TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/14 A10 301848-1/2008

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Veröffentlicht am 14.10.2008
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Spruch

A10 301848-1/2008/13E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Pipal als Vorsitzenden und die Richterin Dr. Schnizer-Blaschka als Beisitzerin über die Beschwerde von O.C., geb. 00.00.1982, StA. Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 08.05.2006, GZ 03 27.385-BAW, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.10.2008 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der Fassung BGBl. I Nr. 126/2002 (AsylG) und § 8 Abs. 1 und 2 AsylG in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003 als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

1. Der Beschwerde liegt folgendes Verwaltungsverfahren zugrunde:

 

Der Beschwerdeführer brachte nach seiner illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 09.09.2003 den vorliegenden Asylantrag ein.

 

Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 22.09.2003 gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen an, sein Vater und seine Mutter seien im Jahr 1990 verstorben. Er habe Angst gehabt, getötet zu werden. Als sein Vater gestorben sei, habe sich sein Onkel um ihn und seine Schwester gekümmert. Eines Tages habe der Onkel zu ihm gesagt, er müsse dort weitermachen, wo sein Vater aufgehört habe. Dieser sei Mitglied eines Geheimkultes gewesen und habe dem Beschwerdeführer auf dem Körper ein Zeichen gemacht, welches bedeutet habe, dass er auch Mitglied werden müsse. Der Beschwerdeführer habe dies aber nicht gewollt, weil er Christ sei. Sein Onkel habe ihn zu dem Geheimkult mitgenommen. Dort seien viele Leute gewesen, sie hätten das Blut eines kleinen Kindes getrunken. Der Beschwerdeführer habe sich geweigert, an diesem Ritual teilzunehmen. In weiterer Folge habe er mit seinem Bischof gesprochen und ihm gesagt, dass er Priester werden wolle. Dieser habe ihm versprochen, ihn in einem Priesterseminar unterzubringen, und habe ihn einem anderen Geistlichen empfohlen, bei dem er dann einige Zeit gewohnt habe. Dieser sei von der Kultgemeinde umgebracht worden. Die Kultgemeinde habe auch dem Beschwerdeführer nach dem Leben getrachtet. Dieser Kult heiße Oboni. Er habe überall in Nigeria Informanten und könne den Beschwerdeführer überall finden.

 

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 00.00.2004 wurde der Beschwerdeführer wegen § 28 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren rechtskräftig verurteilt.

 

Im Zuge der Einvernahme am 05.04.2006 sagte der Beschwerdeführer unter anderem noch aus, er hätte im Alter von 12 oder 13 Jahren den Posten seines Vaters übernehmen sollen. Sein Vater habe gegenüber der Ogboni-Gesellschaft einen Schwur abgelegt, dass der Beschwerdeführer ihn nach seinem Tod in der Gesellschaft ersetzen werde. Der Beschwerdeführer sei nach dem Tod seines Vaters zu der Gesellschaft gebracht und in einem Ritus mit Blut initiiert worden. So sei er Mitglied dieses Kultes geworden. Als er 14 Jahre alt gewesen sei, habe ihn seine Schwester in die Kirche gebracht. Ein Jahr nach dem Tod seiner Schwester sei auch der Pastor verstorben. Nach dem Tod des Pastors und der Schwester hätten ihn die Mitglieder des Kultes im Jahr 2003 umbringen wollen.

 

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde I. der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG abgewiesen, II. festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zulässig ist und III. dieser gemäß § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen.

 

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde samt Beschwerdeergänzung.

 

Das Beschwerdeverfahren musste am 17.10.2006 vorübergehend wegen des unbekannten Aufenthaltes des Beschwerdeführers eingestellt werden.

 

Am 05.02.2007 stellte der Beschwerdeführer in der Slowakei unter einer anderen Identität einen Asylantrag und wurde in weiterer Folge nach Österreich rücküberstellt.

 

Der Asylgerichtshof führte am 04.09.2008 und am 14.10.2008 eine mündliche Verhandlung durch, zu welcher der Beschwerdeführer trotz ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt nicht erschien.

 

2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens wird folgender Sachverhalt festgestellt:

 

Zur Person und den Fluchtgründen des Beschwerdeführers wird festgestellt:

 

Der Beschwerdeführer ist nach seinen eigenen Angaben Staatsangehöriger von Nigeria, gehört der Volksgruppe der Ibo an und stammt aus dem Dorf O. im Bundesstaat Anambra.

 

Es ist nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wäre. Der Beschwerdeführer behauptete eine Bedrohung durch Anhänger der Ogboni-Gesellschaft, doch war das gesamte diesbezügliche Vorbringen als unglaubwürdig zu qualifizieren, nämlich dass sein Vater Mitglied der Ogboni-Gesellschaft gewesen sei, der Beschwerdeführer diesem nach dessen Tod hätte nachfolgen sollen, sich jedoch geweigert habe und deswegen von Mitgliedern der Ogboni-Gesellschaft mit der Ermordung bedroht worden sei.

 

Denn der Beschwerdeführer verwickelte sich bereits bei seinen Einvernahmen vor dem Bundesasylamt in mehrere wesentliche Widersprüche. So machte er bei den Einvernahmen am 22.09.2003 und 05.04.2006 jeweils unterschiedliche Angaben zu den Fragen, wie alt er beim Tod seines Vaters gewesen sei bzw. ob er nun diesem Kult beigetreten sei oder nicht bzw. wie viele Jahre er im Dorf O. gelebt habe. Weiters steht nach den Länderberichten die Mitgliedschaft in der Ogboni-Gesellschaft nur Angehörigen hoch angesehener Familien der Yoruba offen, nur ausnahmsweise auch anderen Volksgruppen. Der Beschwerdeführer und sein Vater gehören aber der Volksgruppe der Ibo an. Es gibt auch keine Berichte über Menschenopfer durch die Ogboni-Gesellschaft. Außerdem kann man sich im Fall einer Bedrohung durch die Ogboni-Gesellschaft durchaus auf zumutbare Weise in einem anderen Landesteil Nigerias, etwa in einer der großen Städte, niederlassen und auf diese Weise mit hinreichender Wahrscheinlichkeit der Gefahr entziehen. Der Asylgerichtshof führte in der Sache des Beschwerdeführers auch eine mündliche Verhandlung durch, um diesem die Möglichkeit zu bieten, sein Fluchtvorbringen durch eine persönliche Aussage glaubhaft zu machen. Der Beschwerdeführer blieb jedoch der Verhandlung unentschuldigt fern.

 

Es konnten im konkreten Fall auch keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Gefahr liefe, in seinem Herkunftsstaat einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

 

Auf private oder familiäre Anknüpfungspunkte des Beschwerdeführers in Österreich gibt es keinen Hinweis.

 

Zur Lage in Nigeria wird festgestellt:

 

Zur politischen und menschrechtlichen Situation in Nigeria werden folgende Feststellungen getroffen:

 

Die Situation in Nigeria ist grundsätzlich ruhig, die Staatsgewalt (Polizei und Justiz) funktionsfähig. Anzumerken ist jedoch, dass die nigerianische Bundespolizei in personeller Hinsicht im Vergleich zu westlichen Staaten relativ schlecht ausgestattet und verschiedentlich auch mangelhaft ausgebildet ist, weshalb in einzelnen Bundesstaaten so genannte Bürgerwehren polizeiliche Aufgaben übernommen haben. In einzelnen Landesteilen Nigerias (z. B. in den nördlichen Bundesstaaten Kano und Kaduna) kommt es wiederholt zu religiös motivierten Auseinandersetzungen zwischen Christen und Moslems. Weiters kommt es im Niger-Delta verschiedentlich zu Auseinandersetzungen zwischen verfeindeten Volksgruppen. In bestimmten Fällen wurde das Militär zur Niederschlagung von Unruhen eingesetzt. Abgesehen von diesen lokal begrenzten Auseinandersetzungen ist die Situation in Nigeria jedoch ruhig. Im Zuge der Gouverneurs- und Präsidentenwahlen 2007 kam es in einzelnen Landesteilen zu mittlerweile beendeten Unruhen, es herrscht jedoch kein Bürgerkriegszustand.

 

Die im Mai 1999 in Kraft getretene nigerianische Verfassung verfügt im Kapitel V über einen Grundrechtskatalog, der sich an den einschlägigen völkerrechtlichen Instrumenten orientiert. Die nigerianische Regierung bekennt sich auch politisch zum Schutz der Menschenrechte und zählt diesen zu den Prioritäten des Regierungshandelns. Die Verfassung garantiert die Religionsfreiheit, definiert Nigeria als säkularen Staat und verbietet es dem Bundesstaat oder einzelnen Staaten, eine Religion zur Staatsreligion zu machen.

 

Grundsätzlich kann, insbesondere wegen des fehlenden Registrierungswesens, örtlich begrenzten Konflikten bzw. Verfolgungsmaßnahmen durch Übersiedlung in einen anderen Landesteil ausgewichen werden. Alle nigerianischen Großstädte sind multi-ethnisch. In der Regel wohnen die Angehörigen der jeweiligen Volksgruppe möglichst in derselben Gegend, wenn sie nicht sogar ausschließlich ganze Stadtviertel belegen. Jeder der fremd in eine Stadt kommt, wird sich in die Gegend begeben, wo er "seine Leute" findet. Unter "seinen Leuten" können nicht nur Angehörige derselben Ethnie, sondern auch Personen desselben Religionsbekenntnisses, Absolventen derselben Schule oder Universität, Bewohner desselben Dorfes oder derselben Region verstanden werden. Von diesen Personengruppen kann der Betreffende Unterstützung erwarten. In der Regel wird ihm die Bestreitung des Lebensunterhaltes ermöglicht werden.

 

Es liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass abgelehnte Asylwerber bei der Rückkehr nach Nigeria nach Beantragung von Asyl in einem westeuropäischen Land mit staatlichen Repressionen zu rechnen hätten. Außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise (z. B. Verhaftung) von abgeschobenen oder freiwillig ausgereisten Asylwerbern sind bisher nicht bekannt geworden. Die Basisversorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln ist zumindest im städtischen Bereich grundsätzlich gewährleistet. In den Großstädten ist eine ausreichende medizinische Versorgungslage gegeben, es gibt sowohl staatliche als auch zahlreiche privat betriebene Krankenhäuser.

 

(Quellen: United States Department of State, Nigeria. Country Report on Human Rights Practices 2007, 11.03.2008; Auswärtiges Amt Berlin, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, 06.11.2007)

 

Zu traditionellen Religionen und Geheimkulten werden folgende Feststellungen getroffen:

 

In Nigeria wird vielfach an Magie (Zauberei, Juju) geglaubt. Viele Volksgruppen Nigerias bekennen sich auch zu - regional unterschiedlichen - traditionellen Religionen. Diese werden teilweise neben der christlichen oder der islamischen Religion praktiziert. Ritualmorde und Menschenopfer sollen früher praktiziert worden sein. Heute sollen Menschenopfer im Zuge von religiösen Zeremonien hingegen nicht mehr vorkommen. Jedoch kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass es auch heute noch in Nigeria zu Gewalttaten mit religiöser oder ritueller Komponente kommt. Es gibt aber keine Hinweise darauf, dass solche Straftaten von den staatlichen Organen geduldet bzw. nicht verfolgt würden. Beispielsweise wurden im Jahr 2003 vom nigerianischen Höchstgericht Todesurteile gegen sieben Personen, denen Beteiligung an einem so genannten Ritualmord vorgeworfen wurde, bestätigt. Ritualmord oder der Besitz von Leichen, Leichenteilen oder menschlichem Blut ohne entsprechendes medizinisches Zertifikat ist in manchen Bundesstaaten sogar ein eigener Straftatbestand.

 

In Nigeria existieren Geheimkulte, deren bekanntester die Ogboni-Gesellschaft ist. Die Bedeutung der Geheimkulte liegt darin, dass die Mitgliedschaft häufig Ressourcen, Einfluss und Arbeit sichert und Bestandteil der sozialen Integration ist und damit über Leben und Status der jeweiligen Familie bestimmt. Normalerweise liegt keine Zwangsmitgliedschaft vor, doch fühlen sich viele Personen - in der Regel von der eigenen Familie - auf Grund der Vorteile, die ein Beitritt zu einem Geheimkult mich sich bringt, unter Druck gesetzt. Die Geheimgesellschaften akzeptieren nicht jedermann, sondern laden Mitglieder angesehener Familien zum Beitritt ein. Auf Unwillige, nur durch Zwang rekrutierte Mitglieder wird in der Regel kein Wert gelegt. Allenfalls kann derjenige, der sich weigert beizutreten, sein Eigentum und Erbe verlieren, muss aber nicht um sein Leben fürchten. Verfolgung durch einen Geheimkult ist allerdings dann zu befürchten, wenn jemand seine Geheimnisse preisgibt. Diese Geheimnisse sollen sich nicht auf die Namen der Mitglieder beziehen, da diese in der Regel ohnehin allgemein bekannt sind, sondern auf die Entscheidungen und Interna der Geheimgesellschaft. Wenn ein Mitglied des Geheimkultes diesen verlassen will, dann führt dies nicht zwangsläufig zu nachteiligen Auswirkungen oder einer Verfolgung. Geheimkulte beziehen einen Teil ihrer Macht aus dem verbreiteten Glauben daran, dass ihnen übernatürliche Kräfte zukommen.

 

Der Ogboni-Bund ist - als "traditionelle" Ogboni-Gesellschaft - zu unterscheiden von der "Reformed Ogboni Society" (ROF), einer Vereinigung einflussreicher Leute, die 1914 gegründet wurde. Vertreter der ROF leugnen einen Zusammenhang mit der traditionellen Ogboni-Gesellschaft, obwohl es Personen geben soll, die beiden Vereinigungen angehören. Die ROF soll sich selbst mit dem Freimaurer-Orden vergleichen. Die traditionelle Ogboni-Gesellschaft, von der im Folgenden die Rede ist, war Teil des sozialen und politischen Systems der Yoruba-Königreiche. Die Ogboni hatten eine religiöse und eine Rechtsprechungsfunktion; sie konnten den König "machen" und absetzen (d. h. zum Selbstmord zwingen; den letzten - erfolglosen - Versuch dieser Art soll es in den späten vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts gegeben haben). Es gab unterschiedliche Ränge; die Mitgliedschaft war vererblich dergestalt, dass eine Familie, in deren Eigentum ein Titel stand, den Nachfolger vorschlagen durfte. Die Mitgliedschaft im unteren Rang setzte keine Initiation voraus und brachte kein Geheimwissen mit sich, sie soll nach anderen Angaben einfach vererbt worden sein. Die Ogboni sollen heute noch beträchtlichen Einfluss und Verbindungen zu den offiziellen staatlichen Strukturen haben. Man muss annehmen, dass es eine Vielzahl von Ogboni-Gesellschaften gibt, die einander in Aufbau, Aufnahme von Mitgliedern, Ritualen und Sanktionsformen nicht unbedingt gleichen.

 

In der Literatur wird ein - offenbar nur historisch relevanter - Fall erörtert, in dem jemand wegen der Weigerung, dem Ogboni-Bund beizutreten, mit Sanktionen bis zur Tötung bedroht wurde, der Fall nämlich, dass sich ein Mitglied der Oyo Misi, die eine Art Staatsrat bildeten und automatisch Mitglied der Ogboni waren, der Verantwortung entziehen wollte, die mit dieser Funktion verbunden war.

 

Der Ogboni-Gesellschaft gehören nur Yoruba oder Angehörige ihrer Unterstämme an; andere werden nur ausnahmsweise aufgenommen. Voraussetzungen für die Aufnahme sind ein gewisses Alter, nämlich etwa 30 Jahre, sowie ein bestimmter sozialer Status und Wohlstand. Üblicherweise gehören einer Ogboni-Gesellschaft auch einige Frauen an. Im Einzelfall kann die Familie großen Druck auf jemanden ausüben, um ihn zum Beitritt zu bewegen. Gerüchte über Menschen- und Blutopfer oder über Kannibalismus sollen der Abschreckung und dazu dienen, die Ehrfurcht vor den Ogboni zu steigern. Ritualmorde und Menschenopfer sollen früher praktiziert worden sein, kommen aber heute nicht mehr vor.

 

(Quellen: Home Office, Country of Origin Information Report Nigeria, 13.11.2007, Pkt. 29.01, 29.02; Home Office, Immigration and Nationality Directorate, Operational Guidance Note Nigeria, 18.01.2007, Pkt. 3.12; Immigration and Refugee Board of Canada, Country of Origin Research, Nigeria, 12.07.2005; Gutachten von Reinhard Schmidt-Grüber, 05.10.2004, Fragen 26-31; ACCORD, Birgit Kirsten Müllner/Barbara Svec, Nigeria. Länderbericht August 2004, S. 57-68)

 

Zum Dekret 33/1990 wird festgestellt:

 

Der Titel des Erlasses Nr. 33 aus 1990 lautet "(Novellierungs-)Erlass betreffend die nationale Suchtmittelgesetzvollstreckungsbehörde". Durch diesen Erlass wurde das Gesetz betreffend die nationale Suchtmittelgesetzvollstreckungsbehörde (Kapitel 253 der Bundesgesetze Nigerias, 1990) abgeändert. Durch die Novellierung per Erlass Nr. 33 aus 1990 wurde diesem Gesetz folgender - hier in deutscher Übersetzung wiedergegebener - § 12 A hinzugefügt:

 

"12. A. (1) Jeder, dessen Reise in Nigeria ihren Ausgang nimmt, ohne dass bei ihm verbotene Suchtmittel oder psychotrope Substanzen entdeckt werden, bei dem sich jedoch herausstellt, dass er derartige verbotene Suchtmittel oder psychotrope Substanzen in ein fremdes Land eingeführt hat, macht sich ungeachtet der Tatsache, dass er wegen der strafbaren Handlung der unrechtmäßigen Einfuhr oder des Besitzes derartiger Suchtmittel oder psychotroper Substanzen im Ausland vor Gericht gestellt oder verurteilt wird, einer strafbaren Handlung gemäß diesem Absatz schuldig.

 

(2) Jeder nigerianische Staatsbürger, der im Ausland einer strafbaren Handlung im Zusammenhang mit Suchtmitteln oder psychotropen Substanzen für schuldig befunden wird und dadurch den Namen Nigerias in Verruf bringt, macht sich einer strafbaren Handlung gemäß diesem Absatz schuldig.

 

(3) Jeder, der wegen einer strafbaren Handlung gemäß Absatz (1) oder

(2) dieses Paragraphen verurteilt wird, ist mit einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren ohne die Möglichkeit der Wahl einer Geldstrafe zu bestrafen und sein Vermögen und Besitz nach Maßgabe dieses Erlasses einzuziehen."

 

Nach Auffassung des Präsidenten des Obersten Gerichtshofs von Nigeria handelt es sich um einen Tatbestand, der sich auf das In-Verruf-Bringen des Namens Nigerias bezieht und sich solcherart von einer ihm Ausland verübten strafbaren Handlung im Zusammenhang mit der Einfuhr, dem Handel oder dem Besitz von Suchtmitteln im Ausland unterscheidet. Die strafbare Handlung gemäß dem zitierten § 12 A sei nicht dieselbe wie die strafbare Handlung, deretwegen ein nigerianischer Staatsbürger im Ausland verurteilt wird, weil es unvorstellbar sei, dass ein fremder Staat einen nigerianischen Staatsbürger wegen des In-Verruf-Bringens Nigerias verurteilen und bestrafen wird. Deshalb ist die Strafbestimmung nach Auffassung des Präsidenten des Obersten Gerichtshofs mit Art. 36 Abs. 9 der nigerianischen Verfassung grundsätzlich vereinbar, der lautet wie folgt:

 

"Niemand, der nachweist, dass er wegen einer strafbaren Handlung vor ein zuständiges Gericht oder Sondergericht gestellt und entweder schuldig gesprochen oder freigesprochen wurde, kann wegen der selben strafbaren Handlung oder wegen einer strafbaren Handlung, die den selben Tatbestand wie diese strafbare Handlung erfüllt, noch einmal vor Gericht gestellt werden, ausgenommen auf Anordnung eines höheren Gerichts (Anmerkung: im Falle der Aufhebung untergerichtlicher Urteile wegen eines Verfahrensmangels und Anordnung eines neuerlichen Verfahrens)."

 

Die Frage, ob es sich bei der Bestrafung nach dem zitierten Dekret 33 aus 1990 nach bereits erfolgter Anklage oder Verurteilung wegen eines Drogendelikts im Ausland um eine nach der zitierten Verfassungsbestimmung unzulässige Doppelbestrafung handelt, unterliegt allerdings noch immer einer Prüfung durch ein nigerianisches Gericht. Ein Ergebnis dieser Prüfung liegt noch nicht vor.

 

Der zitierte § 12 A des Gesetzes betreffend die nationale Suchtmittelgesetzvollstreckungsbehörde, eingefügt durch Dekret Nr. 33 aus 1990, wurde bisher nicht aufgehoben und ist - zumindest formal - weiterhin Bestandteil der nigerianischen Rechtsordnung.

 

(Quellen: Auswärtiges Amt Berlin, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, 06.11.2007; Stellungnahme des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes von Nigeria vom Oktober 2001 samt deutscher Übersetzung; Auskunft der österreichischen Botschaft Lagos betreffend Abschiebungen nach Nigeria vom 14.12.2003)

 

Es kann jedoch - im Gegensatz zu verschiedenen verbalen Bekenntnissen zum Dekret 33 aus 1990 - nicht festgestellt werden, dass seit Anfang des Jahres 2000 Inhaftierungen, Anklageerhebungen oder Verurteilungen auf Grundlage des obzitierten § 12 A des Gesetzes betreffend die nationale Suchtmittelgesetzvollstreckungsbehörde, eingefügt durch Dekret Nr. 33 aus 1990, erfolgt sind. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass nach Nigeria abgeschobene oder zurückkehrende nigerianische Staatsangehörige auf Grund des im Dekret 33 aus 1990 vorgesehenen Straftatbestandes des "In-Verruf-Bringens des Namens Nigerias" angeklagt oder verurteilt worden sind. Es kann des Weiteren nicht festgestellt werden, dass nach Nigeria abgeschobene bzw. zurückkehrende Personen auf Grundlage der genannten Gesetzesbestimmung festgenommen oder inhaftiert worden wären. Die österreichischen Fremdenpolizeibehörden führen ebenso wie die Behörden anderer EU-Mitgliedstaaten, insbesondere Deutschland und Italien, laufend Abschiebungen nach Nigeria durch. In der ersten Hälfte des Jahres 2002 wurden von den österreichischen Behörden (auch) Personen nach Nigeria abgeschoben, die zuvor von österreichischen Gerichten wegen Verstößen gegen das Suchtmittelgesetz verurteilt worden waren. Die Ankunft der Abgeschobenen wird in der Regel am Flughafen Lagos von einem Angehörigen der österreichischen Botschaft beobachtet, wobei eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Zusatzstrafe von Asylwerbern nach der Heimkehr nicht festgestellt werden konnte. Da somit das Dekret 33 in der Praxis nicht mehr angewendet wird, besteht keine relevante Gefahr für Rückkehrer.

 

(Quellen: Stellungnahme des Auswärtigen Amtes Berlin für das Verwaltungsgericht Chemnitz vom 20.11.2006; Auskunft von ACCORD vom 13.01.2004 betreffend konkrete Anwendungsfälle des so genannte Dekrets 33 in Nigeria; Auszug aus dem ACCORD Länderbericht Nigeria vom September 2002 betreffend das so genannte Dekret 33 und dessen Anwendung in Nigeria; Schreiben der österreichischen Botschaft Lagos vom 06.12.2002 über die Abschiebung nach Nigeria)

 

Im Länderbericht Nigeria von ACCORD vom August 2004 wird zwar unter Bezugnahme auf Presseagenturberichte ausgeführt, dass "wegen Drogendelikten abgeschobene Nigerianer" am Flughafen in Haft gesetzt worden seien, doch ist weder ersichtlich, auf Grund welcher Gesetzesbestimmung diese inhaftiert wurden (Dekret 33/1990 oder andere Strafbestimmungen) noch liegen Informationen über eine Verurteilung dieser Personen vor. Es ist nicht ersichtlich, wo die angeblichen Drogendelikte verübt wurden. Es fehlen auch Anhaltspunkte, dass die betreffenden Personen bereits im Ausland wegen derselben Delikte verurteilt worden wären. Im Übrigen konnten von ACCORD auf diesbezügliche Anfrage keine weiteren Daten, etwa über die Identität der Betroffenen oder eine allfällige Verurteilung, erlangt werden. Die Angaben im Bericht sind solcherart unbestimmt und lassen nicht auf eine fortdauernde Anwendung des Dekrets 33/1990 schließen. Vielmehr war auf Grund der vorliegenden Berichte gegenteiligen Inhaltes davon auszugehen, dass eine Doppelbestrafung auf Grundlage dieser Bestimmung nicht mehr stattfindet.

 

Zur Vorgangsweise der Fremdenpolizeibehörden bei Abschiebungen nach Nigeria werden folgende Feststellungen getroffen:

 

Die Weitergabe von Fremden betreffenden Daten ist in einem Erlass des Bundesministeriums für Inneres vom 01.08.2001, Zahl:

31.490/193-III/16/01, geregelt. Dieser Erlass enthält folgende für den vorliegenden Fall bedeutsame Bestimmungen:

 

"1.1. Verständigung von der Festnahme bzw. Anhaltung

 

Art. 36 des ... Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen

vom 24.04.1963 ... bestimmt, dass die zuständigen Empfangsstaaten

die konsularische Vertretung des Entsendestaates auf Verlangen des Betroffenen unverzüglich zu unterrichten haben, wenn in deren Konsularbezirk ein Angehöriger dieses Staates festgenommen, in Verwahrungs- oder Untersuchungshaft genommen oder sonst angehalten wird. Dem gegenüber bestimmen mit einzelnen Staaten abgeschlossene Konsularverträge, dass der zuständige Konsul unverzüglich von jedem Freiheitsentzug eines Angehörigen des Entsendestaates unabhängig vom Verlangen des Betroffenen zu verständigen ist. Mit afrikanischen und asiatischen Staaten wurden bis dato keine solchen Abkommen geschlossen.

 

...

 

Die Bekanntgabe der Festnahme bzw. der Anhaltung eines Fremden gegenüber der ausländischen Vertretungsbehörde ist daher nur zulässig, wenn der Betroffene eine solche Verständigung wünscht, es sei denn, es besteht mit dem Herkunftsstaat ein bilaterales Abkommen, welches die Verständigung unabhängig von der Zustimmung des Betroffenen vorsieht.

 

1.2. Datenweitergabe zwecks Erlangung eines Ersatzreisedokumentes

 

Handelt es sich um einen undokumentierten Fremden, werden ausländischen Vertretungsbehörden üblicherweise nur jene Daten der abzuschiebenden Person übermittelt, die für die Feststellung der Staatsangehörigkeit und teilweise auch für die Gestattung der Einreise in den Herkunftsstaat erforderlich sind. Dies sind in der Regel die persönlichen Daten des Fremden, dh. etwa Name, Geburtsdatum, Adresse im Herkunftsstaat. Die Vertretungsbehörden verlangen in zunehmendem Maße darüber hinaus Informationen über allfällige Asylverfahren, strafrechtliche Verurteilungen, Flugdaten und den Gesundheitszustand des Fremden.

 

Dazu gilt im Einzelnen Folgendes:

 

Informationen zum Asylverfahren

 

Die Regelungen des Asylgesetzes betreffend die Datenweitergabe sehen in § 21 Abs. 2 AsylG vor, dass die Übermittlung personenbezogener Daten eines Asylwerbers an den Herkunftsstaat nicht zulässig ist. Daten, die erforderlich sind, um die zur Einreise notwendigen Bewilligungen zu beschaffen, dürfen jedoch übermittelt werden, wenn der Asylantrag - wenn auch nicht rechtskräftig - abgewiesen oder zurückgewiesen worden ist und das Ergebnis der Refoulement-Prüfung dem nicht entgegen steht und die Identität des Asylwerbers nicht geklärt ist. Daraus ergibt sich, dass den ausländischen Berufsvertretungsbehörden keine Daten bekannt zu geben sind, die Rückschlüsse auf ein in Österreich durchgeführtes Asylverfahren zulassen. § 36 AsylG regelt die Verwendung personenbezogener Daten, soweit diese zur Vollziehung des Asylgesetzes, für Zwecke der Durchführung der Genfer Flüchtlingskonvention im Ausland, für die Bestimmung des zuständigen Staates nach dem Dubliner Übereinkommen und für Zwecke der Strafrechtspflege oder der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit erforderlich ist. Abs. 3 enthält eine Aufzählung jener Stellen, denen Daten zur Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben übermittelt werden dürfen. Vertretungsbehörden sind dabei nicht genannt.

 

Informationen über strafrechtliche Verurteilungen

 

§ 9 Abs. 1 des Strafregistergesetzes regelt die Bekanntgabe von Verurteilungen durch inländische Strafgerichte und aller der im § 2 leg. cit. genannten Verurteilungen sowie der sich darauf beziehenden Entschließungen des Bundespräsidenten und rechtskräftigen Entscheidungen inländischer Strafgerichte in Form von Strafregisterauskünften. ... Zwischenstaatliche Vereinbarungen, nach denen ausländischen Staaten solche Auskünfte ohne besonderes Verlangen mitzuteilen sind, bleiben von der Regelung des § 9 Abs. 1 Strafregistergesetz unberührt. Solche Abkommen bestehen mit allen europäischen Staaten (ausgenommen Rumänien und Restjugoslawien), der Türkei und Israel. Ausländische Vertretungsbehörden erhalten grundsätzlich keine Auskunft aus dem österreichischen Strafregister, weil gemäß den so genannten Gegenseitigkeitsabkommen (Ausnahme Deutschland) direkte Auskünfte nur für den Zweck der Strafrechtspflege zulässig sind.

 

3. Datenweitergabe an ausländische Sicherheitsbehörden bzw. Sicherheitsorganisationen (z. B. Interpol, Europol)

 

Das Polizeikooperationsgesetz (PolKG), BGBl. I Nr. 104/1997, regelt die internationale polizeiliche Kooperation für Zwecke der Sicherheitspolizei, Kriminalpolizei und des Passwesens, der Fremdenpolizei und der Grenzkontrolle. Die polizeiliche Kooperation umfasst dabei insbesondere die internationale polizeiliche Amtshilfe, dh. die wechselseitige Hilfeleistung bei der Aufgabenerfüllung und die Zusammenarbeit zur gemeinsamen Aufgabenerfüllung. Sie erfolgt gemäß § 2 PolKG zwischen Sicherheitsbehörden einerseits und Sicherheitsorganisationen (Interpol, Europol) oder ausländischen Sicherheitsbehörden andererseits. Das PolKG enthält detaillierte Bestimmungen betreffend die Verwendung und Übermittlung von Daten im Rahmen der internationalen Amtshilfe. So bestimmt § 5 Abs. 3 leg. cit., unter welchen Voraussetzungen die Datenermittlung zur genannten Aufgabenerfüllung zulässig ist. Die §§ 8 und 9 leg. cit. regeln die Zulässigkeit der Übermittlung personenbezogener Daten sowie die Verwendungsbeschränkung und Löschung übermittelter Daten. Demnach hat die Datenweitergabe im Rahmen der Amtshilfe dann zu unterbleiben, wenn Grund zur Annahme besteht, dass

 

1. hiedurch die öffentliche Ordnung oder andere wesentliche Interessen der Republik Österreich verletzt werden oder

 

2. überwiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen oder Dritter verletzt werden, insbesondere jene Rechte, die im internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (BGBl. Nr. 591/1978) gewährt werden oder

 

3. die ersuchende Sicherheitsbehörde oder Sicherheitsorganisation nicht für den gebotenen Schutz des Privatlebens (Art. 8 EMRK und § 1 DatenschutzG) des Betroffenen Sorge tragen oder ausdrückliche datenschutzrechtliche Auflagen der ersuchten Behörde missachten wird.

 

Soweit daher im Wege der internationalen Amtshilfe um die Bekanntgabe von Fremden betreffende Daten ersucht wird, ist die Zulässigkeit einer solchen Weitergabe nach den oben genannten Kriterien zu prüfen.

 

4. Datenweitergabe an Fluglinien

 

Die Bekanntgabe personenbezogener Daten eines Fremden an die eine Abschiebung durchführende Fluglinie ist nur insoweit zulässig, als sie zur Ausstellung eines Tickets erforderlich ist. Darüber hinausgehende Angaben - etwa zum fremdenrechtlichen Hintergrund der Abschiebung - haben zu unterbleiben."

 

(Quelle: Schreiben des BAA vom 22.11.2002 samt Beilagen, insbesondere hinsichtlich des angeschlossenen Rundschreibens betreffend Datenweitergabe an ausländische Behörden)

 

Es liegt kein Anhaltspunkt vor, dass die zitierten Bestimmungen des Erlasses in der Praxis nicht befolgt würden.

 

Zu der bei Abschiebungen nach Nigeria geübten Praxis werden weiters folgende Feststellungen getroffen:

 

Die Fremdenpolizeibehörden beantragen bei der nigerianischen Vertretungsbehörde in jenen Fällen, in denen der Fremde über kein Reisedokument verfügt, ein Ersatzreisedokument (so genanntes Heimreisezertifikat). Bei dieser Ausstellung eines Heimreisezertifikates geht es ausschließlich um die Bestätigung der Staatsangehörigkeit. Im Falle des Ersuchens um Ausstellung eines Heimreisezertifikates werden daher auch nur jene Personaldaten des Fremden bekannt gegeben, die für die Erlangung des Dokumentes erforderlich sind. Dabei handelt es sich um den Namen, Geburtsdatum und Geburtsort des Fremden sowie weitere Angaben, die dem Nachweis der Staatsangehörigkeit dienen. Angaben zu strafgerichtlichen Verurteilungen stehen nicht in Zusammenhang mit der Feststellung der Nationalität und werden daher auch nicht übermittelt. Für den konkreten Fall ergibt sich daher auch im Hinblick auf datenschutzrechtliche Gründe, dass der nigerianischen Vertretungsbehörde keine Angaben zu strafgerichtlichen Verurteilungen zur Verfügung gestellt werden. Weitere Kontakte zwischen den Fremdenpolizeibehörden und nigerianischen Behörden bestehen nicht, sodass es keiner speziellen Vorkehrung zur Verhinderung der Bekanntgabe allfälliger Verurteilungen eines nigerianischen Staatsangehörigen bedarf. Auf Anfrage ausländischer Behörden könnten grundsätzlich personenbezogene Daten übermittelt werden. § 8 Abs. 2 Z 2 des Polizeikooperationsgesetzes sieht diesbezüglich jedoch vor, dass eine Übermittlung der Daten nicht zulässig ist, wenn überwiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen verletzt werden. Dies wäre regelmäßig dann der Fall, wenn ein nigerianischer Staatsangehöriger nach seiner Abschiebung in sein Heimatland auf Grund des Prinzips der Doppelbestrafung erneut von der Heimatbehörde verurteilt werden würde. Aus diesem Grund werden Daten über strafrechtliche Verurteilungen von nigerianischen Staatsangehörigen der nigerianischen Behörde (auch auf Anfrage) nicht zur Verfügung gestellt. Daten über die von nigerianischen Staatsangehörigen in Österreich begangenen Straftaten werden weder jetzt noch künftig bei einer Abschiebung den nigerianischen Behörden zur Kenntnis gebracht.

 

(Quellen: Schreiben des BMI vom 31.03.2006 und vom 05.08.2003 betreffend Abschiebung nigerianischer Staatsangehöriger)

 

Auf Ersuchen des Bundesministeriums für Inneres hat die österreichische Botschaft in Lagos mehrfach die Ankunft von abgeschobenen nigerianischen Staatsangehörigen am Muritala Mohammed Airport in Lagos beobachtet. Dabei konnten bisher keine Übergriffe gegen die abgeschobenen Personen (Inhaftierung oder dgl.) festgestellt werden.

 

(Quelle: Schreiben der österreichischen Botschaft Lagos vom 06.12.2002 über die Abschiebung nach Nigeria)

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Gemäß § 75 Abs. 1 erster und zweiter Satz AsylG 2005 sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt.

 

Nach § 75 Abs. 7 AsylG 2005 sind am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe näherer Bestimmungen weiterzuführen.

 

Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG idF BGBl. I Nr.101/2003 werden Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30. April 2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 126/2002, geführt.

 

Nach Abs. 3 dieser Bestimmung sind die §§ 8, 15, 22, 23 Abs. 3, 5 und 6, 36, 40 und 40a in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003 auch auf Verfahren gemäß Abs. 1 anzuwenden.

 

Da der im Beschwerdefall zu beurteilende Asylantrag vor dem 30. April 2004 gestellt wurde, wird das gegenständliche Verfahren nach den Bestimmungen des AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002, geführt. Hinsichtlich des Abspruches über den subsidiären Schutz und über die Ausweisung wird § 8 AsylG idF BGBl. I Nr. 101/2003 angewendet.

 

Gemäß § 7 AsylG 1997 idF BGBl I Nr. 126/2002 hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A, Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht, und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben und ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht. Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe. Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, und ist ihm dort die Inanspruchnahme inländischen Schutzes auch zumutbar, so liegt eine inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt. Das einer "inländischen Fluchtalternative" innewohnende Zumutbarkeitskalkül setzt voraus, dass der Asylwerber im in Frage kommenden Gebiet nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen (vgl. VwGH 19.04.2001, 99/20/0273; 29.3.2001, 2000/20/0539; 15.3.2001, 99/20/0134; 15.3.2001, 99/20/0036; 25.1.2001, 2001/20/0011; 19.10.2000, 98/20/0233; 21.09.2000, 2000/20/0241; 22.12.1999, 99/01/0334).

 

Im vorliegenden Fall ist auf Grund der Sachverhaltsfeststellungen davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer eine drohende Verfolgung nicht glaubhaft machen konnte. Außerdem könnte man sich im Fall einer tatsächlichen Bedrohung durch die Ogboni-Gesellschaft auf zumutbare Weise in einem anderen Landesteil Nigerias, etwa in einer der großen Städte, niederlassen und dadurch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit der Gefahr entziehen.

 

Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist (§ 57 FrG); diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden.

 

Ist ein Asylantrag abzuweisen und hat die Überprüfung gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ergeben, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist, hat die Behörde diesen Bescheid gemäß § 8 Abs. 2 AsylG mit der Ausweisung zu verbinden.

 

Gemäß § 57 Abs. 1 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde.

 

Nach § 57 Abs. 2 und 4 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder - mit einer für den vorliegenden Fall nicht in Betracht kommenden Einschränkung - Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 GFK).

 

Zur Auslegung des § 57 FrG ist im Wesentlichen weiterhin die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 37 Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, heranzuziehen. Danach erfordert die Feststellung nach dieser Bestimmung das Vorliegen einer konkreten, den Beschwerdeführer betreffenden, aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbaren Gefährdung bzw. Bedrohung. Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher ohne Hinzutreten besonderer Umstände, welche ihnen noch einen aktuellen Stellenwert geben, nicht geeignet, die begehrte Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen. Die bloße Möglichkeit einer solchen Gefahr in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen. Im Übrigen ist auch im Rahmen des § 8 AsylG zu beachten, dass mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen Gefährdung bzw. Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 oder 2 FrG glaubhaft zu machen ist (VwGH 27.02.2001, 98/21/0427; 25.01.2001, 2001/20/0011; 14.10.1998, 98/01/0122).

 

Im vorliegenden Fall liegen nun nach den getroffenen Sachverhaltsfeststellungen keinerlei Umstände vor, welche ein Refoulement oder eine Ausweisung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat als unzulässig erscheinen ließen.

Schlagworte
Ausweisung, Doppelbestrafung, Glaubwürdigkeit, inländische Schutzalternative, innerstaatliche Fluchtalternative, non refoulement, private Verfolgung, strafrechtliche Verurteilung, Zumutbarkeit
Zuletzt aktualisiert am
30.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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