TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/14 D14 317312-2/2008

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Veröffentlicht am 14.10.2008
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Spruch

D14 317312-2/2008/3E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Windhager als Einzelrichter über die Beschwerde der S. alias D.R., 00.00.2002 geb., StA.: Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.09.2008, FZ.

 

08 08.323-EAST Ost, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 51/1991 i.V.m. § 75 Abs. 4 AsylG, als unbegründet abgewiesen.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, wird S. alias D.R. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

1. Die nunmehrige minderjährige Beschwerdeführerin reiste mit ihrer Familie illegal unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet ein und brachte am 31.12.2007 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz, Zl. 07 12.381, beim Bundesasylamt ein.

 

Verkürzt wiedergegeben schilderte der Vater der Beschwerdeführerin im ersten Asylverfahren, dass er am 03.11.2007 aus Russland über Weißrussland nach Polen gelangt sei; die Familie sei in ein Lager für Asylsuchende in Polen gebracht worden, von wo die Familie am 30.12.2007 weggefahren sei.

 

Dem Vater der Beschwerdeführerin wurde fristgerecht vorgehalten, dass Dublin-Konsultationen mit Polen geführt werden, mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 23.01.2008 wurde der erste Antrag auf internationalen Schutz gem. § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass für die Prüfung des gegenständlichen Antrages Polen zuständig ist. Sogleich wurde der Beschwerdeführer gem. § 10 Abs. 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen. Die nunmehrige Beschwerdeführerin brachte auch gegen diesen Bescheid des Bundesasylamtes vom 23.01.2008 Berufung ein, mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenats vom 15.02.2008, Zl. 317.312-1/3E-VI/18/08, wurde die Berufung vollinhaltlich abgewiesen. Die Behandlung der gegen diesen letztinstanzlichen Bescheid eingebrachten Beschwerde wurde durch den Verwaltungsgerichtshof zu Zl. 2008/19/0411 bis 0412-3 abgelehnt.

 

Am 09.09.2008 brachte die Fremde einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz ein, diesen begründete ihr Vater ausschließlich damit, dass man ihm bei der Caritas gesagt habe, dass das erste Asylverfahren abgeschlossen sei, deshalb beantrage er ein zweites Asylverfahren. Er wolle nicht nach Polen, denn dort habe man ihm zwei Monate lang kein Asyl gegeben. In Polen habe es auch Asylanten gegeben, darunter auch Leute von Kadyrow, deshalb habe er nicht in Polen bleiben wollen. Bereits am 12.08.2008 hatte der rechtsfreundliche Vertreter Dr. BINDER, welcher bereits die - seltsamerweise in französischer Sprache gehaltene - Berufung an den Unabhängigen Bundesasylsenat verfasst hatte und welcher auch die beim Verwaltungsgerichtshof abgelehnte Beschwerde verfasst hatte, in einem Schreiben an das Bundesasylamt mitgeteilt, dass aus seiner Sicht Polen mit Erklärung vom 07.01.2008 sich für zuständig erklärt habe, jedoch nach Ablauf von sechs Monaten im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 der DublinII-Verordnung die Zuständigkeit auf Österreich übergegangen sei. Er ersuche daher, das Asylverfahren fortzusetzen.

 

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.09.2008 wurde der neuerliche Antrag auf internationalen Schutz vom 09.09.2008 gem. § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und die Beschwerdeführerin gem. § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen.

 

Gegen diesen Bescheid hat die Fremde fristgerecht Beschwerde an den Asylgerichtshof erhoben und dabei - sinngemäß - dargelegt, dass mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 23.01.2008 die Zurückweisung des Antrages ausgesprochen und die Ausweisung nach Polen verfügt worden sei, nach Verstreichen der 6-Monate-Frist sei die Fortsetzung des Asylverfahrens beantragt worden. Zum Argument des Bundesasylamtes, dass die 6-Monate-Frist durch ein angeblich am 13.03.2008 an Polen übermitteltes Schreiben gem. Art. 19

 

Abs. 4 auf 18 Monate verlängert worden sei, dies deshalb, weil die Beschwerdeführerin "flüchtig" gewesen sei, sei festzuhalten, dass diese Feststellung völlig unrichtig sei. Die Beschwerdeführerin sei niemals flüchtig gewesen, sie sei nur wenige Tage nicht gemeldet gewesen. Die Beschwerdeführerin sei erst am 14.03.2008 bei einem Caritas-Heim angemeldet worden, sie sei aber bereits am Tag zuvor wohnhaft gewesen, wäre somit auch erreichbar gewesen. Die Beschwerdeführerin sei somit nicht flüchtig gewesen und sei der Umstand, dass sie kurzfristig über keine Wohnungsmeldung verfügt habe, nicht ihr zurechenbar, da sie nicht gewusst habe, dass sie in Traiskirchen abgemeldet worden sei. Es liege somit keine entschiedene Rechtssache vor, es sei weiterhin eine Prüfung des Asylantrages vom 27.12.2007 vorzunehmen.

 

Hiezu wurde wie folgt erwogen:

 

Gemäß § 28 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG), Art. 1 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetzes, BGBl. I 4/2008, tritt dieses Bundesgesetz mit 01.07.2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, BGBl. I 77/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I 100/2005, außer Kraft.

 

Gemäß § 22 Abs. 1 des Art. 2 des Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetzes, BGBl. I 100/2005 i.d.F. BGBl. I 4/2008 (AsylG 2005 i.d.F. der AsylG-Nov. 2008), ergehen Entscheidungen des Asylgerichtshofes in der Sache selbst in Form eines Erkenntnisses, alle anderen in Form eines Beschlusses. Die Entscheidungen des Bundesasylamtes und des Asylgerichtshofes haben den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung auch in einer dem Asylwerber verständlichen Sprache zu enthalten.

 

Gemäß § 61 Abs. 1 AsylG 2005 i.d.F. der AsylG-Nov. 2008 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 AsylG 2005 i.d.F. der AsylG-Nov. 2008 entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

zurückweisende Bescheide

 

wegen Drittstaatssicherheit gem. § 4;

 

wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gem. § 5;

 

wegen entschiedener Sache gem. § 68 Abs. 1 AVG und

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. 1/1930 dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Im gegenständlichen Fall handelt es sich um ein Beschwerdeverfahren, das gem. § 61 Abs. 3 lit. c AsylG 2005 i.d.F. der AsylG-Nov. 2008 von dem nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter zu entscheiden ist.

 

1.2. Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl I 100/2005 (AsylG 2005), tritt dieses Bundesgesetz mit 01.01.2006 in Kraft. Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997), BGBl. I 76/1997 tritt mit Ausnahme des § 42 Abs. 1 mit Ablauf des 31.12.2005 außer Kraft (§ 73 Abs. 2 AsylG 2005). Gemäß § 75 AsylG 2005 i.d.F. der AsylG-Nov. 2008 sind alle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des AsylG 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt. Die §§ 24, 26, 54 bis 57 und 60 dieses Bundesgesetzes sind auf diese Verfahren anzuwenden. § 27 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Bundesasylamt oder der Asylgerichtshof zur Erlassung einer Ausweisung zuständig ist und der Sachverhalt, der zur Einleitung des Ausweisungsverfahrens führen würde, nach dem 31.12.2005 verwirklicht wurde. § 57 Abs. 5 und 6 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur Sachverhalte, die nach dem 31.12.2005 verwirklicht wurden, zur Anwendung dieser Bestimmungen führen.

 

Im gegenständlichen Fall wurde der (zweite) Antrag auf internationalen Schutz am 09.09.2008 gestellt, weshalb das AsylG 2005 i.V.m. dem AsylG 2005 i.d.F. der AsylG-Nov. 2008 zur Anwendung gelangt.

 

1.3. Gemäß § 66 Abs. 4 AVG, BGBl. I 51/1991, hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, im Spruch und in der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Gemäß § 75 Abs. 4 AsylG 2005 begründen ab- oder zurückweisende Bescheide aufgrund des Asylgesetzes, BGBl. 126/1968, des AsylG 1991, BGBl. 8/1992, sowie des AsylG 1997 in derselben Sache in Verfahren nach diesem Bundesgesetz den Zurückweisungstatbestand der entschiedenen Sache (§ 68 AVG).

 

2. Gemäß § 68 Abs. 1 AVG, BGBl. I 51/1991, sind Anbringen von Beteiligten, die außer in den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 und 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

 

Ansuchen, die offenbar die Aufrollung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezwecken, sind auch dann, wenn das Begehren nicht ausdrücklich dahin lautet, wegen "res iudicata" zruückzuweisen. Die Wesentlichkeit einer Sachverhaltsänderung als Kriterium der "res iudicata" ist nicht nach der objektiven Rechtlage, sondern nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen, rechtskräftigen Entscheidung erfahren hat (VwGH v. 22.05.2001, Zl. 2001/05/0075).

 

Nach der Rechtsprechung liegen verschiedene "Sachen" i.S.d. § 68 Abs. 1 AVG vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteienbegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern. Es kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen nach § 28 AsylG 1997 - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Asylwerbers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gem. § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (VwGH v. 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315).

 

Das im erstinstanzlichen Verfahren über den zweiten Asylantrag erstattete Vorbringen zu Tatsachen, die erst nach dem rechtskräftigen Abschluss des Vorverfahrens eingetreten sind, ist in Bezug auf die Frage des Vorliegens einer Sachverhaltsänderung an dem im Vorbescheid angenommenen Sachverhalt (und nicht unbedingt am damaligen Vorbringen) zu messen. Es kann aber nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen gem. § 28 AsylG - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtliche Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein (vgl. VwGH v. 20.03.2003, Zl. 99/20/0480; VwGH v. 25.10.2000, Zl. 99/06/0169; VwGH v. 22.05.2001, Zl. 2001/05/0075).

 

3.1. Für den Asylgerichtshof ist Sache des vorliegenden Verfahrens die Frage, ob das Bundesasylamt mit Recht den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz gem. § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat. Der Asylgerichtshof hat daher zu prüfen, ob sich im vorliegenden Fall der maßgebliche Sachverhalt, der zu einer Verneinung der Zuständigkeit Österreichs und zur Feststellung der Zuständigkeit Polens geführt hat, nach dem rechtskräftigen Abschluss des ersten Asylverfahrens geändert hat.

 

In seinem Erkenntnis vom 07.05.2008, Zl. 2007/19/0466, vertritt der Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf die Frage der "entschiedenen Sache" im Zusammenhang mit Zurückweisungsentscheidungen nach § 5 AsylG 2005, BGBl. I 100/2005, aufgrund der Zuständigkeit eines anderen Staates gem. Dublin II VO folgende Rechtsauffassung:

 

"Der Gesetzgeber hat in § 75 Abs. 4 AsylG 2005 klar gestellt, dass auch zurückweisenden Bescheiden nach dem AsylG 1997 (wozuauch Bescheide nach § 5 AsylG gehören) Sperrwirkung zukommt und Folgeanträge in derselben Sache wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen sind. Er hat überdies in § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 vorgesehen, dass zurückweisende Bescheide (somit auch solche nach § 68 Abs. 1 AVG) mit einer Ausweisung zu verbinden sind. Die im obgenannten (Anmerkung: Zlen. 2004/20/0010 bis 0013) hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2005 angestellten Überlegungen lassen sich daher auf Fälle im Anwendungsbereich dieser geänderten Rechtslage nicht übertragen. Unter der Voraussetzung, dass in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten Umständen, die zu einer Verneinung der Zuständigkeit Österreichs und zur Feststellung der Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union geführt haben, keine Änderung eingetreten ist, ist daher ein im Bundesgebiet neuerlich gestellter Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen."

 

3.1.1. Der Vater der Beschwerdeführerin, der seit seiner Einreise Ende Dezember 2007 nicht mehr aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgereist ist, brachte im zweiten Antrag auf internationalen Schutz nur vor, dass er aus denselben Gründen wie im ersten Verfahren nicht nach Polen wolle, dort habe er über zwei Monate kein Asyl bekommen, dort seien auch Leute von Kadyrow (AS 67).

 

Was die Beschwerdeausführungen des rechtsfreundlichen Vertreters betrifft, ist einerseits festzuhalten, dass dieser erkennbar davon ausgeht, dass bislang nur ein Bescheid des Bundesasylamtes vom 23.01.2008 ergangen sei, aus unerklärlichen Gründen verschweigt der rechtsfreundliche Vertreter die rechtskräftige Abweisung einer Berufung durch die genannte Entscheidung des Unabhängigen Bundesasylsenates sowie die damit einhergehende Ablehnung einer eingebrachten Beschwerde durch den Verwaltungsgerichtshof.

 

Weiters ist festzuhalten, dass im Gegensatz zu den Beschwerdeausführungen der Vater der Fremden selbst im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 22.09.2008 angibt, dass er tatsächlich nach Entscheidung des Unabhängigen Bundesasylsenates zwar bis 05.03.2008 im Lager Traiskirchen aufhältig gewesen sei, er will dann aber "an verschiedenen Orten gelebt haben", erst ab 14.03.2008 sei er bei der Caritas gemeldet gewesen (AS 65). Gleiches schildert die Mutter der Beschwerdeführerin in ihrer Befragung.

 

Dem Vater der Beschwerdeführerin wurde vorgehalten, dass sich aus der Aktenlage ergebe, dass zwischenzeitlich sein Aufenthaltsort nicht bekannt gewesen sei. Hiezu gab dieser wörtlich an (erneut AS 65): "Ich erhielt hier einen negativen Bescheid. Die Abschiebung nach Polen wollte ich nicht. Die Caritas konnte mich nicht sofort unterbringen. Und während der Zeit lebte ich an verschiedenen Orten."

 

Vor diesem Hintergrund ergibt sich somit, dass die Beschwerdeführerin über einen längeren Zeitraum als in der Beschwerde angeführt "an verschiedenen Orten" gelebt hat, nach eigenen Angaben auch deshalb, um die Abschiebung nach Polen zu vermeiden.

 

Damit erweist sich aber, dass die Beschwerdeführerin (bzw. der gesetzliche Vertreter) nach eigenen Angaben der Meldepflicht i.S.d.

§ 15 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 nicht nachgekommen ist, aufgrund des Gesamtzusammenhanges nach Zustellung der UBAS-Entscheidung zudem anzunehmen war, dass die Beschwerdeführer tatsächlich die Abschiebung nach Polen verhindern wollen, sodass in Summe die vom Bundesasylamt beantragte Fristverlängerung an die polnischen Dublin-Behörden i.S.d. Art. 19 Abs. 4 der DublinII-Verordnung, übermittelt am 13.03.2008, im Hinblick auf den ungeklärten Aufenthaltsort der Beschwerdeführerin zurecht erfolgte. Aus dem Akteninhalt gibt es keinerlei Hinweis darauf, dass die polnischen Asylbehörden dieser Mitteilung i.S.d. Art. 19 Abs. 4 der DublinII-Verordnung widersprochen hätten, aufgrund des dargestellten Sachverhaltes gibt es auch keinen Grund davon auszugehen, dass das Bundesasylamt in Hinblick auf den ungeklärten Aufenthaltsort der Beschwerdeführerin diese Mitteilung am 13.03.2008 geradezu mutwillig getätigt hätte, zumal unter "flüchtig" "alle Sachverhalte zu subsumieren sind, in denen der Asylwerber aus von diesem zu vertretenden Gründen für die Behörden des die Überstellung durchführen wollenden Staates nicht auffindbar ist" (vgl. hiezu Filzwieser/Liebminger, DublinII-Verordnung, Rz 32 zu Art. 19).

 

Da somit eine rechtskonforme Fristverlängerung, datierend mit 13.03.2008, vorliegt, die polnischen Asylbehörden dieser Fristverlängerung auch nicht widersprochen haben, ergibt sich, dass die Rücküberstellung der Beschwerdeführerin und ihrer Familie auch zum heutigen Zeitpunkt i.S.d. Dubliner Übereinkommens noch zulässig ist, womit der Einwand des Fristablaufes nicht zutrifft.

 

Weiters bleibt zu prüfen, ob sich die persönliche Situation der Beschwerdeführerin oder die Verhältnisse im Zielstaat seit rechtskräftigem Abschluss des ersten Asylverfahrens relevant geändert haben, weshalb - anders als im Erstverfahren - zum Zeitpunkt der Stellung des zweiten Antrages auf internationalen Schutz die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes nach

 

Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO geboten gewesen wäre.

 

Eine extensive Anwendung des Selbsteintrittsrechts (Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO) würde das Zuständigkeitssystem der Dublin II VO unterhöhlen und wäre daher kraft Verletzung des "effet utile-Prinzips" als gemeinschaftsrechtswidrig anzusehen. Andererseits kann es aber Fälle geben, in denen die Durchsetzung einer Zuständigkeit, die nach Dublin II VO feststeht, eine Verletzung der EMRK bedeuten würde, etwa aus besonderen humanitären Gründen (Kehrseite zu Art. 15 Dublin II VO). Wie bereits im Erstverfahren von der Behörde zutreffend ausgeführt wurde, war Art. 15 Dublin II VO nicht anzuwenden. Art. 15 Dublin II VO findet nur auf Ersuchen eines anderen Mitgliedstaates Anwendung. In dieser Bestimmung ist jener Fall angesprochen, in dem sich der Asylwerber in dem für die Prüfung des Asylantrages nach Art. 6-14 zuständigen Staat befindet, humanitäre Erwägungen aber die Führung des Asylverfahrens in einem anderen Staat vorteilhaft erscheinen lassen und daher der Aufenthaltsstaat ein entsprechendes Übernahmeersuchen - im Einvernehmen mit dem Betreffenden - an diesen Staat stellt. Artikel. 3 Abs. 2 Dublin II VO regelt hingegen eine Situation, in welcher sich der Asylwerber in einem für die Prüfung des Asylantrages eingentlich unzuständigen Staates befindet, dieser Staat aber das Asylverfahren selbst durchführen will und daher von der Einleitung eines Konsultationsverfahrens nach den zwingenden Bestimmungen der Art. 6-14 absieht (vgl. Filzwieser/Liebminger, Dublin II-Verordnung, K4 zu Art. 15, S 109 f).

 

Bei der Prüfung, ob Österreich von der Ausübung des Selbsteintrittsrechts Gebrauch zu machen hat, erscheint es jedenfalls - mangels konkreter Regelung in Art. 3 Abs. 2 - zweckmäßig, die humanitäre Klausel in Art. 15 analog anzuwenden.

 

Da seit Abschluss des ersten Verfahrens nur wenig Zeit bis zur neuerlichen Antragstellung vergangen ist, kann eine maßgebliche Veränderung des Sachverhaltes nicht erblickt werden, solches wurde von der Beschwerdeführerin auch nicht behauptet. Die behauptete Schwangerschaft der Mutter wurde in deren Verfahren geprüft und im Hinblick auf Art. 3 EMRK als nicht relevant beurteilt.

 

Im Ergebnis ist der Behörde somit nicht entgegenzutreten, wenn sie davon ausgeht, dass sich weder die relevante Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt, der zur einer Verneinung der Zuständigkeit Österreichs und zur Feststellung der Zuständigkeit Polens geführt hat, maßgebend verändert hat und der neuerlich gestellte Antrag auf internationalen Schutz wegen entschieder Sache zurückzuweisen war.

 

4.1 Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn

 

1. der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird;

 

2. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird;

 

3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

 

4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn

 

1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder

 

2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.

 

Wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist (§ 10 Abs. 3 AsylG 2005).

 

Eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gem. Abs. 1 Z 1 verbunden ist, gilt stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen (§ 10 Abs. 4 AsylG).

 

4.2 Der Asylgerichtshof geht in Übereinstimmung mit den österreichischen Höchstgerichten und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte davon aus, dass bei einer Ausweisung Art. 3 und 8 EMRK beachtlich sind (vgl. jüngst EGMR 27.05.2008, Case of N. v. The United Kingdom, Appl. 26565/05; VfGH v. 06.03.2008, Zl. B 2400/07-9, und die darin wiedergegebene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte; VfGH v. 29.09.2007, Zl. B 328/07 und B 1150/07; VfSlg. 13.837/1994, 14.119/1995 und 14.998/1997).

 

Der Beschwerdeführer reiste über Polen in die Europäische Union ein und Polen erklärte sich für zuständig, den Beschwerdeführer wieder aufzunehmen.

 

Die Möglichkeit einer Verletzung von Art. 3 und 8 EMRK wurde bereits im rechtskräftig entschiedenen Vorverfahren in Hinblick auf das in Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO vorgesehene Selbsteintrittsrecht geprüft und verneint.

 

Seit rechtskräftigem Abschluss des ersten Asylverfahrens haben keine relevanten Ereignisse stattgefunden, die eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung der Beschwerdeführerin in Polen hätten befürchten lassen.

 

Es war somit die Beschwerde spruchgemäß abzuweisen und war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, Familienverfahren, Prozesshindernis der entschiedenen Sache
Zuletzt aktualisiert am
28.01.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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