TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/14 D6 258564-0/2008

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Veröffentlicht am 14.10.2008
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Spruch

D6 258564-0/2008/7E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Peter CHVOSTA als Vorsitzenden und die Richterin Dr. Christine AMANN als Beisitzerin über die Beschwerde des B.R. alias B. alias C.alias O. alias G. alias M. alias M. alias A.G. alias R. alias R. alias T., geb. 00.00.1977, StA. v. Georgien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 25.2.2005, FZ. 02 05.681-BAW, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 5.9.2008 und am 17.9.2008 zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchteile I. und II. gemäß §§ 7 und 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl I Nr. 126/2002, abgewiesen.

 

II. Hinsichtlich Spruchteil III. wird der Beschwerde Folge gegeben und Spruchteil III. mit der Maßgabe geändert, dass der Spruch zu lauten hat: "Die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet ist unzulässig."

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Der Beschwerdeführer, ein georgischer Staatsangehöriger aus Tbilisi, stellte am 26.2.2002 unter dem falschen Namen R.M. und dem Geburtsdatum00.00.1979 einen Antrag auf Asylgewährung. Da in der Folge sein Aufenthaltsort nicht ermittelt werden konnte, wurde das Verfahren am 14.3.2002 mittels Aktenvermerk vom Bundesasylamt gemäß § 30 Asylgesetz 1997 eingestellt.

 

Am 3.4.2002 stellte der Beschwerdeführer unter dem (erneut falschen) Namen G.G. und dem Geburtsdatum 00.00.1985 einen Asylantrag, den er gemäß seinen schriftlichen Angaben auf dem Formular mit der Furcht vor der georgischen Mafia begründete. Mit Schreiben vom 4.4.2002 stimmte das Bundesasylamt der Rückübernahme des Beschwerdeführers aus Deutschland zu, wo er unter seinem richtigen Namen bekannt gewesen war. Mit Aktenvermerk vom 12.6.2002 wurde das Verfahren gegen den Beschwerdeführer unter seinem Namen G.G. gemäß § 30 Asylgesetz 1997 eingestellt, da er trotz Ladung nicht zur Einvernahme erschienen war. Am 22.4.2002 hatte der Beschwerdeführer bereits unter dem (auch falschen) Namen R.A. und dem Geburtsdatum 00.00.1985 neuerlich Asyl beantragt, wobei das Verfahren mit Aktenvermerk vom 7.5.2002 eingestellt wurde. Am 16.8.2002 wurde der Beschwerdeführer gemäß dem Dubliner Übereinkommen neuerlich rückübernommen.

 

Am 22.9.2002 stellte der Beschwerdeführer unter dem (falschen) Namen T.C. unter Angabe der russischen Staatsangehörigkeit und dem Geburtsdatum 00.00.1986 einen weiteren Antrag auf Asylgewährung. Am 1.7.2003 wurde das Asylverfahren hinsichtlich des (nunmehr unter sämtlichen Namen geführten) Beschwerdeführers gemäß § 30 Asylgesetz 1997 eingestellt.

 

Nach Fortsetzung des Verfahrens wurde der Beschwerdeführer am 23.2.2005 vor dem Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen. Als Fluchtgrund gab er an, aufgrund seiner Bemühungen während seines Militärdienstes, Veruntreuungen und Missbräuche aufzudecken, mit hochrangigen Militärs Probleme bekommen zu haben. Er habe mit Kollegen Dokumente, die eine Reihe von Missständen bezeugten, einem Oberleutnant namens G.G. übergeben, der jedoch in der Folge eines Mordes verdächtigt und festgenommen worden sei. Seiner Ansicht nach sei G. dieser Mord untergeschoben worden. Als Sanktion für seine Aufdeckungsbemühungen sei er in einen Krisenherd verlegt worden, bevor er seinen Militärdienst gänzlich abgeleistet hatte. Nach seiner Demobilisierung habe er auch weiterhin versucht, die Missstände an die Öffentlichkeit zu bringen, doch Journalisten eines Fernsehkanals I. hätten eine Reportage über dieses Thema abgelehnt. Stattdessen sei er selbst bedroht und ein Freund, der mit ihm die Angelegenheit aktiv betrieben habe, zusammengeschlagen worden. Das Gespräch mit einem Kommandeur habe die Morddrohungen gegen in der Folge nur noch intensiviert. Das Auto seines Vaters sei in der Garage in Brand gesetzt worden. Nachdem er mit seinem Freund einem Oberst einer Brigade, namens R.K., einen Brief geschrieben habe, sei dieser unter mysteriösen Umständen bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Jahre nach seiner Flucht sei sein Bruder mit einem Messer verletzt worden, nachdem ein Freund aus der Militärzeit im Hause seiner Eltern in Georgien zu Besuch gewesen sei.

 

1. Mit Bescheid vom 25.2.2005 wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl I Nr. 76/1997 idF BGBl I Nr. 126/2002 (im Folgenden: AsylG), ab und erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Georgien für zulässig. Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG idF BGBl. I Nr. 101/2003 wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet (- ohne Zielstaatsbezogenheit -) ausgewiesen. In seiner Begründung stellte das Bundesasylamt die Identität und Nationalität des Beschwerdeführers fest und traf Feststellungen zur Situation in Georgien. Mangels Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens stellte das Bundesasylamt keine begründete Furcht vor einer (asylrelevanten) Verfolgung des Beschwerdeführers in seinem Heimatland fest.

 

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, rechtzeitig (als Berufung) eingebrachte Beschwerde vom 5.3.2005, in der sich der Beschwerdeführer im Wesentlichen gegen die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes wendet.

 

3. Am 5.9.2008 und 17.9.2008 führte der Asylgerichtshof eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer teilnahm; das Bundesasylamt hatte auf die Teilnahme an der Verhandlung verzichtet. Der Verhandlung wurde ein Dolmetscher für die georgische Sprache beigezogen. Die Verhandlung war geboten, da dem erkennenden Senat der maßgebliche Sachverhalt nicht als geklärt erschien.

 

Der Beschwerdeführer legte seinen georgischen Reisepass, seinen Militärausweis, eine Bescheinigung des georgischen Innenministeriums, in Georgien nicht vorbestraft zu sein, die Geburtsurkunde seiner Tochter, eine Heiratsurkunde, ein Zertifikat der Caritas Wien über einen Deutschkurs für Fortgeschrittene sowie 11 Fotos, die aus der Militärzeit stammen, vor.

 

Beweis wurde erhoben, indem der Beschwerdeführer einvernommen, die vorhin genannten Dokumente sowie folgende, auch in der Verhandlung erörterte Unterlagen eingesehen wurden:

 

Stellungnahme des österreichischen Polizeiattaché in Tbilisi bezüglich der herrschenden Sicherheitslage;

 

Russland zieht Truppen aus georgischem Kernland ab, Artikel des Spiegel-Online vom 13.9.2008 (abgerufen am 16.9.2008);

 

Länderinformation des deutschen auswärtigen Amtes (von der homepage abgerufen am 17.9.2008);

 

Bericht zur Fact Finding Mission des Bundesasylamtes vom 1.11.2007;

 

EU-Polizisten nach Georgien, Artikel der Salzburger Nachrichten vom 16.9.2008;

 

Bericht des deutschen auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien (Stand: April 2006);

 

Anfragebeantwortung von ACCORD vom 20.5.2008 über allgemeine Rückkehrfragen;

 

Artikel der Salzburger Nachrichten vom 16.9.2008.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Folgender Sachverhalt wird festgestellt:

 

1.1 Zur Situation in Georgien

 

1.1.1 Allgemeines

 

Georgien ist eine demokratische Republik. Seine Verfassung wurde am 24. August 1995 und am 6. Februar 2004 wesentlich geändert. Neben dem Staatspräsidenten steht ein Premierminister in der Regierungsverantwortung, die Verfassung sichert aber dem Parlament eine wichtige Rolle. Sie bekennt sich zu den Grund- und Menschenrechten einschließlich der Meinungs- und Pressefreiheit. Georgien unternimmt Anstrengungen, sich bei der Rechtsreform und der Wahrung der Menschen- und Minderheitenrechte den Standards des Europarats anzupassen. 1996 wurde ein Verfassungsgericht eingerichtet, 1997 die Todesstrafe abgeschafft. Defizite, am auffälligsten im Bereich des Strafvollzugs, der unter einem chronisch defizitären Budget leidet, bestehen jedoch fort. (Auswärtiges Amt, Länderinformationen: Georgien, Stand: August 2008, Zugriff 17.9.2008)

 

Die Republik Georgien befindet sich seit der Rosenrevolution 2003 in einer Umstrukturierungsphase, die fast alle Bereiche der Verwaltung betrifft. In diesem Zusammenhang ist es zu einer völligen Neuausrichtung der politischen und strukturellen Schwerpunkte gekommen. Der derzeitige Blick des Landes ist stark gegen "Westen" gerichtet und hier spielt die Kooperation mit den Vereinigten Staaten eine zentrale Rolle. (Bericht zur Fact Finding Mission - Armenien, Georgien, Aserbaidschan, 1.11.2007)

 

1.1.2 Politik/Wahlen

 

Im Herbst 2007 konsolidierte sich der größere Teil der zuvor schwachen und zersplitterten Opposition in dem Bündnis "Nationaler Rat", forderte baldige Parlamentswahlen und rief zu Protestkundgebungen gegen die Regierungspolitik auf. Zehntausende von Demonstranten beklagten u.a. mangelnden Fortschritt bei der Bekämpfung der Armut und in der Sozialpolitik. Am 7. November 2007 lösten Ordnungskräfte eine seit Tagen anhaltende Demonstration im Stadtzentrum von Tiflis gewaltsam auf. Von 7. bis 16. November verhängte die Regierung den Ausnahmezustand mit weitgehender Einschränkung von Presse- und Versammlungsfreiheit. Gleichzeitig erklärte der Präsident seine Bereitschaft, sich dem Wählervotum in vorgezogenen Präsidentschaftswahlen am 5. Januar 2008 zu stellen. Unter sieben Kandidaten wurde Präsident Saakaschwili nach einem intensiven Wahlkampf mit 53,47 Prozent der Stimmen für eine zweite Amtszeit wiedergewählt; der Kandidat des Oppositionsbündnisses Gatschetschiladse erhielt 25,69 Prozent. Oppositionsparteien unterstellten Manipulationen. Internationale Wahlbeobachter bescheinigten Georgien im Wesentlichen die Einhaltung der meisten demokratischen Standards, kritisierten aber auch zu beseitigende Missstände. Am 21. Mai 2008 fanden Parlamentswahlen statt: Die Regierungspartei "Vereinte Nationalbewegung" (UNM) von Staatspräsident Saakaschwili errang dabei 59,18 Prozent der Zweitstimmen und 71 von 75 Direktmandaten. Insgesamt verfügt die UNM damit über 119 von 150 Mandaten, was einer deutlichen verfassungsändernden Mehrheit entspricht. Wahlbeobachter zogen ein im Kern positives Fazit der Wahlen, die den Wählern echte Wahlalternativen boten und deren Ergebnisse grundsätzlich den Wählerwillen abbildeten. Sie verwiesen allerdings auch auf zahlreiche, teilweise schwerwiegende Zwischenfälle in einzelnen Wahlbezirken und die damit verbundenen weiter bestehenden Herausforderungen beim Aufbau eines demokratischen Staatswesens in Georgien. Ein Großteil der Opposition ist weiter nicht bereit, das Wahlergebnis anzuerkennen, da die Wahlen gefälscht worden seien. (Auswärtiges Amt, Länderinformationen: Georgien, Stand August 2008, Zugriff 17.9.2008)

 

Oppositionelle Gruppen in Georgien können politisch tätig sein, solange gewisse Grenzen in der politischen Auseinandersetzung nicht überschritten werden. Grundlegend ist die politische Auseinandersetzung zwischen Regierung und Opposition in Georgien von gegenseitigen Untergriffen gekennzeichnet, was letztlich auch zu teils sehr heftigen Auseinandersetzungen führt, bei denen die Mittel der Fairness oft nicht eingehalten werden. Wie im Fall des ehemaligen Verteidigungsministers Okruashvili, der Ende September 2007 verhaftet wurde, zeigt sich jedoch, dass oftmals die Grenzen zwischen Inhaftierung aufgrund tatsächlicher Korruption und politischer Abrechnung fließend sind. Die Opposition in Georgien ist verhältnismäßig unorganisiert, hat sich jedoch in der politischen Auseinandersetzung gegen Präsident Saakaschwili zunehmend geeint gezeigt. Grundlegend gilt, dass innenpolitische Auseinandersetzungen wesentlich heftiger geführt werden als in Zentraleuropa. (Bericht zur Fact Finding Mission - Armenien, Georgien, Aserbaidschan, 1.11.2007)

 

Die Betätigungsmöglichkeiten für die politische Opposition sind in der Verfassung verankert und unterliegen in Georgien seit den Parlamentswahlen 2003 grundsätzlich keinen Einschränkungen. Willkürliche Festnahmen sind in der Vergangenheit gelegentlich im Zusammenhang mit dem Vorgehen der Polizei gegen unliebsame Demonstrationen von verschiedenen politischen Gruppierungen vorgekommen, waren bisher jedoch stets nur von kurzer Dauer. Bürgerrechtsaktivisten und Anhänger und Mitglieder der Opposition wurden auch in den letzten Wochen und Monaten gelegentlich verhaftet. (Auswärtiges Amt, asyl- und abschieberelevante Lage in Georgien, April 2006)

 

1.1.3 Sicherheitsverwaltung

 

Nach der Rosenrevolution ist der Polizeibereich wie kaum ein anderer umstrukturiert worden. Die legislativen Reformmaßnahmen wurden allerdings noch nicht vollends umgesetzt. Ein weiteres Problem stellt die Unerfahrenheit der Polizisten dar: 50-60% der ehemaligen Sicherheitsbeamten wurden nach der Rosenrevolution entlassen. Durch diese teils überstürzten Reformmaßnahmen ist es auch auf einigen Gebieten zu Lücken gekommen, die erst nach und nach wieder gefüllt werden müssen. Übergriffe der Polizei sind deutlich zurückgegangen und die Reformmaßnahmen haben hier zu einer wesentlichen Verbesserung geführt. Schwere Übergriffe werden in der Regel nicht mehr geduldet oder gar gefördert. Bei Fällen, die bekannt werden, gibt es aber noch immer sehr wenige Gerichtsverfahren und entsprechende Verurteilungen, sondern eher disziplinarrechtliche Maßnahmen. Dies betrifft vor allem hochrangige Polizeibeamte. Was jedenfalls bleibt, ist grundlegendes Misstrauen der Bevölkerung gegenüber Uniformierten, was dazu führt, dass der Weg zur Polizei öfters erst gar nicht angetreten wird. Das Problem der Korruption wird auch in höchsten politischen Kreisen bekämpft, wie jüngst der Fall der Verhaftung des ehemaligen Verteidigungsministers Okruashvili zeigt. Gerade in derartigen Fällen sind aber die Grenzen zwischen tatsächlichem Kampf gegen die Korruption und Abrechnung mit unliebsamen politischen Gegnern fließend. Die Konditionen für Polizisten haben sich verbessert, wie etwa die jüngeren Gehaltserhöhungen - das Gehalt der Polizisten in Georgien wurde in den letzten 2-3 Jahren verzwölffacht. Dennoch bedeuteten die jüngeren Reformmaßnahmen einen realen Einkommensverlust, da das relativ einträgliche "Schmiergeld" nun nicht mehr so einfach wie früher eingehoben werden kann. Darüber hinaus gibt es spezielle soziale Vorteile für Polizeibeamte. Hinzu kam es zu umfassenden Trainingsprogrammen für Polizisten, die vielfach mit internationalen Kooperationen, etwa mit der OSZE, durchgeführt wurden. Der Schwerpunkt der Polizeiarbeit lag in den letzten Monaten zunehmend auf dem Bereich der organisierten Kriminalität, eine eigene Spezialabteilung wurde eingerichtet. Hochrangige Vertreter der organisierten Kriminalität konnte verhaftet werden. Es gibt in Georgien eigene Verbrechenshotlines, die 24 Stunden besetzt sind und bei denen jeder Bürger Verbrechen melden und um Hilfe ansuchen kann. Darüber hinaus kann jeder Bürger die häufig anzutreffenden Polizisten im Streifendienst aufhalten, oder aber direkt bei Polizeistationen um Hilfe bitten. (Bericht zur Fact Finding Mission - Armenien, Georgien, Aserbaidschan, 1.11.2007)

 

1.1.4 Grundversorgung

 

Die Grundversorgung ist in Georgien gewährleistet. Es gibt keine Fälle von Hungernöten und damit in Zusammenhang stehenden Todesfällen. Für sehr arme Menschen gibt es staatliche Programme, die in ihrer finanziellen Ausstattung aber nur das Allernötigste abdecken können. In einem Pilotprojekt wurden 181.000 Personen durch staatliche Sozialleistungen abgedeckt. Um in das Sozialprogramm zu kommen, muss ein Antragsformular ausgefüllt werden und Sozialarbeiter entscheiden letztlich über den Zugang zu den Sozialleistungen. Für die Ärmsten der Armen gibt es auch von NGOs betriebene Tagesküchen. Das Netz an Geschäften mit Gütern für den täglichen Bedarf ist landesweit gut ausgebaut, die Versorgung wird in erster Linie durch Märkte oder sehr kleine Läden wahrgenommen. Die Frage der Grundversorgung in Georgien ist jedenfalls keine Frage der grundlegenden Verfügbarkeit sondern vielmehr eine der "Leistbarkeit" von Gütern des täglichen Lebens. Es gibt eine neue Datenbank der Regierung mit 800.00 Personen, die als bedürftig klassifiziert sind. Derzeit bekommt jedoch nur ein Teil dieser Personen staatliche Unterstützung.

 

Der wichtigste soziale Rückhalt in Georgien ist wie in anderen Kaukasusstaaten der Familienzusammenhalt. Sollte es zu einer Notlage aus sozialen oder medizinischen Gründen kommen, ist der Zusammenhalt innerhalb der Familien sehr groß und es wird alles unternommen, um die erforderlichen Mittel bereitstellen zu können. Grundlegendste medizinische Notfallversorgung ist in Georgien für jedermann gewährleistet. Die Ausstattung von Krankenhäusern in Georgien entspricht vielfach jedoch nicht internationalen Standards. Dennoch können fast alle Erkrankungen wie in Westeuropa zufrieden stellend behandelt werden. (Bericht zur Fact Finding Mission - Armenien, Georgien, Aserbaidschan, 1.11.2007)

 

1.1.5 Behandlung nach Rückkehr

 

Probleme mit staatlichen Stellen aufgrund einer Asylantragsstellung im Ausland konnten in Georgien nicht beobachtet werden. Die Asylantragsstellung im Ausland ist jedenfalls nicht strafbar. Die meisten der rückkehrenden Georgier haben keine existenziellen Probleme zu befürchten, da der Großteil dieser Personengruppe erfahrungsgemäß mit mehr Besitz zurückkehrt, als vor der Ausreise. Es gibt für Rückkehrer jedenfalls keine speziellen Probleme, sich in die georgische Gesellschaft wieder einzugliedern. Spezielle Feindseeligkeiten der Bevölkerung gegenüber Rückkehrern gibt es nicht. Dennoch herrscht ein gewisser Erwartungsdruck, dass Rückkehrer es im Ausland zu einem gewissen finanziellen Wohlstand gebracht haben und vielfach herrscht völlige Unkenntnis darüber, warum jemand wieder nach Georgien rückkehren musste. (Bericht zur Fact Finding Mission - Armenien, Georgien, Aserbaidschan, 1.11.2007)

 

1.1.6 Konflikte um Südossetien und Abchasien

 

Abchasien, Adscharien und Südossetien verfügten zu Zeiten der Sowjetunion über einen autonomen Status mit weitgehenden Selbstverwaltungsrechten. Im Zuge der Auflösung der UdSSR erhöhten sich die Spannungen, als der Status der Provinzen von georgischen Nationalisten in Frage gestellt wurde. Nach der georgischen Unabhängigkeit führten heftige Statuskämpfe mit der Zentralregierung 1992 zu Unabhängigkeitserklärungen Südossetiens und Abchasiens, die aber von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt werden.

 

In Abchasien führten die Kämpfe zu Flucht und Vertreibung der georgischen Bevölkerung. Georgien muss seitdem mit dem Schicksal von rund 260.000 Binnenflüchtlingen fertig werden. Seit 1994 galt ein insgesamt eingehaltener, im Moskauer Abkommen festgeschriebener Waffenstillstand, überwacht durch eine Beobachtergruppe der Vereinten Nationen (UNOMIG) in Zusammenarbeit mit einer GUS-Friedenstruppe. Ein Verhandlungsgremium unter VN-Ägide wurde 1997 geschaffen, tagte jedoch seit längerer Zeit nicht mehr.

 

Der Konflikt um Südossetien, der während der Ära Schewardnadse wenig Beachtung fand, eskalierte bereits Juli/August 2004 erneut und forderte Opfer auf beiden Seiten. Die Waffenstillstandsvereinbarung vom 20. August 2004 hielt bis Anfang August diesen Jahres. Nach Provokationen von russischer und georgischer Seite eskalierte der Konflikt um die Autonome Republik Südossetien am 8. August 2008 durch einen heftigen Vorstoß georgischer Truppen in die südossetische Hauptstadt Zchinvali.

 

Den georgischen Versuch, die abtrünnige Provinz militärisch unter Kontrolle zu bekommen, beantwortete Russland mit dem Einmarsch eigener Truppen bis weit über die Grenzen der Region Südossetien hinaus. Russische Truppen landeten mit Schiffen der Schwarzmeerflotte im abchasischen Hafen Ochamchira, abchasische Kräfte verdrängten georgische Präsenz aus dem Oberen Kodorital. Etwa 158.000 Personen wurden nach den Schätzungen internationaler Hilfsorganisationen durch die Kämpfe zu Flüchtlingen.

 

Die internationale Gemeinschaft versucht auch in der aktuellen Krise, eine Lösung des Konflikts zu unterstützen. Am 12. August einigten sich die Parteien Georgien und Russland sowie Vertreter Südossetiens und Abchasiens - auf Grundlage von Vermittlungen der Europäischen Union - auf einen Sechs-Punkte-Plan. Er sieht die Einstellung der Kampfhandlungen, den Rückzug der Truppen, freien Zugang für humanitäre Hilfe und die Einrichtung eines Internationalen Mechanismus zur Stabilisierung der Lage vor.

 

Ende August 2008 beruhigte sich die Lage in Georgien etwas, und die Bevölkerung kehrte allmählich zum normalen Leben zurück. In und unmittelbar rund um Tbilisi ist der Alltag wieder eingekehrt. Internationale Organisationen wie IOM und OSCE nehmen nach dem Ablauf des Kriegszustandes (Kriegszustand wurde bis zum 8. September verlängert) ihre Projekte wieder auf. Laut Aussage eines Sprechers des IOM, werden Rückschiebungen von Georgiern aus der Schweiz, Großbritannien, Irland und Belgien (diese Länder arbeiten mit IOM zusammen) nach wie vor durchgeführt, jedoch wird von Fall zu Fall im Einzelnen entschieden, ob eine Rückschiebung in das vorgesehene Zielgebiet überhaupt möglich ist. Dasselbe wurde von einem Vertreter der deutschen Botschaft in Tbilisi bestätigt. (Stellungnahme des österreichischen Polizeiattaché für Georgien in Tbilisi vom 1.9.2008).

 

1.2 Zur Person des Beschwerdeführers und seinen Fluchtgründen:

 

Der Beschwerdeführer ist georgischer Staatsangehöriger, trägt den Namen R.B. und lebte überwiegend in Tbilisi. Im Alter von 18 Jahren wurde er zum Militärdienst eingezogen. In weiterer Folge war er auch in N. stationiert, das in der Konfliktzone Südossetien bei Zchinwali liegt. Dabei erlebte er Missstände, wie z.B. den Umstand, dass sich die Soldaten ihre Uniformen selbst kaufen mussten, obwohl öffentliche Gelder dafür ursprünglich vorgesehen waren.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in weiterer Folge wegen allfälliger Aufdeckungsversuche bedroht wurde und andere Personen deshalb zu schaden gekommen sind.

 

Der Beschwerdeführer verließ 1999 erstmals Georgien in Richtung Türkei; er bemühte sich um den Erhalt eines Visums für Österreich und reiste schließlich 2002 illegal in das Bundesgebiet ein.

 

Der Beschwerdeführer ist mit R.F., einer kasachischen Staatsangehörigen mit Flüchtlingsstatus in Österreich, verheiratet und ist Vater einer am 00.00.2005 geborenen Tochter, der ebenfalls (aufgrund der Asylgewährung ihrer Mutter) Asyl gewährt wurde. Der Beschwerdeführer lebt seit Juni 2005 mit seiner Ehefrau und Tochter in einem gemeinsamen Haushalt zusammen. Er spricht auch Deutsch. Im Jahr 2004 wurde der Beschwerdeführer wegen Ladendiebstahls strafgerichtlich verurteilt.

 

2. Diese Feststellungen beruhen auf folgender Beweiswürdigung:

 

2.1 Die Länderfeststellungen beruhen auf unterschiedlichen Quellen, über deren Seriosität kein Zweifel besteht.

 

2.2 Hinsichtlich der Feststellungen über die Nationalität und Identität des Beschwerdeführers folgte der erkennende Senat den Feststellungen des Bundeasylamtes, deren Richtigkeit durch die vom Beschwerdeführer in der Verhandlung vorgelegten Dokumente bestätigt wurde. Die Feststellungen über den Militärdienst stützen sich auf die Angaben des Beschwerdeführers und auf den vorgelegten Militärausweis. Dass der Beschwerdeführer in dieser Zeit Missstände erlebt hat, erscheint angesichts der persönlichen Aussagen des Beschwerdeführers in der Verhandlung plausibel und anhand der vorgelegten Fotos - zumindest, was die unterschiedlichen Uniformen, die von den Soldaten selbst gekauft wurden, anbelangt - verifizierbar. Die Feststellungen hinsichtlich des Reisewegs und der Bemühungen um ein Einreisevisum gründen auf den Angaben des Beschwerdeführers.

 

Die negativen Feststellungen beruhen auf folgenden Überlegungen: Der Beschwerdeführer behauptet, dass einem "Mitstreiter" in der Aufdeckung der Missstände, G.G., ein Mord untergeschoben werden sollte. Obwohl nunmehr mehr als 10 Jahre vergangen sind, wusste der Beschwerdeführer noch immer nichts über dessen Schicksal, obwohl er selbst angab, sich für ihn eingesetzt zu haben und sogar gewisse Risiken eingegangen zu sein. Vor diesem Hintergrund erscheint es schwer vorstellbar, dass der Beschwerdeführer über die gesamte Zeit hindurch keine Informationen über den Verbleib G. in Erfahrung bringen konnte.

 

Auch die vom Beschwerdeführer aufgestellten Bedrohungsszenarien konnten den Feststellungen nicht zu Grunde gelegt werden, da sie in höchstem Maße spekulativ erscheinen, wie z.B. der tödliche Verkehrsunfall eines Obersts, nachdem der Beschwerdeführer diesem einen Brief geschrieben hatte: Aus welchem Grund zwischen dem Erhalt des Briefes und dem Unfall ein Konnex bestehen sollte, konnte der Beschwerdeführer in der Verhandlung nicht plausibel erläutern. Auf die Frage, ob der Tod des Obersts nicht auch völlig unabhängig von der Kontaktaufnahme durch den Beschwerdeführer geschehen sein konnte, antwortete der Beschwerdeführer, dass er dies ausschließe, ohne auch nur irgendein Indiz für seine These angeben zu können.

 

Auch die vorgebrachten Drohungen blieben vage. Dass hochrangige Militärs dem Beschwerdeführer nach dem Leben trachten, konnte dieser nicht plausibel erklären. Der Beschwerdeführer stützte sich auf Vermutungen, die der erkennende Senat nicht aufzugreifen vermochte. In diesem Sinne versuchte der Beschwerdeführer die Aktualität seiner Bedrohung mit der behaupteten Verletzung seines Bruder in Tbilisi vor drei Jahren zu untermauern: Da ein Freund aus der Militärzeit zufällig im Hause seiner Eltern in Georgien gewesen sei, habe nach Auffassung des Beschwerdeführers für die Militärs der Verdacht bestanden, sein Bruder würde in dieser "Sache" weitermachen. Diese spekulativen Überlegungen blieben ohne weitere Grundlagen. Berücksichtigt man die Aussagen des Beschwerdeführers im Laufe seiner Asylverfahrens, das er wiederholt unter falschem Namen in Gang setzte, so zeigt sich, dass er einmal die georgische Mafia (AS 35), dann - gegenüber deutschen Behörden - die georgische Polizei (AS 73) und schließlich das georgische Militär als Verfolger angab. Aus welchen Gründen hochrangige Militärs mehr als 11 Jahre nach seiner Demobilisierung und Jahre nach seiner Ausreise aus Georgien den Beschwerdeführer noch immer verfolgen sollten, hat dieser nicht nachvollziehbar darlegen können.

 

Bedenkt man, dass der Beschwerdeführer beabsichtigte, mit einem Einreisevisum nach Österreich einzureisen, und sich auch in Tschechien aufhielt, wo er keinen Asylantrag stellte, so verdeutlicht dies, dass - sofern eine der Wahrheit entsprechende Grundlage im Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers gesehen werden kann - Umstände in asylrelevante Bedrohungsszenarien zwecks Erlangung eines rechtmäßigen Aufenthaltes sublimiert wurden. Die Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner Fluchtgründe sind daher nicht glaubwürdig.

 

Die Feststellungen zum Personenstand des Beschwerdeführers stützen sich auf seinen Angaben und den von ihm vorgelegten Dokumenten. Dass seine Ehefrau Konventionsflüchtling ist, ergibt die Durchsicht des Bescheides des Unabhängigen Bundesasylsenates zu 224.296/3-VIII/23/02, dass seiner Tochter ebenfalls Asyl gewährt wurde, ergibt die Durchsicht des eingeholten AIS-Auszuges. Die Feststellungen zu den Deutschkenntnissen des Beschwerdeführers gründen auf dem Zertifikat der Caritas Wien und dem Eindruck, den der Beschwerdeführer im Zuge der mündlichen Verhandlung gemacht hat. Dass der Beschwerdeführer seit Juni 2005 mit seiner Ehefrau und seiner Tochter in einem gemeinsamen Haushalt zusammenlebt, gründet auf seinen Angaben, die sich auch auf historische ZMR-Auszüge stützen lassen.

 

3. Rechtlich folgt daraus:

 

3.1 Gemäß § 28 Abs. 1 Asylgerichtshofgesetz (Art. 1 BGBl. I 4/2008; im Folgenden: AsylGHG) tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Juli 2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, BGBl. I 77/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I 100/2005, außer Kraft.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind - soweit sich aus dem B-VG, dem AsylG und dem VwGG nicht anderes ergibt - auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 75 Abs. 7 Z 2 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 sind am 1.7.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, vom Asylgerichtshof (konkret: von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat) weiterzuführen.

 

3.2 Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 100/2005 sind alle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen; § 44 AsylG 1997 gilt.

 

Das AsylG 1997 sieht in § 38 den unabhängigen Bundesasylsenat als Instanz für Rechtsmittel gegen Bescheide des Bundesasylamtes vor; weder das AsylG 2005 noch das AsylGHG begründen eine Zuständigkeit des Asylgerichtshofes auch für Verfahren, die nach dem AsylG 1997 zu Ende zu führen sind. Die mit der Einrichtung des Asylgerichtshofes verbundenen Änderung in der Bundesverfassung (sowie im AsylG 2005) knüpfen stets an den Asylgerichtshof als (neues) Entscheidungsorgan an, ohne auf den Geltungsbereich der verschiedenen asylrechtlichen Gesetzeslagen Bezug zu nehmen (vgl. Art. 129c, 129e, 132a sowie Art. 151 Abs. 39 Z 1 und Z 5 B-VG). Daher ist davon auszugehen, dass der Asylgerichtshof in s ä m t l i c h e n Verfahren, somit auch in jenen Verfahren, die nach dem AsylG 1997 weiterzuführen sind, an die Stelle des unabhängigen Bundesasylsenates tritt. Ebenso ist davon auszugehen, dass sich jene Bestimmungen des AsylG 1997, die von "Berufungen" sprechen, nunmehr auf Beschwerden beziehen (vgl. dazu AsylGH 12.8.2008, C5 251.212-0/2008/11E).

 

3.3 Gemäß § 7 AsylG 1997 hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

 

Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl (vgl. zB VwGH 24.3.1999, 98/01/0352 mwN; 15.3.2001, 99/20/0036; 15.3.2001, 99/20/0134). Damit ist nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "inländischen Flucht- oder Schutzalternative" (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal da auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 8.9.1999, 98/01/0614, 29.3.2001, 2000/20/0539).

 

Im vorliegenden Fall ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, objektive Furcht vor aktueller Verfolgung in gewisser Intensität glaubhaft zu machen. Die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK geforderten Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

 

3.4 Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG idF BGBl. I Nr. 101/2003 von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat nach § 57 FrG zulässig ist; diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden. Gemäß Art. 5 § 1 des Fremdenrechtspakets BGBl. I 100/2005 ist das FrG mit Ablauf des 31.12.2005 außer Kraft getreten; am 1.1.2006 ist gemäß § 126 Abs. 1 FPG das FPG in Kraft getreten. Gemäß § 124 Abs. 2 FPG treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des FrG verwiesen wird, an deren Stelle die entsprechenden Bestimmungen des FPG. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass das jeweilige andere Bundesgesetz nunmehr auf die entsprechenden Bestimmungen des FPG verweist. Demnach wäre die Verweisung des § 8 Abs. 1 AsylG idF BGBl. I Nr. 101/2003 auf § 57 FrG nunmehr auf die "entsprechende Bestimmung" des FPG zu beziehen, di. § 50 FPG. Ob dies wirklich der Absicht des Gesetzgebers entspricht - da doch Asylverfahren, die am 31.12.2005 bereits anhängig waren, nach dem AsylG weiterzuführen sind - braucht nicht weiter untersucht zu werden, da sich die Regelungsgehalte beider Vorschriften (§ 57 FrG und § 50 FPG) nicht in einer Weise unterscheiden, die für den vorliegenden Fall von Bedeutung wäre und da sich die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die sich - unmittelbar oder mittelbar - auf § 57 FrG bezieht, insoweit auch auf

§ 50 FPG übertragen ließe. Angemerkt sei jedoch, dass ein Verweis des § 8 Abs. 1 AsylG idF BGBl. I Nr. 101/2003 auf § 50 FPG nicht etwa jene Rechtslage herstellte, die dem Asylgesetz 2005 entspricht;

§ 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (der inhaltlich dem § 8 Abs. 1 AsylG idF BGBl. I Nr. 101/2003 entspricht) verweist nämlich nicht auf § 50 FPG, sondern regelt den subsidiären Schutz etwas anders als § 8 Abs. 1, er zählt auch die maßgeblichen Bedrohungen selbst auf, und zwar in einer Weise, die nicht wörtlich dem § 50 FPG entspricht.

 

Gemäß § 57 Abs. 1 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde. Gemäß § 57 Abs. 2 und 4 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder - mit einer Einschränkung, die im vorliegenden Verfahren nicht in Betracht kommt - Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 GFK).

 

Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 57 FrG knüpft an jene zum inhaltsgleichen § 37 Fremdengesetz BGBl. 838/1992 an. Für § 57 Abs. 1 FrG idF BG BGBl I 126/2002 kann auf die Rechtsprechung zur Stammfassung dieser Bestimmung (BGBl I 75/1997) zurückgegriffen werden (VwGH 16.7.2003, 2003/01/0059; 19.2.2004, 99/20/0573), mit der sie sich inhaltlich deckt (die Änderung diente nur der Verdeutlichung). Nach der Judikatur zu (§ 8 AsylG - nunmehr § 8 Abs. 1 AsylG - iVm) § 57 FrG ist Voraussetzung einer Feststellung nach dieser Bestimmung, dass eine konkrete, den Asylwerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (zB VwGH 26.6.1997, 95/21/0294; 25.1.2001, 2000/20/0438; 30.5.2001, 97/21/0560). Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwSlg. 15.437 A/2000; VwGH 25.11.1999, 99/20/0465;

8.6.2000, 99/20/0203; 8.6.2000, 99/20/0586; 21.9.2000, 99/20/0373;

25.1.2001, 2000/20/0367; 25.1.2001, 2000/20/0438; 25.1.2001, 2000/20/0480; 21.6.2001, 99/20/0460; 16.4.2002, 2000/20/0131). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.2.2001, 98/21/0427;

20.6.2002, 2002/18/0028).

 

Der Fremde hat glaubhaft zu machen, dass er iSd § 57 Abs. 1 und 2 FrG aktuell bedroht ist, dass die Bedrohung also im Falle, dass er abgeschoben würde, in dem von seinem Antrag erfassten Staat gegeben wäre und durch staatliche Stellen zumindest gebilligt wird oder durch sie nicht abgewandt werden kann. Gesichtspunkte der Zurechnung der Bedrohung im Zielstaat zu einem bestimmten "Verfolgersubjekt" sind nicht von Bedeutung; auf die Quelle der Gefahr im Zielstaat kommt es nicht an (VwGH 21.8.2001, 2000/01/0443; 26.2.2002, 99/20/0509; 22.8.2006, 2005/01/0718). Diese aktuelle Bedrohungssituation ist mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender Angaben darzutun, die durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert werden (VwGH 2.8.2000, 98/21/0461). Dies ist auch im Rahmen des § 8 (nunmehr: § 8 Abs. 1) AsylG zu beachten (VwGH 25.1.2001, 2001/20/0011). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214).

 

Der Prüfungsrahmen des § 57 FrG ist durch § 8 (nunmehr: § 8 Abs. 1) AsylG auf den Herkunftsstaat des Fremden beschränkt (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 21.10.1999, 98/20/0512).

 

Wie bereits oben ausgeführt, bestehen keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass das Leben oder die Freiheit des Beschwerdeführers aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre; daher liegt kein Fall des § 57 Abs. 2 FrG vor. Zu prüfen bleibt, ob es begründete Anhaltspunkte dafür gibt, dass durch die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Berufungswerbers in seinen Herkunftsstaat Art. 2 oder 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur EMRK verletzt würde.

 

Es besteht kein Hinweis auf "außergewöhnliche Umstände", die eine Abschiebung unzulässig machen könnten. In Georgien besteht nicht eine solch extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre. Der Beschwerdeführer hat auch keinen auf seine Person bezogenen "außergewöhnlichen Umstand" behauptet, der ein Abschiebungshindernis bilden könnte.

 

3.5 Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG idF BGBl. I Nr. 101/2003 hat die Behörde dann, wenn ein Asylantrag abzuweisen ist und wenn die Überprüfung gemäß § 8 Abs. 1 ergeben hat, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist, diesen Bescheid mit der Ausweisung zu verbinden. Da diese Voraussetzungen hier vorliegen, ist der Beschwerdeführer auszuweisen. Bei der Ausweisungsentscheidung ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes Art. 8 EMRK zu berücksichtigen (VfSlg. 17.340/2004 [S 515], 17.516/2005 [Pt. IV.2.1 am Ende und IV.3.2]; VfGH 29.9.2007, B 1150/07; vgl. auch die Erläut. zur RV der AsylGNov. 2003 [120 BlgNR 22. GP, 14], die davon ausgehen, dass "bei jeder Ausweisungsentscheidung im österreichischen Fremdenwesen [...] Art. 8 EMRK in die Entscheidungsfindung einzubeziehen" ist und die das offenbar auch für das Asylrecht annehmen; weiters VwGH 23.11.2006, 2005/20/0516; 27.2.2007, 2007/01/0016; 26.3.2007, 2006/01/0595). Dabei stehen die Interessen des Fremden an seinem Verbleib im Inland, die durch Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützt sind, dem öffentlichen Interesse an der Beendigung seines Aufenthaltes gegenüber. Nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 17.516/2005 (Pt. IV.2.1) beabsichtigt der Gesetzgeber, "durch die zwingend vorgesehene Ausweisung von Asylwerbern eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung im Inland von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern". Dem in § 37 FrG verankerten Ausweisungshindernis darf nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht die Bedeutung unterstellt werden, "es wäre für Fremde zulässig, sich durch die Missachtung der für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden geltenden Vorschriften im Bundesgebiet ein Aufenthaltsrecht zu verschaffen" (VwGH 22.3.2002, 99/21/0082 mwN). Nichts anderes kann aber für die durch das AsylG vorgeschriebene Abwägung gelten, hat doch der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen (VfSlg. 17.516/2005 [Pt. IV. 3.2]): "§ 37 FrG legt [...] Kriterien fest, die sich auch aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte [...] zu Art. 8 EMRK in Fällen der Außerlandesschaffung eines Fremden ergeben und die von den Asylbehörden bei Ausweisungen nach § 8 Abs. 2 AsylG, auch wenn sie dort nicht genannt sind, zu beachten sind."

 

Der Beschwerdeführer hat sich im vorliegenden Fall seit 2002 fast durchwegs im Bundesgebiet aufgehalten und ist mit einem - zum dauernden Aufenthalt berechtigten - Konventionsflüchtling verheiratet. Die gemeinsame, am 00.00.2005 geborene Tochter besitzt ebenfalls Flüchtlingsstatus. Beide Angehörige der Kernfamilie des Beschwerdeführers, mit denen er festgestelltermaßen ein Familienleben iSd Art. 8 Abs. 1 EMRK in Österreich schon seit längerem führt, sind im Bundesgebiet dauerhaft aufenthaltsberechtigt. Es ist im Verfahren nicht hervorgekommen, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers, eine kasachische Staatsangehörige, oder seine Tochter über Anknüpfungspunkte in Georgien verfügen, aufgrund derer eine Begleitung des Beschwerdeführers in sein Heimatland für sie zumutbar wäre. Vor diesem Hintergrund wiegen die privaten bzw. familiären Interessen - ungeachtet der bereits länger zurückliegenden strafgerichtlichen Verurteilung wegen Ladendiebstahls - schwerer als die öffentlichen Interesen an der Aufenthaltsbeendigung. Die Ausweisung wäre somit angesichts der familiären Bindungen des Beschwerdeführers unverhältnismäßig iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK, weshalb dessen Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet für unzulässig zu erklären war.

 

3.6 Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
bestehendes Familienleben, Glaubwürdigkeit, Interessensabwägung, non refoulement, strafrechtliche Verurteilung
Zuletzt aktualisiert am
05.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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