TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/14 C8 246564-0/2008

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.10.2008
beobachten
merken
Spruch

C8 246564-0/2008/1E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Felseisen als Vorsitzenden und den Richter Mag. Dragoni als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Fr. Bernold über die Beschwerde des K.R., geb. 00.00.1981, StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 21.01.2004, AZ. 03 33.926-BAW, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt.

 

Die Beschwerde wird gemäß § 7, § 8 AsylG 1997, BGBl I Nr. 76/1997 idgF als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsbürger, stellte am 30.10.2003 schriftlich einen Antrag auf Asylgewährung, zumal er in seinem Heimatland asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt wäre und in keinem anderen Land Schutz vor Verfolgung finden könne.

 

Der Beschwerdeführer wurde hinsichtlich seiner schriftlichen Eingabe am 11.11.2003 vom Bundesasylamt, Außenstelle Traiskirchen, einvernommen.

 

In dieser Niederschrift gab der Beschwerdeführer an, dass er Ende 2003 von seinem Heimatdorf D. aus, nach L. gefahren sei. Nach 10 Tagen sei er nach Neu Dheli gefahren und sei einen Monat später nach Moskau geflogen.

 

Sowohl bei der Ausreise aus Indien als auch der Einreise nach Russland habe er keine Probleme gehabt.

 

Der Beschwerdeführer gab an, dass er Probleme mit Terroristen gehabt habe. Es seien einige Terroristen zu ihm nach Hause gekommen und hätten Verpflegung verlangt. Seit März oder April 2003 seien diese ein bis zwei Mal in der Woche gekommen und hätten Verpflegung verlangt. Im Mai 2003 hätten die Terroristen die Eltern und den Bruder des Beschwerdeführers umgebracht. Der Beschwerdeführer habe daraufhin sein Haus verkauft und sei mittels eines Schleppers ins Ausland geflohen.

 

Eine Anzeige habe der Beschwerdeführer gegen die Terroristen nicht erstattet, doch sei die Polizei vor Ort gewesen und hätte einen Bericht verfasst. Weitere Maßnahmen von Seiten der Polizei würden sich dem Kenntnis des Beschwerdeführers entziehen, zumal dieser Indien bereits verlassen hatte.

 

Das unmittelbar fluchtauslösende Element sei der Anblick seines Hauses gewesen, bei dem er traurig geworden wäre. Außerdem hätte er nicht mehr weiterleben wollen.

 

Der Beschwerdeführer gab an, dass er weder politisch tätig wäre noch einer Partei angehören würde. Probleme mit den Behörden habe er zu Hause keine gehabt.

 

2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 21.1.2004, Aktenzahl 03

33.926 BAW wurde der Asylantrag des Asylwerbers gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen, zugleich wurde ihm im Spruchpunkt II gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Indien nicht zuerkannt.

 

Das Bundesasylamt ging auf Grund der Aussagen des Beschwerdeführers davon aus, dass im gegenständlichen Fall keine asylrechtlich relevanten Gründe vorliegen würden. Das Vorbringen genüge den Anforderungen an die Glaubhaftmachung nicht. Der Beschwerdeführer sei in keiner Phase der Befragung in der Lage gewesen konkrete, detaillierte und differenzierte Angaben zum Sachverhalt darzulegen.

 

Unabhängig von der Frage der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers ging das Bundesasylamt davon aus, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers keinen asylrelevanten Fluchtgrund darstelle. Die erste Instanz verweist in diesem Zusammenhang einerseits auf die bestehende innerstaatliche Fluchtalternative und andererseits auf das indische Rechtssystem, welches bei derartigen Vorfällen sehr wohl klare und nachvollziehbare Schritte vorsehen würde. Der Beschwerdeführer habe der ersten Instanz selbst erklärt, dass die Polizei vor Ort gewesen sei und einen Bericht geschrieben habe. Die Erklärung, dass der Beschwerdeführer so traurig gewesen sein soll, was im Falle der Richtigkeit des Vorbringens verständlich gewesen wäre, sei allerdings nicht ausreichend gewesen und stelle keinen asylrelevanten Fluchtgrund dar. In diesem Zusammenhang wurde von Seiten der ersten Instanz darauf verwiesen, dass dem Beschwerdeführer die Inanspruchnahme der Hilfe der indischen Behörden möglich gewesen wäre.

 

Zu Spruchpunkt II führte das Bundesasylamt aus, dass in Anlehnung an die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bei der Refoulement-Prüfung die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Beschwerdeführers in diesen Staat zu beurteilen wäre. Dabei könne bei der Prüfung von außerhalb staatlicher Verantwortung liegender Gegebenheiten nur dann in der Außerlandesschaffung des Antragsstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK liegen, wenn außergewöhnliche exzeptionelle Umstände glaubhaft gemacht werden würden.

 

Selbst bei Übernahme der Darstellung bezüglich des Ablaufes der behaupteten Geschehnisse lägen keine Anhaltspunkte vor, dass dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr seitens des Staates Gefahr drohen würde, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden.

 

Aufgrund der getroffenen Feststellungen könne ferner nicht davon gesprochen werden, dass in Indien eine nicht sanktionierte ständige Praxis grober offenkundiger, massenhafter Menschenrechtsverletzungen herrschen würde.

 

Darüber hinaus hätte der Beschwerdeführer als abgewiesener Asylwerber aus Indien im Falle seiner Rückkehr in sein Heimatland wegen der Stellung eines Asylantrages keine nachteiligen Konsequenzen zu befürchten. Es würde keine Beschränkung geben in einem anderen Teil von Indien den Lebensmittelpunkt zu wählen.

 

3. Dagegen richtet sich die rechtzeitig erhobene Beschwerde.

 

4. Beweis wurde durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verwaltungsakt und zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor der Erstbehörde des bekämpften Bescheides sowie der Beschwerde (vormals Berufungsschriftsatzes) erhoben.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Anzuwenden war das AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76 in der Fassung BGBl. I Nr. 126/2002, die §§ 8, 15, 22, 23 Abs. 3, 5 und 6, 36, 40 und 40a in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003 (im Folgenden: "AsylG 1997"), das AVG, BGBl. Nr. 51/1991 in der geltenden Fassung und das ZustG, BGBl. Nr. 200/1982 in der geltenden Fassung. Hinsichtlich des Verfahrens vor dem Asylgerichthof waren die einschlägigen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100 in der geltenden Fassung (im Folgenden: "AsylG 2005") anzuwenden.

 

Gemäß § 9 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 in der geltenden Fassung entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, soweit eine Entscheidung durch einen Einzelrichter oder Kammersenat nicht bundesgesetzlich vorgesehen ist. Gemäß § 60 Abs. 3 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide nach den §§ 4 und 5 AsylG 2005 und nach § 68 AVG durch Einzelrichter. Gemäß § 42 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung oder Rechtsfragen, die sich in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartender Verfahren stellt, sowie gemäß § 11 Abs. 4 AsylGHG, wenn im zuständigen Senat kein Entscheidungsentwurf die Zustimmung des Senates findet durch einen Kammersenat. Im vorliegenden Verfahren liegen weder die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch einen Einzelrichter noch die für eine Entscheidung durch den Kammersenat vor.

 

2. Das Bundesasylamt, Außenstelle Traiskirchen, hat mit dem Beschwerdeführer eine Einvernahme durchgeführt. Der Beschwerdeführer wurde konkret und ausführlich zu seinen Fluchtgründen befragt. Der festgestellte Sachverhalt, dessen Beweiswürdigung und rechtliche Subsumtion finden ihren Niederschlag im angefochtenen Bescheid.

 

3. In der Beschwerde werden den individuellen Ausführungen des Bundesasylamtes keine konkreten Argumente entgegengesetzt bzw. wird kein substantiiertes Beweisanbot getätigt, welches Anlass zu weiteren Ermittlungen des Asylgerichtshofes geboten hätte. Ferner sind nach Ansicht des erkennenden Gerichtshofes die von der Erstbehörde der Entscheidung zu Grunde gelegten Länderberichte und die getroffenen Länderfeststellungen für den konkreten Fall ausreichend.

 

Der Asylgerichtshof schließt sich daher den nicht zu beanstandenden Ausführungen des Bundesasylamtes und der rechtlichen Subsumtion einschließlich der länderkundlichen Feststellungen im angefochtenen Bescheid vollinhaltlich an und erhebt sie zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses (vergleiche VwGH 25.03.1999, Zl. 98/20/559, VwGH 30.11.2000, Zl. 2000/20/0356). Hinsichtlich der länderkundlichen Feststellungen ist anzumerken, dass das Bundesasylamt diese insbesondere auch auf verschiedene Berichte des auswärtigen Amtes Berlin über die asyl- und abschieberelevante Lage in Indien, Stand März 2000, des Gutachten des Ländersachverständigen für Indien Mag. Brüser vom Dezember 2000, Information des UNHCR vom 23.1.2001 und 21.12.2001 betreffend Refoulmentschutz gründete - zu aktuelleren Berichten haben sich keine entscheidungswesentlichen Änderungen ergeben - die bereits für sich genommen auch im Hinblick des Nichtvorliegens eines asylrelevanten Sachverhaltes eine ausreichende Entscheidungsgrundlage für den vorliegenden Fall bilden. Eine schwere Krankheit oder ein sonstiger Hinweis auf eine besondere Vulnerabilität des Berufungswerbers sind im Asylverfahren nicht hervorgekommen.

 

Dass sich seit der Erlassung des Erstbescheides in Indien allgemein eine entscheidende Lageveränderung ergeben hätte, kann in diesem Fall verneint werden und stellt sich die Lage in Indien seit Jahren im Wesentlichen unverändert dar, wie sich der Asylgerichtshof durch ständige Beachtung der aktuellen Quellenlage, u.a. durch Einschau in die Folgeberichte des Auswärtigen Amtes- im Interesse des Beschwerdeführers- versichert hat.

 

Der Asylgerichtshof geht wie bereits die Behörde erster Instanz davon aus, dass der vom Beschwerdeführer angeführte Fluchtgrund nicht asylrelevant ist, da die Verfolgung von Privatpersonen ausgeht und der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen konnte, dass ihm aus einem Grund der Genfer Flüchtlingskonvention kein staatlicher Schutz gewährt würde. Der Beschwerdeführer gibt wie die erste Instanz bereits ausgeführt hat, selbst an, dass die Polizei den Tatort aufgesucht und einen Bericht verfasst hat. Inwieweit von Seiten der Behörde weitere Maßnahmen gegen die Terroristen getroffen wurden, konnte der Beschwerdeführer mangels Ortsanwesenheit nicht mehr beurteilen. Somit mag die behauptete mangelnde Schutzwillig-, bzw. Schutzfähigkeit der Polizei dahingestellt bleiben, zumal die Polizei mit der Aufnahme des Sachverhaltes offensichtlich erst am Beginn ihrer Ermittlungstätigkeiten gestanden ist und daher von keinem etwaigen Unterlassen weiterer Maßnahmen von Seiten der Behörde ausgegangen werden kann.

 

Ferner wird - wie schon von der Erstbehörde ausgeführt - auf die in den Länderfeststellungen angeführte Möglichkeit verwiesen, sich in anderen Landesteilen Indiens niederzulassen und könnte der Beschwerdeführer somit durch Verlegung seines Aufenthaltsortes in eine andere Region Indiens, beispielsweise nach Delhi oder Mumbai, um der befürchteten Verfolgung durch die Terroristen entgehen. Es ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit - auch angesichts der Größe und der Bevölkerungsdichte - nicht davon auszugehen, dass die im Heimatort agierenden Terroristen ihn tatsächlich überall in Indien suchen würden und finden könnten. Anhaltspunkte für eine Unzumutbarkeit im individuellen Fall, sich in anderen Landesteilen niederzulassen, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

 

Schließlich ist noch festzuhalten, dass der Beschwerdeführer niemals eine drohende Verfolgung durch staatliche Behörden vorgebracht hat.

 

Auch die Ausführungen des Bundesasylamtes zu Spruchpunkt II sind nicht zu beanstanden. Es ist, wie schon von der Erstbehörde dargelegt nicht ersichtlich, warum dem Beschwerdeführer eine Existenzsicherung auch in anderen Landesteilen Indien nicht möglich und zumutbar sein sollte. Eine schwere Krankheit oder ein sonstiger Hinweis auf eine besondere Vulnerabilität des Beschwerdeführers sind im Asylverfahren nicht hervorgekommen.

 

Auf Grund des u.a. zum Bestandteil des Erkenntnisses erhobenen Berichtes des Ländersachverständigen von Indien ergibt sich, dass selbst für unqualifizierte, aber gesunde Menschen es in der Regel möglich sein wird sich immer wieder Gelegenheitsjobs (u.a als Tellerwäscher, Abfallsammler, Lade- oder Lagerarbeiter, Rikschafahrer usw.) zu verschaffen, welche es ermöglichen den Lebensunterhalt zu bestreiten.

 

Überdies wird darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer der Religion der Sikh angehört. Als Angehöriger der Sikh, kann der Beschwerdeführer dem Länderbericht des Landessachverständigen für Indien nach, gegebenenfalls in einem Sikh-Tempel Zuflucht suchen, wo diesem zumindest eine gewisse Zeit eine Schlafgelegenheit und Verpflegung zur Verfügung gestellt würde.

 

Darüber hinaus ist der erstinstanzlichen Behörde zuzustimmen, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestehen, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr Gefahr liefe, in Indien einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden und daher kein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 8 Abs. 1 AsylG vorliegt. Auch besteht in Indien bezogen auf den Gesamtstaat derzeit keine exzeptionelle Situation, wodurch eine Gefährdung im Sinne der Art. 2 und 3 EMRK gegeben wäre. Eine ausnahmsweise andere Situation hat der Beschwerdeführer nicht belegen können. Ebenso wenig sind auf die Person des Beschwerdeführers bezogene "außergewöhnliche Umstände" ersichtlich.

 

4. Die Prüfung einer Ausweisung im Sinne von § 8 Abs. 2 AsylG idF BGBl. I 101/2003 war in verfassungskonformer Auslegung von § 8 Abs. 2 iVm § 44 Abs. 3 AsylG nicht vorzunehmen; dies im Hinblick darauf, dass mit erstinstanzlichem Bescheid - der damaligen Rechtslage entsprechend - keine Ausweisung verfügt wurde und der Asylgerichtshof auf Grund Art. 129c B-VG als Überprüfungsinstanz in Asylsachen eingerichtet ist und solcherart nicht zu einer - im Ergebnis - erstinstanzlichen Entscheidung über die Ausweisung eines Fremden zuständig gemacht werden darf. Verfassungskonform kann § 8 Abs. 2 iVm § 44 Abs. 3 AsylG nur dahingehend ausgelegt werden, dass eine Ausweisung nur dann vom Asylgerichtshof verfügt werden darf, wenn bereits die erstinstanzliche Entscheidung darüber abgesprochen hat.

 

5. Der Sachverhalt ist zusammengefasst, wie dargestellt, aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde, geklärt (entspricht der bisherigen Judikatur zu § 67d AVG) und sind somit schon aus diesem Grund die Voraussetzungen des § 41 Abs 7 AsylG verwirklicht, von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

 

Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
inländische Schutzalternative, innerstaatliche Fluchtalternative, Lebensgrundlage, mangelnde Asylrelevanz, non refoulement, private Verfolgung, Religion, staatlicher Schutz
Zuletzt aktualisiert am
06.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten