D13 262510-0/2008/28E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Dajani als Vorsitzenden und den Richter Mag. Auttrit als Beisitzer über die Beschwerde des D.H., geb. 00.00.1965, StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.06.2005, FZ. 04 08.356-BAS, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird stattgegeben und D.H. gemäß § 7 AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 Asyl gewährt. Gemäß § 12 AsylG 1997 wird festgestellt, dass D.H. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I.
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, reiste am 20.04.2004 gemeinsam mit seiner Ehegattin und vier minderjährigen Kindern in das österreichische Bundesgebiet ein und brachte am 21.04.2004 beim Bundesasylamt einen Asylantrag ein.
Beim Bundesasylamt legte der Beschwerdeführer eine psychologische Stellungnahme vom 00.00.2005 vor, wonach der Verdacht auf eine chronische Posttraumatische Belastungsstörung mit depressiven Komponenten bestehe (AS 33 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes). Weiter legte der Beschwerdeführer eine Heiratsurkunde sowie einen russischen Auslandsreisepass vor (AS 37-43).
Am 15.06.2005 wurde der Beschwerdeführer zu seinem Asylantrag vom Bundesasylamt im Beisein eines geeigneten Dolmetschers für die russische Sprache vor dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des Bundesasylamtes niederschriftlich einvernommen. Sein damaliges Vorbringen wurde im Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Salzburg, vom 29.06.2005, FZ. 04 08.356-BAS, richtig und vollständig wiedergegeben, sodass der diesbezügliche Teil des erstinstanzlichen Bescheides auch zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses erhoben wird. Im Rahmen seiner Einvernahme legte der Beschwerdeführer eine Bestätigung der itschkerischen Republik im Scheckkartenformat über seine Teilnahme im ersten Tschetschenienkrieg als Widerstandskämpfer von 1994 bis 1996 sowie eine weitere Bestätigung der itschkerischen Republik vor.
Das Bundesasylamt hat mit Bescheid vom 29.06.2005, FZ. 04 08.356-BAS, den Asylantrag gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I) und festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Asylwerbers nach Russland gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zulässig sei (Spruchpunkt II). Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG wurde der Asylwerber "aus dem österreichischen Bundesgebiet" ausgewiesen (Spruchpunkt III).
In der Begründung des Bescheides wurde festgehalten, dass die Identität des Antragstellers aufgrund des von ihm vorgelegten nationalen Personenstandsdokumentes, welches für echt und unverfälscht erachtet wurde, feststehe. Weiter wurden Feststellungen zur Situation der Tschetschenen in und außerhalb Tschetscheniens getroffen und auch die Quellen hierfür angeführt. Unter anderem wurde festgestellt, dass keine gesicherten Erkenntnisse vorlägen, ob tschetschenische Volkszugehörige nach ihrer Rückführung nach Russland Repressionen ausgesetzt wären. Bei abgeschobenen Personen, die sich in der Tschetschenienfrage engagiert hätten oder denen ein solches Engagement unterstellt würde, sei davon auszugehen, dass diesen Personen von den russischen Behörden besondere Aufmerksamkeit gewidmet werde. Tschetschenen würden außerhalb Tschetscheniens und Inguschetiens neben Moskau vor allem in Südrussland leben. Dort sei eine Registrierung auch grundsätzlich leichter möglich als in Moskau. Eine Registrierung sei auch in anderen Landesteilen mitunter erst nach Intervention von Nichtregierungsorganisationen, Duma-Abgeordneten oder anderen einflussreichen Persönlichkeiten bzw. dem Bezahlen von Bestechungsgeldern möglich gewesen. Nichtregistrierte Tschetschenen könnten allenfalls in der tschetschenischen Diaspora innerhalb Tschetscheniens untertauchen und dort überleben. Wie ihre Lebensverhältnisse seien, hinge insbesondere davon ab, ob sie über Geld, Familienanschluss, Ausbildung und russische Sprachkenntnisse verfügen.
Beweiswürdigend führte das Bundesasylamt aus, von einer Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Antragstellers könne Abstand genommen werden, da zunächst zu prüfen sei, ob für ihn eine innerstaatliche Fluchtalternative innerhalb des Staatsgebietes der Russischen Föderation bestehe, was zu bejahen sei. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt habe der Antragsteller berichtet, dass er am ersten Tschetschenienkrieg als Widerstandskämpfer teilgenommen habe. Zur Untermauerung dieses Vorbringens habe er sowohl eine Karte im Scheckkartenformat als auch eine weitere Bestätigung der itschkerischen Republik vorgelegt. Die Frage, ob er diese Dokumente bei der Ausreise bei sich gehabt habe, habe er mit Ja beantwortet und angegeben, dass die Ausreise aus Tschetschenien über andere Teile der Russischen Föderation für ihn ein großes Risiko dargestellt habe. Vor dem Hintergrund, dass er offensichtlich keine Bedenken gehabt habe, durch russisches Gebiet unter Mitführung von Unterlagen, welche ihn als tschetschenischen Widerstandskämpfer auswiesen, zu reisen, könne eine Gefährdung seiner Person auf dem gesamten russischen Staatsgebiet nicht nachvollzogen werden. Die vom Antragsteller geschilderten Vorfälle seien mit Sicherheit auf die zweifelsohne schwierigen Verhältnisse in Tschetschenien zurückzuführen und sei davon auszugehen, dass sich weitere Vorfälle gegen ihn bei einem Wohnortswechsel innerhalb der Russischen Föderation nicht wiederholen würden.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 18.07.2005 fristgerecht Berufung.
Hinsichtlich des genauen Inhaltes der Berufung wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Einlangend am 11.10.2005 legte der Beschwerdeführer eine Berufungsergänzung vor.
Die (damalige) Berufungsbehörde, der Unabhängige Bundesasylsenat, führte am 25.04.2006 einen "selbständigen Augenschein" durch. Dabei wurde unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprachen Russisch und Tschetschenisch sowie der länderkundlichen Sachverständigen Dr. L.L. erhoben, dass nach der genannten Sachverständigen keinerlei Zweifel bestehen, dass der Beschwerdeführer wie von ihm angegeben aus der Stadt Gudermes, Region Gudermes, Teilrepublik Tschetschenien, Russland stamme.
Mit Schreiben vom 16.05.2006 wurden dem Bundesasylamt, Außenstelle Salzburg, sowie dem Beschwerdeführer zwei landeskundliche Gutachten, verfasst jeweils von Univ.Prof. Dr. H.G. H. und Dr. L.L., übermittelt und die Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen eingeräumt.
Das Bundesasylamt, Außenstelle Salzburg, verzichtete schriftlich auf die Möglichkeit einer Stellungnahme, von Seiten des Beschwerdeführers wurde am 23.06.2006 eine Stellungnahme zu den Gutachten vorgelegt und darin vorgebracht, dass aus den Gutachten hervorgehe, dass für den Beschwerdeführer als Tschetschene sowie für seine Familie keine innerstaatliche Fluchtalternative in seiner Heimat bestanden habe und auch weiterhin keine bestehe. Seiner Stellungnahme legte der Beschwerdeführer den Ausdruck eines Urteils des Oberverwaltungsgerichtes des Landes Sachsen-Anhalt, vom 00.00.2003 bei.
Zu den genannten Gutachten gab das Bundesasylamt, Grundsatz- und Dublinabteilung, eine Stellungnahme ab und beantragte die Abhaltung einer weiteren Berufungsverhandlung zur Abgabe einer vertieften Stellungnahme. Die Autoren der genannten Gutachten legten daraufhin eine Gegenäußerung zu dieser Stellungnahme vor, worauf das Bundesasylamt erneut eine schriftliche Stellungnahme abgab. Am 07. und 08.09.2006 sowie am 11. und 12.09.2006 führe der Unabhängige Bundesasylsenat eine "einseitige Anhörung" mit Vertretern des Bundesasylamtes durch.
Mit "Erkenntnis" des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 05.10.2006, Zahl 262.510/20-II/04/06 wurde der "Beschwerde" des D.H. vom 18.07.2005 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.06.2005, FZ. 04 08.356-BAS, stattgegeben und dem Asylwerber gemäß § 7 AsylG Asyl gewährt. Gemäß § 12 leg. cit. wurde festgestellt, dass dem Asylwerber damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.
In der Begründung setzte sich der Unabhängige Bundesasylsenat vor allem mit den Sachverständigengutachten und den hierzu ergangenen Einwendungen des Bundesasylamtes auseinander und kam zu dem Schluss, dass dem Beschwerdeführer eine zumutbare Zuflucht in einem anderen Teil Russlands nicht zur Verfügung stehe.
Gegen diesen Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates erhob der Bundesminister für Inneres mit Schriftsatz vom 22.11.2006 Amtsbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Mit Erkenntnis vom 26.06.2008, Zahl 2006/20/0724-8, wurde der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof dazu aus, die belange Behörde gehe - gestützt auf die bereits im Erkenntnis vom 19.12.2007, Zahl 2006/20/0771, dargestellten gutachterlichen Äußerungen - von einer asylrelevanten Verfolgung grundsätzlich aller (jedes beliebigen) Bewohner(s) Tschetscheniens tschetschenischer Ethnie aus, auf die vom nunmehrigen Beschwerdeführer vorgebrachte individuelle Verfolgungsbehauptung sei sie jedoch nicht eingegangen. Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem genannten Erkenntnis dargelegt habe, seien die gutachterlichen Äußerungen der Sachverständigen nicht nachvollziehbar, in sich widersprüchlich und insgesamt nicht geeignet, die zusammenfassende Behauptung der Sachverständigen hinsichtlich der Verfolgungswahrscheinlichkeit eines beliebigen Tschetschenen zu tragen.
Aufgrund des Akteninhaltes steht nachstehender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen fest:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Russland, Angehöriger der Volksgruppe der Tschetschenen und wurde am 00.00.1965 in O. in Tschetschenien geboren. Der Beschwerdeführer ist verheiratet und hat vier Töchter sowie einen Sohn.
Der Beschwerdeführer hat Gudermes im Februar 2004 in Richtung Österreich verlassen und ist über Rostov und Brest zunächst in die Ukraine und sodann über die Slowakei nach Österreich gereist.
Von 1994 bis 1996 hat der Beschwerdeführer als Widerstandskämpfer am ersten Tschetschenienkrieg teilgenommen. Anfang April 2003 wurde der Beschwerdeführer im Rahmen einer Säuberungsaktion festgenommen und drei Tage festgehalten. Da zuvor ein PKW in der Nähe des Wohnortes des Beschwerdeführers gesprengt worden war, wurde der Beschwerdeführer hierzu befragt. Den Verhörenden war hierbei bekannt, dass der Beschwerdeführer am ersten Tschetschenienkrieg teilgenommen hatte. Nach Zahlung eines Lösegeldes durch seine Verwandten kam der Beschwerdeführer frei und befand sich in der Folge ständig auf der Flucht, um nicht wieder festgenommen zu werden. Da der Vater eines Cousins des Beschwerdeführers nach einer Festnahme spurlos verschwunden war, befürchtete der Beschwerdeführer, im Falle einer erneuten Festnahme ebenfalls spurlos zu verschwinden. Aus diesem Grund beschloss der Beschwerdeführer, Tschetschenien zu verlassen. Der Beschwerdeführer distanzierte sich im Rahmen seiner Einvernahme von den Wahabiten.
Der Beschwerdeführer lebt gemeinsam mit seiner Ehegattin und seinen vier minderjährigen Kindern seit 2004 in Österreich, im Jahr 2006 wurde eine weitere Tochter des Beschwerdeführers in Österreich geboren. Ein jüngerer Bruder des Beschwerdeführers, D.S., sowie ein Cousin leben ebenfalls in Österreich.
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus folgender Beweiswürdigung.
Die Feststellungen zur Person und zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem bezüglich dieser Feststellungen glaubwürdigen Vorbringen des Beschwerdeführers im Rahmen seiner Einvernahme vom 15.06.2005, aus der Beschwerdeschrift vom 18.07.2005, aus dem am 25.04.2006 abgehaltenen "selbständigen Augenschein", sowie aus den im Verfahren vorgelegten Urkunden, insbesondere einer Heiratsurkunde und einem russischen Auslandsreisepass (AS 37-43) sowie zwei Bestätigungen der itschkerischen Republik betreffend seine Teilnahme als Widerstandskämpfer am ersten Tschetschenienkrieg von 1994 bis 1996.
Die Identität des Beschwerdeführers ergibt sich aus den von ihm vorgelegten und in ihrer Unbedenklichkeit auch nicht vom Bundesasylamt angezweifelten Personaldokumenten. Seine Herkunft aus Tschetschenien und die Zugehörigkeit zur tschetschenischen Volksgruppe ergeben sich insbesondere aus den Ausführungen der länderkundlichen Sachverständigen sowie der Dolmetscherin im "selbständigen Augenschein" vor dem Unabhängigen Bundesasylamt.
Die Ausführungen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchgründen im Rahmen seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt sind hinreichend klar, konkret und widerspruchsfrei. Auch das Bundesasylamt hat im Rahmen ihrer Beweiswürdigung im angefochtenen Bescheid keine Widersprüche gesehen. Das Bundesasylamt bezweifelt hingegen insbesondere die persönliche Verfolgungsgefahr, da der Beschwerdeführer unter Mitführung von Unterlagen, die ihn als tschetschenischen Widerstandskämpfer auswiesen, durch russisches Gebiet gereist sei und bezweifelt den zeitlichen Zusammenhang der vom Beschwerdeführer geschilderten Vorfälle mit seiner Ausreise.
Der Beschwerdeführer hat jedoch bereits im Rahmen seiner Einvernahme angegeben, dass es für ihn ein großes Risiko gewesen sei, durch russisches Gebiet zu reisen. In seiner Beschwerde hat er weiter darüber aufgeklärt, dass er keineswegs unter Mitführung des Ausweises ausgereist sei, sondern diesen von Verwandten aus Tschetschenien habe nachsenden lassen. Soweit es das Bundesasylamt für unplausibel hält, dass der Beschwerdeführer nicht unmittelbar nach seiner Freilassung ausgereist ist, sondern weiterhin in Tschetschenien aufhältig war, ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer sehr nachvollziehbar geschildert hat, dass er seit dieser Festnahme auf der Flucht gewesen sei und sich ständig woanders aufgehalten habe, um einer neuerlichen Festnahme zu entgehen. Insbesondere ist auch nicht zu übersehen, dass eine Tochter des Beschwerdeführers, D.T., am 00.00.2003 geboren wurde, sodass nicht davon ausgegangen werden kann, dass es dem Beschwerdeführer möglich war, gemeinsam mit drei Kindern und einer schwangeren Frau bzw. einem neugeborenen Kind zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt auszureisen.
Soweit das Bundesasylamt rügt, dass der Beschwerdeführer keinerlei Beweismittel habe vorlegen können, dass er seitens des russischen Staates in irgendeiner Art und Weise gesucht werden würde, ist lediglich festzuhalten, dass es für die Glaubhaftmachung der Fluchtgründe im Sinne der GFK eines Beweises nicht bedarf (VwGH 16.09.1993, 92/01/0787; 30.06.1994, 94/01/0058; 18.04.1996, 95/20/0256; 18.12.1996, 95/20/0580). Aufgrund der vom Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgründe ist sohin auch die Schlussfolgerung des Bundesasylamtes nicht nachvollziehbar, dass die geschilderten Vorfälle mit Sicherheit auf die zweifelsohne schwierigen Verhältnisse in Tschetschenien zurückzuführen seien. Der Beschwerdeführer, der im Übrigen sogar nachweisen konnte, dass er im ersten Krieg als Widerstandskämpfer gekämpft hatte, hat schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass er aufgrund seiner Tätigkeit im Widerstand sowie seiner Verhaftung im Rahmen einer Säuberungsaktion ins Blickfeld der russischen Behörden geraten ist.
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die Ausführungen des Beschwerdeführers der vorliegenden Entscheidung zugrunde gelegt werden können.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 28 Abs. 1 Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Juli 2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I. Nr. 100/2005, außer Kraft.
Gemäß § 23 AsylGHG sind - soweit sich aus dem B-VG, dem AsylG und dem VwGG nicht anderes ergibt - auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.
Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005 sind am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:
Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängige Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.
Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.
Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständigen Senat weiterzuführen.
Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, sind alle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen.
Durch die Behebung des Bescheides des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 05.10.2006, Zahl 262.510/20-II/04/06, mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.06.2008, Zahl 2006/20/0724-8, ist dieses Verfahren wieder in das Stadium vor Erlassung des behobenen Berufungsbescheides zurückgetreten. Da das seinerzeit verfahrensführende Senatsmitglied des Unabhängigen Bundesasylsenates nicht zum Richter des Asylgerichtshofes ernannt wurde und es sich um ein Verfahren gegen einen abweisenden Bescheid handelt, ist das gegenständliche Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997, idF BGBl. I Nr. 126/2002 (AsylG) von dem nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung zuständigen Senat zu führen.
Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Artikel 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vom 28.07.1951, BGBl. Nr. 55/1955, iVm Artikel 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31.01.1967, BGBl. Nr. 78/1974, ist als Flüchtling anzusehen, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthalts befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn in objektiver Weise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthalts zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr. Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen stellen im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr dar, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 6.10.1999, 99/01/0279, mwN).
Trotz der äußerst problematischen Situation von Angehörigen der tschetschenischen Volksgruppe, insbesondere in Tschetschenien, kann aus Sicht des erkennenden Senates des Asylgerichtshofes nicht von einer generelle Verfolgung nur allein wegen der Zugehörigkeit zur tschetschenischen Ethnie ("Gruppenverfolgung") gesprochen werden, sondern ist weiterhin jeder konkrete Einzelfall umfassend anhand der in der Genfer Flüchtlingskonvention taxativ aufgezählten Verfolgungsgründe zu prüfen (siehe hierzu das im Gegenstand ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.06.2008, 2006/20/0724-8, sowie das diesem zugrunde liegende Erkenntnis vom 19.12.2007, 2006/20/0771).
Im vorliegenden Fall besteht für den Beschwerdeführer angesichts des zu seinen Asylgründen festgestellten Sachverhalts eine objektiv nachvollziehbare Verfolgungsgefahr.
Der Beschwerdeführer hat nachgewiesen, dass er als Widerstandskämpfer gekämpft hat und im Rahmen seiner Einvernahme glaubwürdig dargestellt, dass er im Rahmen einer Säuberungsaktion festgenommen und drei Tage lang festgehalten wurde. Es kann sohin nicht davon ausgegangen werden, dass ihm eine politische Gesinnung lediglich unterstellt würde, sondern hat sich diese auch im Rahmen der Verhaftung manifestiert, zumal bei den russischen Behörden bekannt ist, dass der Beschwerdeführer ein ehemaliger Widerstandskämpfer ist. Die Furcht des Beschwerdeführers vor Verfolgung ist aus diesem Grund auch objektiv nachvollziehbar, dies nicht zuletzt, da auch ein Onkel des Beschwerdeführers nach dessen Verhaftung verschwunden ist, weshalb der Beschwerdeführer fürchtete, dass ihm Ähnliches geschehen könnte. Der Beschwerdeführer wurde daher nicht bloß Opfer einer allgemein gegen alle männlichen Tschetschenen im wehrpflichtigen Alter gerichtete Aktion, sondern besteht die individuelle Gefahr einer Verfolgung aufgrund der bisherigen Tätigkeit im tschetschenischen Widerstand, welche im Zuge seiner Verhaftung, welche im Rahmen einer Säuberungsaktion nach einem Bombenanschlag erfolgte, auch hervorgekommen ist.
Wie in dem angefochtenen Bescheid auch festgestellt wurde, ist davon auszugehen, dass abgeschobenen Personen, die sich in der Tschetschenienfrage besonders engagiert haben, von den russischen Behörden besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird, wobei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann - und zwar wegen der individuellen Erlebnisse des Beschwerdeführers als auch der notorischen Situation in Tschetschenien - dass dies mit Eingriffen von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Beschwerdeführers einher geht.
Daher ist im Sinne einer Prognoseentscheidung im konkreten Fall davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Tschetschenien aufgrund seiner Ethnie sowie seiner politischen Gesinnung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer asylrechtlich relevanten Verfolgung seitens der russischen Behörden ausgesetzt ist.
Wie in den Feststellungen des erstinstanzlichen Bescheides ebenfalls festgehalten, haben insbesondere (aber nicht nur) Tschetschenien besondere Schwierigkeiten, sich außerhalb der Republik Tschetschenien registrieren zu lassen und führt die mangelnde Registrierung zu einer Beschneidung der meisten zivilen, sozialen und ökonomischen Rechte. Der Beschwerdeführer verfügt über keinerlei Verwandte oder Freunde in der Russischen Föderation außerhalb der tschetschenischen Republik. Ergänzend sei angemerkt, dass die Ehegattin des Beschwerdeführers, wie bereits das Bundesasylamt im Rahmen deren Einvernahme festgestellt hat, nicht einmal Kenntnisse der russischen Sprache besitzt. Es liegen daher aus Sicht des erkennenden Senates keine hinreichenden Indizien für das Vorliegen einer inländischen Schutzalternative vor.
Zusammenfassend wird festgehalten, dass sich der Beschwerdeführer aus wohlbegründeter Furcht einerseits wegen einer ihm unterstellten politischen Gesinnung, andererseits wegen seiner ethnischen Zugehörigkeit verfolgt zu werden, außerhalb der Russischen Föderation befindet und im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren und auch keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlußgründe vorliegt.
Gemäß § 12 AsylG ist die Entscheidung, mit der Fremden von Amts wegen oder auf Grund Asylantrages Asyl gewährt wird, mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.