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L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerden
1. der H L in E, 2. der Dr. C K in E und 3. der Dr. B R, verehel. K, in W, sämtliche vertreten durch Dr. Theo Feitzinger, Rechtsanwalt in Wien I, Naglergasse 6, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 4. September 1998, Zl. RU1-V-97169/02, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Hauptschulgemeinde E, vertreten durch den Obmann H W in E, und 2. Marktgemeinde E, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerinnen haben dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die mitbeteiligte Marktgemeinde ist Eigentümerin des Grundstückes Nr. 1278, KG E, auf welchem im südöstlichen Teil entlang der öffentlichen Verkehrsfläche die Volks- und Hauptschule errichtet ist.
Mit Eingabe vom 23. Mai 1996 beantragte die erstmitbeteiligte Hauptschulgemeinde die baubehördliche Bewilligung zum "Neubau der Turnhallen der Volks- und Hauptschule". Dieses Gebäude soll im nordwestlichen Bereich des vorgenannten Grundstückes entlang der dort befindlichen Gartenstraße in einer Breite von rund 23 m und einer Länge von rund 43 m errichtet werden und über einen Verbindungsgang mit der Schule erreicht werden können. Aufgrund der der Baubewilligung zugrunde gelegten geänderten Einreichpläne ist die Längsseite des Bauvorhabens von den südlich angrenzenden Grundstücken der Beschwerdeführerinnen (Grundstück Nr. 1276/15 und Grundstück Nr. 1279/1: Alleineigentümerin Erstbeschwerdeführerin) 3 m entfernt.
Die Grundstücke liegen im Bauland-Kerngebiet, Bauklasse II.
Die Bauwerberin gab die Erklärung ab, dass die Benützung der projektierten Turnsäle während der Schulzeit einerseits für die Schulkinder der Volks- und Hauptschule, andererseits für die Benützung durch Vereine vorgesehen ist. Das Ende der täglichen Benützung werde jedenfalls spätestens um 22 Uhr sein. Für die Benützung durch die Vereine (Gymnastik) sei auch ein Musikbetrieb mit einem Tonträger und im großen Saal auch die Benützung für Fußballtraining bzw. Spiele vorgesehen.
Der lärmtechnische Sachverständige des Amtes der NÖ Landesregierung führte in seinem Gutachten vom 17. Juli 1995 aus, dass von ihm Messungen jeweils am Baugrundstück in einer Entfernung von ca. 3 m von der südwestlichen Nachbargrundgrenze des Grundstückes der Erstbeschwerdeführerin und in einer Entfernung von ca. 12 m von der bestehenden nordwestlichen Außenfassade des Schulgebäudes in einer Höhe von ca. 1,30 m über dem Boden durchgeführt worden seien, welche folgendes Ergebnis für den Grundgeräuschpegel (Höhe des jeweils auftretenden leisesten Umgebungsgeräusches) und äquivalenten Dauerschallpegel (Höhe der mittleren Lärmbelästigung) und die nachstehenden Werte von üblichen, in der Umgebung auftretenden Geräuschspitzen erbracht hätten:
"Geräuschereignis
A-bewerteter Schalldruckpegel in dB
Grundgeräuschpegel:
14,00 Uhr bis 15,00 Uhr
38 dB
21,00 Uhr bis 22,00 Uhr
32 dB
äquivalenter Dauerschallpegel:
14,00 Uhr bis 15,00 Uhr
50,5 dB
21,00 Uhr bis 22,00 Uhr
49,3 dB
einzelne Spitzenwerte:
Verkehrsgeräusche von der Hauptstraße
50 bis 58 dB
Traktor auf Hauptstraße
55 bis 64 dB
ÖBB- Westbahn
0 bis 58 dB
Verkehrsflugzeug
56 dB
Vogelzwitschern
45 bis 50 dB
Hundebellen je nach Entfernung60/70/80 dB"
Als Grundlage für die Ermittlung der Höhe der Betriebsgeräusche sei von der - von der Architektin angeführten akustischen - Ausstattung der Deckenuntersichten und der Seitenwände auszugehen; die zu erwartenden mittleren Halleninnenpegel seien wie folgt ermittelt worden:
Gymnastik-Betrieb mit Musik mittlerer Innenpegel 69 dB, Spielbetrieb (z.B. Fußball) Innenpegel 75 dB mittel, 85 dB
Spitze.
Bei Ermittlung der Betriebsgeräusche an den Nachbargrundstücken seien der Berechnung der Auswirkungen jeweils vier gekippte Fensterflügel (je 2,6 m2) an beiden Längsseiten der großen Turnhalle zugrunde gelegt worden. Die errechneten Ergebnisse stellten sich wie folgt dar:
"äquivalenter Dauerschallpegel bei leisem Betrieb
42 dB
äquivalenter Dauerschallpegel bei Spielbetrieb
49 dB
Spitzenpegel bei Spielbetrieb bis
59 dB".
Für eine mechanische Lüftungsanlage seien als Anforderung für die Schallemission ein A-bewerteter Schalldruckpegel von jeweils 55 dB, gemessen in 1 m Entfernung vor der Ansaugöffnung bzw. Ausblasöffnung im Freien zu fordern. Demnach sei im Bereich der Grundgrenze ein A-bewerteter Schalldruckpegel von 43 dB zu erwarten. Dem Gutachten sei die Richtlinie Nr. 3 Blatt 1 des Österreichischen Arbeitsringes für Lärmbekämpfung (ÖAL) und die Ö-Norm S 5004 (Messung von Schallemissionen) zugrunde gelegt worden. Der Grenzwert für die vorliegende Widmungskategorie im Bauland-Kerngebiet sei entsprechend der NÖ Verordnung über die Bestimmung des äquivalenten Dauerschallpegels, LGBl. 8000/4-0, mit 60 dB für den äquivalenten Dauerschallpegel bei Tagzeit anzunehmen. Aus dem Vergleich dieses Grenzwertes mit der Höhe der zu erwartenden Betriebslärmimmissionen an den Grundgrenzen von bis zu 49 dB ergebe sich eine deutliche Unterschreitung dieses Immissionsgrenzwertes.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 8. April 1997 wurde die beantragte Baubewilligung unter Nebenbestimmungen erteilt, die Einwendungen der Beschwerdeführerinnen, insbesonders betreffend die unzumutbare Lärmbelästigung, wurden abgewiesen; die Einwendungen bezüglich der Beeinträchtigung des Grundwasserhaushaltes und der qualitativen Beeinträchtigung ihres Brunnenwassers wurden zurückgewiesen.
Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 17. Juli 1997 wurde die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerinnen als unbegründet abgewiesen.
Mit Bescheid der NÖ Landesregierung vom 5. Februar 1998 wurde den dagegen erhobenen Vorstellungen der Beschwerdeführerinnen Folge gegeben, der Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde zurückverwiesen. Aus dem Lärmgutachten ergebe sich nicht, ob die der späteren Bewilligung zugrunde liegenden Auswechslungspläne, welche neben der Lageveränderung des kleinen Turnsaales auch diverse Änderungen hinsichtlich der Materialien beim Bauwert beinhalteten, Auswirkungen in lärmtechnischer Hinsicht mit sich gebracht hätten. Im fortgesetzten Verfahren seien daher die Einwände der Anrainer zu von ihnen befürchteten Lärmemissionen unter diesem Gesichtspunkt neuerlich zu prüfen. Unter Umständen könne eine nochmalige Befragung des lärmtechnischen Sachverständigen notwendig werden bzw. müssten von ihm vorgeschlagene bautechnische Maßnahmen als erzwingbare Auflagen in den Baubewilligungsbescheid aufgenommen werden.
Erforderlichenfalls wäre auch ein medizinischer Sachverständige zur Frage der örtlichen Zumutbarkeit heranzuziehen.
Im fortgesetzten Verfahren hat die Berufungsbehörde ein ergänzendes Gutachten des lärmtechnischen Sachverständigen des Amtes der NÖ Landesregierung vom 12. März 1998 eingeholt, in welchem darauf hingewiesen wurde, dass sich am äußeren Erscheinungsbild sowie an den Belichtungsflächen des Turnhallengebäudes durch die Umplanung gegenüber dem ehemaligen Projekt keine Änderungen ergeben hätten. Die Außenwände des großen Turnsaales, welche in der früheren Planung zum Teil aus Lecahol- und Ziegelmauerwerk vorgesehen gewesen seien, würden nunmehr aus Stahlbeton mit Wärmedämmung errichtet. Die gesamten Unterseiten der beiden Turnhallen würden schallabsorbierend verkleidet. An den Seitenwänden der Turnhallen seien Teppiche vorgesehen. Die Fenster der Turnhallen würden mit Isolierverglasung hergestellt, und an der südwestlichen und an der nordöstlichen Außenfront seien für Lüftungszwecke der großen Turnhalle jeweils drei Fensterflügel und für die kleine Turnhalle jeweils ein Fensterflügel kippbar einzurichten. Der Betrieb der Turnsäle ende um 22 Uhr. Durch die angeführten Änderungen seien in lärmtechnischer Hinsicht keinerlei Auswirkungen auf das Ergebnis des lärmtechnischen Gutachtens aus dem Jahre 1995 für das Vorprojekt gegeben. Dieses Gutachten werde daher vollinhaltlich aufrecht erhalten. Bei der Ermittlung der in der Nachbarschaft durch den Betrieb in den Turnhallen zu erwartenden Lärmimmissionen seien schon im Vorgutachten gekippte Fensterflügel laut Beschreibung berücksichtigt worden. Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit zeige sich sowohl nach den Kriterien der Flächenwidmung als auch nach den Kriterien der Richtlinie Nr. 3 Blatt 1 des Österreichischen Arbeitsringes für Lärmbekämpfung (ÖAL) für die örtlich zumutbaren Verhältnisse die deutliche Einhaltung der Grenzwerte für die Tageszeit; dies sei die Zeit von 6 Uhr bis 22 Uhr. Die von den Nachbarn formulierten Einwendungen seien daher aus schalltechnischer Sicht nicht begründet. Vom Sachverständigen wurden Auflagen vorgeschlagen, die in der Folge in den Bewilligungsbescheid aufgenommen worden sind.
Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 30. April 1998 wurde den Berufungen der Beschwerdeführerinnen teilweise Folge gegeben und die beantragte Baubewilligung unter Vorschreibung weiterer Auflagen erteilt. U.a. wurde eine bautechnische Beweissicherung der Grundstücke der Beschwerdeführerinnen vor Baubeginn angeordnet und eine schallabsorbierende Verkleidung der beiden Turnhallen, wie vom lärmtechnischen Gutachter gefordert, vorgeschrieben. Für die Be- und Entlüftungsanlagen wurde als Auflage 13. angeordnet:
"13. Eventuell mechanische Be- und Entlüftungsanlagen mit Aufstellung der Geräte im Technikraum im Untergeschoß sind schalltechnisch so auszuführen bzw. sind die ins Freie geführten Außenluftleitungen und Fortluftleitungen mit entsprechenden Schalldämpfern so zu versehen, dass bei Vollbetrieb der Lüftungsanlagen (maximale Luftleitung) der A-bewertete Schalldruckpegel, gemessen jeweils in 1 m Entfernung von der Frischluftansaugöffnung bzw. von der Fortluftmündung im Freien, den Wert von jeweils 55 dB nicht überschreitet. Eine Be- und Entlüftung des Technikraumes selbst muss so ausgelegt werden, dass der A-bewertete Schalldruckpegel, gemessen in 1 m Entfernung vor der Zuluft- und Abluftöffnung im Freien den Wert von jeweils 50 dB nicht überschreitet. Ein entsprechender messtechnischer Nachweis ist der Behörde nach Fertigstellung vorzulegen."
Die Forderungen der Beschwerdeführerinnen nach Vorschreibung einer bestimmten Betriebsweise zur Vermeidung von Emissionen (Ein- oder Ausschalten von Belüftungsanlagen, Einhaltung vorgegebener Betriebszeiten, Verbot des Öffnens von zu öffnenden Fenstern) wurden auf den Zivilrechtsweg verwiesen. In der Begründung des Berufungsbescheides wurde ausgeführt, dass zur Beurteilung der örtlichen Zumutbarkeit einer Belästigung ein Gutachten eines Arztes nicht mehr notwendig sei, wenn schon der Techniker keine merkbaren Auswirkungen feststellen könne. Die Berechnungen des von den Beschwerdeführerinnen beigezogenen Privatsachverständigen basierten ausschließlich auf den Vorgaben der Projektsunterlagen, in denen die nunmehr im Rahmen der Auflagen vorgeschriebenen Schallschutzmaßnahmen (Isolierverglasung; kippbare Fenster, schallabsorbierende deckenseitige Verkleidung sowie vollflächige Verkleidung der Seitenwände mit Teppichbelägen) noch keine Berücksichtigung gefunden hätten. Unter Zugrundelegung dieser im Rahmen der Auflagen nunmehr vom Gemeinderat aufgetragenen bautechnischen Schallschutzmaßnahmen räume auch der Privatsachverständige die Richtigkeit und die Übereinstimmung der Berechnungen des Amtssachverständigen mit den einschlägigen Regeln der Technik ein und setze sich zu diesen in keinerlei Widerspruch. Die Fenster dürften bautechnisch lediglich in der Art und Weise ausgeführt werden, dass diese nur kippbar seien. Eine Vorschreibung einer bestimmten Betriebsweise zur Vermeidung von Emissionen sei im Baurecht nicht zulässig. § 62 NÖ Bauordnung 1976 könne nur als Grundlage bautechnisch durchführbarer Maßnahmen dienen. Der Privatsachverständige habe selbst keinerlei Lärmmessungen durchgeführt, vielmehr sein Gutachten auf den Messergebnissen des Amtssachverständigen aufgebaut. Der beigezogene Amtssachverständige sei aufgrund seiner Erfahrung und besonderen Fähigkeit jedenfalls in der Lage abzuschätzen, wenn wesentliche Veränderungen in der Umgebungssituation eintreten. Ein medizinisches Sachverständigengutachten sei bezüglich der Auswirkung allfälliger Lärmimmissionen eines Bauvorhabens dann nicht mehr notwendig, wenn schon der beigezogene lärmtechnische Sachverständige keine merkbaren Auswirkungen habe feststellen können. Für die Flächenwidmung Bauland-Kerngebiet werde in der diesbezüglichen Verordnung der Grenzwert mit 60 dB für den äquivalenten Dauerschallpegel bei Tageszeit angegeben. Die vom Sachverständigen schlüssig ermittelte zu erwartende Betriebslärmemission betrage bis zu 49 dB und stelle sohin eine deutliche Unterschreitung des Immissionsgrenzwertes dar. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen lasse das gegenständliche Bauvorhaben keine über das örtlich zumutbare Maß hinausgehende Lärmbelästigung erwarten. Aufgrund des Umstandes, dass der zu erwartende Beurteilungspegel der Betriebsgeräusche in der Nachbarschaft gleich hoch wie der Grundgeräuschpegel im Messzeitraum 14 Uhr bis 15 Uhr, ansonsten geringfügig darüber sei, sei klargestellt, dass aufgrund der aus dem Spruch ersichtlichen bautechnischen Auflagen keine merkbaren Auswirkungen in lärmtechnischer Hinsicht erfolgen würden, weshalb die Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen nicht mehr notwendig gewesen sei.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführerinnen als unbegründet abgewiesen. Immissionen, die sich im Rahmen einer Widmungskategorie hielten, müssten von den Nachbarn hingenommen werden. Die Verordnung über die Bestimmung des äquivalenten Dauerschallpegels bei Baulandwidmungen sei aufgrund der der Landesregierung in § 14 Abs. 3 NÖ Raumordnungsgesetz 1976 aufgetragenen Verpflichtung erlassen worden; danach sei durch Verordnung nach dem jeweiligen Stand der Wissenschaft und unter Berücksichtigung des die Gesundheit der betroffenen Bewohner belastenden Lärms der äquivalente Dauerschallpegel u.a. für die Widmung Kerngebiet zu bestimmen. Ein Vergleich des Grenzwertes für die vorliegende Widmungskategorie Bauland-Kerngebiet entsprechend dieser Verordnung (60 dB bei Tag) mit der Höhe der zu erwartenden Betriebslärmimmissionen an den Grundgrenzen (bis zu 49 dB) habe ein Ergebnis einer deutlichen Unterschreitung des Immissionsgrenzwertes ergeben. Unter Berücksichtigung der zeitlichen Beschränkung des Betriebes mit 22 Uhr lägen die errechneten Werte deutlich im örtlich zumutbaren Bereich. Dies sogar bei Annahme der für die Anrainer ungünstigsten Bedingungen (sämtliche Fenster gekippt). Komme schon der technische Sachverständige zu keinen merkbaren Auswirkungen der Lärmentwicklung, sei die Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen nicht mehr erforderlich. Schon bei der Bestimmung des äquivalenten Dauerschallpegels sei die Gesundheit der betroffenen Bewohner zu berücksichtigen. Die Sicherung der Baugrube und die Verhinderung von Schäden an Nachbargebäuden bei Ausführung des bewilligten Bauvorhabens habe auf die Bewilligungsfähigkeit eines Bauprojektes keinen Einfluss. Die Nachbarn hätten im Bauverfahren kein Recht auf Schutz von Brunnen hinsichtlich der Wasserversorgung und der Wasserqualität.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerinnen erachten sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf Nichtbewilligung des Bauvorhabens mangels "Erhaltung des ihnen allein gehörigen Brunnenwassers und die Vermeidung einer Lärmemission verletzt". Sie machen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Einleitung des beschwerdegegenständlichen Baubewilligungsverfahrens ist im Beschwerdefall gemäß § 77 Abs. 1 der NÖ Bauordnung 1996 die NÖ Bauordnung 1976 (BO) anzuwenden. Gemäß § 118 Abs. 9 BO werden subjektiv-öffentliche Rechte der Anrainer durch jene Vorschriften begründet, welche nicht nur den öffentlichen Interessen dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch dem Anrainer. Hiezu gehören nach Z. 2 dieser Gesetzesstelle insbesondere die Bestimmungen über den Schutz vor anderen Gefahren, die sich auf die Anrainergrundstücke ausdehnen können.
Gemäß § 62 Abs. 2 leg. cit. sind für Bauwerke, die nach Größe, Lage und Verwendungszweck erhöhten Anforderungen nach Festigkeit, Brandschutz, Sicherheit und Gesundheit entsprechen müssen oder die Belästigungen der Nachbarn erwarten lassen, welche das örtlich zumutbare Maß übersteigen, die zur Abwehr dieser Gefahren oder Belästigungen nötigen Vorkehrungen zu treffen; diese Auflagen haben sich insbesondere auf Größe und Ausstattung der Stiegen, Gänge, Ausfahrten, Ausgänge, Türen und Fenster, besondere Konstruktionen der Wände und Decken, die Errichtung von Brandwänden sowie das Anbringen von Feuerlösch- und Feuermeldeanlagen zu beziehen. Zur Vermeidung von Umweltbelastungen kann die Behörde auch die Pflanzung und Erhaltung von Grünanlagen vorschreiben.
§ 62 Abs. 2 leg. cit. verpflichtet somit die Baubehörde, wenn die in einer geplanten Baulichkeit nach deren Zweckbestimmung zu erwartenden Vorgänge erfahrungsgemäß das ortsübliche Maß übersteigende Belästigungen der Nachbarschaft erwarten lassen, durch Auflagen dafür Sorge zu tragen, dass durch eine entsprechende bautechnische Ausgestaltung der Baulichkeit (im Beschwerdefall der bewilligten Turnsäle) ein erhöhter Schutz vor den zu erwartenden Belästigungen dieser Art sichergestellt ist. Diese Vorschrift dient nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur den öffentlichen Interessen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch dem Anrainer. Aus § 62 Abs. 2 BO in Verbindung mit § 118 Abs. 8 und 9 leg. cit. erwächst daher dem Anrainer ein subjektiv-öffentliches Recht auf Schutz vor z.B. Lärmbelästigung. Der in § 62 Abs. 2 leg. cit. normierte allgemeine Schutz des Nachbarn vor Belästigungen durch Immissionen gewährt allerdings - anders als der durch einzelne Widmungs- und Nutzungsarten eingeräumte Immissionsschutz - keinen absoluten, zu einer Versagung des Bauvorhabens führenden Immissionsschutz des Nachbarn. Die Baubehörde hat aber jene Anordnungen zu treffen, die Belästigungen der Anrainer, welche das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigen, hintanhalten. Unter der Voraussetzung der Vereinbarkeit des Bauvorhabens mit der im Flächenwidmungsplan festgesetzten Widmungs- und Nutzungsart haben die Anrainer einen Anspruch darauf, dass sie durch die Vorschreibung der nötigen Vorkehrungen vor das örtlich zumutbare Maß übersteigenden Gefahren und Belästigungen geschützt werden. Die Grenze des zulässigen Ausmaßes an Immissionen richtet sich nach dem örtlichen Ausmaß, welches je nach der Umgebung der Örtlichkeit verschieden sein kann (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 27. April 1999, Zl. 98/05/0032, BauSlg. Nr. 92/1999).
Unstrittig ist im Beschwerdefall, dass das bewilligte beschwerdegegenständliche Bauvorhaben mit der vorgeschriebenen Widmung Bauland-Kerngebiet vereinbar ist. Im Beschwerdefall ist daher allein zu prüfen, ob durch das bewilligte Bauvorhaben im Zusammenhang mit dem ordnungsgemäßen Betrieb der Turnsäle eine die Beschwerdeführerinnen beeinträchtigende Lärmbelästigung im Sinne des § 62 Abs. 2 BO zu erwarten ist, wobei davon auszugehen ist, dass nach dieser Gesetzesstelle eine Versagung der Baubewilligung aus dem Titel des Nachbarschutzes nicht in Betracht kommt (vgl. hiezu Hauer-Zaussinger, NÖ Bauordnung, 4. Auflage, S. 257 f, und die dort wiedergegebene hg. Rechtsprechung).
Nach der zu § 62 Abs. 2 BO entwickelten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf schon an der Grundstücksgrenze des Nachbarn keine das örtlich zumutbare Maß übersteigende Belästigung eintreten (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 24. März 1987, Zl. 86/05/0137, BauSlg. Nr. 892). Der Anrainer muss keine Belästigungen hinnehmen, welche über dem Rahmen des im Widmungsmaß sonst üblichen Ausmaßes liegen. Maßstab der Zulässigkeit ist dort, wo die Summe aus Ist-Maß (Summe der vorhandenen Grundbelastung) und Prognosemaß (aus dem Projekt hervorgehende Zusatzbelastung) das Widmungsmaß nicht überschreitet, das Ausmaß an Gesamtimmissionsbelastung (Summenmaß aus Ist-Maß und Prognosemaß). Belästigungen übersteigen jedenfalls nicht das örtliche Ausmaß, wenn die Überschreitung des Ist-Maßes geringfügig ist, der Charakter des Gebietes durch diese Überschreitung nicht verändert wird und das medizinisch vertretbare Beurteilungsmaß eingehalten wird (siehe hiezu das hg. Erkenntnis vom 27. April 1999, Zl. 98/05/0032, BauSlg. Nr. 92/1999).
Im Beschwerdefall steht aufgrund der eingeholten lärmtechnischen Gutachten fest, dass der derzeitige äquivalente Dauerschallpegel bei Tag (d.i. der Zeitraum von 6 Uhr bis 22 Uhr) zwischen 49,3 dB und 50,5 dB beträgt. Die Immissionswerte des äquivalenten Dauerschallpegels werden in der Verordnung über die Bestimmung des äquivalenten Dauerschallpegels bei Baulandwidmungen, LGBl. 8000/4-0, selbst für Wohngebiet bei Tag mit 55 dB angegeben. Diese Verordnung wurde vom Sachverständigen zutreffend als maßgebliche Grundlage für die Bestimmung des Widmungsmaßes herangezogen. Berücksichtigt man im Beschwerdefall, dass die errechnete Zusatzbelastung des bewilligten Projektes die durch Messung festgestellte Grundbelastung des Lärms nicht einmal erreicht und die Gesamtimmissionsbelastung das Ist-Maß unter Berücksichtigung des Informationsgehaltes der Zusatzgeräusche nach dem Sachverständigengutachten nur geringfügig überschreitet, so kann den Ausführungen der belangten Behörde insoweit nicht entgegengetreten werden, wenn in diesen davon ausgegangen wird, dass im Beschwerdefall die Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen aufgrund der geringfügigen Überschreitung der bestehenden Lärmsituation und der dadurch unwesentlichen Veränderung des Charakters des Gebietes im Hinblick auf die Lärmsituation nicht erforderlich ist. Dies insbesondere auch deshalb, weil die errechneten Spitzenpegel beim Spielbetrieb in der Turnhalle die gemessenen, einzelnen bereits vorhandenen Spitzenwerte des Istzustandes nicht erreichen.
Gegen die Schlüssigkeit des lärmtechnischen Amtssachverständigengutachtens bestehen auch seitens des Verwaltungsgerichtshofes keine Bedenken. Die Berufungsbehörde hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass im Gutachten des von den Beschwerdeführerinnen beigezogenen Privatsachverständigen die durch Auflagen gesicherte Ausstattung der Turnsäle nicht hinreichend mitberücksichtigt worden ist.
Die belangte Behörde setzt sich im angefochtenen Bescheid auch nicht über ihre im Bescheid vom 5. Februar 1998 enthaltenen "Aufträge" (gemeint: tragenden Aufhebungsgründe) hinweg. In diesem Bescheid hat die belangte Behörde die Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen zur Frage der örtlichen Zumutbarkeit nur für den Fall der Erforderlichkeit als notwendig angesehen. Dass im Beschwerdefall jedoch die Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen nicht erforderlich gewesen ist, ergibt sich - wie oben bereits näher ausgeführt - aus den zutreffenden Begründungsdarlegungen im angefochtenen Bescheid im Zusammenhang mit den Ergebnissen des lärmtechnischen Gutachtens.
Für die Erstattung des lärmtechnischen Gutachtens war es nicht erforderlich, dass die Lärmmessungen auf den Grundstücken der Beschwerdeführerinnen vorgenommen werden, weil die Lärmentwicklung des bewilligten Vorhabens im Rahmen einer auf fachkundiger Basis zu ermittelnden Prognose zu erfolgen hat, für die Ermittlung des Ist-Maßes im Beschwerdefall aber Messungen in unmittelbarer Nähe der Nachbargrundstücke auf dem zu bebauenden Grundstück ausreichten.
Insofern die Beschwerdeführerinnen bemängeln, dass für die Entlüftungsanlage ein Schalldruckpegel von 55 dB für zulässig erklärt worden ist, wird darauf hingewiesen, dass sich dieser Wert auf eine Entfernung von 1 m von der Frischluftansaugöffnung bzw. von der Abluftmündung und nicht auf die Grundstücksgrenze der Grundstücke der Beschwerdeführerinnen bezieht.
Eine Einschränkung der Betriebszeiten auf die Tagesstunden durch Auflage war im Beschwerdefall schon deshalb nicht geboten, weil die Bauwerberin selbst in der zum Bauansuchen abgegebenen Erklärung von einem Betrieb des Turnsaales bis längstens 22 Uhr ausgegangen ist.
Im Beschwerdefall ist daher aufgrund der in einem mängelfreien Verfahren ermittelten Sachverhaltsgrundlagen davon auszugehen, dass die durch den Betrieb der bewilligten Turnsäle entstehenden Lärmbelästigungen das ortsübliche Ausmaß nicht übersteigen.
In ständiger Rechtsprechung führt der Verwaltungsgerichtshof aus, dass im Baubewilligungsverfahren keine Nachbarrechte aus Vorschriften über die Sicherstellung der Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung bestehen und die Nachbarn kein Recht darauf haben, dass durch das Bauvorhaben der Grundwasserhaushalt (Grundwasserspiegel) nicht beeinträchtigt wird. Auch Fragen der Wasserversorgung und der Wasserqualität kann der Nachbar nicht im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens geltend machen (vgl. hiezu Hauer, Der Nachbar im Baurecht, 5. Auflage, S. 319 f).
Für den Verwaltungsgerichtshof ist nicht einsichtig, warum der von den Baubehörden beigezogene lärmtechnische Sachverständige nicht als Amtssachverständiger anzusehen ist, wie dies von den Beschwerdeführerinnen behauptet wird. Insofern ausgeführt wird, der geotechnische Gutachter sei kein Amtssachverständiger, ist dieses Vorbringen schon deshalb nicht von entscheidender Bedeutung, weil in diesem Gutachten ein Sachverhalt abgeklärt worden ist, welcher nicht Gegenstand von im Baubewilligungsverfahren zu beachtenden Nachbarrechten ist, der von den Beschwerdeführerinnen als Nachbarrecht zulässigerweise geltend gemacht worden wäre.
Insoweit in der Beschwerde eine Verletzung des Parteiengehörs geltend gemacht wird, fehlen zu dieser Verfahrensrüge Ausführungen zu dessen Wesentlichkeit.
Auch mit den übrigem Beschwerdevorbringen, die Einwendungen der Zweitbeschwerdeführerin seien unzulässigerweise zurückgewiesen worden, wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt. Soweit dies vom Verwaltungsgerichtshof nachvollzogen werden kann, bezieht sich dieses Beschwerdevorbringen auf die als mangelhaft gerügte Lärmmessung. Diesbezüglich wurde aber bereits oben klargelegt, dass gegen die Vorgangsweise bei Durchführung der Lärmmessungen keine Bedenken bestehen.
Der angefochtene Bescheid erweist sich demnach insgesamt frei von Rechtsirrtum.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 20. April 2001
Schlagworte
Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Schutz vor Immissionen BauRallg5/1/6Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Vorschriften, die keine subjektiv-öffentliche Rechte begründen BauRallg5/1/9Baurecht NachbarEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1998050198.X00Im RIS seit
02.07.2001Zuletzt aktualisiert am
14.08.2015