sich somit kein "reales Risiko", dass es derzeit durch die Rückführung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat zu einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe kommen würde.
Es kam im Verfahren nicht hervor, dass konkret für den Beschwerdeführer im Falle einer Rückverbringung in seinen Herkunftsstaat die reale Gefahr bestünde, als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts ausgesetzt zu sein.
Es war unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände daher zu Recht kein subsidiärer Schutz zu gewähren, die Entscheidung des BAA im Ergebnis zu bestätigen und die Beschwerde somit hinsichtlich Spruchpunkt II. abzuweisen.
Zu Spruchpunkt III.:
Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG hat die Behörde den Bescheid mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Asylantrag abgewiesen wird und die Überprüfung gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ergeben hat, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat zulässig ist.
Der Gesetzgeber wollte durch diese - im Gegensatz zur fremdenpolizeilichen Ausweisung keinem Ermessen zugängliche - zwingende asylrechtliche Ausweisung eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Asylwerber, die bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung sich im Bundesgebiet aufhalten durften, verhindern (vgl. VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479).
Der gegenständliche Asylantrag war abzuweisen (Spruchpunkt I.) und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat für zulässig zu erklären (Spruchpunkt II.). Es liegt daher bei Erlassung dieses Bescheides - mangels anderweitigen Aufenthaltstitels für Österreich - kein rechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet mehr vor.
Bei Erlassung einer Ausweisung kann ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und/oder Familienleben vorliegen (Art. 8 Abs 1 EMRK). Ein unverhältnismäßiger Eingriff würde eine Ausweisung unzulässig machen.
Das Recht auf Achtung des Familienlebens iSd Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (EGMR Kroon, VfGH 28.06.2003, G 78/00).
Der Begriff des Familienlebens ist jedoch nicht nur auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere "de facto Beziehungen" ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR Marckx, EGMR 23.04.1997, X ua).
Eine familiäre Beziehung unter Erwachsenen fällt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) nur dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Juni 2006, B 1277/04, unter Hinweis auf die Judikatur des EGMR; des Weiteren auch das Erkenntnis des VwGH vom 26. Jänner 2006, Zl. 2002/20/0423 und die darauf aufbauende Folgejudikatur, etwa die Erkenntnisse vom 26. Jänner 2006, Zl. 2002/20/0235, vom 8. Juni 2006, Zl. 2003/01/0600, vom 22. August 2006, Zl. 2004/01/0220 und vom 29. März 2007, Zl. 2005/20/0040, vom 26. Juni 2007, 2007/01/0479).
Die Beziehung der bereits volljährigen Kinder zu den Eltern ist vor allem dann als Familienleben zu qualifizieren, wenn jene auch nach Eintritt der Volljährigkeit im Haushalt der Eltern weiterleben, ohne dass sich ihr Naheverhältnis zu den Eltern wesentlich ändert (Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 860 unter Hinweis auf Wiederin in Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Art 8 EMRK Rz 76).
Alle anderen verwandtschaftlichen Beziehungen (zB zwischen Enkel und Großeltern, erwachsenen Geschwistern [vgl. VwGH 22.08.2006, 2004/01/0220, mwN; 25.4.2008, 2007/20/0720 bis 0723-8], Cousinen [VwGH 15.01.1999, 97/21/0778; 26.6.2007, 2007/01/0479], Onkeln bzw. Tanten und Neffen bzw. Nichten) sind nur dann als Familienleben geschützt, wenn eine "hinreichend starke Nahebeziehung" besteht. Nach Ansicht der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ist für diese Wertung insbesondere die Intensität und Dauer des Zusammenlebens von Bedeutung (vgl. VfSlg 17.457/2005). Dabei werden vor allem das Zusammenleben und die gegenseitige Unterhaltsgewährung zur Annahme eines Familienlebens iSd Art 8 EMRK führen, soweit nicht besondere Abhängigkeitsverhältnisse, wie die Pflege eines behinderten oder kranken Verwandten, vorliegen.
Nach der Rechtssprechung des EGMR (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (zB. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u. a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).
Festzuhalten ist, dass ein Bruder des BF in Italien und ein Cousin in Deutschland leben. In Österreich dürften jedoch - entsprechend den eindeutigen persönlichen Ausführungen des Beschwerdeführers in der zweiten Einvernahme am 30.01.2006 (AS 59) und entgegen den unbescheinigten Ausführungen in der Beschwerde vom 20.02.2006 (AS 135) - keine Verwandten des BF aufhältig sein. Dies wurde in Bezug auf die Eltern und Schwester (deren Namen hat der BF im Verfahren angegeben) des BF auch eindeutig durch eine ZMR-Abfrage am 9.10.2008 bestätigt. Der Asylgerichtshof unterstellt diesen Fremden nicht, dass sie sich entgegen den melderechtlichen Vorschriften im Bundesgebiet aufhalten und damit insbesondere verwaltungsstrafrechtliche Tatbestände verwirklichen. Selbst wenn sich die in der Beschwerde genannten Personen (Eltern, Großeltern, eine Schwester, Tanten, Onkel, Cousins und Cousinen) im österreichischen Bundesgebiet aufhalten sollten, so behauptete der erwachsene BF nicht, mit den betreffenden Familienmitgliedern zusammenzuleben oder dass über das normale Maß hinausgehende besondere Abhängigkeiten vorliegen würden.
Abgesehen davon handelt es sich bei dieser Behauptung betreffend der Familienangehörigen in Österreich auch um Neuerungen.
In Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesasylamtes dürfen nur eingeschränkt neue Tatsachen und Beweismittel vorgebracht werden.
Die dafür maßgebliche Norm des § 32 Absatz 1 Asylgesetz 1997 lautet (nach der partiellen Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis G 237/03 vom 15.10.2004):
"In einer Berufung gegen Entscheidungen des Bundesasylamtes dürfen nur neue Tatsachen und Beweismittel vorgebracht werden,
1. wenn sich der Sachverhalt, der der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, nach
der Entscheidung erster Instanz entscheidungsrelevant geändert hat;
2. wenn das Verfahren erster Instanz mangelhaft war;
3. wenn diese dem Asylwerber bis zum Zeitpunkt der Entscheidung
erster Instanz nicht zugänglich waren (nova reperta) oder
4. wenn der Asylwerber nicht in der Lage war, diese vorzubringen."
Den diesbezüglich unbescheinigt gebliebenen Ausführungen in der Beschwerde ist nicht zu entnehmen, dass sich dieser Sachverhalt erst sei der Entscheidung des BAA am 2.2.2006 bzw. seit der letzten Einvernahme des BF am 30.1.2006, wo er noch angab, dass in Österreich keine Familienangehörigen bzw. Verwandte anwesend seien, innerhalb dieser kurzen Zeit bis zur Beschwerdeerhebung (20.2.2006) derart geändert habe. Ein anderweitiger Ausnahmetatbestand, der zur Zulässigkeit dieser Neuerung führen würde, wurde weder seitens des vertretenen BF dargelegt, noch kann ein solcher amtswegig festgestellt werden.
Am Boden der zu dieser Bestimmung ergangenen und für deren Auslegung maßgeblichen Judikatur der beiden Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts (siehe VfGH 15.10.2004, Zahl G237/03 ua., Punkt III.4.7.4.2.; VwGH 27.09.2005, Zahl 2005/01/0313) ist in diesem Kontext noch zu beurteilen, ob diese späte, erst im Stadium der Beschwerde erfolgte Tatsachenbehauptung von dem Versuch gekennzeichnet ist, das Asylverfahren missbräuchlich zu verlängern. Im Rahmen einer gesamthaften Abwägung gelangt der Asylgerichtshof angesichts der obdargelegten Ausführungen zu der Ansicht, dass im Falle des Beschwerdeführers das Vorliegen eines Missbrauchs zu bejahen ist.
Weiters hat das bisherige Verfahren keine Anhaltspunkte für die Annahme besonderer sozialer oder wirtschaftlicher Beziehungen des BF in Österreich ergeben bzw. wurden solche von diesem auch nicht - abgesehen von einem Hinweis, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet als finanziell abgesichert anzusehen sei und er einen Anspruch habe, dass sein Asylverfahren im Bundesgebiet abgeführt werde - in der Beschwerde behauptet. Aber auch eine anderweitige Aufenthaltsverfestigung, die die Annahme einer Prävalenz der ho. Bindungen gegenüber jenen zum Herkunftsstaat rechtfertigen würden, wird durch den erst ca. 3 1/2 -jährigen Aufenthalt in Österreich kontraindiziert.
Ein relevantes Privat- und Familienleben des BF in Österreich kann daher nicht festgestellt werden, weshalb die Ausweisung - der maßgeblichen Judikatur des EGMR folgend - keinen Eingriff in das Recht auf Privat- und Familienleben darstellt und es diesbezüglich auch keiner Abwägung gem. Art 8 Abs 2 EMRK bedarf.
Selbst wenn man aber im gegenständlichen Verfahren ein relevantes Privat- und Familienleben bejahen würde, käme man unter Berücksichtigung der von den Höchstgerichten vorgegebenen Judikaturlinie zum Ergebnis, dass die Ausweisung als notwendig und nicht unverhältnismäßig zu erachten wäre. Unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände und unter Einbeziehung der aktuellen Judikatur der Höchstgerichte zur Aufenthaltsbeendigung von Asylwerbern, denen - abgesehen von der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung durch die Asylantragstellung - bislang nie ein Bleiberecht im Bundesgebiet zukam (vgl. insbesondere NNYANZI gg. das Vereinigte Königreich, Darren Omoregie u.a. gg. Norwegen), wäre ein überwiegendes öffentliches Interesse - nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, konkret das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung und Stärkung der Einwanderungskontrolle und das wirtschaftliche Wohl des Landes, an der Aufenthaltsbeendigung des Beschwerdeführers festzustellen, das seine Interessen an einem Verbleib in Österreich überwiegen würde. Die Ausweisung wäre daher als notwendig und nicht unverhältnismäßig zu erachten. Anzumerken ist, dass trotz dieser Verpflichtung Österreich zu verlassen, es dem BF frei steht - wie anderen Fremden auch - auf gesetzeskonforme Weise vom Ausland aus einen Antrag auf einen Einreise- bzw. Aufenthaltstitel zu stellen, die Entscheidung darüber dort abzuwarten und Österreich damit in die Lage zu versetzen eine wirksame Zuwanderungskontrolle zu vollziehen. Die Ausweisung ist - durch diese grds. gegebene Rückkehrmöglichkeit - in ihrer Intensität kein so gravierender Eingriff wie etwa ein befristetes oder gar unbefristetes Aufenthaltsverbot oder Rückkehrverbot.
Es war unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände daher zu Recht eine Ausweisung zu verfügen, die Entscheidung des BAA im Ergebnis zu bestätigen und die Beschwerde somit hinsichtlich Spruchpunkt III. abzuweisen.
III. Gemäß § 41 Abs 7 AsylG 2005 kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 67 d AVG. Es ergibt sich aus § 23 AsylGHG, dass die dort als Rechtsfolge vorgesehene sinngemäße Anwendung des AVG 1991 unter dem Vorbehalt anderer Regelungsinhalte des B-VG, des AsylG 2005 und des VwGG steht. Derartige ausdrückliche andere Regelungen für das Verfahren vor dem Asylgerichtshof sind, in den in der Erläuterung laut AB 371 XXIII. GP genannten §§ 20, 22 und 41 AsylG 2005 enthalten, wohl aber auch in den §§ 42, 61 und 62 AsylG 2005. Es ergibt sich aus § 23 AsylGHG somit die Anwendung von Verfahrensbestimmungen für den Asylgerichtshof in allen anhängigen Verfahren einschließlich der gemäß den Übergangsbestimmungen des AsylG 2005 nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führenden Verfahren, ohne dass es dafür einer Nennung dieser Bestimmungen (auch) im § 75 Abs 1 AsylG 2005 bedürfte. § 41 Abs 7 ist daher im gegenständlichen Verfahren anwendbar.
Im gegenständlichen Fall konnte das Unterlassen der mündlichen Verhandlung auf die 1. Fallvariante gestützt werden. Der Sachverhalt konnte aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt erachtet werden, da dieser nach einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde nach schlüssiger Beweiswürdigung festgestellt und dieser in der Beschwerde auch nicht substantiiert entgegen getreten wurde. Weder war der Sachverhalt ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig. Rechtlich relevante und zulässige Neuerungen wurden nicht vorgetragen.