TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/13 B4 401483-1/2008

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Veröffentlicht am 13.10.2008
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Spruch

B4 401.483-1/2008/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Florian NEWALD als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Karin WINTER als Beisitzerin über die Beschwerde des F.M., geboren am 00.00.1982, kosovarischer Staatsangehöriger, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 25.8.2008, Zl. 07 10.748-BAT, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8 und 10 des Asylgesetzes 2005 (AsylG) als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang

 

1. Der Beschwerdeführer reiste am 20.11.2007 unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich ein und stellte am gleichen Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

2. Bei seiner Erstbefragung auf der Polizeiinspektion Traiskirchen EAST-Ost am gleichen Tag gab er im Wesentlichen Folgendes an: Er sei Staatsangehöriger von Serbien und Montenegro, gehöre der albanischen Volksgruppe an, sei muslimischen Glaubens und stamme aus dem in der kosovarischen Gemeinde V. gelegenen Ort D.. Im Herkunftsland lebten seine Mutter, sechs Brüder sowie fünf Schwestern. Von 2000 bis 2003 sei sein Elternhaus von unbekannten Tätern mehrmals beschossen worden; diese Vorfälle seien bei der Polizei in V. gemeldet worden. Am 00.00.2007 sei er gegen 23 Uhr von ihm unbekannten drei Personen zusammengeschlagen worden. Dazu gebe es ärztliche Befunde. Aus diesen Gründen sei sein Leben in Gefahr. Zum Nachweis seiner Identität legte der Beschwerdeführer einen ihm am 00.00.2001 von der UNMIK ausgestellten Personalausweis vor.

 

3. Am 28.1.2008 wurde der Beschwerdeführer erstmals beim Bundesasylamt einvernommen. Eingangs gab er zu seinem beruflichen Werdegang an, von 2000 bis 2007 in V. als Bauarbeiter gearbeitet zu haben. Im Zeitraum von 2000 bis 2003 hätten unbekannte Personen auf den Beschwerdeführer und seine Familienangehörigen geschossen, als sie zu Hause gewesen seien. Sie seien bei der Polizei gewesen, diese habe aber nichts aufklären können. Von 2003 bis 2007 habe es keine Vorfälle mehr gegeben. Im Sommer 2007 sei er von Unbekannten geschlagen und mit dem Umbringen bedroht worden. Die Polizei habe ihn ins Krankenhaus nach Prishtina gebracht. Nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus sei er auf der Polizeistation V. deswegen einvernommen worden. Nach dem konkreten Zeitpunkt des Vorfalls befragt, gab der Beschwerdeführer an, er glaube, dass es der 00.00.2007 gewesen sei. Warum er von den Unbekannten geschlagen worden ist, wisse er nicht; diese seien in Zivil und maskiert gewesen. Die Frage, ob er alle Gründe angegeben habe, bejahte der Beschwerdeführer.

 

4. Am 26.2.2008 wurde der Beschwerdeführer ein weiteres Mal vom Bundesasylamt einvernommen, wobei er im Wesentlichen Folgendes angab: Von 2000 bis 2003 sei das Haus der Familie des Beschwerdeführers regelmäßig beschossen worden; verletzt sei niemand worden. Wer das getan habe, wisse man nicht. Er und seine Familienmitglieder hätten immer vier Personen wahrgenommen, die auf das Haus geschossen hätten. Sie hätten die Vorfälle bei der Polizei angezeigt, diese habe jedoch die Täter nicht ausforschen können. Weiters gab der Beschwerdeführer an, sein Vater und seine Brüder hätten 2003 ein Stück Land von einem Mann namens H.M., der aus dem gleichen Dorf stamme, gekauft, weshalb er vermute, dass "diese Schießereien" vielleicht im Zusammenhang mit dem Kauf des Grundstückes stünden. Am 00.00.2007 sei der Beschwerdeführer in V. in einer nicht beleuchteten Straße von mindestens zwei Personen geschlagen worden. Man habe ihm mit einem Schlagstock in den Bauch geschlagen, woraufhin er bewusstlos geworden sei; außerdem habe er Verletzungen im Bereich des Kopfes und im Nierenbereich davon getragen. In der Universitätsklinik in Prishtina sei er einen Tag lang geblieben, die Ärzte hätten festgestellt, dass er keine ernsten Verletzungen habe. Etwa drei Tage nach dem Vorfall sei er von der Polizei von V. einvernommen worden. Weshalb er angegriffen worden sei, wisse er nicht, er habe mit niemandem ein Problem gehabt. Zuvor habe er sich mit zwei Freundinnen in einem Kaffeehaus namens "M."

getroffen; am Nachhauseweg sei er dann angegriffen worden. Die Täter habe er nicht gekannt; sie hätten zu ihm auch nichts gesagt. Befragt, ob es bis zu seiner Ausreise auch noch andere Vorfälle gegeben habe, entgegnete der Beschwerdeführer, er sei zwei oder drei Wochen nach dem erwähnten Vorfall im Dorf N. von drei Männern angehalten worden; sie hätten ihm angedroht, ihn umzubringen, und auch noch beschimpft. Zu einer tätlichen Auseinandersetzung sei es aber nicht gekommen. Er habe diese drei Personen nicht gekannt und wisse auch nicht, ob es dieselben Personen waren wie beim ersten Vorfall. Bei diesem sei es dunkel gewesen und er habe die Täter nicht erkennen können. Beim zweiten Vorfall habe er die Leute hingegen gut erkennen können: Sie seien etwa 30 Jahre alt und größer als er gewesen, hätten Albanisch gesprochen und normale Zivilkleidung getragen. Nach Hause zurückgekehrt, habe er seiner Familie vom Vorfall erzählt. Die Mutter habe zu ihm gesagt, dass er nicht im Kosovo bleiben dürfe. Danach habe er die Ausreise angetreten. Der Polizei habe er den Vorfall nicht gemeldet; er habe die Polizei nicht verständigen wollen, da ihn nur noch die Ausreise interessiert habe. Befragt, ob er die Möglichkeit gehabt hätte, sich woanders im Heimatland zu begeben, beantwortete der Beschwerdeführer dahingehend, dass er sich nur irgendwo im Kosovo verstecken hätte können; er habe aber niemanden etwas Schlechtes getan. Er könne aber nicht dauernd versteckt leben und der Kosovo sei sehr klein. Auf Vorhalt, dass er bei der vorangegangenen Einvernahme nicht erwähnt habe, dass es einen zweiten Vorfall gegeben habe, antwortet der Beschwerdeführer, er habe auch damals davon erzählt. Auf Grund der abweichenden Angaben zur Frage, wann der Vorfall stattgefunden habe, bei dem er niedergeschlagen worden sei, meinte der Beschwerdeführer, er sei eben krank und leide an Depressionen; so eine Person könne sich nicht alles merken. Im Kosovo sei er in medizinischer Betreuung gewesen; ca. fünf Mal sei er im Krankenhaus von V. gewesen und sogar auf der Neurologie und der Psychiatrie der Universitätsklinik vom Prishtina. Die Ärzte hätten ihm gesagt, dass er an Depressionen leide und ihm Beruhigungstabletten verschrieben. Zuletzt sei er 2005 im Krankenhaus gewesen. Zwei seiner Brüder lebten als Gastarbeiter in Österreich; sonstige Bindungen zu Österreich habe er nicht.

 

5. Mit Schreiben vom 27.2.2008 richtete das Bundesasylamt an den Verbindungsbeamten des Bundesministeriums für Inneres im Kosovo das Ersuchen, das Vorbringen des Beschwerdeführers durch näher genannte Ermittlungen zu verifizieren.

 

6. Mit Schreiben vom 8.4.2008 wurde dieses Ersuchen vom Verbindungsbeamten folgendermaßen beantwortet: Die Mutter des Beschwerdeführers und dessen beide Brüder S. und Sh.M. seien von ihm befragt worden und hätten Folgendes angegeben: Das derzeitige Haus der Familie sei 2000 einem Mann namens Fe.M. abgekauft worden; dieser habe mit der Familie einen guten Kontakt. Ha.M. sei ein Verwandter väterlicherseits, zu dem das Verhältnis der Familie normal sei; vor dem bewaffneten Konflikt 1999 habe es einen Streit gegeben, der jedoch längst beigelegt sei. Rechtsgeschäfte der Familie mit Ha.M. habe es nicht gegeben. Nach Schüssen auf das Haus befragt, hätten die Familienmitglieder angegeben, dass jahrelang und zwar von 2003 bis 2005 beinahe jedes Monat Schüsse auf das Haus abgefeuert worden seien. Die Vorfälle seien einmal bei der Polizei in V. angezeigt worden, wo auch ein Verwandter namens N.M. tätig sei. Weiters hätten die Familienangehörigen angegeben, dass der Beschwerdeführer im Juni 2007 ärztlich versorgt habe werden müssen; über eine Gefährdung, Bedrohung oder Problemen hätten sie nicht gesprochen. Nachforschungen beim Kosovo Police Service hätten ergeben, dass ein Vorfall angezeigt worden sei, der am 00.00.2007 stattgefunden habe. Der Fall sei noch nicht abgeschlossen, da der Beschwerdeführer als Opfer nochmals zur Einvernahme hätte kommen sollen. Dieser sei mit drei kosovarischen Mädchen, die in Österreich oder Deutschland wohnhaft seien, in einem Kaffeehaus gewesen und auf dem Heimweg in einer dunklen Gasse niedergeschlagen worden. Nachdem ein Passant die Ambulanz verständigt habe, sei der Beschwerdeführer in das Krankenhaus von V. gebracht worden, von wo er ins Krankenhaus Pristina überstellt worden sei. Der Beschwerdeführer habe überhaupt keine Angaben zum Personenkreis machen können. Er sei nur leicht verletzt worden, vermutlich habe er einen Schlag mit einem Holzknüppel erhalten. Auch andere Vorfälle mit Familienangehörigen als Opfer seien angezeigt worden: 2001 habe vermutlich jemand Steine gegen das Haus geworfen, eine Fensterscheibe sei zerbrochen gewesen; der Vorfall sei als "Schüsse gegen das Haus" angezeigt worden. 2002 sei eine Kuh gestohlen worden. Die Einschüsse am Haus der Familie, die dem Verbindungsbeamten gezeigt worden seien, hätten nach dessen Ansicht keinen Beweischarakter, da sie auch vom bewaffneten Konflikt stammen könnten. Nachforschungen auf der Universitätsklinik von Prishtina hätten ergeben, dass der Beschwerdeführer am 00.00.2007 mit der Diagnose "Neurose" eingeliefert worden sei. Als Medikamente seien ihm "B6" und das "Beruhigungsmittel Bensidin" verschrieben worden. Laut Auskunft seiner Familienangehörigen sei der Beschwerdeführer überdies im Krankenhaus von V. bei einem Neurologen wegen Depressionen behandelt worden.

 

7. Am 9.7.2008 fand beim Bundesasylamt eine weitere Einvernahme des Beschwerdeführers statt, bei der ihm das Ergebnis der Ermittlungen des Verbindungsbeamten zur Kenntnis gebracht wurde. Der Beschwerdeführer gab dazu im Wesentlichen Folgendes an: Er kehre nicht in den Kosovo zurück, da er dort bedroht und auch geschlagen worden sei. Niemand könne ihm eine Garantie geben, dass er dort in Sicherheit leben könne. Im Kosovo würden die Leute umgebracht und die Täter nicht gefunden. Es interessiere niemanden, wenn eine Person umgebracht werde. Die Polizei sei an nichts interessiert. Nach dem Krieg sei es bereits zu über 1000 Morden gekommen und die Polizei habe noch keinen einzigen Fall geklärt. Die Polizei sei korrupt, verbreite vorwiegend Lügen und habe mit Sicherheit falsche Angaben hinsichtlich seines Falles gemacht. Ein Polizeibeamter würde niemals von sich aus angeben, dass er falsche bzw. keine Ermittlungen getätigt habe. Auf Vorhalt, dass seine Familienangehörigen im Kosovo ausgeführt hätten, dass in den Jahren 2003 und 2005 auf das Haus Schüsse abgefeuert worden seien, gab der Beschwerdeführer an, dass er die Vorfälle nicht gezählt habe und nicht wisse, was seine Familie oder die Polizei gesagt habe. Er habe viele Probleme gehabt und könne sich nicht an alles erinnern. Seine Familie habe weder mit Fe.M. noch mit Ha.M. Probleme gehabt. Auch habe der Beschwerdeführer keine Problem hinsichtlich der medizinischen Betreuung im Kosovo gehabt, er könne den dortigen Ärzten nichts vorwerfen; er habe jedoch - wie er erwähnt habe - andere Probleme gehabt. Er nehme keine Medikamente und sei auch nicht in therapeutischer Behandlung. Weiters brachte das Bundesasylamt dem Beschwerdeführer seine Sachverhaltsannahmen zur Lage im Kosovo zur Kenntnis, zu denen der Beschwerdeführer folgendermaßen Stellung nahm: Er vertraue der Polizei im Kosovo nicht, es gebe keine Sicherheit und er sei von der Polizei enttäuscht. Viele Personen und auch Polizisten seien umgebracht worden und keiner dieser Fälle sei geklärt worden. Bei der Einvernahme legte der Beschwerdeführer ein Schreiben der Internen Abteilung des Landesklinikums M.S. vor, die hinsichtlich des Beschwerdeführers die Diagnose "polytopisches Schmerzbild mit Angststörung bei posttraumatischer Belastungsreaktion (Kriegserlebnisse)" aufweist und aus der sich ergibt, dass Beschwerdeführer wegen multipler Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule, beider Schultern, in Nierenlagern, in der Ferse etc. eingewiesen worden sei. Die Beschwerden seien "nicht wirklich zuzuordnen" gewesen seien, es bestehe das Bild "einer ausgeprägten posttraumatischen Belastungsstörung bei massiven Kriegserlebnissen". Unter symptomatischer Therapie und Beginn mit Seroxat sei es während des Aufenthaltes zu einer geringen Besserung gekommen. Auch eine psychologische Begutachtung sei vorgenommen worden; aufgrund des Sprachproblems sei "eine wirkliche Betreuung" aber "nicht gut möglich gewesen". Der Beschwerdeführer sei am 00.00.2008 "in gebessertem Zustand" entlassen worden; eine längerfristige psychologische Betreuung sei sinnvoll. Im "Konsiliarbefund klinische Psychologie" des gleichen Spitals vom selben Tag heißt es, dass der Beschwerdeführer unter einer Belastungsreaktion oder Angststörung mit depressiven und Angstsymptomen bei somatoformer Verarbeitungstendenz zu leiden scheine, wobei zu genaueren Abklärung eine direkte Übersetzung nötig wäre; dem Beschwerdeführer sei ein ambulanter Termin zur genaueren psychologischen Exploration angeboten worden.

 

8. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Anerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), wies den Antrag gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten im Bezug auf den Herkunftsstaat Republik Kosovo ab (Spruchpunkt II.) und wies den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Republik Kosovo aus (Spruchpunkt III.). In der Begründung traf das Bundesasylamt zunächst umfangreiche Feststellungen zur Lage im Kosovo, darunter solche zum Rechtsschutz und zu den Sicherheitsbehörden. Diesen zufolge führe die kosovarische Polizei (KPS) ihre Aufgaben im Allgemeinen in professioneller Weise aus. Strafanzeigen würden von der KPS aufgenommen und verfolgt (wobei Fehlleistungen einzelner Polizeiorgane nicht ausgeschlossen werden könnten); überdies bestehe die Möglichkeit, sich direkt an die UNMIK-Polizei oder an die Staatsanwaltschaft zu wenden. Das Bundesasylamt ging davon aus, dass es im Sommer 2007 einen Übergriff unbekannter Personen gegen den Beschwerdeführer gegeben habe, dass die Polizei ihm diesbezüglich aber Schutz bieten würde (wobei auch darauf hingewiesen wurde, dass ein Verwandter des Beschwerdeführers bei der Polizei in V. tätig sei. Dass die Unbekannten ein konkretes Interesse am Beschwerdeführer hätten, könne ebenso wenig festgestellt werden wie dass es - wie vom Beschwerdeführer angegeben - in den Jahren 2000 bis 2003 Schussangriffe auf sein Elternhaus gegeben habe. Seine unter Spruchpunkt I. getroffene Entscheidung begründete das Bundesasylamt damit, dass auf Grund der Feststellungen nicht angenommen werden könne, die dem Beschwerdeführer drohende Gefahr werde vom Herkunftsstaat geduldet; vielmehr würden Übergriffe von den Behörden geahndet, sodass nicht von mangelnder Schutzwilligkeit ausgegangen werden könne. Hinzu komme, dass kein Bezug zu einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe ersichtlich sei. Zu Spruchpunkt II. führte das Bundesasylamt überdies aus, es sei nicht anzunehmen, dass es dem Beschwerdeführer nach einer Rückkehr in die Republik Kosovo an einer notwendigen Lebensgrundlage fehle: Der Beschwerdeführer habe die Möglichkeit, bei seinen Familienangehörigen zu leben - seine Mutter und seine Geschwister lebten nach wie vor im Kosovo - ; außerdem könne er wieder seiner Tätigkeit als Bauarbeiter nachgehen. In Hinblick auf das Schreiben des Landeskrankenhauses M.S. hielt das Bundesasylamt fest, dass der Beschwerdeführer gegebenenfalls im Kosovo medizinisch betreut werden könne. Abschließend begründet das Bundesasylamt seine unter Spruchpunkt III. getroffene Ausweisungsentscheidung.

 

9. Gegen alle drei Spruchpunkte dieses Bescheides richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde, die im Wesentlichen Folgendes ausführt: Die vom Bundesasylamt getroffenen Länderfeststellungen seien unzureichend; wie sich aus näher zitierten Berichten von Human Rights Watch und der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, einem Artikel in der Tageszeitung "Der Standard" sowie einer Anfragebeantwortung von ACCORD ergebe, sei die Sicherheitslage im Kosovo weiterhin unzureichend und es gebe zahlreiche Mängel bei Polizei und Justiz. Die Argumentation des Bundesasylamtes, dass Teile des Vorbringens des Beschwerdeführers nicht glaubwürdig seien, sei nicht schlüssig. So hätten die Ermittlungen des Verbindungsbeamten bestätigt, dass das Haus des Beschwerdeführers Einschusslöcher aufweise. Die Familie habe auch nach den Schüssen die Polizei in V. informiert und um Hilfe gebeten; diese habe jedoch nicht reagiert und überhaupt nicht ermittelt. Es sei nicht einmal eine schriftliche Anzeige aufgenommen worden, weshalb es nicht verwunderlich sei, dass es keine Belege über diese Anzeige gäbe. Dass ein Verwandter des Beschwerdeführers bei der Polizei in V. tätig sei, sei keine schlüssige Begründung für ein funktionierendes und effektives Sicherheitssystem und ausreichende Schutzgewährung durch Staatsorgane. Dies habe der Beschwerdeführer bereits beim Bundesasylamt angegeben. Überdies habe der Beschwerdeführer Gedächtnis- und Konzentrationsschwierigkeiten und könne sich daher nicht an exakte Daten erinnern. Daher werde die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu möglichen Auswirkungen der Erkrankung des Beschwerdeführers im Hinblick auf sein Aussageverhalten beantragt. Weiters wird die persönliche Einvernahme des Beschwerdeführers sowie seiner in Österreich aufhältigen Brüder, deren Adresse noch bekannt gegeben werde, beantragt.

 

II. Der Asylgerichtshof hat wie folgt erwogen:

 

1.1. Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008) sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

1.2. Gemäß § 41 Abs. 7 AsylG hat der Asylgerichtshof § 67d AVG mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

 

1.3.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht. Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG) gesetzt hat.

 

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

 

1.3.2. Wird ein Antrag auf internationalen Schutz "in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten" abgewiesen, so ist dem Asylwerber gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, "wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde". Nach § 8 Abs. 2 AsylG ist die Entscheidung über die Zuerkennung dieses Status mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 AsylG zu verbinden.

 

Gemäß § 8 Abs. 3 und 6 AsylG ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich dieses Status abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offensteht oder wenn der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden kann. Daraus und aus mehreren anderen Vorschriften (§ 2 Abs. 1 Z 13, § 10 Abs. 1 Z 2, § 27 Abs. 2 und 4 und § 57 Abs. 11 Z 3 AsylG) ergibt sich, dass dann, wenn dem Asylwerber kein subsidiärer Schutz gewährt wird, sein Antrag auf internationalen Schutz auch in dieser Beziehung förmlich abzuweisen ist.

 

Die Voraussetzungen dafür, einem Asylwerber subsidiären Schutz zu gewähren, unterscheiden sich im Kern nicht von jenen, nach denen dies nach § 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997 (in der Folge: AsylG 1997) idF der AsylGNov. 2003 (entspricht § 8 AsylG 1997 in der Stammfassung) iZm § 57 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 BGBl I 75 (in der Folge: FrG) zu geschehen hatte; sie gehen allenfalls darüber hinaus. (Dagegen gibt es in der neuen Rechtslage keine Entsprechung zu den Voraussetzungen nach § 8 Abs. 1 AsylG 1997 idF der AsylGNov. 2003 iZm § 57 Abs. 2 FrG, also dem zweiten Absatz dieser Bestimmung.) Deshalb kann zur Auslegung insoweit grundsätzlich die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu diesen Bestimmungen herangezogen werden. Die Rechtsprechung zu § 57 FrG knüpft an jene zum inhaltsgleichen § 37 Fremdengesetz BGBl. 838/1992 an. Für § 57 Abs. 1 FrG idF BG BGBl I 126/2002 kann auf die Rechtsprechung zur Stammfassung dieser Bestimmung (BGBl I 75/1997) zurückgegriffen werden (VwGH 16.7.2003, 2003/01/0059; 19.2.2004, 99/20/0573), mit der sie sich inhaltlich deckt (die Änderung diente nur der Verdeutlichung). Nach der Judikatur zu (§ 8 AsylG 1997 iVm) § 57 FrG ist Voraussetzung einer positiven Entscheidung nach dieser Bestimmung, dass eine konkrete, den Asylwerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (zB VwGH 26.6.1997, 95/21/0294; 25.1.2001, 2000/20/0438; 30.5.2001, 97/21/0560). Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten (oder anderer in § 8 Abs. 1 AsylG erwähnter) Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwSlg. 15.437 A/2000; VwGH 25.11.1999, 99/20/0465; 8.6.2000, 99/20/0203; 8.6.2000, 99/20/0586; 21.9.2000, 99/20/0373; 25.1.2001, 2000/20/0367; 25.1.2001, 2000/20/0438; 25.1.2001, 2000/20/0480; 21.6.2001, 99/20/0460; 16.4.2002, 2000/20/0131). Diese in der Rechtsprechung erwähnten Fälle sind nun zT durch andere in § 8 Abs. 1 AsylG erwähnte Fallgestaltungen ausdrücklich abgedeckt. Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat (unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG) als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.2.2001, 98/21/0427; 20.6.2002, 2002/18/0028).

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 57 FrG hat der Fremde glaubhaft zu machen, dass er aktuell bedroht sei, dass die Bedrohung also im Falle, dass er abgeschoben würde, in dem von seinem Antrag erfassten Staat gegeben wäre und durch staatliche Stellen zumindest gebilligt wird oder durch sie nicht abgewandt werden kann. Diese aktuelle Bedrohungssituation ist mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender Angaben darzutun, die durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert werden (VwGH 2.8.2000, 98/21/0461). Dies ist auch im Rahmen des § 8 AsylG 1997 (nunmehr: § 8 Abs. 1 AsylG) zu beachten (VwGH 25.1.2001, 2001/20/0011). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214).

 

2.1. Es kann dahingestellt bleiben, ob das Vorbringen des Beschwerdeführers zu den Übergriffen, denen er im Kosovo ausgesetzt gewesen sei, den Tatsachen entspricht; denn auch bei Zugrundelegung dieses Vorbringens kann weder gesagt werden, dass es ihm gelungen wäre, wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus einem der in der GFK angeführten Gründe glaubhaft zu machen, noch dass er im Kosovo einer Bedrohungssituation iSd Art. 8 Abs. 1 AsylG ausgesetzt wäre.

 

2.2.1. Zur Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ist festzuhalten, dass - wie bereits das Bundeasylamt zutreffenderweise ausgeführt hat - das Vorbringen des Beschwerdeführers keinen Bezug zu den in der GFK genannten Gründen aufweist: Zum Grund, weshalb er verfolgt werde, hat der Beschwerdeführer im Verfahren bloß eine Vermutung geäußert (und zwar dass sie mit einem Grundstückserwerb seiner Familie in Zusammenhang stehen könne), die er aber - nachdem ihm das Ergebnis der Ermittlungen des Verbindungsbeamten zur Kenntnis gebracht worden war - nicht aufrechterhalten hat. Auch die Beschwerde zeigt nicht auf, inwiefern den Angaben des Beschwerdeführers Asylrelevanz zukomme.

 

Überdies kann dem Bundesasylamt nicht entgegengetreten werden, wenn es davon ausgeht, dass im Fall des Beschwerdeführers nicht von mangelnder Schutzgewährung durch die Behörden des Herkunftsstaates ausgegangen werden könne, und zwar auch unter Berücksichtigung der Ausführungen, die in den in der Beschwerde zitierten Berichten zu Mängeln im Polizeiapparat und der Justiz des Kosovo gemacht werden (die im Übrigen diesbezüglich ein wesentlich negativeres Bild zeichnen als etwa der Bericht des britischen Home Office vom 22.7.2008 mit dem Titel "Operational Guidance Note Kosovo", 4f):

Denn der Beschwerdeführer hat angegeben, er habe beim Vorfall in N. (im Gegensatz zu jenem, der sich in V. zugetragen habe) die Täter gut erkennen können. Gleichwohl habe er sich nicht an die Behörden gewandt, dies mit der Begründung, er sei nur noch an einer Ausreise interessiert gewesen. In einer Situation, in der Informationen, die wie die Beschreibung der Täter durchaus geeignet erscheinen, zu deren Ausforschung wesentlich beizutragen, vom Asylwerber den Behörden jedoch nicht zu Kenntnis gebracht werden, kann nach Ansicht des Asylgerichthofes nicht gesagt werden, dass ein (weiteres) Hilfeersuchen an die Polizei offensichtlich aussichtslos wäre und dem Asylsuchenden ein solcher Versuch daher nicht zuzumuten ist (vgl. dazu etwa VwGH 11.6.2002, 98/01/0394). Überdies muss angenommen werden, dass sich der Beschwerdeführer dem - offenbar regional begrenzten Bedrohungsbild - dadurch entziehen könnte, dass er sich in andere Teile des Kosovo, etwa in die Hauptstadt Prishtina begibt. Dass ihm eine derartige Relokation insofern unzumutbar wäre, als er dadurch in eine Lage käme, in der seine Lebensgrundlage gefährdet wäre, ist nicht anzunehmen, da der Beschwerdeführer angegeben hat, als Bauarbeiter gearbeitet zu haben und die Beschwerde dem Argument des Bundesasylamtes, der Beschwerdeführer könne diese Tätigkeit wieder aufnehmen, nicht entgegengetreten ist.

 

2.2.2. Weiters kann - wie bereits oben ausgeführt - nicht gesagt werden, dass der Beschwerdeführer im Kosovo einer Bedrohungssituation iSd Art. 8 Abs. 1 AsylG ausgesetzt wäre. Dabei ist zunächst festzuhalten, dass im Hinblick auf die Ausführungen unter Punkt 2.2.1. nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Beschwerdeführer nach einer Rückkehr in den Kosovo damit rechnen müsste, Übergriffen von im gegebenen Zusammenhang relevanter Intensität ausgesetzt zu sein, gegen die er keinen ausreichenden staatlichen Schutz erhalten würde. Überdies ist auch hier auf die zuvor angesprochene Möglichkeit einer Relokation hinzuweisen.

 

Weiters sind derart exzeptionelle Umstände, die eine Rückführung im Hinblick auf außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegender Gegebenheiten im Zielstaat im Widerspruch zu Art. 3 EMRK erscheinen lassen könnten, im Fall des Beschwerdeführers nicht ersichtlich (vgl. zu Art. 3 EMRK etwa VwGH 21.8.2001, 2000/01/0443). Im Kosovo besteht nicht eine solch extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre. Weiters ist angesichts der getroffenen Feststellungen davon auszugehen, dass die Grundversorgung gewährleistet ist. Auch ist der Beschwerdeführer - wie zuvor ausgeführt - dem Argument des Bundesasylamtes, dass er seine Tätigkeit als Bauarbeiter wieder aufnehmen könne, nicht entgegengetreten. Schließlich verfügt der Beschwerdeführer im Kosovo über eine Vielzahl von familiären Anknüpfungspunkten:

 

Was aber die behauptete psychische Erkrankung des Beschwerdeführers angeht, ist zum einen festzuhalten, dass der Beschwerdeführer bereits im Kosovo diesbezüglich behandelt wurde, und zwar nach seinen Angaben in einer Weise, dass er hinsichtlich der medizinischen Betreuung im Kosovo kein Problem gehabt habe und den Ärzten nichts vorwerfen könne. Zum anderen kann - insbesondere vor dem Hintergrund der Aussage bei seiner letzten Einvernahme, er nehme keine Medikamente und sei auch nicht in therapeutischer Behandlung - nicht angenommen werden, dass eine allfällige Erkrankung des Beschwerdeführers jene besondere Schwere aufweisen würde (wie etwa AIDS im letzten Stadium), die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte erforderlich ist, um die Außerlandesschaffung eines Fremden in dieser Hinsicht als in Widerspruch zu Art. 3 EMRK stehend erscheinen zu lassen (vgl etwa die Entscheidung NDANGOYA v Schweden, 22.6.2004, Rs 17868/03).

 

2.3.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG ist eine Entscheidung nach dem AsylG mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Asylantrag abgewiesen und dem Fremden weder Asyl noch subsidiärer Schutz gewährt wird. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG ist eine Ausweisung unzulässig, wenn sie Art. 8 EMRK verletzen würde oder wenn dem Fremden ein nicht auf das AsylG gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt. Würde ihre Durchführung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen und die nicht von Dauer sind, Art. 3 EMRK verletzen, so ist gemäß § 10 Abs. 3 AsylG die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

 

Bei der Abwägung, die durch Art. 8 EMRK vorgeschrieben wird, stehen die Interessen des Fremden an seinem Verbleib im Inland, die durch Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützt sind, dem öffentlichen Interesse an der Beendigung seines Aufenthaltes gegenüber. Nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes 17.3.2005, G 78/04 ua., (S 47) zur Vorgängerbestimmung des § 10 AsylG (nämlich § 8 Abs. 2 AsylG 1997) beabsichtigt der Gesetzgeber, "durch die zwingend vorgesehene Ausweisung von Asylwerbern eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung im Inland von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern". Dem in § 37 FrG verankerten Ausweisungshindernis durfte nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht die Bedeutung unterstellt werden, "es wäre für Fremde zulässig, sich durch die Missachtung der für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden geltenden Vorschriften im Bundesgebiet ein Aufenthaltsrecht zu verschaffen" (VwGH 22.3.2002, 99/21/0082 mwN). Nichts anderes kann aber für die durch das AsylG vorgeschriebene Abwägung gelten, hat doch der Verfassungsgerichtshof (zu § 8 Abs. 2 AsylG 1997) ausgesprochen (VfGH 17.3.2005, G 78/04 ua., S 50): "§ 37 FrG legt [...] Kriterien fest, die sich auch aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte [...] zu Art. 8 EMRK in Fällen der Außerlandesschaffung eines Fremden ergeben und die von den Asylbehörden bei Ausweisungen nach § 8 Abs. 2 AsylG, auch wenn sie dort nicht genannt sind, zu beachten sind."

 

2.3.2. Das Bundesasylamt hat die durch Art. 8 Abs. 2 EMRK vorgeschriebene Interessenabwägung mängelfrei vorgenommen. Der Asylgerichtshof schließt sich den diesbezüglichen Ausführungen des Bundesasylamtes an. Auch ist die Beschwerde der Feststellung des Bundesasylamtes, dass der Beschwerdeführer in Österreich keiner Beschäftigung nachgehe und hier auch keine sozialen Kontakte habe, die ihn an Österreich binden würden, sowie dem Argument, dass der Beschwerdeführer mit seinen in Österreich aufhältigen Brüdern nicht in gemeinsamem Haushalt lebe und zu ihnen auch sonst kein besonderes Naheverhältnis habe, nicht entgegengetreten. Weiters ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer zum Aufenthalt in Österreich nur auf Grund eines Asylantrages, der zu keinem Zeitpunkt begründet war, berechtigt gewesen ist (vgl. mit ähnlichen Überlegungen zu Ausweisungen nach § 33 Abs. 1 FrG zB VwGH 20.2.2004, 2003/18/0347; 26.2.2004, 2004/21/0027; 27.4.2004, 2000/18/0257; sowie EGMR 8.4.2008, NNYANZI v Vereinigtes Königreich, Rs 21878/06, wonach ein vom Fremden in einem Zeitraum, in dem er sich bloß aufgrund eines Asylantrages im Aufnahmestaat aufhalten darf, begründetes Privatleben per se nicht geeignet ist, die Unverhältnismäßigkeit des Eingriffes zu begründen. Schließlich gibt es weder Hinweise darauf, dass dem Beschwerdeführer ein nicht auf das AsylG gestütztes Aufenthaltsrecht zukäme, noch dass die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in seiner Person liegen und die nicht von Dauer sind, Art. 3 EMRK verletzen könnte.

 

3. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 7 AsylG unterbleiben.

Schlagworte
Ausweisung, familiäre Situation, Familienverband, gesundheitliche Beeinträchtigung, inländische Schutzalternative, innerstaatliche Fluchtalternative, Intensität, Interessensabwägung, Lebensgrundlage, mangelnde Asylrelevanz, medizinische Versorgung, non refoulement, private Verfolgung, staatlicher Schutz, Zumutbarkeit
Zuletzt aktualisiert am
28.01.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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