TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/14 E8 308029-1/2008

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Veröffentlicht am 14.10.2008
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Spruch

E8 308.029-1/2008-6E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. DIEHSBACHER als Vorsitzenden und den Richter Dr. BRACHER als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Frau Schwarz über die Beschwerde des T.S., geb. 00.00.1982, StA. Türkei, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.11.2006, FZ. 06 03.538 BAG, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs 1, 8 Abs 1 Z 1 und 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

 

1. Der BF, ein Staatsangehöriger der Türkei, Angehöriger der kurdischen Volksgruppe und moslemischen Glaubens, gelangte am 19.01.2006 unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet, wo er am 29.03.2006 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

 

2. Am 29.03.2006 wurde der BF vor der Polizeiinspektion Traiskirchen EAST Ost (AS 33 ff) und in weiterer Folge am 03.04.2006 (AS 47 ff) und am 17.11.2006 (AS 83 ff) vor dem Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen. Dabei brachte der BF vor, aufgrund seiner Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe unter Beobachtung seitens der türkischen Behörden gestanden zu sein. So habe er häufig Ausweiskontrollen dulden müssen und sei im Jahr 2004 drei Mal im Zuge einer solchen Kontrolle auch von der Gendarmerie mitgenommen worden, und zwar das eine Mal bei einem Newroz-Fest und die beiden anderen Male in einem Kaffeehaus. Diese Anhaltungen hätten maximal zwei Stunden gedauert und habe er danach - ohne verhört worden zu sein - den Polizeiposten wieder verlassen können.

 

4. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.11.2006, Zahl: 06 03.538-BAG, wies das Bundesasylamt den Antrag des BF auf internationalen Schutz in Spruchteil I unter Berufung auf § 3 Abs 1 AsylG ab; in Spruchteil II wurde dem BF gem. § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei nicht zuerkannt. Gleichzeitig wurde der BF in Spruchteil III des Bescheides gem. § 10 Abs 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischem Bundesgebiet in die Türkei ausgewiesen (AS 89 ff). Begründend führte das Bundesasylamt aus, dass die vom BF geschilderten Vorfälle - sollten sie der Wahrheit entsprechen - mangels Intensität keine asylrelevante Verfolgung darstellen würden. Zudem habe der BF nicht glaubhaft darlegen können, dass "Auffälligkeiten" in seiner Person vorlägen, welche das Interesse der Sicherheitsbehörden an ihm rechtfertigen könnten. Allein in seiner Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe könne kein asylrelevanter Umstand gesehen werden, zumal sich derartiges aus den Länderfeststellungen des Bundesasylamtes nicht ergebe. Im Rahmen der Refoulementprüfung führte die Erstbehörde begründend aus, dass das Fluchtvorbringen des BF keine asylrelevante Verfolgung begründen könne, weshalb auch keine Gefährdung iSd Art. 3 EMRK bestehe. Der BF habe auch sonst kein konkretes Merkmal, aufgrund dessen eine Verletzung der ihm aus Art. 3 EMRK zustehenden Rechte zu erwarten wäre, glaubhaft darlegen können, weshalb auch von Amts wegen keine Gefährdung iSd Art. 3 EMRK erkannt werden könne. (AS 115). Die Zulässigkeit der Ausweisung des BF aus dem österreichischen Bundesgebiet in dessen Herkunftsstaat begründete die Erstbehörde insbesondere damit, dass der BF zu dem in Österreich lebenden Onkel kein besonderes Abhängigkeitsverhältnis habe und zu diesem auch nur sporadischen Kontakt pflege, weshalb kein von Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben vorliege (AS 117).

 

5. Gegen diesen dem BF am 22.11.2006 persönlich ausgefolgten Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 06.12.2006 (AS 123 ff) fristgerecht Beschwerde erhoben. Darin wird ausgeführt, dass die belangte Behörde der Ermittlungspflicht iSd § 28 AsylG nicht nachgekommen sei und bei "wesentlichen" Antworten des BF genauer nachfragen hätte müssen. Hätte das Bundesasylamt die Verfahrensvorschriften befolgt, hätte es zu dem Ergebnis kommen müssen, dass beim BF die Flüchtlingseigenschaft vorliege. Zudem wird vorgebracht, dass hinsichtlich der familiären Bindungen in Österreich (ein Onkel des BF lebt in Österreich) weitere Ermittlungsschritte durchgeführt hätten werden müssen, da die Ausweisung einen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Familie darstelle.

 

II. DER ASYLGERICHTSHOF HAT ERWOGEN:

 

1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt des BF.

 

2. Rechtlich ergibt sich folgendes:

 

2.1. Gemäß Art. 151 Abs. 39 Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, treten mit 1. Juli 2008 die Art. 10 Abs. 1 Z 1, 3, 6 und 14, Art. 78d Abs. 2, Art. 102 Abs. 2, Art. 129, Abschnitt B des (neuen) siebenten Hauptstückes, Art. 132a, Art. 135 Abs. 2 und 3, Art. 138 Abs. 1, Art. 140 Abs. 1 erster Satz und Art. 144a in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. I Nr. 2/2008 in Kraft.

Für den Übergang zur neuen Rechtslage gilt:

 

Gemäß Z 1 leg. cit. wird mit 1. Juli 2008 der bisherige unabhängige Bundesasylsenat zum Asylgerichtshof.

 

Gemäß Z 4 leg. cit. sind die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängigen Verfahren vom Asylgerichtshof weiterzuführen. Beim Verwaltungsgerichtshof oder beim Verfassungsgerichtshof anhängige Verfahren über Beschwerden gegen Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates sind von diesen mit der Maßgabe weiterzuführen, dass als belangte Behörde der Asylgerichtshof gilt.

 

2.2. Nichtgewährung von Asyl gemäß § 3 Asylgesetz

 

2.2.1. Gemäß § 3 Absatz 1 Asylgesetz ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Das Vorbringen des Asylsuchenden muss geeignet sein, eine asylrelevante Verfolgung im rechtlichen Sinne glaubhaft darzulegen. Hiezu muss zunächst eine konkrete, gegen den Asylwerber selbst gerichtete Verfolgungshandlung glaubhaft gemacht werden, aus der eine wohlbegründete Furcht im Sinne von § 3 Absatz 1 Asylgesetz iVm

Artikel 1 Abschnitt A Z 2 GFK rechtlich ableitbar ist. Hiezu genügt der bloße Hinweis auf die allgemeine Lage in dem Heimatland des Asylwerbers nicht (vgl hiezu zB VwGH 10.03.1994, Zahl 94/19/0056). Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl hiezu zB VwGH 12.05.1999, Zahl 98/01/0649). Eine Verfolgungshandlung setzt einen Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen voraus, der geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (vgl hiezu zB VwGH 25.04.1999, Zahl 99/01/0280).

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99720/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.6.1994, 94/19/0183; 18.2.1999, 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 9.3.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).

 

2.2.2. Nach Ansicht des Asylgerichtshofes hat das Bundesasylamt ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Die Erstbehörde hat sich sowohl mit dem individuellen Vorbringen auseinandergesetzt, als auch ausführliche Sachverhaltsfeststellungen zur allgemeinen Situation in der Türkei auf Grundlage umfangreichen und aktuellen Berichtsmaterials getroffen und in zutreffenden Zusammenhang mit der Situation des BF gebracht. Die Beschwerdebehörde schließt sich den Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid an und erhebt sie zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses (zB. VwGH

v. 25.03.1999, 98/20/0559; 30.11.2000, 2000/20/0356).

 

Dem Bundesasylamt ist zuzustimmen, wenn es ausführt, dass der BF mit seinen kurzfristigen Anhaltungen - bei denen es keine besonderen Ereignisse gab - mangels Intensität dieser Eingriffe nicht hinreichend dargetan hat, dass er einer Verfolgung ausgesetzt gewesen wäre, die aus objektiver Sicht den Verbleib in seinem Heimatland für ihn unerträglich gemacht hätte. Der BF selbst führte aus, dass die vorgebrachten Anhaltungen maximal zwei Stunden dauerten und er weder einvernommen noch auf sonstige Weise von den Beamten beachtet worden sei und nach zwei Stunden einfach wieder gehen habe können (AS 85). Diese Anhaltungen stellen daher keine Maßnahmen dar, die als Verfolgungshandlungen im Sinne der GFK gewertet werden könnten (vgl. VwGH 04.11.1992, Zahl: 92/01/0819;

VwGH 10.03.1994, Zahl: 94/19/0257; VwGH 16.03.1994, Zahl:

93/01/0715) und führte das Bundesasylamt daher richtigerweise aus, dass dem BF auch unter Zugrundelegung dieses Vorbringens der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt werden könne (AS .107).

 

Weiters hebt die Behörde erster Instanz zutreffend hervor, dass den in das gegenständliche Verfahren eingeführten Quellen nicht entnommen werden kann, dass Angehörige der kurdischen Volksgruppe schon allein aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit zum gegenwärtigen Zeitpunkt asylrelevante Verfolgung befürchten müssen und hat der BF auch sonst keine weiteren persönliche Gründe für eine individuelle asylrelevante Verfolgung vorgebracht.

 

Zusammenfassend ist daher anzumerken, dass der Asylgerichtshof keine Einwände gegen die Feststellung des Bundesasylamtes hat, wonach das Vorbringen des BF mangels Intensität nicht als asylrelevant anzusehen ist, zumal als Fluchtgründe unter dem Gesichtspunkt der Schwere des Eingriffes nur solche Maßnahmen in Betracht kommen, die einen weiteren Verbleib im Heimatland aus objektiver Sicht unerträglich erscheinen lassen.

 

Folglich war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des bekämpften Bescheids abzuweisen.

 

2.3. Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Absatz 1 Ziffer 1 Asylgesetz in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei

 

2.3.1. Wenn ein Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen ist, hat die Behörde gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob dem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigen zukommt. Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist mit der abweisenden Entscheidung zu verbinden.

 

Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden, dessen Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen wurde, dann zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Zur Auslegung des § 8 AsylG ist aus Sicht der Beschwerdesbehörde weiterhin die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 37 Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, und § 57 Fremdengesetz, BGBl I Nr. 126/2002, heranzuziehen. Danach erfordert die Feststellung nach dieser Bestimmung das Vorliegen einer konkreten, den BF betreffenden, aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbaren Gefährdung bzw. Bedrohung. Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher ohne Hinzutreten besonderer Umstände, welche ihnen noch einen aktuellen Stellenwert geben, nicht geeignet, die begehrte Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen (vgl. VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011; 14.10.1998, 98/01/0122). Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, 98/01/0122; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (z.B. VwGH 26.06.1997, 95/21/0294; 25.01.2001, 2000/20/0438; 30.05.2001, 97/21/0560). Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 MRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwGH 08.06.2000, 99/20/0203). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, 98/21/0427; 20.06.2002, 2002/18/0028). Im Übrigen ist auch im Rahmen des § 8 AsylG zu beachten, dass mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen Gefährdung bzw. Bedrohung im Sinne des § 57 Abs. 1 oder 2 FrG glaubhaft zu machen ist (vgl. VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011).

 

2.3.2. Der Asylgerichtshof schließt sich auch den diesbezüglichen Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid bezüglich der Refoulement-Entscheidung vollinhaltlich an und erhebt diese zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses. Ergänzend sei ausgeführt, dass es sich beim BF um einen arbeitsfähigen, jungen Mann handelt, der in der Türkei über familiäre Anknüpfungspunkte verfügt, zumal seine Eltern und zwei Brüder nach wie vor in der Türkei aufhältig sind und der BF - wie schon vor seiner Ausreise - wieder bei seinen Eltern leben könnte. Zudem betrieben der BF und zwei seiner Brüder gemeinsam mit ihren Eltern eine Viehzucht, von deren Ertrag ihre Existenz ausreichend abgesichert war (AS 85) und gibt es keine Hinweise darauf, dass der BF bei einer Rückkehr in seine Heimat nicht wieder im elterlichen Viehzuchtbetrieb mitarbeiten könnte.

 

Folglich ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des Bescheides des Bundesasylamtes abzuweisen.

 

2.4. Zulässigkeit der Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 2 Asylgesetz:

 

2.4.1. Ist ein Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen und wurde festgestellt, dass dem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigen nicht zukommt, hat die Behörde diesen Bescheid mit der Ausweisung zu verbinden (§ 10 Abs. 1 AsylG). Der Gesetzgeber beabsichtigt durch die zwingend vorgesehene Ausweisung von Asylwerbern, eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung im Inland von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern (VfGH vom 17.03.2005, Zl. G 78/04 u.a.). Bei einer Ausweisungsentscheidung nach § 10 Abs. 1 AsylG ist auf Art. 8 EMRK Bedacht zu nehmen (VfGH vom 15.10.2004, Zl. G 237/03, VfGH vom 17.03.2005, Zl. G 78/04 u.a.). Nach § 10 Abs 2 Z 2 AsylG ist eine Ausweisung unzulässig, wenn sie eine Verletzung von Art 8 EMRK darstellen würde. Gemäß Artikel 8 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung uns seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

2.4.2. Die Behörde erster Instanz prüfte die Ausweisung des BF aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei unter dem Gesichtspunkt eines Eingriffes in das Recht auf Familienleben gemäß Artikel 8 Absatz 1 EMRK und kam zu dem rechtsrichtigen Ergebnis, dass im Falle des BF kein diesbezüglicher Grundrechtseingriff vorliege. Der BF gab zwar an, dass ein Onkel in Österreich aufhältig sei, ein außergewöhnliches Beziehungsverhältnis zu diesem kann jedoch nicht festgestellt werden: So geht zunächst aus einer Anfrage beim Zentralen Melderegister am 30.09.2008 hervor, dass der BF in G. wohnhaft ist. Sein Onkel, C.A., geb. 00.00.1949, ist zwar auch in G. gemeldet, bewohnt jedoch die Hausnummer ..., weshalb jedenfalls kein gemeinsamer Haushalt besteht. Zudem führte der BF selbst aus, dass er zu seinem Onkel nur sporadisch Kontakt pflege (AS 85), weshalb nicht davon ausgegangen werden kann, dass die von Art. 8 EMRK geforderte Beziehungsintensität vorliegt (vgl. diesbezüglich die Aussagen des BF in seiner letzten Einvernahme vor dem Bundesasylamt [AS 85]: "F: Warum sind Sie gerade nach Österreich geflüchtet? A:

Für mich war nicht wichtig wohin, ich wollte nur nach Europa. Die Schlepper brachten mich eben nach Österreich. Ich habe hier zwar einen Onkel, mit dem ich aber nur sporadisch Kontakt habe.")

 

Festzuhalten ist auch, dass der Onkel des BF laut Auskunft des Zentralen Melderegisters zumindest seit 03.12.2001 in Österreich gemeldet ist sowie über einen Niederlassungsnachweis verfügt und daher zum BF, der erst im Jahr 2006 nach Österreich gekommen ist, über mehrere Jahre hinweg kein persönlicher Kontakt stattgefunden haben kann. Vor dem Hintergrund der geschilderten Umstände fällt die Tatsache, dass der BF laut eigenen Angaben in seiner ersten Einvernahme vor dem Bundesasylamt von seinem Onkel unterstützt wird (AS 51), nach Ansicht des Asylgerichtshofes nicht dermaßen ins Gewicht, dass dadurch vom Bestehen eines Familienlebens iSd Art 8 EMRK auszugehen wäre, wobei anzumerken ist, dass der BF Anspruch auf Grundversorgung hat.

 

Im Übrigen wird in der Beschwerde zwar angeführt, dass ein dem Art. 8 EMRK entsprechendes Familienleben vorliege, warum bzw. aus welchen Gründen dieses vorliegen würde, wird jedoch nicht konkret ausgeführt und der Beweiswürdigung bzw. der rechtlichen Beurteilung der Erstbehörde nicht substantiiert entgegengetreten. Der Hinweis auf einen - vermeintlichen - Widerspruch im Vorbringen des BF, nämlich dass der BF bei seiner Ersteinvernahme angegeben hat, von seinem Onkel unterstützt zu werden, während er bei seiner letzten Einvernahme angab, nur sporadisch Kontakt zu seinem Onkel zu haben, reicht nicht aus.

 

2.4.3. Ist im gegenständlichen Fall ein Eingriff in das Familienleben des BF zu verneinen, so bleibt noch zu prüfen, ob mit der Ausweisung des BF ein Eingriff in sein Privatleben einhergeht und falls dies zutrifft, ob dieser Eingriff eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist (Art 8 Absatz 2 EMRK).

 

Nach der Rechtssprechung des EGMR (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Ausländern kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat, unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (zB. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u. a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).

 

2.4.4. Im Fall des am 19.01.2006 illegal nach Österreich eingereisten BF hat das bisherige Verfahren keine Anhaltspunkte für die Annahme besonderer sozialer oder wirtschaftlicher Beziehungen des BF in Österreich ergeben bzw. wurden solche von diesem auch nicht behauptet. Aber auch eine anderweitige Aufenthaltsverfestigung, die die Annahme einer Prävalenz der ho. Bindungen gegenüber jenen zum Herkunftsstaat rechtfertigen würden, wird durch den rund zweieinhalbjährigen Aufenthalt hier in Österreich kontraindiziert. Ein Eingriff in das Privatleben des BF kann daher im Falle einer Ausweisung in die Türkei nicht festgestellt werden, weshalb es einer Interessenabwägung im Sinne des Artikel 8 Absatz 2 EMRK nicht bedarf.

 

Folglich ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des Bescheides des Bundesasylamtes abzuweisen.

 

3. 1. Auf das Verfahren nach dem Asylgesetz findet gemäß § 23 AsylGHG das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) unter dem Vorbehalt anderer Regelungsinhalte des

 

B-VG, des AsylG 2005 und des VwGG Anwendung. Derartige ausdrückliche andere Regelungen für das Verfahren vor dem Asylgerichtshof sind in den in der Erläuterung laut AB 371 XXIII.GP genannten §§ 20, 22 und 41 AsylG 2005 enthalten, aber auch in den §§ 42, 61 und 62 AsylG 2005. Gemäß § 41 Abs 7 AsylG 2005 kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt 67 d AVG, wonach eine mündliche Verhandlung dann unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Dies ist dann der Fall, wenn er nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens und nach schlüssiger Beweiswürdigung der Behörde erster Instanz festgestellt wurde und in der Beschwerde kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz entgegenstehender oder darüber hinausgehender Sachverhalt - erstmalig und mangels Bestehens eines Neuerungsverbotes zulässigerweise - neu und in konkreter Weise behauptet wird (vgl. dazu etwa VwGH 11. 11.1998, Zahl 98/01/0308, sowie VwGH 14.12.2000, Zahl 98/20/0556). Wird hingegen im Beschwerdeverfahren ein konkreter, neuer Sachverhalt zulässigerweise behauptet, so ist es dem unabhängigen Bundesasylsenat verwehrt, durch Würdigung der Angaben als unglaubwürdig den Sachverhalt ohne Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung und insbesondere ohne den Asylwerber selbst persönlich einzuvernehmen als geklärt anzusehen (vgl. dazu etwa VwGH 22. 04.1999, Zahl 98/20/0411). Dies ergibt sich nicht zuletzt aus der Wichtigkeit des persönlichen Eindruckes des entscheidenden Organes der Behörde für die Bewertung der Glaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers (vgl. dazu auch das obzitierte Erkenntnis VwGH 11. 11.1998, Zahl 98/01/0308, sowie VwGH 21.01.1999, Zahl 98/20/0339). Allerdings führt nicht jede Verletzung von Verfahrensvorschriften zur Aufhebung eines Bescheides, sondern nur dann, wenn die belangte Behörde bei deren Vermeidung zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können (vgl. dazu zB. VwGH 25.03.1999, Zahl 98/20/0577). Bezogen auf die Unterlassung der Durchführung einer mündlichen Verhandlung liegt ein entscheidungsrelevanter Verfahrensmangel daher nur dann vor, wenn nicht auszuschließen ist, dass der Unabhängige Bundesasylsenat im Falle einer mündlichen Verhandlung zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, weil er beispielsweise auf Grund des dadurch vom BW gewonnen persönlichen Eindruck dessen Vorbringen zur Gänze als glaubwürdig erachtet hätte (vgl. dazu zB. VwGH 14.12.2000, Zahl 98/20/0556).

 

3.2. Gemessen an diesen vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellten Kriterien ist der gegenständliche Sachverhalt als geklärt zu betrachten. Insbesondere ist der negativen Glaubwürdigkeitsbeurteilung des BF durch die Erstbehörde nicht entgegenzutreten, zumal das Vorbringen des BF von der Erstbehörde in ausführlicher und schlüssiger Weise dargelegt und gewürdigt wurde. Die bloße zusätzliche Erörterung von verfahrensgegenständlichen Beweismitteln oder Ermittlungsergebnissen sowie Rechtsfragen hätte auch keine anders lautende Entscheidung herbeigeführt. Der BF ist der erstinstanzlichen Beweiswürdigung nicht substantiiert entgegengetreten. Eine mündliche Verhandlung konnte daher gemäß § 41 Abs 7 AsylG 2005 unterbleiben.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, Lebensgrundlage, mangelnde Asylrelevanz, non refoulement, soziale Verhältnisse, Volksgruppenzugehörigkeit
Zuletzt aktualisiert am
13.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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