E8 312.294-1/2008-7E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Diehsbacher als Vorsitzenden und den Richter Dr. Bracher als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Frau Schwarz über die Beschwerde des A.N., geb. 00.00.1982, StA. Türkei, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.05.2007, FZ. 06 04.604-BAW, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs 1, 8 Abs 1 Z 1 und 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 abgewiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Verfahrensgang und Sachverhalt
1. Der BF, ein Staatsangehöriger der Türkei, Angehöriger der kurdischen Volksgruppe und moslemischen Glaubens, gelangte am 20.04.2006 unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet, wo er am 28.04.2006 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte (AS 3 ff). Die Übersetzung des in der Muttersprache des BF gestellten Antrages auf internationalen Schutz findet sich auf AS 87 des erstinstanzlichen Behördenaktes.
2. Am 28.04.2006 wurde der BF vor der Polizeiinspektion Traiskirchen EAST Ost (AS 29 ff) und in weiterer Folge am 03.05.2006 (AS 43 ff) und am 19.04.2007 (AS 89 ff) vor dem Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen. Dabei brachte er im Wesentlichen vor, dass zwischen seinem überwiegend von Kurden bewohnten Heimatdorf B. und dem türkischen Nachbardorf Y. schon seit einigen Jahren Streitigkeiten um ein Landstück herrschen würden. Im Zuge einer dieser Auseinandersetzungen habe sein Onkel "versehentlich" einen jungen Türken erschossen und sei dieser deshalb zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von neun Jahren verurteilt worden. Der BF selbst sei zu diesem Zeitpunkt nicht in Y. aufhältig gewesen, da er gerade seinen Militärdienst abgeleistet habe. Nach der Rückkehr des BF im Jahr 2006 habe sich jedoch die Familie des ermordeten Türken an ihm rächen wollen, da ebenfalls "ein junger Bursch" hätte getötet werden sollen. So habe der BF am 24.01.2006 oder am 25.01.2006 nach K. fahren wollen und sei dabei - der Weg dorthin führt durch das Dorf
Y. - von den Brüdern des Ermordeten auf sein Fahrzeug geschossen worden. Er selbst sei dabei nicht verletzt worden, weil er die Geschwindigkeit erhöht habe und schnell weitergefahren sei. Nach diesem Vorfall habe sich der BF entschlossen, die Türkei zu verlassen.
3. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.05.2007, Zahl: 06 04.604-BAW, wies das Bundesasylamt den Antrag des BF auf internationalen Schutz in Spruchteil I unter Berufung auf § 3 Abs 1 AsylG ab; in Spruchteil II wurde dem BF gem. § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei nicht zuerkannt. Gleichzeitig wurde der BF in Spruchteil III des Bescheides gem. § 10 Abs 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischem Bundesgebiet in die Türkei ausgewiesen (AS 111 ff). Begründend führte das Bundesasylamt im Wesentlichen aus, dass dem Vorbringen des BF die Glaubwürdigkeit abzusprechen gewesen sei, da dieses - wie das Bundesasylamt anhand von zahlreichen Beispielen aufzeigte - widersprüchlich, abstrakt und allgemein gehalten sei (AS 141). Im Rahmen der Refoulementprüfung führte die Erstbehörde begründend aus, dass der BF seine Fluchtgründe nicht glaubhaft machen habe können, weshalb auch keine Gefährdung iSd Art. 3 EMRK bestehe (AS 149). Die Zulässigkeit der Ausweisung des BF aus dem österreichischen Bundesgebiet in dessen Herkunftsstaat begründete die Erstbehörde insbesondere damit, dass zwar ein Familienbezug zu einem dauernd aufenthaltsberechtigten Fremden vorliege, da ein Bruder des BF in Österreich aufhältig sei, mit welchem der BF in einem gemeinsamen Haushalt lebe und welcher den BF unterstütze; eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung bzw. dem Interesse an einer geordneten Zuwanderung und dem Interesse des BF an der Aufrechterhaltung der familiären Bindungen gehe jedoch zu Lasten des BF aus.
4. Gegen diesen dem BF am 11.05.2007 persönlich ausgefolgten Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 23.05.2007 (AS 169 ff) fristgerecht Beschwerde erhoben. Darin werden im Wesentlichen die Fluchtgründe des BF wiederholt und darauf hingewiesen, dass die im Erstbescheid aufgezeigten Widersprüche davon herrühren, dass der BF zum Zeitpunkt des Vorfalles mit seinem Onkel gerade seinen Militärdienst abgeleistet habe und nur aus Erzählungen wisse, was genau geschehen sei. Zudem wird ausgeführt, dass vorwiegend in kurdischen Dörfern "Blutrache" ausgeübt werde und es in der Türkei üblich und nachvollziehbar sei, dass das jüngste Mitglied der Familie mit Blutrache bedroht werde (AS 173). Genauere Ausführungen dazu oder Hinweise, worauf sich diese Behauptungen stützten, finden sich im Beschwerdeschriftsatz jedoch nicht. Angemerkt wird auch, dass der angefochtene Bescheid möglicherweise "nichtig" sei, da der Verfasser des Bescheides nicht identisch mit der Person sei, die die Einvernahme durchgeführt habe (AS 175). Schließlich sei auch von einer Ausweisung Abstand zu nehmen, da die öffentlichen Interessen nicht die familiären Interessen des BF überwiegen würden.
II. DER ASYLGERICHTSHOF HAT ERWOGEN:
1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt des BF.
2. Rechtlich ergibt sich folgendes:
2.1. Gemäß Art. 151 Abs. 39 Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, treten mit 1. Juli 2008 die Art. 10 Abs. 1 Z 1, 3, 6 und 14, Art. 78d Abs. 2, Art. 102 Abs. 2, Art. 129, Abschnitt B des (neuen) siebenten Hauptstückes, Art. 132a, Art. 135 Abs. 2 und 3, Art. 138 Abs. 1, Art. 140 Abs. 1 erster Satz und Art. 144a in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. I Nr. 2/2008 in Kraft.
Für den Übergang zur neuen Rechtslage gilt:
Gemäß Z 1 leg. cit. wird mit 1. Juli 2008 der bisherige unabhängige Bundesasylsenat zum Asylgerichtshof.
Gemäß Z 4 leg. cit. sind die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängigen Verfahren vom Asylgerichtshof weiterzuführen. Beim Verwaltungsgerichtshof oder beim Verfassungsgerichtshof anhängige Verfahren über Beschwerden gegen Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates sind von diesen mit der Maßgabe weiterzuführen, dass als belangte Behörde der Asylgerichtshof gilt.
2.2. Nichtgewährung von Asyl gemäß § 3 Asylgesetz
2.2.1. Gemäß § 3 Absatz 1 Asylgesetz ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Das Vorbringen des Asylsuchenden muss geeignet sein, eine asylrelevante Verfolgung im rechtlichen Sinne glaubhaft darzulegen. Hiezu muss zunächst eine konkrete, gegen den Asylwerber selbst gerichtete Verfolgungshandlung glaubhaft gemacht werden, aus der eine wohlbegründete Furcht im Sinne von § 3 Absatz 1 Asylgesetz iVm
Artikel 1 Abschnitt A Z 2 GFK rechtlich ableitbar ist. Hiezu genügt der bloße Hinweis auf die allgemeine Lage in dem Heimatland des Asylwerbers nicht (vgl hiezu zB VwGH 10.03.1994, Zahl 94/19/0056). Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl hiezu zB VwGH 12.05.1999, Zahl 98/01/0649). Eine Verfolgungshandlung setzt einen Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen voraus, der geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (vgl hiezu zB VwGH 25.04.1999, Zahl 99/01/0280).
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99720/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.6.1994, 94/19/0183; 18.2.1999, 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 9.3.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).
2.2.2. Nach Ansicht des Asylgerichtshofes hat das Bundesasylamt ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Die Erstbehörde hat sich sowohl mit dem individuellen Vorbringen auseinandergesetzt, als auch ausführliche Sachverhaltsfeststellungen zur allgemeinen Situation in der Türkei auf Grundlage umfangreichen und aktuellen Berichtsmaterials getroffen und in zutreffenden Zusammenhang mit der Situation des BF gebracht. Die Beschwerdebehörde schließt sich den Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid an und erhebt sie zum Inhalt des gegenständlichen Beschwerdebescheides (zB. VwGH v. 25.03.1999, 98/20/0559; 30.11.2000, 2000/20/0356).
Das Bundesasylamt geht im Sinne einer Gesamtbetrachtung zu Recht davon aus, dass vor dem Hintergrund der aufgezeigten Widersprüche in den Angaben des BF nicht angenommen werden kann, dass die geschilderten Vorfälle tatsächlich stattgefunden haben.
So verwies das Bundesasylamt zu Recht darauf, dass der BF in seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 03.05.2006 noch anführte, dass sein Onkel den jungen Türken aus dem Nachbardorf am 10.10.2005 erschossen habe, der BF im Jänner 2006 abgerüstet sei und nach seiner Rückkehr in sein Heimatdorf am 24.01.2006 oder 25.01.2006 von den Brüdern des Ermordeten sein Fahrzeug beschossen worden sei (AS 49). Danach habe er sich für ca. zwei bis zweieinhalb Monate in Istanbul aufgehalten (AS 51) und sei dann nach Österreich geflüchtet. In seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 19.04.2007 schilderte der BF diese Vorfälle jedoch in einem davon mehr als sechs Jahre (!) abweichenden Zeitrahmen. Der BF führte aus, dass der Schusswechsel zwischen seinem Onkel und dem jungen Türken aus dem Nachbardorf vor ca. acht Jahren (AS 95) stattgefunden habe (demnach im Jahr 1999) und dass er von 2002 bis 2003 seinen Militärdienst abgeleistet habe (AS 91). Nach seiner Rückkehr sei dann "vor ca. 3 Jahren" "im März oder April" (demnach: 2004, AS 95) auf ihn geschossen worden, woraufhin er für ca. ein Jahr (somit bis 2005) nach Istanbul gegangen sei, bevor er aus der Türkei ausgereist sei (AS 97). Diese Widersprüche zeigen, dass die Angaben des BF nicht der Wahrheit entsprechen, da dieser sonst in der Lage gewesen wäre, die Geschehnisse sowohl inhaltlich als auch zeitlich übereinstimmend zu beschreiben, weshalb der Feststellung des Bundesasylamtes, wonach dem BF die Glaubwürdigkeit hinsichtlich seines Fluchtvorbringens zu versagen sei, nicht entgegengetreten werden kann.
Auch im Hinblick auf seine "Verfolger" lieferte der BF unplausible Angaben, zumal er einerseits davon sprach, dass in den verfeindeten Dörfern jeder jeden kennt, weil diese früher einmal zusammen gehört hätten, der BF aber andererseits keine genauen Angaben zu dem Ermordeten und seinen Brüdern tätigen konnte. Der BF vermochte weder den Familien- noch die Vornamen oder sonstige Identitätsmerkmale der verfeindeten Familie zu nennen, ohne dies durch nachvollziehbare Erklärungen zu rechtfertigen, weshalb auch in diesem Punkt dem Bundesasylamt zuzustimmen ist, wenn es ausführt, dass das Vorbringen des BF auch in diesem Zusammenhang als unsubstantiiert und nicht glaubwürdig zu qualifizieren sei.
Zur Beschwerde, worin "vorsichtshalber" vorgebracht wird, dass der angefochtene Bescheid "nichtig" wäre, weil der Verfasser des Bescheides nicht identisch mit der Person sei, welche die Einvernahme durchgeführt hat, ist anzuführen, dass der Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.05.2007 von derselben Person (AS 157) verfasst wurde, die auch die ausführliche Einvernahme vom 19.04.2007 (AS 89 ff) durchgeführt hat, weshalb der diesbezügliche Einwand in der Beschwerde ins Leere geht und kein Verstoß gegen § 19 Abs 2 AsylG vorliegt.
Auch mit dem Erklärungsversuch in der Beschwerde, wonach die Widersprüche des BF darauf beruhen, dass er bei dem Vorfall mit seinem Onkel selbst nicht anwesend gewesen sei, wird der Beweiswürdigung der Erstbehörde nicht substantiiert entgegengetreten, zumal sich die aufgezeigten Widersprüche auch auf Tatsachen und Gegebenheiten beziehen, die mit dem angeblichen Mord an einem jungen Türken aus dem Nachbardorf in keinem unmittelbaren Zusammenhang stehen, sondern Zeitangaben und inhaltliche Ausführungen betreffen, von denen der BF Kenntnis haben müsste, wenn er die geschilderten Vorfälle tatsächlich erlebt hätte.
Den vom Bundesasylamt im angefochtenen Bescheid zu entnehmenden und die Beweiswürdigung hinsichtlich der Nichtglaubhaftmachung tragenden Argumenten wird in der Beschwerde daher nicht konkret und substantiiert entgegen getreten, weshalb die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesasylamtes abzuweisen war.
2.3. Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Absatz 1 Ziffer 1 Asylgesetz in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei
2.3.1. Wenn ein Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen ist, hat die Behörde gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob dem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigen zukommt. Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist mit der abweisenden Entscheidung zu verbinden.
Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden, dessen Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen wurde dann zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Zur Auslegung des § 8 AsylG ist aus Sicht der Beschwerdebehörde weiterhin die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 37 Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, und § 57 Fremdengesetz, BGBl I Nr. 126/2002, heranzuziehen. Danach erfordert die Feststellung nach dieser Bestimmung das Vorliegen einer konkreten, den BF betreffenden, aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbaren Gefährdung bzw. Bedrohung. Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher ohne Hinzutreten besonderer Umstände, welche ihnen noch einen aktuellen Stellenwert geben, nicht geeignet, die begehrte Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen (vgl. VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011; 14.10.1998, 98/01/0122). Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, 98/01/0122; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (z.B. VwGH 26.06.1997, 95/21/0294; 25.01.2001, 2000/20/0438; 30.05.2001, 97/21/0560). Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 MRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwGH 08.06.2000, 99/20/0203). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, 98/21/0427; 20.06.2002, 2002/18/0028). Im Übrigen ist auch im Rahmen des § 8 AsylG zu beachten, dass mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen Gefährdung bzw. Bedrohung im Sinne des § 57 Abs. 1 oder 2 FrG glaubhaft zu machen ist (vgl. VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011).
2.3.2. Der Asylgerichtshof schließt sich auch den diesbezüglichen Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid bezüglich der Refoulement-Entscheidung vollinhaltlich an und erhebt diese zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses. Ergänzend sei ausgeführt, dass es sich beim BF um einen arbeitsfähigen, jungen Mann handelt, der in der Türkei über familiäre Anknüpfungspunkte verfügt, zumal seine Eltern, drei Schwestern und drei Brüder nach wie vor in der Türkei aufhältig sind und sich der BF - wie schon vor seiner Ausreise - seinen Lebensunterhalt durch eine Beschäftigung im Betrieb seiner Eltern sichern könnte.
Folglich ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des Bescheides des Bundesasylamtes abzuweisen.
2.4. Zulässigkeit der Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 2 Asylgesetz:
2.4.1. Ist ein Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen und wurde festgestellt, dass dem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigen nicht zukommt, hat die Behörde diesen Bescheid mit der Ausweisung zu verbinden (§ 10 Abs. 1 AsylG). Der Gesetzgeber beabsichtigt durch die zwingend vorgesehene Ausweisung von Asylwerbern, eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung im Inland von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern (VfGH vom 17.03.2005, Zl. G 78/04 u.a.). Bei einer Ausweisungsentscheidung nach § 10 Abs. 1 AsylG ist auf Art. 8 EMRK Bedacht zu nehmen (VfGH vom 15.10.2004, Zl. G 237/03, VfGH vom 17.03.2005, Zl. G 78/04 u.a.). Nach § 10 Abs 2 Z 2 AsylG ist eine Ausweisung unzulässig, wenn sie eine Verletzung von Art 8 EMRK darstellen würde. Gemäß Artikel 8 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung uns seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
2.4.2. Die Behörde erster Instanz prüfte die Ausweisung des BF aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei unter dem Gesichtspunkt eines Eingriffes in das Recht auf Familienleben gemäß Artikel 8 Absatz 1 EMRK und kam zunächst zu dem Ergebnis, dass im Fall des BF ein derartiger Eingriff gegeben sei, zumal er mit seinem Bruder A.I., welcher einen unbefristeten Aufenthaltstitel habe, in gemeinsamen Haushalt lebe und von diesem versorgt werde. Wenngleich nach Ansicht des Asylgerichtshofes fraglich sein könnte, ob bereits dadurch überhaupt ein Familienleben iSd Art 8 EMRK besteht, so sind selbst bei Bejahung dieses Umstandes keine Bedenken gegen die Ausweisung des BF in die Türkei anzumelden, wie auch das Bundesasylamt treffend aufzeigte: Eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung bzw. das wirtschaftliche Interesse an einer geordneten Zuwanderung und dem Interesse des BF an der Aufrechterhaltung der familiären Bindungen geht klar zu Lasten des BF aus. Der BF führte zwar an, dass er bei seinem in Österreich lebenden Bruder wohne und von diesem auch verpflegt werde (AS 91), eine besonders starke Beziehungsintensität brachte er jedoch nicht vor. Der Bruder des BF hält sich bereits seit mehr als 15 Jahren in Österreich auf und verbrachte nach den Angaben des BF nur alle zwei Jahre seinen Urlaub in der Türkei (AS 91), was auf eine nicht besonders intensive Bindung schließen lässt, zumal sich der BF erst seit dem Jahr 2006 in Österreich aufhält und davor - bis auf die Urlaubsbesuche - zu seinem Onkel kein Kontakt bestand. Ebenso wenig kann - in Anbetracht des verhältnismäßig kurzen Zeitraumes - der Umstand, dass sein Bruder nun für ihn sorgt, dermaßen schwer wiegen, dass seine Ausweisung im Lichte des Art 8 EMRK unzulässig wäre. Im Übrigen musste dem BF auch klar sein, dass er im Fall des negativen Ausganges seines Asylverfahrens Österreich werde verlassen müssen.
2.4.3. Weiters bleibt noch zu prüfen, ob mit der Ausweisung des BF ein Eingriff in sein Privatleben einhergeht und - falls dies zutrifft, ob dieser Eingriff eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist (Art 8 Absatz 2 EMRK).
Nach der Rechtssprechung des EGMR (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Ausländern kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat, unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (zB. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u. a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).
2.4.4. Im Fall des am 20.04.2006 illegal nach Österreich eingereisten BF hat das bisherige Verfahren keine Anhaltspunkte für die Annahme besonderer sozialer oder wirtschaftlicher Beziehungen des BF in Österreich ergeben bzw. wurden solche von diesem auch nicht behauptet. Aber auch eine anderweitige Aufenthaltsverfestigung, die die Annahme einer Prävalenz der ho. Bindungen gegenüber jenen zum Herkunftsstaat rechtfertigen würden, wird durch den gerade einmal rund zweieinhalbjährigen Aufenthalt hier in Österreich kontraindiziert. Ein Eingriff in das Privatleben des BF kann daher im Falle einer Ausweisung in die Türkei nicht festgestellt werden, weshalb es einer Interessenabwägung im Sinne des Artikel 8 Absatz 2 EMRK nicht bedarf.
Folglich ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des Bescheides des Bundesasylamtes abzuweisen.
3. 1. Auf das Verfahren nach dem Asylgesetz findet gemäß § 23 AsylGHG das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) unter dem Vorbehalt anderer Regelungsinhalte des
B-VG, des AsylG 2005 und des VwGG Anwendung. Derartige ausdrückliche andere Regelungen für das Verfahren vor dem Asylgerichtshof sind in den in der Erläuterung laut AB 371 XXIII.GP genannten §§ 20, 22 und 41 AsylG 2005 enthalten, aber auch in den §§ 42, 61 und 62 AsylG 2005. Gemäß § 41 Abs 7 AsylG 2005 kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt 67 d AVG, wonach eine mündliche Verhandlung dann unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Dies ist dann der Fall, wenn er nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens und nach schlüssiger Beweiswürdigung der Behörde erster Instanz festgestellt wurde und in der Beschwerde kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz entgegenstehender oder darüber hinausgehender Sachverhalt - erstmalig und mangels Bestehens eines Neuerungsverbotes zulässigerweise - neu und in konkreter Weise behauptet wird (vgl. dazu etwa VwGH 11. 11.1998, Zahl 98/01/0308, sowie VwGH 14.12.2000, Zahl 98/20/0556). Wird hingegen im Beschwerdeverfahren ein konkreter, neuer Sachverhalt zulässigerweise behauptet, so ist es dem unabhängigen Bundesasylsenat verwehrt, durch Würdigung der Beschwerdeangaben als unglaubwürdig den Sachverhalt ohne Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung und insbesondere ohne den Asylwerber selbst persönlich einzuvernehmen als geklärt anzusehen (vgl. dazu etwa VwGH 22. 04.1999, Zahl 98/20/0411). Dies ergibt sich nicht zuletzt aus der Wichtigkeit des persönlichen Eindruckes des entscheidenden Organes der Behörde für die Bewertung der Glaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers (vgl. dazu auch das obzitierte Erkenntnis VwGH 11. 11.1998, Zahl 98/01/0308, sowie VwGH 21.01.1999, Zahl 98/20/0339). Allerdings führt nicht jede Verletzung von Verfahrensvorschriften zur Aufhebung eines Bescheides, sondern nur dann, wenn die belangte Behörde bei deren Vermeidung zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können (vgl. dazu zB. VwGH 25.03.1999, Zahl 98/20/0577). Bezogen auf die Unterlassung der Durchführung einer mündlichen Verhandlung liegt ein entscheidungsrelevanter Verfahrensmangel daher nur dann vor, wenn nicht auszuschließen ist, dass der Unabhängige Bundesasylsenat im Falle einer mündlichen Verhandlung zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, weil er beispielsweise auf Grund des dadurch vom BW gewonnen persönlichen Eindruck dessen Vorbringen zur Gänze als glaubwürdig erachtet hätte (vgl. dazu zB. VwGH 14.12.2000, Zahl 98/20/0556).
3.2. Gemessen an diesen vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellten Kriterien ist der gegenständliche Sachverhalt als geklärt zu betrachten. Insbesondere ist der negativen Glaubwürdigkeitsbeurteilung des BF durch die Erstbehörde nicht entgegenzutreten, zumal das Vorbringen des BF von der Erstbehörde in ausführlicher und schlüssiger Weise dargelegt und gewürdigt wurde. Die bloße zusätzliche Erörterung von verfahrensgegenständlichen Beweismitteln oder Ermittlungsergebnissen sowie Rechtsfragen hätte auch keine anders lautende Entscheidung herbeigeführt. Der BF ist der erstinstanzlichen Beweiswürdigung nicht substantiiert entgegengetreten. Eine mündliche Verhandlung konnte daher gemäß § 41 Abs 7 AsylG 2005 unterbleiben.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.