TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/13 B7 303454-2/2008

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Veröffentlicht am 13.10.2008
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Spruch

B7 303.454-2/2008/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat gemäß § 61 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008, (AsylG 2005) und 66 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Vorsitzender und die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Beisitzerin über die Beschwerde des I.N., geb. 00.00.1974, StA. Republik Kosovo, vom 01.07.2008 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.06.2008, Zl. 07 10.924-BAG, zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde von I.N. wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen.

 

II. Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 wird I.N. der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Republik Kosovo nicht zuerkannt.

 

III. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 wird I.N. aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Republik Kosovo ausgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

 

Der Berufungswerber (in der Folge Beschwerdeführer genannt) brachte vor, Staatsangehöriger von Serbien sowie Angehöriger der albanischen Volksgruppe aus der vormaligen Provinz Kosovo (nunmehr Republik Kosovo) zu sein, den im Spruch angeführten Namen zu führen und am

24. oder 25.11.2007 illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist zu sein. Er stellte am 25.11.2007 in Österreich einen (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz.

 

Bereits am 30.11.2005 hatte der Beschwerdeführer in Österreich einen (ersten) Asylantrag gestellt, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 04.07.2006, Zl. 05 20.929 BAW, gemäß § 7 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.) worden war; gleichzeitig war die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Serbien, Provinz Kosovo, gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig erklärt (Spruchpunkt II.) und die Ausweisung des Beschwerdeführers nach Serbien, Provinz Kosovo, gemäß § 8 Abs. 2 AsylG ausgesprochen worden (Spruchpunkt III.). Der dagegen eingebrachten Berufung war mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 20.10.2006, Zl. 303.454-C1/E1-XVII/55/06, u.a. deshalb keine Folge gegeben worden, weil das Vorbringen über den Fluchtgrund des Beschwerdeführers als nicht glaubwürdig zu beurteilen war. Dieses erste Asylverfahren ist daher rechtskräftig negativ abgeschlossen.

 

Im Rahmen der Erstbefragung nach dem AsylG 2005 auf Grund der nunmehr zweiten Antragstellung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, konkret durch die Polizeiinspektion Traiskirchen EAST-Ost, am 25.11.2007 gab der Beschwerdeführer, an Österreich im "Jänner 2006" verlassen zu haben und sich seither in der Heimat aufgehalten zu haben. Befragt zu seinen Fluchtgründen gab er an, ca. 2 Wochen zuvor auf dem Heimweg von zwei Maskierten angehalten und mit dem Umbringen bedroht worden zu sein, falls er sich ihnen nicht anschließe, und es sei ihm eine Ladung angekündigt worden. Da er nicht kämpfen wolle, habe er seine Heimat verlassen.

 

Am 31.01.2008, 06.03.2008 sowie am 19.06.2008 erfolgten erstinstanzliche Einvernahmen vor dem Bundesasylamt jeweils im Beisein eines geeigneten Dolmetschers der albanischen Sprache; diese Einvernahmen gestalteten sich wie folgt:

 

Einvernahme am 31.01.2008:

 

"Meine Muttersprache ist Albanisch und ich bin damit einverstanden, dass die Einvernahme in dieser Sprache durchgeführt wird.

 

F: Wie ist die Verständigung mit dem Dolmetscher?

 

A: Gut.

 

F: Haben Sie für das gegenständliche Verfahren einen Vertreter oder Zustellbevollmächtigten?

 

A: Nein.

 

F: Haben Sie gegen eine der anwesenden Personen aus Gründen einer möglichen Befangenheit oder aus anderen Gründen Einwände?

 

A: Nein.

 

F: Fühlen Sie sich körperlich und geistig in der Lage, die Befragung zu absolvieren?

 

A: Ja aber ich hatte aber einen Arzt Termin und der Arzt hatte mir gesagt, dass ich unter Stress stehe. Ich habe auch ein Augenproblem.

Anm: der AW legt dem BAA zwei ärztliche Bestätigungen vor. Kopien werden in den Akt genommen.

 

F: Haben Sie Beweismittel oder Identitätsbezeugende Dokumente, die Sie vorlegen kön-nen?

 

A: Nein, nur eine I-Card d. UNMIk. Anm: Kopie im Akt.

 

F: Sie wurden am 25.11.2007 bei der Polizeiinspektion EAST Traiskirchen einer Erstbefra-gung unterzogen. Entsprechen Ihre dort getätigten Angaben der Wahrheit?

 

A: Ich möchte etwas hinsichtlich der Erstbefragung korrigieren nicht im Jahr 2006 sondern im Jahr 2007 kehrte ich in den Kosovo zurück. Sonst entspricht alles der Wahrheit.

 

F: Möchten Sie betreffend die bei der Erstbefragung getätigten Angaben etwas berichtigten oder ergänzen?

 

A: Nur das eben gesagte hinsichtlich der Ausreise in den Kosovo.

 

F: Warum haben Sie in der Erstbefragung eine unrichtige Ausreisezeit angegeben?

 

A: Das muss ein Missverständnis gewesen sein.

 

F: Was meinen sie damit?

 

A: Ich bin mir nicht sicher ob ich einen Fehler gemacht habe oder ob es falsch protokolliert wurde. Ich bin auch sehr vergesslich.

 

F: Wann konkret sind sie von Österreich in den Kosovo ausgereist?

 

A: Im Jänner 2007.

 

F: Hatten Sie einen Reisepass für die Ausreise aus Österreich?

 

A: Ja, ich hatte eine UNMIk-ID Karte und einen Reisepass. Der Fahrer der mit mir nach Österreich fuhr hat mir den Pass nicht zurückgegeben.

 

F: Mussten sie diesen Ausweis auch an einer Grenze vorzeigen?

 

A: Ich habe den Reisepass den Fahrer gegeben, der Fahrer war der Freund eines Asylwer-bers. Ich habe geschlafen und hatte keine Probleme während der Fahrt.

 

F: Wurden Sie an Grenzübergänge kontrolliert?

 

A: Nein, ich wurde nicht kontrolliert.

 

F: Wieso wissen sie dass sie nicht kontrolliert wurden, sie haben vorhin gerade angegeben, dass sie geschlafen haben?

 

A: Ich habe während der Fahrt geschlafen, ich hatte keine Probleme und ich wurde von niemanden angesprochen.

 

F: Wie heißt der Fahrer und wo wohnt er?

 

A: Ich habe ihn nicht gekannt, ich habe nur den Asylwerber gekannt und er hat mir gesagt er hätte einen Freund der in den Kosovo reist.

 

F: Wie heißt der Asylwerber und wo wohnt er?

 

A: Ich habe ihn zum ersten Mal bei einem albanischen Verein gesehen und ich habe ihn nicht nach den Namen gefragt. Ich weiß nicht wo er genau wohnt, er wohnte in Wien aber jetzt ist er im Kosovo.

 

F: Können Sie mir Belege oder andere Beweise vorlegen, dass sie im Kosovo aufhältig wa-ren (Einkaufszettel, irgendwelche Bestätigungen usw.)?

 

A: Ich habe ärztliche Bestätigungen.

 

F: Wann und wo waren sie im Kosovo beim Arzt? Wie heißt dieser Arzt und können sie mir die Adresse mitteilen?

 

A: Ich war vor dem Dezember 2007 bei einem TMK Arzt, in der Stadt P. Seinen Namen kenne ich nicht. Er arbeitet bei der TMK, er befindet sich in der dritten Zone der Stadt P.

 

Anmerkung: Sie werden aufgefordert bis Ende Februar diese ärztliche Bestätigung samt dem originalen Postkuvert vorzulegen. Der AW gibt diesbezüglich an, dass wir so was im-mer mit einem Busfahrer machen.

 

F: Wo lebten Sie im Kosovo?

 

A: Ich wohnte in V.

 

F: Können Sie mir die genaue Adresse angeben?

 

A: V. ist ein Dorf ich habe im Dorfteil N. gewohnt. Ich habe dort bei meiner Familie gewohnt.

 

F: Haben Sie gearbeitet im Kosovo?

 

A: Gelegentlich, als Holzarbeiter auf meinem Grundstück.

 

F: Haben Sie in Österreich, im Bereich der EU, in Norwegen oder in Island Verwandte, wenn ja, solche zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung besteht?

 

A: Ja, meine Schwester R.L. Wir telefonieren hin und wieder miteinander aber finanziell abhängig bin ich von der Schwester nicht. In Österreich habe ich keine Verwandte.

 

F: Wo hielten sie sich vom 6.7.2006 bis zum Jänner 2007 auf?

 

A: Ich habe mit einigen Asylwerbern zusammen gewohnt. Ich wohnte in Wien, näheres ist mir unbekannt.

 

F: Wann sind Sie in Österreich eingereist?

 

A: Ich bin in Österreich am 15.12.2007 eingereist.

 

Vorhalt: In ihrer Erstbefragung gaben sie an, dass sie am 24 bzw. 25.11.2007 in Österreich bzw. in die EU eingereist sind. Können Sie mir das erklären?

 

A: Das muss ein Protokollierungsfehler bei der Erstbefragung gewesen sein. Ich bin im Dezember 2007 eingereist.

 

F: Wie meinen sie das mit dem Protokollierungsfehler? Sie haben ja unterschrieben!

 

A: Vielleicht habe ich einen Fehler gemacht oder die Person die es protokolliert hat. Das muss ein

 

Missverständnis gewesen sein. Ich war sehr krank und müde an den Tag.

 

F: Können Sie mir noch einmal die genaue Reiseroute hinsichtlich ihrer Einreise nach Ös-terreich schildern?

 

A: Ich habe um 05:00 Uhr früh die Stadt Pristina verlassen. Am nächsten Tag um 15:00 Uhr war ich in Österreich.

 

F: An welchen Tag haben sie Pristina verlassen?

 

A: Das habe ich eigentlich vergessen, aber ich glaube es war Dienstag. Beim Datum bin ich mir sicher es war der 14.12.2007.

 

F: Über welchen Weg reisten sie zurück nach Österreich?

 

A: Von Pristina bin ich abgereist, ab da weiß ich nichts mehr.

 

F: Wem gehörte der Kleintransporter?

 

A: Es war eigentlich ein Kombi, wenn ich Kombi sage dann meine ich einen Kleintransporter und es gehört einen Bosnier.

 

F: Wie heißt dieser Bosnier?

 

A: Der Bosnier hat es mir nicht gesagt. Der Bosnier ist der Schlepper und war auch der Fahrer.

 

F: Wie heißt dieses Cafe in P. wo sie den Schlepper getroffen haben?

 

A: Dieses Cafe-Haus befindet sich in der Nähe der Busstation, den Namen weiß ich nicht.

 

F: Hatten sie Grenzkontrollen?

 

A: Nein. Ich wurde versteckt nach Österreich gebracht.

 

F: Woher hatten sie das Geld für ihre Reise?

 

A: Das habe ich von Freunden erhalten.

 

F: Wie heißen diese Freunde und wo wohnen sie?

 

A: Das sind eigentlich Nachbarn im Dorf V. Er heißt H.N., das ist ein Verwandter von mir. Sonst habe ich von niemanden Geld bekommen.

 

Vorhalt: Sie haben gesagt, dass sie von Freunden das Geld bekommen haben und jetzt geben sie nur einen Verwandten an! Können sie mir das erklären?

 

A: Ein Teil des Geldes habe ich von meinen Verwandten erhalten, den Rest hatte ich selbst.

 

F: Sie haben bereits am 30.11.2005, unter der Zahl 05 20.929, einen Asylantrag gestellt, der rechtskräftig am 30.10.2006 abgewiesen wurde. Warum stellen Sie neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz?

 

A: Ich habe Probleme in meiner Heimat. Ich kann mich nicht frei bewegen und arbeiten. Ich wurde eines Tages angehalten und ermahnt mich bei denen zu melden falls sie mir eine Ladung schicken ansonsten würde das schlimmste mit mir passieren.

 

F: Haben Sie diese Gründe schon bei ihrer Erstantragsstellung am 30.11.2005 vorgebracht?

 

A: Nein. Ich weiß nicht welche Menschen das sind. Ich weiß nicht ob sie Diebe oder kriminelle Gruppierungen sind.

 

F: Seit wann haben sie diese Probleme in ihrer Heimat?

 

A: Ca. 2 Wochen bevor ich am 15.12.2007 nach Österreich kam haben sie mich angehalten.

 

F: Wer konkret hat sie angehalten? Trugen Sie Uniformen?

 

A: Ich weiß es eigentlich nicht aber sie waren maskiert ich wurde von zwei Personen angehalten. Ich weiß es auch nicht ob es jemand ist der mich kennt und zornig auf mich ist. Eine Ladung habe ich noch nicht bekommen.

 

F: Von was leben Sie in Österreich?

 

A: Ich bin im Asylverfahren und bekomme Geld vom Staat.

 

F: Sie waren vom 30.11.2005 und nach ihren Angaben bis zum Jänner 2007 in Österreich. Von was lebten sie in diesem Zeitraum?

 

A: Ich wurde ein wenig vom albanischen Verein unterstützt und außerdem erhielt ich Geld von zu Hause.

 

F: Waren sie während dieser Zeit meldepolizeilich gemeldet?

 

A: Ich war gemeldet aber nicht die ganze Zeit. Dort war ich ca 1 Jahr gemeldet. Danach war ich bei der Caritas in Wien angemeldet. Ich bin immer sehr vergesslich und bei den Zeiträumen bin ich mir nicht ganz sicher.

 

F: Hatten sie während dieser Zeit in Österreich auch kulturelle Tätigkeiten wahrgenommen. Besuchten Sie einen Deutschkurs odgl?

 

A: Nein.

 

F: Haben Sie alle Gründe für die neuerliche Antragstellung angegeben?

 

A: Ja.

 

F: Was befürchten Sie im Falle einer Rückkehr in Ihr Heimatland?

 

A: Ich habe kein Vertrauen und ich kenne die Ziele dieser

 

Menschen nicht die mich angehalten haben. Ich weiß nicht ob sie mich kennen oder nicht. Zurzeit ist die Lage im Kosovo unsicher.

 

F: Waren sie hinsichtlich dieses Vorfalls mit den maskierten Personen im Kosovo bei der Polizei bzw. bei Sicherheitskräften?

 

A: Nein, das sind Menschen die keine Angst vor der Polizei haben.

 

Erklärung: Seitens des Bundesasylamtes ist beabsichtigt, Ihren Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, da ihrer vorgebrachten Ausreise in den Kosovo im Jänner 2007 aufgrund von erheblichen Widersprüchen nicht nahe getreten werden konnte und sie außerdem unglaubhaft vorgetragen wurde, es haben sich somit in ihrem Verfahren keine Umstände ergeben, welche im Vergleich zu Ihrem Erstverfahren einen neuen Sachverhalt darstellen würden. Sie können nunmehr dazu Stellung nehmen.

 

A: Ich bin in ärztlicher Untersuchung und benötige weitere ärztliche Untersuchungen bis meine Behandlung abgeschlossen ist. Mit diesen medizinischen Problemen kann ich den Stress in Kosovo nicht auf mich nehmen.

 

F: Es ist weiters beabsichtigt, Ihre Ausweisung aus Österreich zu verfügen (Anmerkung: Dem AW wird die Fragestellung näher erläutert. Es wird ihm erklärt, dass im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung beispielsweise verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte in Österreich, Aufenthaltsberechtigungen für Österreich, gewichtige private Interessen an einem Verbleib in Österreich, udgl. berücksichtigt werden). Möchten Sie dazu eine Stellungnahme abgeben?

 

A: Ich würde noch gerne 6 Monate in Freiheit leben bis die medizinische Behandlung abgeschlossen ist. Ich hoffe, dass während dieser Zeit auch die Situation im Kosovo verbessern wird. Auch ich möchte nicht aus Spaß entfernt von meiner Familie leben, denn das erschwert mit jedem Tag die wirtschaftliche Situation der Familie.

 

F: Wie haben Sie den Dolmetscher verstanden?

 

A: Gut.

 

Die Niederschrift wird Ihnen nun vom Dolmetscher wortwörtlich rückübersetzt. Im Zuge dieser Rückübersetzung besteht die Möglichkeit, Berichtigungen, Ergänzungen oder Richtigstellungen vorzunehmen. Mit Ihrer Unterschrift bestätigen Sie, dass Ihre Angaben richtig und vollständig wiedergegeben wurden."

 

Einvernahme am 06.03.2008:

 

"Grund der Einvernahme: Einvernahme zur Wahrung des Parteiengehörs Ausweisung

 

Frage: Wie ist die Verständigung mit dem/der DolmetscherIn?

 

Antwort: Gut.

 

Frage: Fühlen Sie sich körperlich und geistig in der Lage, die Einvernahme durchzuführen?

 

Antwort: Ja.

 

Frage: Haben Sie gegen eine der anwesenden Personen aufgrund einer möglichen Befangenheit oder aus sonstigen Gründen irgendwelche Einwände?

 

Antwort: Keine.

 

Meine Muttersprache ist Albanisch und bin damit einverstanden, dass die Einvernahme in dieser Sprache durchgeführt wird.

 

Frage: Haben Sie in der Zwischenzeit Beweismittel oder identitätsbezeugende Dokumente, die Sie noch vorlegen können?

 

Antwort: Nein.

 

Frage: Haben Sie eine ausreichende Rechtsberatung erhalten?

 

Antwort: Ja.

 

Anmerkung: Rechtsberatung erfolgte am 06.03.2008 von 09.00 Uhr bis 09.20 Uhr durch Mag. Rüdisser.

 

Vorhalt: Sie haben am 31.01.2008 eine Verfahrensanordnung des Bundesasylamtes gem. § 29/3/4

 

AsylG 2005 übernommen, in welcher Ihnen die beabsichtigte Vorgansweise des BAA mitgeteilt wurde ihren Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Sie haben nunmehr Gelegenheit, zur geplanten Vorgehensweise des Bundesasylamtes Stellung zu nehmen. Wollen Sie diesbezüglich etwas angeben?

 

Antwort: Ich habe etwas dagegen, erstens wurde ich von unbekannten Menschen im Dezember 2007 bedroht. Ich habe das schon in der Ersteinvernahme angegeben. Zweitens, seit 1999 habe ich einen psychischen Stress, ich komme mit dieser Sache nicht mehr klar. Ich brauche einfach Ruhe. Ich bin in ärztlicher Behandlung und ich möchte hier für mindestens ein Jahr bleiben, da ich einen innerlichen Stress habe und es kann sein, dass die Leute die mich bedroht haben in einen Jahr aufhören werden.

 

Frage: Wie kommen Sie darauf, dass diese Leute in einem Jahr aufhören könnten?

 

Antwort: Vielleicht hören sie auf.

 

Frage: Waren Sie in Behandlung wegen ihrem psychischen Stress?

 

Antwort: Ja, in Österreich am 17.12.2007 in Mödling. Im Jahr 2005 war ich auch in Behandlung in Österreich wegen meinen psychischen Störungen.

 

Anmerkung: Kopie von Dr. A.K. befindet sich im Akt.

 

Frage: Sie haben dem Bundesasylamt eine Überweisung zu einem Arzt in Kosovo vorgelegt? Von wem haben sie jetzt diese Überweisung bekommen?

 

Antwort: Die war bei mir zuhause. Ich habe es über ein Reiseunternehmen bekommen, also über einen Linienbus.

 

Frage: Wann haben Sie dieses Schreiben erhalten?

 

Antwort: Anmerkung: AW denkt nach. Ich kann mich nicht mehr erinnern.

 

Wiederholung der Frage: Bitte denken sie nach, wann haben sie dieses Schreiben konkret erhalten?

 

Antwort: Ich war bei der ersten Einvernahme bei ihnen und danach habe ich zuhause angerufen und sie haben es mir geschickt.

 

Vorhalt: Sie haben gerade angegeben, dass sie das Schreiben über einen Linienbus erhalten haben, jetzt sagen sie dass ihnen das Schreiben geschickt wurde. Können sie mir das erklären?

 

Antwort: Ich habe gemeint meine Familie hat es per Reisebus geschickt.

 

Vorhalt: Sie wurden aber in der Ersteinvernahme aufgefordert, dieses von ihnen angesprochene Schreiben per originalem Postkuvert dem Bundesasylamt vorzulegen?

 

Antwort: Ich habe mit meinem Vater gesprochen und habe gesagt er soll mir das per Post schicken. Er ist ein Analphabet und deshalb war es für ihn leichter es per Linienbus zu schicken.

 

Vorhalt: Sie haben in Ihrer Heimat noch ihre Mutter und Brüder und Schwestern sind das alles

 

Analphabeten?

 

Antwort: Das hat nur mein Vater gemacht. Das Schreiben lag bei meinem Vater.

 

Frage: Wann waren Sie bei dieser ärztlichen Untersuchung?

 

Antwort: Das war im Mai 2007.

 

Frage: Haben Sie etwas dagegen, dass wir beim Arzt/ärztlichen Institution in Kosovo nachfragen?

 

Antwort: Nein, ich habe nichts dagegen.

 

Anmerkung: Dem AW wird eine Ladung für eine so genannte PsyIII Untersuchung am 31.03.2008 ausgefolgt.

 

Frage: Haben sie in Österreich aufhältige Eltern oder Kinder (Blutverwandtschaft oder durch Adoption begründet)?

 

Antwort: Nein.

 

Frage: Leben sie mit einer sonstigen Person in einer Familiengemeinschaft oder in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft. Falls dies der Fall ist, beschreiben sie diese Gemeinschaft.

 

Antwort: Nein.

 

Dem Rechtsberater wird die Möglichkeit gegeben, Fragen oder Anträge zu stellen. Der Rechtsberater hat keine weiteren Fragen oder Anträge.

 

Frage: Haben Sie den Dolmetscher verstanden, konnten Sie der Einvernahme folgen und sich

 

konzentrieren?

 

Antwort: Ja.

 

Frage: Konnten Sie meinen Fragen folgen?

 

Antwort: Ja.

 

Anmerkung: Nach Einlangen der PsyIII Untersuchung werden sie zu einer neuen Einvernahme geladen.

 

Frage: Haben Sie den Dolmetscher verstanden?

 

Antwort: Ja, einwandfrei. Mir wurde diese Einvernahme rückübersetzt und ich habe dieser nichts mehr hinzuzufügen. Ich war psychisch und physisch in der Lage die Fragen zu verstehen und entsprechend zu antworten.

 

Eine Kopie der Einvernahme wird mir ausgefolgt."

 

Entsprechend der eingeholten gutachtlichen Stellungnahme gemäß § 10 AsylG 2005 durch eine Ärztin für Allgemeinmedizin und Psychotherapeutische Medizin vom 07.05.2008 konnte beim Beschwerdeführer Gewalt am eigenen Leibe nicht exploriert werden; er habe angegeben, vor dem Krieg Waffen transportiert und immerzu Angst gehabt zu haben, in eine Falle zu tappen. Er habe angegeben, Medikamente gegen Magen- und Gelenksschmerzen zu nehmen und an Flugangst zu leiden, wogegen ihm für die Rückreise ebenfalls Medikamente angeboten wurden. Psychische Störungen, die bei einer Überstellung eine unzumutbare Verschlechterung aus ärztlicher Sicht bewirken würden, wurden beim Beschwerdeführer im Rahmen dieser Begutachtung nicht festgestellt; traumaspezifische Symptome konnten nicht festgestellt werden, einer Überstellung in den Kosovo stehe kein medizinisch begründbares Hindernis entgegen.

 

Einvernahme vom 19.06.2008:

 

"F: Haben Sie irgendwelche Beweismittel die Sie im bisherigen Verfahren noch nicht vorgelegt haben?

 

A: Nein.

 

Anmerkung:

 

Der ASt stellte erstmals am 30.11.2005 einen Asylantrag in Österreich. Dieser wurde zweitinstanzlich rechtskräftig mit 30.10.2006 abgewiesen, die Abschiebung in den Kosovo für zulässig erklärt und die Ausweisung in den Kosovo ausgesprochen. Seinen Angaben nach kehrte der ASt nach Aufforderung der Fremdenbehörde freiwillig in den Kosovo zurück.

 

F: Wann sind Sie genau in den Kosovo zurückgekehrt?

 

A: Ich habe alles vergessen, ich weiß nichts.

 

F: Wie ist Ihr Leben vom Zeitpunkt Ihrer Rückkehr bis zu Ihrer neuerlichen Ausreise im Dezember 2007 verlaufen?

 

A: Ich kehrte zu meinen Eltern zurück in das Dorf V. in der Gemeinde D. Ich lebte dann wieder im gemeinsamen Haushalt mit ihnen und meinen beiden Brüdern. Unseren Lebensunterhalt haben wir durch Land- und Forstwirtschaft bestritten. So gesehen ging es mir nicht schlecht. Ich habe auch noch drei Schwestern. Zwei davon sind im Kosovo verheiratet, eine lebt in Deutschland.

 

F: haben Sie in Österreich irgendwelche familiären Bindungen?

 

A: Nein.

 

F: Sie sind nun etwa sieben Monate in Österreich aufhältig. Haben sich in diesem Zeitraum irgendwelche Umstände ergeben, die bereits zu einer gewissen Aufenthaltsverfestigung geführt haben (Arbeitsverhältnis, Kurse, Schulbesuche,...)?

 

A: Nein, nichts von alldem. Außerdem kann ich mir nichts merken. Deshalb besuche ich auch keinen Deutschkurs, ich vergesse alles.

 

F: Können Sie Ihre gesundheitlichen Probleme zusammenfassend schildern?

 

A: Es tut mir alles weh, ich habe Probleme in der Brust. Alles hat begonnen, als ich während des Krieges von starken Scheinwerfern beleuchtet worden bin als wir Waffen transportiert haben. Ab da glaube ich immer es zerreißt mir die Brust.

 

Anmerkung:

 

Der ASt legt vier Röntgenbefunde, datierend vom 05.02.2008 vor, die allesamt unauffällig sind.

 

Darauf hingewiesen gibt der ASt Folgendes an:

 

A: Ich habe auch Schmerzen im Genick und das schlägt sich auch die Psyche.

 

F: Stehen Sie derzeit in ärztlicher Behandlung? Wenn ja, bei welchem Arzt und aus welchen Gründen?

 

A: Ich habe zwei Überweisungen zum Facharzt.

 

Anmerkung:

 

Der ASt legt zwei Überweisungen zum Facharzt zwecks Abklärung und Befund vor: Die Diagnose des Hausarztes im ersten Fall ist:

Schmerzen im linken Auge; die Diagnose im zweiten Fall ist Verdacht auf Urethritis (Harnröhrenentzündung).

 

Vorhalt:

 

Im Erstverfahren gaben Sie an, dass Sie sich während des Krieges in Albanien bzw. in Italien aufgehalten haben. Wie können Sie dann Waffen transportiert haben?

 

A: Ich weiß das alles nicht, vielleicht habe ich auch was falsch gesagt.

 

F: Anlässlich der Gutachtlichen Stellungnahme im Zulassungsverfahren am 07.05.2008 wurde protokolliert, dass Sie wiederum freiwillig in den Kosovo zurückkehren wollen und Sie wurden daraufhin an die Rückkehrhilfe verwiesen.

 

A: An diesem Tag tat mir alles weh. Ich wollte nach Hause.

 

Vorhalt:

 

Das ist doch nicht nachvollziehbar. Gerade wenn Sie sich so schlecht fühlen, abgesehen von Ihren Fluchtgründen, will man nach menschlichem Ermessen Hilfe vor Ort und nicht zurückkehren.

 

A: Ich wollte das so.

 

F: Wollen Sie noch immer in den Kosovo zurück?

 

A: Nein. Jetzt nicht mehr.

 

F: Warum jetzt nicht mehr?

 

A: Ich habe Angst im Kosovo.

 

F: Warum haben Sie den Kosovo nun neuerlich verlassen?

 

A: Ich habe alles bereits gesagt. Ich möchte nichts mehr sagen, mich interessiert das alles nicht mehr. Ich möchte meine Arzttermine wahrnehmen.

 

Anmerkung:

 

Auf die Erörterung der Feststellungen des Bundesasylamtes zur Situation im Kosovo wird vom ASt ebenfalls verzichtet

 

F: Was würde passieren, wenn Sie in den Kosovo zurückkehren?

 

A: Alles ist möglich.

 

F: Möchten Sie noch irgendwelche Angaben mehr bzw. gebe ich Ihnen noch einmal die Möglichkeit Ihre Fluchtgründe zu konkretisieren.

 

A: Ohne meinen Anwalt sage ich gar nichts mehr.

 

F: Haben Sie einen Anwalt?

 

A: Nein.

 

F: Sind Sie einer der im Kosovo vertretenen Minderheiten

 

zugehörig?

 

A: Nein, ich bin ethnischer Albaner Muslimen Glaubens.

 

F: Hatten Sie während der Einvernahme Verständigungsprobleme mit dem Dolmetscher?

 

A: Nein."

 

Im Verfahren brachte der ASt. die im Akt ersichtlichen Beweismittel in Vorlage:

 

UNMIK -Card

 

nervenfachärztlicher Befund vom 17.12.2007 von Dr. K.

 

Röntgenbefunde vom 14.01.2008, 05.02.2008, 13.05.2008

 

Überweisungen vom 09.062008 zur Abklärung von Schmerzen im linken Auge und Urethritis.

 

Mit erstinstanzlichem Bescheid vom 20.06.2008, Zahl: 07 10.924-BAG, wurde dem Beschwerdeführer gem. § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.), gem. § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kosovo nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.) sowie der Beschwerdeführer gem. § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Kosovo ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

 

Das Bundesasylamt traf in diesem Bescheid Feststellungen zur Lage im Kosovo und gelangte in rechtlicher Hinsicht zu der Beurteilung, dass der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Sachverhalt als nicht glaubhaft zu beurteilen war und abgesehen davon ein asylrelevanter Sachverhalt im Hinblick auf die Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der Republik Kosovo nicht festgestellt werden konnte.

 

Gegen diesen Bescheid, zugestellt am 23.06.2008, erhob der Beschwerdeführer mit Anwaltsschriftsatz vom 01.07.2008 fristgerecht "Berufung" (in der Folge als Beschwerde bezeichnet; vgl. diesbezüglich § 23 Asylgerichtshofgesetz [Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008]), in welcher der Beschwerdeführer im Wesentlichen ausführt, dass die Behörde ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht nicht bzw. mangelhaft nachgekommen sei, da sie ansonsten mit Sicherheit zu einem anderen Ergebnis, nämlich zur Stattgebung des Asylantrages gekommen wäre. Die Behörde führe in der Begründung des bekämpften Bescheides Widersprüche und damit lediglich gegen den Beschwerdeführer sprechende Umstände an. In keinster Weise ziehe die Behörde Gründe heran, die für das Vorbringen des Einschreiters sprächen und verletze so die Begründungspflicht. Es werde daher der Antrag auf neuerliche Einvernahme des Berufungswerbers gestellt.

 

Diese Beschwerde wurde dem Asylgerichtshof am 11.07.2008 vorgelegt; das Beschwerdeverfahren war daher am 01.07.2008 noch nicht anhängig.

 

Auf Grundlage der Einvernahmen des Beschwerdeführers durch die Behörde erster Instanz am 31.08.2008, am 06.03.2008 und am 19.06.2008 sowie auf Grundlage der Beschwerde vom 01.07.2008 werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zu Grunde gelegt:

 

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Republik Kosovo, gehört der albanischen Volksgruppe an, führt den im Spruch angeführten Namen und reiste am 25.11.2007 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein.

 

Nicht festgestellt werden kann, dass dem Beschwerdeführer in der Republik Kosovo mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität - oder eine sonstige Verfolgung maßgeblicher Intensität - droht oder dass dem Beschwerdeführer im Kosovo die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre; nicht festgestellt werden kann darüber hinaus, dass der Beschwerdeführer an einer derart schweren psychischen Erkrankung leiden würde, dass eine Verbringung des Beschwerdeführers in den Kosovo eine unmenschliche Behandlung darstellen würde. Auch kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer - selbst unter hypothetischer Zugrundelegung des Vorliegens einer schweren psychischen Erkrankung - im Kosovo keine allenfalls notwendige Behandlung der von ihm behaupteten psychischen Probleme zukommen würde.

 

Zur Situation im Kosovo wird festgestellt:

 

1. a. Allgemeines:

 

Im Kosovo, einem Gebiet von ca. 11.000 qkm, leben - geschätzt - 2,1 Millionen Menschen, davon 92 Prozent ethnische Albaner, 5,3 Prozent Serben, 0,4 Prozent Türken, 1,1 Prozent Roma sowie 1,2 Prozent anderer Ethnien. Die Amtssprachen sind Albanisch und Serbisch. Auf Gemeindeebene werden auch Bosnisch, Romanes und Türkisch als Amtssprachen in Verwendung sein. [Kosovo - Bericht 20.03.2008 von Obstlt. Andreas Pichler, Verbindungsbeamter des BMI, Seiten 3-5]

 

1. b. Lageentwicklung:

 

1..b.1. Kosovo unter UN - Verwaltung

 

Am 24.03.1999 begann die NATO die Luftangriffe gegen die Bundesrepublik Jugoslawien mit dem erklärten Ziel, "eine humanitäre Katastrophe zu verhindern (und) das Morden im Kosovo zu beenden". Im Juni 1999 rückten die unter Führung der NATO gebildeten KFOR-Einheiten in den Kosovo ein. Am 10.06.1999 wurde das Gebiet auf der Basis der Sicherheitsrats-Resolution 1244 der vorläufigen zivilen UN-Verwaltung "United Nations Interim Administration Mission in Kosovo (UNMIK)" unterstellt. Völkerrechtlich gehörte der Kosovo aber nach wie vor zur Bundesrepublik Jugoslawien. [Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Entscheidungen Asyl 03/2008, Seite 2]

 

1. b.2. Statusverhandlungen

 

Der VN-Generalsekretär hat für die Verhandlungen zum Status des Kosovo den ehemaligen finnischen Staatspräsidenten Martti Ahtisaari zu seinem Sondergesandten ernannt. Ahtisaari hat am 21. Oktober 2005 die Statusgespräche begonnen. Nach anfänglicher Pendeldiplomatie zwischen Wien und Pri¿tina bzw. Belgrad begannen am 22. Februar 2006 direkte Gespräche zwischen beiden Delegationen. VN-Sondergesandter Ahtisaari hat am 02.02.2007 den Parteien einen Entwurf des Statuspakets übergeben. Abschließend hat sich der UN-Sicherheitsrat mit der Statuslösung befasst. In intensiven Verhandlungen bis Ende Juli 2007 konnte jedoch keine Einigung über einen Resolutionstext erzielt werden, und die Befassung des UN-Sicherheitsrates wurde zunächst auf Eis gelegt.

 

Unter Federführung einer "Troika" aus USA, Russland und EU begannen am 01.08.2007 neue Verhandlungen, die jedoch am 10.12.2007 endgültig scheiterten. [Auswärtiges Amt der BRD, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien u. Montenegro (Kosovo), 29.11.2007, Seite 7; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge:

Entscheidungen Asyl 03/2008, Seite 2]

 

1. b.3. Wahlen

 

Am 17.11.2007 fanden Parlaments-, Kommunal- und Bürgermeisterwahlen, die ohne besondere Zwischenfälle abliefen, statt. Der mit der Wahlbeobachtung betraute Europarat hat bestätigt, dass die Wahlen entsprechend der internationalen und europäischen Standards verlaufen sind. [Kosovo - Bericht 20.03.2008 von Obstlt. Andreas Pichler, Verbindungsbeamter des BMI, Seite 28]

 

Am 9. Jänner 2008 hat das Parlament sowohl Präsident Fatmir Sejdiu in seinem Amt als auch das Kabinett von Ministerpräsident Hashim Thaci (Demokratische Partei des Kosovo, PDK) bestätigt. Das neue Kabinett hat zwei Vizeministerpräsidenten und 15 Minister, sieben davon kommen der PDK, fünf dem Koalitionspartner LDK

 

und drei den Minderheiten zu. [APA 09.01.2008: Kosovos neue Führungsspitze von Parlament bestätigt]

 

1. b.4. Unabhängigkeit des Kosovo

 

Das kosovarische Parlament erklärte am 17.02.2008 gegen den Willen Serbiens seine Unabhängigkeit. Die Proklamation enthält neben dem Bekenntnis zur Verwirklichung des Ahtisaari-Plans für eine überwachte Unabhängigkeit eine Einladung an die EU, die Staatswerdung des Kosovo mit einer eigenen Mission zu begleiten, und an die NATO, ihre Schutztruppen im Land aufrechtzuerhalten.

 

Die einseitige Sezession ist völkerrechtlich und international umstritten. Gleichwohl haben mittlerweile über 30 Staaten, allen voran die USA und die Mehrzahl der EU-Staaten, den Kosovo förmlich anerkannt.

 

Das neue Staatswesen ist zwar formal souverän, die internationale Staatengemeinschaft wird jedoch weiterhin sowohl zivil als auch militärisch präsent sein. Die Außenminister der EU und die NATO haben sich verständigt, die KFOR nicht abzuziehen; rund 17.000 NATOSoldaten bleiben im Kosovo, darunter knapp 2.400 Deutsche. Die EU-Staats- und Regierungschefs haben die Entsendung

 

einer ca. 2.000 Mann starken EU-Mission (EULEX) beschlossen. Sie soll die UN-Verwaltung (UNMIK) nach einer Übergangszeit ablösen. Rund 70 Experten sind für ein International Civilian Office (ICO) unter Leitung eines EU-Sondergesandten mit weitreichenden Befugnissen vorgesehen. Als Leiter von EULEX wurde der französische General und ehemalige KFOR-Kommandeur Yves de Kermabon zum EU-Sondergesandten (EUSR) der Niederländer Pieter Feith bestellt. Noch ist offen, wann und wie die Befugnisse auf die EU übergehen sollen. Es fehlen klare Regelungen für den Wechsel der Zuständigkeiten.

 

UNMIK kann sich formal aber erst dann aus dem Kosovo zurückziehen, wenn die noch geltende UN-Resolution 1244 durch den Sicherheitsrat außer Kraft gesetzt wird.

 

Unter UNMIK-Verwaltung haben sich im Kosovo demokratische Strukturen entwickelt; es gibt ein Parlament und eine demokratisch legitimierte (provisorische) Regierung. Gewaltenteilung ist gewährleistet. Das Justizsystem bedarf an vielen Stellen noch der Verbesserung.

 

Eine kosovarische Polizei wurde aufgebaut, die sich bislang als gute Stütze der demokratischen Strukturen etabliert hat. Der Transitionsprozess, d. h. die schrittweise Übertragung der Kompetenzen von UNMIK auf kosovarische Institutionen hat bereits begonnen. Nach dem vorliegenden Verfassungsentwurf ist die Republik Kosovo ein demokratisches, multiethnisch zusammengesetztes Staatswesen, das den Minderheiten starke Rechte zusichert. Der Entwurf enthält alle notwendigen Schutzmaßnahmen gegen Bedrohungen oder Diskriminierung von Minderheiten. Nationale Identitäten, Kulturen, Religionen und Sprachen werden darin respektiert.

 

[Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Entscheidungen Asyl 03/2008, Seiten 2-3]

 

Die Verfassung wurde am 15. Juni 2008 vom Parlament verabschiedet [UN, Security Council: Report of the Secretary-General on the United Nations Interim Administration Mission in Kosovo, 12.06.2008], welche am selben Tag in Kraft trat. [Constitution of the Republic of Kosovo]

 

Die serbische Staatsführung bezeichnete die Verfassung der abtrünnigen Provinz als rechtlich nicht existent". Präsident Boris Tadic kündigte an, die Proklamation der Kosovo-Verfassung werde von Belgrad nicht als rechtsgültig anerkannt.

 

Der Kosovo bleibt unter internationalem Protektorat.

 

Laut den Übergangsbestimmungen der Verfassung sind alle kosovarischen Institutionen verpflichtet, mit dem Internationalen Beauftragten, internationalen Organisationen und anderen Akteuren voll zu kooperieren, deren Mandat im Status Vorschlag des UNO-Vermittlers Ahtisaari definiert wurde. Auch die im Kosovo seit Juni 1999 stationierte NATO-geführte internationale Schutztruppe KFOR wird weiterhin das Mandat und die Befugnisse im Einklang mit einschlägigen internationalen Instrumenten genießen, die UNO-Resolution 1244 eingeschlossen.[ APA 10.06.2008: Der Kosovo will Heimat aller seiner Bürger sein]

 

Ob die Letztverantwortlichkeit im Kosovo bei der EU oder der UNO liegen wird, ist noch Gegenstand von Verhandlungen. [UN, Security Council: Report of the Secretary-General on the United Nations Interim Administration Mission in Kosovo, 12.06.2008]

 

1. b.4.1.Staatsangehörigkeit:

 

Das Staatsangehörigkeitsgesetz der Republik Kosovo trat am 15.06.2008 in Kraft [Regulation no. 2000/13, 17 March 2000 On the Central Civil Registry, Law on Citizenship of Kosova

 

http://www.assembly-kosova.org/?krye=laws&lang=en&ligjid=243]

 

Die relevanten Bestimmungen lauten:

 

CHAPTER II ACQUISITION OF CITIZENSHIP

 

Article 5 Modalities of the acquisition of citizenship

 

The citizenship of Republic of Kosova shall be acquired:

 

a) by birth;

 

b) by adoption;

 

c) by naturalization;

 

d) based on international treaties

 

e) based on Articles 28 and 29 of this Law.

 

Übergangsbestimmungen:

 

CHAPTER V TRANSITIONAL PROVISIONS

 

Article 28 The Status of habitual residents of Republic of Kosova

 

28.1 Every person who is registered as a habitual resident of Republic of Kosova pursuant to UNMIK Regulation No. 2000/13 on the Central Civil Registry shall be considered a citizen of Republic of Kosova and shall be registered as such in the register of citizens.

 

Article 29 Citizenship according to the Comprehensive Proposal for the Republic of Kosova Status Settlement

 

29.1 All persons who on 1 January 1998 were citizens of the Federal Republic of Yugoslavia and on that day were habitually residing in Republic of Kosova shall be citizens of Republic of Kosova and shall be registered as such in the register of citizens irrespective of their current residence or citizenship.

 

29.2 Provisions of paragraph 1 of this Article apply also to direct descendants of the persons referred to in paragraph 1.

 

29.3 The registration of the persons referred to in paragraphs 1 and 2 of this Article in the register of citizens shall take effect upon the application of the person who fulfills the requirements set out in this Article.

 

29.4 The competent body shall determine in sub-normative acts the criteria which shall constitute evidence of the citizenship of the Federal Republic of Yugoslavia and habitual residence in Republic of Kosova on January 1 1998.

 

29.5 The competent body shall use the criteria set for the in UNMIK Regulation No. 2000/13 on the Central Civil Registry to determine habitual residence in Republic of Kosova on January 1 1998

 

Exkurs:

 

REGULATION NO. 2000/13

 

UNMIK/REG/2000/13

 

17 March 2000

 

ON THE CENTRAL CIVIL REGISTRY

 

Section 3

 

HABITUAL RESIDENTS OF KOSOVO

 

The Civil Registrar shall register the following persons as habitual residents of Kosovo:

 

(a) Persons born in Kosovo or who have at least one parent born in Kosovo;

 

(b) Persons who can prove that they have resided in Kosovo for at least a continuous period of five years;

 

(c) Such other persons who, in the opinion of the Civil Registrar, were forced to leave Kosovo and for that reason were unable to meet the residency requirement in paragraph (b) of this section; or

 

(d) Otherwise ineligible dependent children of persons registered pursuant to

 

subparagraphs (a), (b) and/or (c) of this section, such children being under the age of

 

18 years, or under the age of 23 years but proved to be in full-time attendance at a recognized educational institution.

 

2. Sicherheitslage im Kosovo:

 

2. a. Lageentwicklung:

 

Insgesamt hat sich die Sicherheitslage seit Juni 1999 verbessert, mit den Unruhen Mitte März 2004 wieder punktuell eingetrübt (ohne auf das Niveau von 1999 zurückzufallen). Nach den Ausschreitungen im März 2004 gab es keine weiten Unruhen mehr.

 

Die Zahl der registrierten Delikte verringerte sich 2006 im Vergleich zum Jahr 2005 um ca. 5 % auf 64.165. Für 2006 lässt sich ein Rückgang der Delikte gegen Leib und Leben feststellen, während Eigentumsdelikte durchschnittlich um etwa 5 % zugenommen haben.

 

Nachfolgend detaillierte Zahlen zu ausgewählten Delikten:

 

[Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Entscheidungen Asyl 03/2008, Seite 9]

 

2. b. Sicherheitsaspekte in Bezug auf UCK und AKSH:

 

Die kosovo-albanische Befreiungsarmee UÇK hat die im Juli 1999 gegenüber KFOR deklarierten großen Waffen abgegeben und sich am 21.09.1999 formell aufgelöst. Am 01.02.2000 wurde das zivile Hilfskorps "Kosovo Protection Corps" (KPC, alb. TMK "Kosovo Verteidigungs- Truppe") eingerichtet, um politisch neutral und multi ethnisch organisiert strikt zivile Aufgaben wie Katastrophenschutz, Such- und Rettungsdienste, Minenräumung, Wiederaufbau, humanitäre Hilfseinsätze etc. zu übernehmen. Insgesamt 5.000 (ca. 3.000 Aktive und 2.000 Reservisten) ehemalige Angehörige der UÇK, aber auch Angehörige von Minderheiten (etwa 10 % des KPC) sollten dadurch eine geregelte Tätigkeit im zivilen Bereich unter Steuerung und Aufsicht von UNMIK bzw. KFOR erhalten. Der zivile Charakter des KPC wird jedoch noch immer nicht von all dessen Mitgliedern vorbehaltlos akzeptiert. So tragen die Mitarbeiter des KPC militärische Rangbezeichnungen.

 

Mitglieder der Provisional Institutions of Self Government (PISG) haben die KPC öffentlich wiederholt als Nukleus einer künftigen KOS-Armee bezeichnet.

 

Seit 2002 macht die "Albanische Nationale Armee" (AKSh), vormals "Front für Albanische Nationale Einheit" (FBKSh), durch wiederholte großalbanische Propaganda in den Medien und durch die Übernahme der Verantwortung für den Sprengstoffanschlag auf die Eisenbahnlinie bei Zveçan/Zvecan im April 2003 auf sich aufmerksam. Eine akute Gefährdung der Sicherheitslage in der Region stellt diese bewaffnete Gruppierung, die Verbindungen zu ehemaligen und aktiven Mitgliedern des KPC und mutmaßlich auch zu Strukturen der organisierten Kriminalität hat, derzeit jedoch nicht dar. UNMIK hat diese bewaffnete Gruppierung als terroristische Organisation verboten, wodurch schon die reine Mitgliedschaft zu einer strafbaren Handlung wird. Auch 2006 verübte die AKSh vermutlich weitere kriminelle Handlungen. [Auswärtiges Amt der BRD, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien u. Montenegro (Kosovo), 29.11.2007 , Seite 8]

 

Laut den zur Verfügung stehenden Quellen wird durch die Gruppe keine zwangsweise Rekrutierung von Personen durchgeführt, auch sind keine Fälle von "Bestrafungen" bekannt.

 

"Verwarnungen", Ladungen und Drohungen tauchen immer wieder bei Asylwerbern in schriftlicher Form sowohl in Österreich als auch in Deutschland und der Schweiz auf, konnten aber bisher immer als Fälschungen eingestuft werden.

 

Personengruppen versuchen unter dem Deckmantel "AKSH" ihre kriminellen Tätigkeiten auszuüben (Straßenraub, etc), bzw. Druck auf politische Verantwortungsträger unter dieser Abkürzung durchzuführen.

 

Das Auftreten von diversen Gruppen passiert meist in der Nacht bei Stützpunkten auf der Straße, welche - wie oben angeführt - meist kriminellen Zwecken dienen.

 

Die beiden Verurteilungen (Fall ZVECAN und im März 2007 SOPI) zeigen, dass wirksamer Schutz durch die ho. Behörden besteht.

 

Zusätzlich sind bei Bedarf noch Unterstützungen durch KFOR und UNMIK Police im Anlassfall möglich. [Kosovo - Bericht 20.03.2008 von Obstlt. Andreas Pichler, Verbindungsbeamter des BMI, Seite 40]

 

2.1. Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der Behörden:

 

Kosovo Police Service KPS /ShPK:

 

Die OSCE leitet in Vushtrri eine zentrale Aus -und Fortbildungsstätte für KPS.

 

Seit 1999 werden die verschiedenen Lehrgänge durch internationale Polizeitrainer aus verschiedenen Staaten ausgebildet. Inzwischen wird das Institut durch einen lokalen Direktor geleitet.

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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