TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/14 A6 248830-0/2008

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Veröffentlicht am 14.10.2008
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Spruch

A6 248.830-0/2008/17E

 

Erkenntnis

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. Unterer als Vorsitzende und die Richterin Dr. Schrefler-König als Beisitzerin, im Beisein der Schriftführerin VB Wilhelm über die Beschwerde des M.S., geb. 00.00.1978, Staatsangehöriger der Demokratischen Republik Kongo, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 10.12.2003, Zl. 03 23.788-BAT, in nichtöffentlicher Sitzung, zu Recht erkannt:

 

In Erledigung der Beschwerde vom 30.03.2004 wird der bekämpfte Bescheid gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. Verfahrensgang

 

I.1. Der Beschwerdeführer gibt an, den im Spruch bezeichneten Namen zu tragen und Staatsangehöriger der Demokratischen Republik Kongo zu sein. Er reiste am 07.08.2003 unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag gegenständlichen Asylantrag. Der Beschwerdeführer wurde hiezu am 25.09.2003 durch durch das Bundesasylamt, Außenstelle Traiskirchen, niederschriftlich einvernommen.

 

I.2. Hinsichtlich der im Zuge dieser Befragung vom Beschwerdeführer zu seinen Fluchgründen getätigten Angaben wird ausdrücklich auf die Wiedergabe im angefochtenen Bescheid (S. 2-6) verwiesen. Der Beschwerdeführer brachte im Wesentlichen vor, er sei in seiner Heimat bei einer NGO tätig gewesen, die sich für Waisenkinder bis zu einem Alter von 15 Jahren eingesetzt, diese verpflegt und ihnen eine Ausbildung gewährt habe. Einige dieser Kinder beziehungsweise Jugendlichen seien schließlich abends nicht mehr zu der Organisation zurückgekehrt, da sie, wie sich in der Folge herausgestellt habe, zum Beitritt in militärische Einheiten überredet worden seien. Der Versuch der Organisation, diese Kinder aus den Fängen der Militärs zu befreien, da jene Organisation ja staatlich genehmigt sei und die Kinder unter deren Obhut stünden, sei fehl geschlagen. Ein Mitarbeiter, der an diesem Versuch beteiligt gewesen sei, sei von den Militärs abgeführt worden. Da der Beschwerdeführer überdies aus Kassai stamme, die militärischen Machthaber jedoch aus dem verfeindeten Katanga, hätten sie verstärkt nach dem Beschwerdeführer, der ebenfalls an dem Befreiungsversuch der Kinder teilgenommen habe, gesucht. Mit Hilfe seines NGO-Chefs habe der Beschwerdeführer seine Heimat in weiterer Folge verlassen.

 

I.3. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 10.12.2003, Zahl 03 23.788-BAT, wurde der Asylantrag gemäß § 7 AsylG 1997, BGBl I 1997/76 idgF, abgewiesen (Spruchteil I) und unter einem festgestellt, dass gemäß § 8 AsylG die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Demokratische Republik Kongo zulässig ist (Spruchteil II). Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das vom Beschwerdeführer erstattete Vorbringen mangels Substantiiertheit als nicht glaubhaft zu qualifizieren sei. Die Behauptung, Zutritt zu dem Militärlager gehabt zu haben, erschiene in Anbetracht der Tatsache, dass ein solcher Zutritt Zivilisten für gewöhnlich verwehrt sei, als gänzlich unglaubwürdig. Zudem sei es nicht nachvollziehbar, dass der Verantwortliche der Militärs, mit dem ja auch tatsächlich ein direktes Gespräch stattgefunden haben soll, namentlich nicht benannt habe werden können. Die Aussagen des Beschwerdeführers bezögen sich vielmehr auf vage Angaben, die nichts weiter als eine leere, emotionslose Rahmengeschichte darstellten. Auf Grund der langjährigen Erfahrung der Asylbehörden mit niederschriftlichen Einvernahmen könne aber davon ausgegangen werden, dass Antragsteller, sofern diese von persönlich erlebten, schrecklichen Ereignissen berichteten, die diesbezüglichen Schilderungen detailgetreu, versehen mit einer gewissen Emotionalisierung, wiedergeben würden. Zu Spruchpunkt II führte das Bundesasylamt aus, dass im Falle einer etwaigen Rückkehr des Beschwerdeführers kein Anhaltspunkt bestünde, einer Gefahr im Sinne des § 57 FrG ausgesetzt zu sein, da keine konkret gegen seine Person gerichteten staatlichen beziehungsweise vom Staat gebilligten Verfolgungsmaßnahmen glaubhaft gemacht worden seien.

 

I.4. Gegen diese Entscheidung erhob der Beschwerdeführer am 30.03.2004 innerhalb gesetzlicher Frist Berufung (nunmehr Beschwerde). Eine hiezu ergangene Nachreichung langte im Wege seines rechtsfreundlichen Vertreters am 09.11.2006 sowie ein weiterer Beweisantrag am 20.05.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat ein.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

II.1. Gemäß § 28 Abs. 1 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz nimmt der Asylgerichtshof mit 01.07.2008 seine Tätigkeit auf. Das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat (UBASG), BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2005, tritt mit 01.07.2008 außer Kraft.

 

II.1.2. Gemäß § 23 AsylGHG sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof, sofern sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005, BGBl. Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

II.1.3. Gemäß § 9 leg.cit. entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, sofern bundesgesetzlich nicht die Entscheidung durch Einzelrichter oder verstärkte Senate (Kammersenate) vorgesehen ist.

 

II.1.4. Gemäß § 61 Abs. 1 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes. Gemäß Abs. 3 entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4, wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5 und wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG sowie über die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

II. 1.5. Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005 sind am 1.7.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:

 

Mitglieder des Unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des Unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständigen Senat weiterzuführen.

 

II.1.6. Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Gemäß Abs. 3 leg. cit. kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

 

Auch der Asylgerichtshof ist zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG berechtigt. Eine kassatorische Entscheidung darf von der Berufungsbehörde nicht bei jeder Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes, sondern nur dann getroffen werden, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Die Berufungsbehörde hat dabei zunächst in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen, ob angesichts der Ergänzungsbedürftigkeit des ihr vorliegenden Sachverhaltes die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als "unvermeidlich erscheint". Für die Frage der Unvermeidlichkeit einer mündlichen Verhandlung im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG ist es aber unerheblich, ob eine kontradiktorische Verhandlung oder nur eine Vernehmung erforderlich ist (vgl. etwa VwGH 14.3.2001, 2000/08/0200; zum Begriff "mündliche Verhandlung" im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG siehe VwGH 21.11.2002, 2000/20/0084).

 

II.1.7. Der Gesetzgeber hat in Asylsachen ein zweiinstanzliches Verfahren (mit nachgeordneter Kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof) eingerichtet. In diesem Verfahren hat bereits das Bundesasylamt gemäß § 37 AVG den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag relevanten Sachverhalt zu ermitteln. Diese Anordnung des Gesetzgebers würde aber unterlaufen, wenn es wegen des Unterbleibens wesentlicher Sachverhaltsermittlungen in erster Instanz zu einer Verlagerung des Verfahrens vor den Asylgerichtshof käme und die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen damit zur bloßen Formsache würde. Es ist nicht im Sinne des Gesetzes, wenn die Berufungsbehörde, statt ihre (umfassende) Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können, eigentlich jene Behörde darstellt, die in einer Gesamtbetrachtung erstmals den für das Verfahren sowie für eine Entscheidung wesentlichen Sachverhalt ermittelt und einer Beurteilung unterzieht. Dieser Gesichtspunkt ist auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes - immer unter ausreichender Berücksichtigung des Parteieninteresses an einer raschen Erledigung des Asylverfahrens - bei der Ermessensausübung nach § 66 Abs. 2 und 3 AVG einzubeziehen.

 

II.1.8. Im gegenständlichen Fall ist der angefochtenen Bescheid des Bundesasylamtes und das diesem zugrunde liegende Verfahren so mangelhaft, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

 

Das Bundesasylamt hat es gänzlich verabsäumt, die aktuellen Verhältnisse in der Demokratischen Republik Kongo zu ermitteln, da keinerlei auf Berichtsmaterial oder Dokumentationen beruhende Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid getroffen wurden. Ermittlungen dieser Art sind aber zumindest zur allgemeinen Lage und zur Rückkehrsituation im Herkunftsstaat zu treffen. Darauf aufbauende Feststellungen wären jedenfalls notwendig gewesen, um das - wenn auch als nicht glaubhaft erachtete - Vorbringen des Beschwerdeführers erstinstanzlich in umfassender Weise überprüfen zu können. Es ist nicht als ausreichend anzusehen, lediglich die leere Behauptung aufzustellen, der Beschwerdeführer hätte eine konkrete staatliche Verfolgung seiner Person nicht glaubhaft darzustellen vermocht, weshalb auch im Lichte des § 57 Abs. 1 FrG keine stichhaltigen Gründe für einen Verbleib im österreichischen Bundesgebiet vorlägen. Das erstinstanzliche Begründungsdefizit erweist sich als umso gravierender, als die belangte Behörde in dem bekämpften Bescheid zwar richtigerweise ausführt, dass § 8 AsylG 1997 seinen Prüfungsrahmen auf den Herkunftsstaat des Beschwerdeführers beschränke und daher Ermittlungen betreffend jenen Staat anzustreben seien, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers basierend auf seinem Antrag zu erfolgen habe, jedoch trotzdem keinerlei Feststellungen zur aktuellen Lage in der Demokratischen Republik Kongo getroffen hat. Woraus das Bundesasylamt überdies die Erkenntnis schöpft, dass sich "auf Basis der Sachverhaltsfeststellungen" kein Anhaltspunkt für eine besondere Gefahr abgeschobener Fremde - beispielweise infolge Zusammenbruchs der Staatsgewalt im Herkunftsstaat - ergäbe, welche eine reelle Beeinträchtigung im Sinne des § 57 FrG darstellen würde, und der Beschwerdeführer überdies aus dem von der Staatsregierung kontrollierten Landesteil stamme, ist auf Grund des Fehlens jeglicher dahingehender Feststellungen nicht nachvollziehbar. Dem erstinstanzlichen Akt ist eine Begründung dieser durch das Bundesasylamt aufgestellten Behauptungen an keiner Stelle, auch nicht durch entsprechende Verweise auf einschlägige Quellen beziehungsweise Berichte zur aktuellen Lage in der Demokratischen Republik Kongo, auch nur ansatzweise zu entnehmen.

 

Das Bundesasylamt zitiert zwar die fremdenrechtliche Bestimmung, unter welcher Voraussetzung sich die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Asylwerbers als gerechtfertigt erweise, unterlässt es aber, auf das gegenständliche Verfahren insbesondere auf die Rückkehrproblematik, verbunden mit der allfällig bestehenden Möglichkeit einer innerstaatlichen Flucht- bzw. Schutzalternative, in konkreter Weise einzugehen. Schlichtweg von der Unglaubwürdigkeit der getätigten Angaben auszugehen, ohne die wohl als instabil zu bezeichnende Sicherheitslage in der Demokratischen Republik Kongo in diese Entscheidung mit einzubeziehen, widerspricht jedenfalls dem Grundsatz der Offizialmaxime, wonach die Behörde den entscheidungsrelevanten Sachverhalt von Amts wegen festzustellen hat. Die freie Beweiswürdigung zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Vorbringens darf erst nach einer vollständigen Beweiserhebung einsetzen. Eine antizipierte Beweiswürdigung, die darin besteht, dass der Wert eines Beweises abstrakt beurteilt wird, ist jedenfalls unzulässig (vgl. Putzer/Rohrböck, Leitfaden Asylrecht (2007) Rz 323).

 

Zudem wurde das individuell erstattete Vorbringen des Beschwerdeführers nicht in hinreichender Weise gewürdigt. Entgegen der Ansicht der Erstbehörde berief sich der Beschwerdeführer sehr wohl auf dem Geschehen zugrunde liegende Einzelheiten; so schilderte er unter anderem die genaue Struktur der Organisation, welcher er angehörte, und vermochte auch plausibel darzustellen, unter welchen Voraussetzungen er Zutritt zu besagtem Militärcamp gehabt habe. Wenn das Bundesasylamt diese Angaben von vornherein als nicht glaubhaft beurteilte, so sollte auch die Bemühung angestrengt werden, diese Ansicht entsprechend zu begründen und nicht pauschal auf die allgemeine Lebenserfahrung zu verweisen.

 

Des Weiteren wurde vom Beschwerdeführer vorgebracht, dass er persönlich von den Militärs gesucht würde, da er unter anderem aus einer den militärischen Machthabern verfeindeten Region stammte. Diese daraus vermeintlich resultierende Problematik wurde von der belangten Behörde nicht einmal im Ansatz berücksichtigt und mit keinem Wort gewürdigt.

 

Das Bundesasylamt wird im fortgesetzten Verfahren unter Berücksichtigung der in der Beschwerde vorgebrachten Argumente und nach allfälliger Prüfung gestellter Beweisanträge zu ermitteln haben, ob der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in seine Heimat - wenn auch allenfalls in einer hypothetischen Betrachtungsweise - diskriminierenden Handlungen seitens des kongolesischen Militärs ausgesetzt wäre und ihn im Zuge einer drohenden Inhaftierung eine unmenschlichen Behandlung oder Strafe beziehungsweise Todesstrafe erwarten würde. Überdies ist durch geeignete Dokumentationen festzustellen, ob die Tatsache der Zugehörigkeit zur Region Kassai etwaige Nachteile beziehungsweise Konflikte mit Angehörigen der Region Katanga in sich bergen könnte. Des Weiteren ist in den zu treffenden Feststellungen unter Beifügung einer entsprechenden Begründung zu überprüfen, ob im Falle des Beschwerdeführers der von ihm behaupteten Verfolgungsgefahr durch Umsiedelung in einen anderen Landesteil der Demokratischen Republik Kongo Abhilfe geschaffen werden könnte. Es ist hier auf die einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen. Ohne Erhebungen der für die Prüfung notwendigen Tatsachen kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Sachverhalt entsprechend entscheidungsrelevant ermittelt wurde. Eine neuerliche Befragung des Beschwerdeführers und Würdigung seines Vorbringens nach Vorhalt aktueller Länderfeststellungen wird die Erstbehörde im fortgesetzten Verfahren nachzuholen haben.

 

Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner jüngsten Rechtsprechung eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit (aktuellen) Länderberichten verlangt (VwGH vom 26.11.2003, Zl.: 2003/20/0389). Aufgrund des augenscheinlich mangelnden Ermittlungsverfahrens des Beundesasylamtes - fehlende Feststellungen, mangelhafte Beweiswürdigung zur persönlichen Unglaubwürdigkeit, mangelnde Würdigung von Beweismitteln - hat die Erstbehörde jedenfalls eine solche ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens nicht vorgenommen.

 

Aus Sicht des Asylgerichtshofes verstößt das Prozedere der Erstbehörde somit gegen die von § 28 AsylG 1997 determinierten Ermittlungspflichten. Der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 28 AsylG bestimmt nämlich, dass die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben getätigt oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Rechtsnorm, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG i.V.m. § 39 Abs. 2 leg. cit. hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörde, den maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen, ist, hat die Erstbehörde in diesem Verfahren missachtet.

 

Es hätte jedenfalls im Sinne des § 45 Abs 3 AVG auch einer Konfrontation der Partei mit dem (wie oben aufgezeigt) amtswegig zu ermittelnden Sachverhalt und den diesbezüglichen Beweismitteln bedurft. Den Parteien ist das Ergebnis der behördlichen Beweisaufnahme in förmlicher Weise zur Kenntnis zu bringen und ausdrücklich unter Setzung einer angemessenen Frist Gelegenheit zu geben, zu diesen Ergebnissen Stellung zu nehmen (VwGH 05.09.1995, Zl. 95/08/0002), was nicht geschehen ist. Gegenstand des Parteiengehörs sind sämtliche Ergebnisse der Beweisaufnahme. Auch soweit die Behörde bestimmte Tatsachen als offenkundig behandelt, ist dies der Partei bekannt zu geben (VwGH 17.10.1995, Zl. 94/08/0269). Gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 27.02.2003, Zl. 2000/18/0040) ist die Verletzung des Parteiengehörs zwar saniert, wenn im Bescheid die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens dargelegt werden und die Partei die Möglichkeit hat, in ihrer Berufung dagegen Stellung zu nehmen - Voraussetzung einer solchen Sanierung ist aber, dass in der erstinstanzlichen Bescheidbegründung tatsächlich alle Beweisergebnisse dargelegt werden, da ansonsten die Berufungsbehörde das Parteiengehör einräumen müsste (VwGH 25.03.2004, Zl. 2003/07/0062). Durch die oben dargestellte mangelhafte Bescheidbegründung ist dieses Erfordernis aber mit Sicherheit nicht erfüllt.

 

Im gegenständlichen Fall ist der angefochtene Bescheid des Bundesasylamtes und das diesem zugrunde liegende Verfahren im Ergebnis so mangelhaft, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Weder erweist sich der Sachverhalt in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt noch ergibt sich aus den bisherigen Ermittlungen, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspräche. Das Bundesasylamt wird in weiterer Folge in einer ergänzenden Einvernahme die konkreten Ermittlungsergebnisse mit dem Beschwerdeführer unter Zugrundelegung aktueller Länderfeststellungen zu erörtern haben, um beurteilen zu können, ob das vom Beschwerdeführer erstattete Vorbringen tatsächlich als nicht glaubhaft qualifiziert werden kann. Eine allfällig gleichlautende Entscheidung wird unter Berücksichtigung der gewonnenen Ermittlungsergebnisse entsprechend zu begründen sein, sodass sie einer nachfolgenden Kontrolle standzuhalten vermag.

 

II.1.8. Von der durch § 66 Abs. 3 AVG eingeräumten Möglichkeit, die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme selbst durchzuführen, wenn "hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist", war im vorliegenden Fall schon deshalb nicht Gebrauch zu machen, weil das Verfahren vor dem Asylgerichtshof - anders als das erstinstanzliche Asylverfahren - sich als Mehrparteienverfahren darstellt (vgl. § 67b Z 1 AVG), sodass schon aufgrund der dadurch bedingten Erhöhung des administrativ-manipulativen Aufwandes bei Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung, dies unter Berücksichtigung der §§ 51a bis d AVG und der Notwendigkeit der Ladung mehrerer Parteien, keine Kostenersparnis zu erzielen wäre. Hinzu kommt, dass die Vernehmung vor dem Bundesasylamt dezentral durch die Außenstellen in den Bundesländern erfolgt, während der Asylgerichtshof als zentrale Bundesbehörde in Wien (mit einer Außenstelle in Linz) eingerichtet ist, sodass auch diesbezüglich eine Kostenersparnis nicht ersichtlich ist. Im Übrigen liegt eine rechtswidrige Ausübung des Ermessens durch eine auf § 66Abs. 2 AVG gestützte Entscheidung schon dann nicht vor, wenn die beteiligten Behörden ihren Sitz am selben Ort haben (VwGH 21.11.2002, Zl. 2000/20/0084, unter Verweis auf VwGH 29.01.1987, Zl. 86/08/0243).

 

II.1.9. Ausgehend von diesen Überlegungen war im vorliegenden Fall dem diesbezüglichen Antrag in der Beschwerde Rechnung zu tragen und das dem Asylgerichtshof gemäß § 66 Abs. 2und 3 AVG eingeräumte Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung zu üben. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass im Fall eines gemäß § 66 Abs. 2 AVG ergangenen aufhebenden Bescheides die Verwaltungsbehörden (lediglich) an die die Aufhebung tragenden Gründe und die für die Behebung maßgebliche Rechtsansicht gebunden sind (vgl. z.B. VwGH 22.12.2005, Zl. 2004/07/0010, VwGH 08.07.2004, Zl. 2003/07/0141); durch eine Zurückverweisung nach § 66 Abs. 2 AVG tritt das Verfahren aber in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides befand (VwGH 22.05.1984, Zl. 84/07/0012), sodass das Bundesasylamt das im Rahmen des Beschwerdeverfahrens erstattete weitere Parteivorbringen zu berücksichtigen und gemäß § 18 Abs. 1 AsylG gegebenenfalls darauf hinzuwirken haben wird, dass dieses ergänzt bzw. vervollständigt wird.

Schlagworte
Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung, Parteiengehör
Zuletzt aktualisiert am
28.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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