TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/14 C5 246898-0/2008

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Veröffentlicht am 14.10.2008
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Spruch

C5 246.898-0/2008/3E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. SCHADEN als Einzelrichter über die Beschwerde des Herrn H.S., geb. 00.00.1984, StA. Bangladesch, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.1.2004, 03 30.346-BAW, zu Recht erkannt:

 

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG iVm § 23 AsylGHG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

1.1.1. Der - damals minderjährige - Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Bangladesch', stellte am 17.6.2001 den Antrag, ihm Asyl zu gewähren. Dazu wurde er vom Bundesasylamt (Außenstelle Traiskirchen) am 18.7.2001 niederschriftlich vernommen.

 

Der Akt, den das Bundesasylamt vorgelegt hat, enthält einen Auszug aus dem Asylwerberinformationssystem, wonach der Beschwerdeführer die Betreuungsstelle in K. am 21.8.2001 ohne Abmeldung verlassen habe. In einem Aktenvermerk vom 23.8.2001 wird dies festgehalten, in einem weiteren Aktenvermerk, er sei, da er an dieser Adresse aufhältig "war", gemäß § 25 Abs. 2 Asylgesetz 1997 BGBl. I 76 (in der Folge: AsylG 1997) "von der Jugendwohlfahrt der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen" vertreten.

 

1.1.2. Mit Bescheid vom 23.8.2001, 01 14.073-BAT, wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß § 7 AsylG 1997 ab (Spruchpunkt I); gemäß § 8 AsylG 1997 erklärte es, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Bangladesch sei zulässig (Spruchpunkt II).

 

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 7.9.2001 zu Handen der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen als seiner gesetzlichen Vertreterin zugestellt. Ob diese Zustellung wirksam ist, wird Gegenstand der rechtlichen Beurteilung sein. Der Beschwerdeführer brachte gegen den Bescheid kein Rechtsmittel ein.

 

1.1.3. Am 24.10.2001 langte beim Bundesasylamt eine Telefaxnachricht der Bundespolizeidirektion Wiener Neustadt ein, ihr war eine Niederschrift beigelegt, die von dieser Behörde mit dem Beschwerdeführer am 19.10.2001 aufgenommen worden war. Darin gab der Beschwerdeführer ua. an, er sei nach seinem Grenzübertritt am 17.6.2001 nach "G." in eine Pension überstellt worden und habe sich dann in Bundesbetreuung befunden. Von der Pension sei er "einfach weggegangen", da sie ihm nicht gefallen habe. Er habe sich sodann in Wien und danach im Lager Traiskirchen illegal aufgehalten; von der Pension in G. sei er dann auch abgemeldet worden. Im Lager Traiskirchen sei er am 00.00.2001 straffällig geworden. Bei dieser Einvernahme gab der - damals noch minderjährige - Beschwerdeführer an, er stelle, da er vom negativen Asylbescheid nichts gewusst habe, bezüglich seines Asylverfahrens einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

 

Am 29.10.2001 langte beim Bundesasylamt eine Telefaxnachricht der Bundespolizeidirektion Wiener Neustadt ein, wonach der Beschwerdeführer in einer Flüchtlingsunterkunft in H. untergebracht sei. Mit Schreiben vom 9.11.2001, zugestellt am 12.11.2001, forderte das Bundesasylamt den Beschwerdeführer, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Baden, gemäß § 13 Abs. 3 AVG zur Behebung eines Mangels in seinem Wiedereinsetzungsantrag auf.

 

Mit Bescheid vom 22.1.2002 wies das Bundesasylamt den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 13 Abs. 3 iVm § 71 Abs. 1, 2 und 3 AVG zurück. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer zu Handen des Jugendwohlfahrtsträgers (Bezirkshauptmannschaft Baden) am 00.00.2002 zugestellt.

 

1.2.1. Am 1.10.2003 brachte der - inzwischen volljährige - Beschwerdeführer einen weiteren Asylantrag ein. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt (Außenstelle Wien) am 2.12.2003 gab er an, er habe keine neuen Fluchtgründe. Er stelle den Antrag, weil er in seinem ersten Verfahren keine Möglichkeit gehabt habe, eine Berufung einzubringen.

 

Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesasylamt diesen - zweiten - Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück. Begründend führte es aus, der zweite (gemeint offenbar: der erste) Asylantrag des Beschwerdeführers sei mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 23.8.2001 rechtskräftig abgewiesen worden; es könne kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden.

 

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 4.2.2004 zu Handen seines damaligen zustellungsbevollmächtigten Vertreters ausgefolgt und damit zugestellt.

 

1.2.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, fristgerechte, nun als Beschwerde (vgl. Pt. 2.1.1.2.1) zu behandelnde (und daher in der Folge so bezeichnete) Berufung vom 11.2.2004.

 

2. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

2.1.1.1. Gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 4 erster Satz B-VG sind Verfahren, die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig waren, vom Asylgerichtshof weiterzuführen.

 

Gemäß § 75 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (Art. 2 BG BGBl. I 100/2005, in der Folge: AsylG 2005) sind "[A]lle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren [...] nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt."

 

Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG 1997 idF der AsylGNov. 2003 sind Verfahren über Asylanträge, die bis zum 30.4.2004 gestellt worden sind, nach den Bestimmungen des AsylG 1997 idF BG BGBl. I 126/2002 zu führen.

 

Der Beschwerdeführer hat beide Asylanträge (jenen vom 17.6.2001 und jenen vom 1.10.2003) vor dem 1.5.2004 gestellt; das Verfahren war am 31.12.2005 anhängig; das Beschwerdeverfahren ist daher nach dem AsylG 1997 zu führen. Da es am 1.7.2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig war, ist es vom Asylgerichtshof weiterzuführen.

 

Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (in der Folge: AsylGHG, Art. 1 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz BGBl. I 4/2008 [in der Folge:

AsylGH-EinrichtungsG]) ist auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof grundsätzlich (vgl. unten Pt. 2.1.1.2.2.1) das AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt. Gemäß § 66 Abs. 2 AVG iVm § 23 AsylGHG kann der Asylgerichtshof, wenn der ihm vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverweisen. Gemäß § 66 Abs. 3 AVG iVm § 23 AsylGHG kann der Asylgerichtshof jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

 

2.1.1.2.1. Die Zuständigkeit des Asylgerichtshofes stützt sich auf Art. 151 Abs. 39 Z 4 erster Satz B-VG und auf § 38 AsylG 1997. § 38 AsylG 1997 spricht zwar vom "unabhängigen Bundesasylsenat" und ist durch das AsylGH-EinrichtungsG nicht geändert worden; auch die Übergangsbestimmungen des AsylG 2005 ergeben insoweit nichts. Da jedoch gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 1 B-VG der unabhängige Bundesasylsenat am 1. Juli 2008 zum Asylgerichtshof geworden ist und dieses Gericht gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 4 B-VG die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängigen Verfahren weiterzuführen hat, ist davon auszugehen, dass sich § 38 AsylG 1997 nunmehr auf den Asylgerichtshof bezieht. Ebenso ist davon auszugehen, dass sich jene Bestimmungen des AsylG 1997, die von "Berufungen" sprechen, nunmehr auf Beschwerden beziehen (vgl. unten Pt. 2.1.1.2.2.3).

 

2.1.1.2.2. Zur Frage der Gerichtsbesetzung hat der Asylgerichtshof erwogen:

 

2.1.1.2.2.1. Gemäß § 9 Abs. 1 AsylGHG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, sofern bundesgesetzlich nicht die Entscheidung durch Einzelrichter oder Kammersenate vorgesehen ist. Weder das AsylGHG noch das AsylG 1997 sehen für das vorliegende Verfahren die Entscheidung durch Einzelrichter oder Kammersenat vor, sodass mithin ein Senat zu entscheiden hätte. Wohl aber sähe § 61 Abs. 3 Z 1 lit. c AsylG 2005 - fiele das Verfahren unter dieses Gesetz - die Entscheidung durch Einzelrichter vor, da mit dem angefochtenen Bescheid ein Asylantrag wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden ist. Weder das AsylG 1997 noch eine Übergangsbestimmung des AsylG 2005 ordnen jedoch an, dass über die Beschwerde gegen einen zurückweisenden Bescheid ein Einzelrichter zu entscheiden habe, wenn der Bescheid auf Grund des AsylG 1997 ergangen ist und das Beschwerdeverfahren daher gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 nach dem AsylG 1997 zu entscheiden ist. Der Wortsinn ist insoweit eindeutig.

 

Dem steht auch § 23 AsylGHG nicht entgegen, der lautet: "Soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs ¿Berufung' der Begriff ¿Beschwerde' tritt."

Daraus lässt sich nicht ableiten, dass die durch das AsylGH-EinrichtungsG ins AsylG 2005 (die in § ?3 AsylGHG angegebene Fundstelle bezieht sich auf das Fremdenrechtspaket 2005, dessen Art. 2 das AsylG 2005 ist) eingeführten Vorschriften auch auf solche Verfahren vor dem Asylgerichtshof anzuwenden wären, die dem AsylG 1997 unterliegen. Denn zum einen schließt die Erwähnung des AsylG 2005 auch dessen § 75 Abs. 1 ein, der grundsätzlich die Anwendung des AsylG 1997 auf Verfahren anordnet, die am 31. Dezember 2005 anhängig waren, zum anderen schreibt § 23 AsylGHG gar nicht die Anwendung des AsylG 2005 vor, sondern jene des AVG unter der Voraussetzung, dass ihr das B-VG, das VwGG und das AsylG 2005 - und dazu gehört auch dessen § 75 Abs. 1 - nicht entgegenstehen ("sich [...] nicht anderes ergibt"). Das ist nicht dasselbe, es bedeutet nämlich nicht, dass das AsylG 2005 überhaupt anzuwenden sein muss; gerade in den Verfahren, die am 31. Dezember 2005 anhängig waren, beschränkt sich die Anwendbarkeit des AsylG 2005 auf dessen § 75 Abs. 1 und die dort genannten Bestimmungen des AsylG 2005 (§§ 24, 26, 54 bis 57 und 60 mit den dort genannten Einschränkungen).

 

Die parlamentarischen Materialien zu § 23 AsylGHG (Bericht und Antrag des Ausschusses, 371 BlgNR 23. GP, 7) lauten auszugsweise:

 

"Die für das Verfahren vor dem Asylgerichtshof anzuwendenden Vorschriften [...] finden sich nur vereinzelt im Bundes-Verfassungsgesetz [...] und im Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 [...], zum überwiegenden Teil aber im Asylgesetz 2005, dem - wie schon nach der derzeit geltenden Rechtslage - als gemeinsames ¿Asylverfahrensgesetz' für das Bundesasylamt und die Rechtsschutzbehörde (jetzt der unabhängige Bundesasylsenat, künftig der Asylgerichtshof) hier die zentrale Bedeutung zukommt.

 

Subsidiär sollen die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) zur Anwendung kommen, soweit sie ihrem Inhalt nach - wie schon bisher für Verfahren vor dem unabhängigen Bundesasylsenat als Berufungsbehörde - auch für Verfahren vor dem Asylgerichtshof anwendbar sind (vgl. § 62 Abs. 1 VwGG) und in keinem Widerspruch zu den spezielleren - und daher vorrangigen - Bestimmungen des AsylG 2005 stehen (zB § 66 AVG)."

 

Dies legt eine "subsidiäre" Anwendbarkeit des AVG - subsidiär ua. gegenüber dem AsylG 2005 - nahe (vgl. Rohrböck in Muzak/Rohrböck,

Der Asylgerichtshof [2008] 148, der eine Subsidiarität auch zwischen VwGG, AsylG 2005 und B-VG in dieser Reihenfolge annimmt; Schrefler-König/Gruber, Asylrecht [Grundlieferung, 2008] § 41, 4, Anm. 11), und zwar in dem Sinn, dass der Asylgerichtshof immer, dh. auch in Verfahren, die am 31. Dezember 2005 anhängig waren, alle Vorschriften des AsylG 2005 anzuwenden habe. Wollte man dies annehmen, dann hieße das, dass dem § 75 Abs. 1 AsylG 2005 insoweit derogiert wäre; vermutlich käme es auch zu großen Problemen beim Zusammenspiel zwischen dem Verfahren vor dem Bundesasylamt (welches das AsylG 1997 anzuwenden hätte) und jenem vor dem Asylgerichtshof; diese Auslegung kann dem Gesetzgeber somit nicht als gewollt unterstellt werden. Vielmehr entsteht der Eindruck, der Gesetzgeber habe gar nicht bedacht, dass solche Verfahren anhängig seien. Dann wäre zwar nicht § 23 AsylGHG, wohl aber die Erläuterungen dazu teleologisch in dem Sinn zu reduzieren, dass sie sich nur auf jene Bestimmungen des AsylG 2005 beziehen, die durch das AsylGH-EinrichtungsG eingeführt worden sind, und es wären entsprechende Konsequenzen für die Auslegung der Bestimmung selbst zu ziehen. Darauf ist später zurückzukommen (Pt. 2.1.1.2.2.3); ob angesichts des Wortlauts dieses Argument allein die Anwendbarkeit der fraglichen Bestimmungen tragen könnte, ist zweifelhaft. Nach seinem Wortsinn jedenfalls erklärt nämlich § 23 AsylGHG mit dem AsylG 2005 auch dessen § 75 Abs. 1 und damit das AsylG 1997 für anwendbar; dass andere, in § 75 Abs. 1 nicht erwähnte Bestimmungen des AsylG 2005 in "alten" Verfahren anzuwenden wären, ergibt sich daraus nicht.

 

Zusammenfassend zeigt sich, dass sich aus dem Wortsinn des AsylGHG, des AsylG 1997 und des AsylG 2005 die Anwendbarkeit des § 61 Abs. 3 Z 1 lit. c AsylG 2005 in Verfahren, die am 31. Dezember 2005 anhängig waren, nicht ableiten lässt.

 

2.1.1.2.2.2. Gemäß Art. 130 Abs. 1 lit. a B-VG entscheidet der Verwaltungsgerichtshof über Beschwerden gegen Bescheide von Verwaltungsbehörden, somit nicht über Entscheidungen des Asylgerichtshofes. Auch keine andere Vorschrift der Verfassung erlaubt es, gegen eine Entscheidung des Asylgerichtshofes Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben (vgl. Muzak in Muzak/Rohrböck, 100). Gemäß Art. 132 a B-VG (idF Art. 1 Z 29 BVG BGBl. I 2/2008) entscheidet er über Grundsatzentscheidungen des Asylgerichtshofes, die ihm von Amts wegen vorzulegen sind. Gegen Entscheidungen des Asylgerichtshofes kann - anders, als dies bis zum 30. Juni 2008 in Bezug auf Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates der Fall war (genauer: Bescheide, die bis zu diesem Tag ergangen sind: Muzak in Muzak/Rohrböck, 115) - keine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden, gleichgültig, ob der Asylgerichtshof das AsylG 2005 oder gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 das AsylG 1997 angewandt hat (oder anzuwenden hatte). Es ist daher davon auszugehen, dass nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers das Institut der Grundsatzentscheidung, das eine Kognition des Verwaltungsgerichtshofes auch in Asylsachen weiterhin sichern soll, ebenso in allen vom Asylgerichtshof zu entscheidenden Verfahren zum Tragen kommen können soll, gleichgültig, ob dabei das AsylG 1997 oder das AsylG 2005 anzuwenden ist. Ein Ausschluss der Grundsatzentscheidung in Fällen, auf die das AsylG 1997 anzuwenden ist, könnte, da das B-VG nicht unterscheidet und die Grundsatzentscheidung als zentrales Element der Asylgerichtsbarkeit einrichtet, sogar als verfassungswidrig erscheinen. Dennoch finden sich Bestimmungen über Grundsatzentscheidungen nur in § 42 AsylG 2005 (sowie - für die vorliegende Frage unerheblich - im B-VG und im 3. Unterabschnitt des II. Abschnitts des VwGG), nicht aber im AsylG 1997. Das AsylG 1997 ist nämlich durch das AsylGH-EinrichtungsG weder novelliert noch ist darin - etwa im Rahmen der Übergangsbestimmungen - die Anwendbarkeit von Bestimmungen des AsylG 2005 auf Verfahren angeordnet worden, die dem AsylG 1997 unterliegen. Die Ansicht (vgl. Frank/Anerinhof/Filzwieser, AsylG 2005. Asylgesetz 20054 [2008] 668, K 2 zu § 42 Abs. 1), aus dem Wort "anhängigen" in § 42 Abs. 1 AsylG 2005 ("Stellt sich dem in einem anhängigen Verfahren zur Entscheidung berufenen Einzelrichter oder Senat des Asylgerichtshofes [...] eine Rechtsfrage [...]") sei zu schließen, dass die Vorschrift auch auf Verfahren nach dem AsylG 1997 zu beziehen sei (die ja nach § 75 Abs. 7 AsylG 2005 vom Asylgerichtshof weiterzuführen seien), übersieht einerseits § 75 Abs. 1 AsylG 2005 oder misst ihm jedenfalls keine große Bedeutung bei, andererseits wird das Wort "anhängig" - häufig wohl redundant - typischerweise als Gegensatz zu "abgeschlossen" verwendet; dass damit ins AsylG 1997 "hineingegriffen" werden soll, ist daraus nicht zu entnehmen.

 

Gemäß Art. 132 B-VG entscheidet der Verwaltungsgerichtshof über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch Verwaltungsbehörden, somit nicht durch den Asylgerichtshof. Auch keine andere Vorschrift der Verfassung erlaubt es, gegen die Säumnis des Asylgerichtshofes den Verwaltungsgerichtshof anzurufen, wie dies bei Säumnis des unabhängigen Bundesasylsenates der Fall war (vgl. Muzak in Muzak/Rohrböck, 103). Offenbar zum Ausgleich dafür (Schrefler-König/Gruber, Asylrecht [Grundlieferung, 2008] § 62, 2, Anm. 1: "Ersatz") sieht das AsylG 2005 das Institut des Fristsetzungsantrages vor (§ 62 AsylG 2005). Es ist freilich nicht einzusehen, warum Fristsetzungsanträge nur bei Verfahren zulässig seien sollten, die unter das AsylG 2005 fallen, nicht aber bei solchen, die unter das AsylG 1997 fallen, zumal da bei einer groben Durchschnittsbetrachtung anzunehmen ist, dass Verfahren, die unter das AsylG 1997 fallen, bereits länger anhängig sind. Keine Vorschrift ordnet jedoch ausdrücklich die Geltung dieses Instituts für Verfahren an, die unter das AsylG 1997 fallen.

 

§ 41 Abs. 7 AsylG 2005 idF Art. 2 Z 44 AsylGH-EinrichtungsG sieht eine Lockerung der Verhandlungspflicht im Verfahren vor dem Asylgerichtshof vor. Die für den unabhängigen Bundesasylsenat - unabhängig von der anzuwendenden Rechtslage (AsylG 1997 oder AsylG 2005) - geltende Bestimmung über die Verhandlungspflicht, nämlich Art. II Abs. 2 lit. D Z 43 a EGVG, ist durch Art. 6 AsylGH-EinrichtungsG mit Ablauf des 30. Juni 2008 aufgehoben worden. Das bedeutet, dass nur für Verfahren, die unter das AsylG 2005 fallen, ausdrücklich eine - gegenüber dem AVG - spezielle Regelung der Verhandlungspflicht besteht, nicht jedoch für ältere Verfahren.

 

In all diesen Fällen - Grundsatzentscheidung, Fristsetzungsantrag, Verhandlungspflicht - tritt die Regelung des AsylG 2005 an die Stelle von Vorschriften, die zuvor in Bezug auf den unabhängigen Bundesasylsenat unabhängig von der anzuwendenden Rechtslage (AsylG 1997 oder AsylG 2005) gegolten haben (Möglichkeit der Bescheid- und der Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, Regelung der Verhandlungspflicht). Aus der Systematik der Regelungen und aus der zu vermutenden Absicht des Gesetzgebers ist zu schließen, dass all diese Neuerungen, die das Verfahren vor dem Asylgerichtshof nach dem AsylG 2005 betreffen, auch im Bereich des AsylG 1997 gelten sollen. Dann liegt es aber nahe, dies auch für jene Neuerung anzunehmen, die gegenüber dem Verfahren vor dem unabhängigen Bundesasylsenat eine erhöhte Richtigkeitsgewähr und damit einen Ersatz für die Möglichkeit der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof bieten soll, nämlich für die Senatsgerichtsbarkeit; dies wird durch § 9 Abs. 1 AsylGHG auch ausdrücklich angeordnet. Wenn aber § 61 Abs. 3 AsylG 2005 - auf Grund einer bundesverfassungsgesetzlichen Ermächtigung (Art. 129 e B-VG) - davon Ausnahmen macht, gibt es keinen Grund anzunehmen, dass sie nicht auch für die völlig gleichgelagerten Verfahren nach dem AsylG 1997 gelten. Zwar haben die Ausnahmen, die § 61 Abs. 3 AsylG 2005 vorsieht, gemein, dass für den Asylgerichtshof hier verkürzte Entscheidungsfristen gelten (§ 37 Abs. 3, § 41 Abs. 2 AsylG 2005). Dass dies der einzige Gesichtspunkt wäre, kann aber nicht gesagt werden, weil für Flughafenverfahren - für die eine ähnlich kurze Entscheidungsfrist gilt (§ 33 Abs. 4 AsylG 2005) - das Senatsverfahren vorgesehen ist. Den Fällen des § 61 Abs. 3 AsylG 2005 ist vielmehr gemeinsam, dass mit dem angefochtenen Bescheid der Asylantrag nicht ab-, sondern zurückgewiesen worden ist. Soweit daher mit dem zurückweisenden Bescheid und auch mit der bestätigenden Entscheidung des Asylgerichtshofes eine Sachentscheidung verweigert wird (zu § 68 AVG vgl. VfSlg. 8899/1980, 9764/1983, 10.121/1984, 10.123/1984, 14.590/1996; zu § 5 AsylG 1997 - dies offenlassend - VfSlg. 17.586/2005), kommt im verfassungsgerichtlichen Verfahren ein anderer Prüfungsmaßstab zum Tragen, weil das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter ein sogenanntes Feinprüfungsgrundrecht ist, der Verfassungsgerichtshof hier also grundsätzlich nach demselben Maßstab prüft wie (bei Bescheiden des unabhängigen Bundesasylsenates) der Verwaltungsgerichtshof (zu Einschränkungen vgl. VfSlg. 10.240/1984, 10.611/1985, 11.688/1988, 13.258/1992), sodass die Änderungen gegenüber der alten Rechtslage nicht so sehr ins Gewicht fielen. Dies könnte ein zusätzlicher Grund für die bloße Einzelrichterzuständigkeit sein.

 

2.1.1.2.2.3. Für dieses Ergebnis - Einzelrichterzuständigkeit auch in "alten" Verfahren nach § 68 Abs. 1 AVG - sprechen aber noch weitere Überlegungen:

 

Aus § 17 Abs. 3 AsylGHG ergibt sich, dass die Entscheidungen des Asylgerichtshofes nicht als Bescheide, sondern als Erkenntnisse und Beschlüsse ergehen. Weiters erhellt aus § 11 Abs. 4 und wohl auch aus § 23 AsylGHG sowie aus § 24 AsylGHG, dass das Rechtsmittel an den Asylgerichtshof (nicht als Berufung, sondern) als Beschwerde bezeichnet wird. Das AsylGH-EinrichtungsG hat daher zahlreiche Bestimmungen des AsylG 2005 insoweit terminologisch angepasst, auch den Ausdruck "unabhängiger Bundesasylsenat" durch "Asylgerichtshof" ersetzt (der Asylgerichtshof wird, anders als der unabhängige Bundesasylsenat, nicht als Behörde oder als Asylbehörde bezeichnet) und dabei vermutlich Vollständigkeit angestrebt, aber nicht erreicht (vgl. § 14 Abs. 1 und 2, § 16 Abs. 2, § 17 Abs. 8, § 33 Abs. 4, § 36 Abs. 1, § 41 Abs. 4 und 6, § 60 Abs. 4 AsylG 2005;

Bruckner/Doskozil/Marth/Taucher/Vogl, Fremdenrechtspaket3 [2008] 95, 103, 131 und 158 bezeichnen einen Teil dieser unterlassenen Anpassungen als "offenkundig[e] Redaktionsversehen"; ähnlich Frank/Anerinhof/Filzwieser, AsylG 2005, 422, 447, 579, 603, 638, 743; ähnlich weiters Schrefler-König/Gruber, Asylrecht [Grundlieferung, 2008] § 41, 2, diese Autoren geben § 17 Abs. 8 und § 33 Abs. 4 AsylG 2005 in der korrigierten Fassung wieder). Dem dient Art. 2 AsylGH-EinrichtungsG, und zwar alle Ziffern außer Z 1, 27 und 35 sowie teilweise Z 16. Art. 2 Z 51, 52 und 54 AsylGH-EinrichtungsG beziehen sich auf Schluss- und Übergangsbestimmungen. § 20 Abs. 3 AsylG 2005 idF Art. 2 Z 16 AsylGH-EinrichtungsG schließt die Geltung des § 20 Abs. 1 AsylG 2005 im Verfahren vor dem Kammersenat aus; § 41 Abs. 8 und 9 AsylG 2005 idF Art. 2 Z 44 AsylGH-EinrichtungsG enthalten Bestimmungen für das Verfahren vor dem Asylgerichtshof.

 

Keine Bestimmung aber ordnet an, wie das AsylG 1997, das vom AsylGH-EinrichtungsG formell nicht berührt worden ist, in Verfahren zu verstehen und anzuwenden ist, die vor dem Asylgerichtshof geführt werden. Angesichts der verfassungsrechtlichen (Art. 129 c bis 129 f B-VG) und einfachgesetzlichen (AsylGHG) Neuerungen liegt es auf der Hand, dass das AsylG 1997 nicht wörtlich anzuwenden ist: Es ist denkunmöglich anzunehmen, dass weiterhin dem unabhängigen Bundesasylsenat Zuständigkeiten zukommen, und es verbietet sich, von Berufungen und Bescheiden zu sprechen, wenn das AsylGHG von Beschwerden, Erkenntnissen und Beschlüssen spricht. (Dass auch Art. 129 c B-VG von Beschwerden an den Asylgerichtshof spricht, hat dagegen weniger Gewicht, da dies auch bei der Vorgängerbestimmung der Fall war, ohne dass dies einfachgesetzlich nachvollzogen worden wäre.) Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass zahlreiche Bestimmungen des AsylG 1997 im Lichte der neuen Rechtslage sinngemäß auf den Asylgerichtshof und auf Beschwerden, Erkenntnisse und Beschlüsse (Entscheidungen) zu beziehen sind. Dies wird durch die Überlegungen zu § 23 AsylGHG (oben Pt. 2.1.1.2.2.1, "teleologische Reduktion" der Materialien) gestützt; wieweit die verfahrensrechtlichen Regeln des AsylG 2005 auch auf Verfahren nach dem AsylG 1997 zu übertragen sind, braucht hier nicht im Einzelnen untersucht zu werden. Daran verschlägt es nichts, dass der Gesetzgeber des AsylGH-EinrichtungsG weder das AsylG 1997 novelliert noch durch eine Übergangsbestimmung im Rahmen des AsylG 2005 für Klarheit gesorgt hat. Vielmehr liegt hier möglicherweise eine Situation vor, die jener vergleichbar ist, zu welcher der Verfassungsgerichtshof - mit Blick auf das AsylG 1997 - festgehalten hat, sie lasse an Klarheit zu wünschen übrig (VfSlg. 17.340/2004), und, daran anknüpfend, eine Regelung verdiene eine gleiche Beurteilung (VfSlg. 17.516/2005; vgl. auch UBAS 14.8.2006, 261.316/0-X/47/05, wo der unabhängige Bundesasylsenat einzelnen Argumenten weniger Gewicht zumaß, weil sie durch unpräzise Formulierungen [Redaktionsversehen, Auseinanderklaffen von Gesetz und Materialien] gemindert wurden; vgl. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff2 [1991] 147). Nicht klar ist auch, weshalb § 23 AsylGHG das AVG zwar (nur) mit der Maßgabe für anwendbar erklärt, dass es statt "Berufung" hier "Beschwerde" zu lauten habe, eine gleichartige Maßgabe für den Begriff "Bescheid" (soweit der Asylgerichtshof betroffen wäre) dagegen nicht vorsieht.

 

2.1.1.2.2.4. Da somit nicht nur für einzelne Bestimmungen des AsylG 2005 (vgl. oben Pt. 2.1.1.2.2.2) mit jeweils eigener Begründung anzunehmen ist, dass sie auch in Verfahren nach dem AsylG 1997 anzuwenden sind, sondern da es der Gesetzgeber insgesamt verabsäumt hat klarzustellen, wie das AsylG 1997 im Lichte der neuen Rechtslage anzuwenden ist, und da das AsylG 1997 sohin in vielen Punkten abweichend von seinem Wortlaut zu lesen ist (Pt. 2.1.1.2.2.3), gibt es noch weniger Grund anzunehmen, dass § 61 Abs. 3 Z 1 lit. c AsylG 2005 nicht auch sinngemäß für Beschwerden gegen Bescheide gelten sollte, mit denen ein unter das AsylG 1997 fallender Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden ist.

 

Für die Entscheidung der vorliegenden Beschwerde ist daher der Einzelrichter zuständig (ebenso mit gleicher Begründung AsylGH 12.8.2008, C5 251.212-0/2008/11E).

 

2.1.2. Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Beschwerde nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.9.1994, 94/08/0183; 30.5.1995, 93/08/0207; 9.9.1999, 97/21/0913; 7.6.2000, 99/01/0321).

 

2.1.3. "Sache" des Rechtsmittelverfahrens ist nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, die Rechtsmittelbehörde darf demnach nur darüber entscheiden, ob die Vorinstanz den Antrag zu Recht zurückgewiesen hat oder nicht. Sie hat daher entweder - falls entschiedene Sache vorliegt - das Rechtsmittel abzuweisen oder - falls dies nicht zutrifft - den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben, dies mit der Konsequenz, dass die erstinstanzliche Behörde, gebunden an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde, den Antrag nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Die Rechtsmittelbehörde darf aber über den Antrag nicht selbst meritorisch entscheiden (VwGH 30.5.1995, 93/08/0207).

 

2.2.1. Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens iSd § 66 Abs. 4 AVG ist somit nur die Frage, ob das Bundesasylamt zu Recht den neuerlichen Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.

 

2.2.2.1. Die Zurückweisung des (zweiten) Asylantrages wegen entschiedener Sache setzt voraus, dass das Verfahren über den ersten Asylantrag rechtskräftig beendet worden ist. Ist ein Bescheid, der das erste Verfahren abschließt, nicht rechtswirksam zugestellt worden, dann ist es noch nicht rechtskräftig beendet, sondern weiterhin beim Bundesasylamt anhängig. Einen Folgeantrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, käme dann nicht in Betracht (VwGH 12.4.2005, 2004/01/0491; 18.10.2005, 2005/01/0215, mwN; 16.2.2006, 2006/19/0146; 27.4.2006, 2005/20/0645; 28.2.2008, 2005/01/0473).

 

2.2.2.2. Das Bundesasylamt hat den (ersten) Asylbescheid der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen als gesetzlicher Vertreterin des Beschwerdeführers zugestellt, dies deshalb, weil sich der Beschwerdeführer zuvor in einer Unterkunft in K. und somit im Sprengel der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen aufgehalten hatte. Dem Bundesasylamt war bekannt, dass diese Adresse nicht mehr aktuell war (vgl. oben Pt. 1.1.1).

 

§ 25 AsylG 1997, der unter der Überschrift "Handlungsfähigkeit" steht, lautete in der damals geltenden Fassung:

 

"(1) Volljährige Fremde sind in Verfahren nach diesem Bundesgesetz handlungsfähig. Für den Eintritt der Volljährigkeit nach diesem Bundesgesetz ist ungeachtet der Staatsangehörigkeit des Fremden österreichisches Recht maßgeblich (§ 21 ABGB).

 

(2) Mündige Minderjährige, deren Interessen von ihren gesetzlichen Vertretern nicht wahrgenommen werden können, sind berechtigt, Anträge zu stellen. Gesetzlicher Vertreter wird mit Einleitung eines Verfahrens der örtlich zuständige Jugendwohlfahrtsträger. Sobald für solche Jugendliche ein gesetzlicher Vertreter gemäß § 95 Abs. 3 FrG einzuschreiten hat, wird er auch Vertreter nach diesem Bundesgesetz.

 

(3) In Verfahren nach diesem Bundesgesetz ist jeder Elternteil für sich zur Vertretung des Kindes befugt."

 

Aus der Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 12.09.2002, 2001/20/0245; 17.10.2002, 2002/20/0383) ergibt sich, dass bei einem Wechsel des Aufenthaltsortes des Jugendlichen der jeweils örtliche Jugendwohlfahrtsträger zuständig wird. Die Zustellung an die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen konnte daher nur dann gegenüber dem Beschwerdeführer wirksam sein, wenn das Land Niederösterreich zu diesem Zeitpunkt gesetzlicher Vertreter des Beschwerdeführers war. Legt man jedoch seine Aussagen vor der Bundespolizeidirektion Wiener Neustadt zugrunde, so führte er im Zeitraum zwischen seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt (am 18.7.2001) und seinem Aufgriff in Traiskirchen (am 14.9.2001) ein unstetes Leben und hielt sich ua. in Wien auf. Dass seine Aussagen von Vornherein als falsch zu beurteilen wären, kann nicht gesagt werden, werden sie doch durch seinen Aufgriff in Traiskirchen gestützt. Auch dem Bundesasylamt war bekannt, dass der Beschwerdeführer seine Unterkunft im Sprengel der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen verlassen hatte und von ihr abgemeldet worden war. Ihre Ansicht, bei unbekanntem Aufenthalt des Minderjährigen behalte der bisherige gesetzliche Vertreter die Vertretungsmacht, steht mit dem Gesetz nicht im Einklang. Der denkbare Einwand, das Gesetz sei, wenn diese Auslegung zutreffe, unpraktikabel, überzeugt nicht, war doch diese Situation wohl mit ein Anlass für den Gesetzgeber, durch die - hier noch nicht anzuwendende - AsylGNov. 2003 eine andere Regelung zu schaffen (Erläut. zur RV, 120 BlgNR 22. GP, 19: "Versteinerung der gesetzlichen Vertretungsbefugnis des Jugendwohlfahrtsträgers während der Gesamtdauer des Asylverfahrens"; ebenso nunmehr § 16 Abs. 3 AsylG 2005).

 

Legt man die Angaben des Beschwerdeführers zugrunde, so kann nicht ausgeschlossen werden, dass er sich zu dem Zeitpunkt, als der erste Bescheid an die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen zugestellt wurde, nicht in Niederösterreich, sondern in Wien aufhielt und dass daher nicht das Bundesland Niederösterreich, sondern das Bundesland Wien sein gesetzlicher Vertreter war. In diesem Fall wäre die Zustellung an die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen nicht wirksam gewesen. Daran kann es auch nichts ändern, dass das Bundesasylamt in der Folge einen Wiedereinsetzungsantrag zurückwies; dies hat keinen Einfluss auf die Wirksamkeit des Zustellvorganges.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat "ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es in einem über einen Folgeantrag geführten Verfahren Aufgabe der Asylbehörden ist, sich mit der Zustellung des das Erstverfahren beendenden Bescheides näher auseinander zu setzen. Gibt die Aktenlage ausreichend Anlass, Überlegungen zur Wirksamkeit der Zustellung anzustellen und allenfalls auch entsprechende Ermittlungen vorzunehmen, so bewirkt deren Unterbleiben - ungeachtet des Umstandes, dass die Partei diese Frage im Verwaltungsverfahren nicht releviert hatte - einen wesentlichen Verfahrensmangel, der in der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zulässig aufgezeigt werden kann" (VwGH 27.4.2006, 2005/20/0645 mit Hinweis auf 16.2.2006, 2004/01/0491; 9.4.2008, 2005/01/0473).

 

Ob der Bescheid vom 23.8.2001 durch Zustellung an die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen wirksam zustande kommen konnte, hängt ua. davon ab, ob sich der Beschwerdeführer zu dieser Zeit in Niederösterreich oder in Wien aufhielt. Dazu hat das Bundesasylamt keine Feststellungen getroffen, obwohl die Sachlage dazu Anlass geboten hätte. Das Bundesasylamt hätte sich daher mit der Frage auseinandersetzen müssen, wo sich der Beschwerdeführer am 7.9.2001 - dem Tag der Zustellung des Bescheides vom 23.8.2001 an die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen - aufgehalten hat. Denn davon hängt ab, ob die Zustellung an die erwähnte Bezirkshauptmannschaft dem Beschwerdeführer zugerechnet werden kann. Solche Überlegungen finden sich im angefochtenen Bescheid jedoch nicht.

 

2.3.1. Ohne Feststellungen zum Aufenthalt am 7.9.2001 lässt sich nicht beurteilen, wer gesetzlicher Vertreter des Beschwerdeführers und ob die Zustellung an die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen wirksam war. Diese Feststellungen lassen sich ohne Einvernahme des Beschwerdeführers nicht gewinnen; sollte es notwendig sein, dazu andere Beweise aufzunehmen, so wären ihre Ergebnisse weiter mit ihm zu erörtern. Damit liegt aber eine der Voraussetzungen vor, die § 66 Abs. 2 AVG normiert: dass nämlich die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheine; denn ob es sich um eine kontradiktorische Verhandlung oder um eine bloße Einvernahme handelt, macht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keinen Unterschied (VwGH 21.11.2002, 2000/20/0084 mwN; 21.11.2002, 2002/20/0315; 11.12.2003, 2003/07/0079).

 

2.3.2. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung (VwGH 21.11.2002, 2000/20/0084; 21.11.2002, 2002/20/0315; ähnlich auch VwGH 12.12.2002, 2000/20/0236; 30.9.2004, 2001/20/0135; ebenso der Sache nach zu einem Verfahren, in dem der unabhängige Bundesasylsenat einen nach § 5 AsylG 1997 idF der AsylGNov. 2003 ergangenen Bescheid nach § 66 Abs. 2 AVG aufgehoben hatte: VwGH 9.5.2006, 2005/01/0141) ausgeführt hat, war in Asylsachen ein zweiinstanzliches Verfahren (mit nachgeordneter Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) eingerichtet; dabei kam dem unabhängigen Bundesasylsenat - einer gerichtsähnlichen, unparteilichen und unabhängigen Instanz als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens - die Rolle einer "obersten Berufungsbehörde" zu (Art. 129 c Abs. 1 B-VG idF vor Art. 1 Z 5 BG BGBl. I 100/2005). In diesem Verfahren hatte bereits das Bundesasylamt den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag relevanten Sachverhalt zu ermitteln, und es war gemäß § 27 Abs. 1 AsylG 1997 grundsätzlich verpflichtet, den Asylwerber dazu persönlich zu vernehmen. Diese Anordnungen würden aber - so die Rechtsprechung zu dieser Rechtslage - unterlaufen, wenn ein Ermittlungsverfahren in erster Instanz unterbliebe und somit nahezu das gesamte Verfahren vor die Berufungsbehörde - den unabhängigen Bundesasylsenat - verlagert würde, sodass die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen zur bloßen Formsache würde. Das wäre etwa der Fall, wenn es das Bundesasylamt ablehnte, auf das Vorbringen des Asylwerbers sachgerecht einzugehen und - so die Beispiele der Rechtsprechung - brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen. Es liegt nicht im Sinne des Gesetzes, wenn es die Berufungsbehörde ist, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und beurteilt, sodass sie ihre umfassende Kontrollbefugnis nicht wahrnehmen kann. Eine ernsthafte Prüfung des Antrages soll nicht erst bei der "obersten Berufungsbehörde" beginnen und zugleich enden, sieht man von der im Sachverhalt beschränkten Kontrolle ihrer Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof ab. Dies konnte auch bei Bedachtnahme auf eine mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens dafür sprechen, nach § 66 Abs. 2 AVG vorzugehen.

 

Art. 129 c B-VG idF des Art. 1 Z 28 BVG BGBl. I 2/2008 spricht nicht mehr vom unabhängigen Bundesasylsenat als der "oberste[n] Berufungsbehörde", sondern richtet den Asylgerichtshof als Gericht ein, das nach Erschöpfung des Instanzenzuges (ua.) "über Bescheide der Verwaltungsbehörden in Asylsachen" erkennt. Der Asylgerichtshof sieht keinen Grund anzunehmen, dass sich die dargestellte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht auf die neue Verfassungsrechtslage übertragen ließe, kann doch von einer Behörde, die - verfassungsrechtlich vorgesehen - "nach Erschöpfung des Instanzenzuges" zu erkennen hat, nicht gesagt werden, sie habe in dieser Hinsicht nicht (mindestens) dieselbe Stellung wie eine oberste Berufungsbehörde. Es liegt weiterhin nicht im Sinne des Gesetzes, wenn es dieses Gericht ist, das erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und beurteilt, sodass es seine umfassende Kontrollbefugnis nicht wahrnehmen kann. Eine ernsthafte Prüfung des Antrages soll nicht erst beim Asylgerichtshof beginnen und zugleich enden, sieht man von der beschränkten Kontrolle seiner Entscheidung durch den Verfassungsgerichtshof ab.

 

2.3.3. Das Bundesasylamt hat es unterlassen, brauchbare Ermittlungsergebnisse unter dem Aspekt des Aufenthaltes des Beschwerdeführers in das Verfahren einzuführen und daran die Wirksamkeit der Zustellung seines Bescheides vom 23.8.2001 zu messen. Hätte es das getan und diese Ergebnisse mit dem Beschwerdeführer erörtert, so hätte es ihn unter Umständen neuerlich vernehmen müssen, um den Sachverhalt weiter aufzuhellen. Der Asylgerichtshof kommt daher zu dem Ergebnis, dass eine Vielzahl von Umständen dafür spricht, nach § 66 Abs. 2 AVG vorzugehen.

 

2.4. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. Auf das Beschwerdevorbringen brauchte nicht eingegangen zu werden.

 

Sollte das Bundesasylamt im fortgesetzten Verfahren zum Ergebnis kommen, dass der Beschwerdeführer am 7.9.2001 einen Aufenthalt in Wien hatte und dass der Bescheid vom 23.8.2001 nicht wirksam zugestellt worden ist, dann wäre das Verfahren über den Asylantrag vom 17.6.2001 noch offen. Der zweite Asylantrag wäre dann als Ergänzung im laufenden Verfahren zu berücksichtigen (vgl. VwGH 16.9.1999, 99/20/0310; 24.2.2000, 98/20/0590; 12.4.2005, 2004/01/0491). Ein Ersatzbescheid, der den angefochtenen Bescheid ersetzen müsste, braucht in diesem Fall nicht erlassen zu werden. Welche Konsequenz es hätte, wenn der Beschwerdeführer zu dieser Zeit zwar einen (schlichten) Aufenthalt in Niederösterreich, nicht aber im Sprengel der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen begründet hatte, braucht derzeit nicht erörtert zu werden (vgl. VwGH 12.9.2002, 2001/20/0245, wonach - entsprechend § 4 Abs. 2 Jugendwohlfahrtsgesetz 1989 - Jugendwohlfahrtsträger das Land ist, dass aber die Landesgesetzgebung bestimmt, welche Organisationseinheiten die Aufgaben der öffentlichen Jugendwohlfahrt zu besorgen haben, andererseits VwGH 27.1.2000, 99/20/0471, 0472, der den Magistrat einer Stadt als gesetzlichen Vertreter im Auge hat).

Schlagworte
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung
Zuletzt aktualisiert am
23.01.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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