E11 240.500-0/2008-12E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. KINZLBAUER als Vorsitzenden und die Richterin Dr. ZOPF als Beisitzerin im Beisein der Schriftführerin Fr. BIRNGRUBER über die Beschwerde des E.S.E., geb. am 00.00.1970 alias 00.00.1977, StA. Türkei gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.07.2003, FZ. 03 11.590-BAT, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gem. § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I.
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei, brachte am 18.04.2003 beim Bundesasylamt (BAA) einen Asylantrag ein. Dazu wurde er von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und zu den im Akt ersichtlichen Daten von einem Organwalter des BAA niederschriftlich einvernommen. Der Verlauf dieser Einvernahmen ist im angefochtenen Bescheid vollständig wieder gegeben, weshalb an dieser Stelle hierauf verwiesen wird.
Als Begründung für das Verlassen des Herkunftsstaates brachte er im Wesentlichen vor, er habe die PKK unterstützt und habe in der Türkei wiederholt an Demonstrationen teilgenommen. Sein Bruder sei im Zuge einer solchen Demonstration von der Polizei angeschossen worden. Einmal sei er von der Polizei 45 Tage festgehalten und auch gefoltert worden. Danach habe er sich die Jahre bis zu seiner Ausreise an verschiedenen Örtlichkeiten aufgehalten. Im Falle einer Rückkehr in die Türkei erwarte ihn 12-jährige Haft.
2. Der Asylantrag wurde folglich mit Bescheid des BAA vom 28.07.2003, Zahl: 03 11.590-BAT, gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I 1997/76 (AsylG) idgF, abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 AsylG wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF in die Türkei für zulässig erklärt (Spruchpunkt II.).
Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Vorbringen des BF als nicht glaubhaft; es weise zahlreiche Widersprüche auf.
Der BF habe der Asylbehörde einen gefälschten Personalausweis vorgelegt. Diesbezüglich sei ihm entgegenzuhalten, dass es in keinster Weise glaubwürdig sei, dass es sich bei den darauf vermerkten Daten um eine unbescholtene Person handle. Dies würde bedeuten, dass jede unbescholtene Person in der Türkei sich keinen Personalausweis mehr ausstellen lassen könnte, zumal deren Daten ja zwischenzeitlich missbräuchlich verwendet worden seien. Dazu komme, dass die Angaben, wie und wann der BF zu der Fälschung gekommen sein wolle, völlig unglaubwürdig seien. Der Ausweis weise keinerlei Fälschungsmerkmale auf, es befinde sich sein Bild darauf und korreliere das Aussehen auf dem Foto mit dem angegebenen Geburtsdatum, weshalb alles in allem davon auszugehen sei, dass der BF selbst E.E. sei.
Das BAA gehe davon aus, dass der BF nicht S.B. sei, sondern mit großer Wahrscheinlichkeit der rechtmäßige Besitzer des vorgelegten Personalausweises, weshalb der gestellte Beweisantrag auf Übersetzung und Überprüfung der vorgelegten Kopie eines Abwesenheitsurteiles abgewiesen werde.
Aufbauend auf die Beweiswürdigung stellte die Erstbehörde fest, dass der BF mit großer Wahrscheinlichkeit E.E., jedenfalls aber nicht S.B. sei. Dem gesamten Vorbringen zur Bedrohungssituation werde die Glaubwürdigkeit abgesprochen.
3. Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 11.08.2003 innerhalb offener Frist Berufung [jetzt Beschwerde] erhoben. Hinsichtlich des Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.
4. Mit Schreiben vom 22.09.2003 wurden vom BAA drei Originaldokumente (darunter ein Personalausweis [Nüfus] lautend auf S.B.) samt einer Originalbestätigung zur Berufungsvorlage vom 13.08.2003 nachgereicht und ersucht, diese auf deren Echtheit prüfen zu lassen.
5. Mit Schreiben vom 19.04.2004 wurde vom BAA ein Untersuchungsbericht des Bundeskriminalamtes über die urkundentechnische Untersuchung eines Personalausweises lautend auf E.E., 00.00.1970 geb., nachgereicht. Gemäß der Untersuchung hatten sich keine Hinweise auf das Vorliegen einer Verfälschung ergeben.
Gemäß diesem Untersuchungsbericht war das zu untersuchende Dokument dem Bericht angeschlossen. Dieses Dokument ist aber weder diesem Bericht angeschlossen, noch im - dem Asylgerichtshof vorliegenden - Verwaltungsakt auffindbar.
6. Per Telefax vom 18.07.2007 (ebenso mit Nachreichung des BAA vom 19.07.2007 zur Berufungsvorlage) wurde dem UBAS mitgeteilt, dass der BF Vollmacht an Frau Mag. Katrin HULLA, Caritas Wien Asylzentrum, erteilt habe und gleichzeitig unter Vorlage von Dokumenten (dem Schreiben nach Kopien des in Wien an der türkischen Botschaft ausgestellten Reisepasses, der Heiratsurkunde und der Geburtsurkunden der Kinder) um Berichtigung des Datensatzes ersucht. Die angeführten Kopien des Reispasses sind größtenteils unleserlich.
7. Per Telefax vom 27.12.2007 wurde durch Eingabe der Vertreterin des BF der Antrag auf Namensberichtigung wiederholt.
8. Mit Schreiben vom 15.04.2008 wurde die Vollmachtserteilung an die Rechtsanwälte Dr. Josef UNTERWEGER, Mag. Doris EINWALLNER bekanntgegeben.
9. Mit Eingabe vom 06.08.2008 wurde Antrag auf Korrektur bzw. Ausstellung einer korrigierten Aufenthaltsberechtigungskarte gestellt.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Der Asylgerichtshof hat durch Einsicht in den vorliegenden
Verwaltungsakt Beweis erhoben und Folgendes festgestellt:
1. Das BAA traf keine Feststellungen zur Lage in der Türkei. Damit kann auch nicht abschließend beurteilt werden, ob das Vorbringen des BF den Tatsachen entspricht, weil das Vorbringen des BF mit der objektiven Lage in seinem Herkunftsland nicht in Relation gesetzt werden konnte.
Der BF hatte behauptet, er besitze einen Personalausweis, lautend auf seinen richtigen Namen S.B. und ebenso einen gefälschten, lautend auf den Namen E.E.. Er habe sich diesen gefälschten Ausweis beim Standesamt ausstellen lassen; sein Parteifreund arbeite dort, daher sei ihm der Ausweis ausgestellt worden. Das sei sehr normal; sogar einen grünen Reisepass könne man durch Bestechung bekommen. Dieses Vorbringen des BF wertete das BAA als unglaubwürdig, ohne es aber mit der Situation im Herkunftsland - etwa Feststellungen zur Behördenpraxis, Korruption - zu vergleichen.
Der BF hatte auch mehrere Dokumente, die sich auf seinen - wie er angibt - richtigen Namen beziehen, vorgelegt, so eine Kopie eines Schreibens des Staatssicherheitsgerichtes, die Kopie eines Schreibens der Gefängnisdirektion, den Bruder S.S. betreffend, und die Kopie eines Schreibens mit dem Titel "vorbereitetes Geständnisprotokoll", den Bruder S.S. betreffend, sowie einen Standesamt-Auszug im Original, um seine Identität und sein weiteres Vorbringen zu beweisen. Dabei gab er an, seinen echten Ausweis zu Hause zu haben. Das Original dieses Standesamt-Auszugs wurde dem BF vom einvernehmenden Organ wieder zurückgegeben, eine Kopie findet sich nicht im Akt. Auch wurde der BF vom BAA nicht aufgefordert, seinen echten Ausweis beizubringen und der Behörde vorzulegen.
Welche der beiden relevierten Identitäten der BF nun tatsächlich besitzt, wurde vom BAA folglich nicht eindeutig geklärt. Insofern - im Hinblick auf die beiden bezeichneten Aspekte - leidet der vorliegende Bescheid an mangelhafter Sachverhaltsermittlung.
Auch der nachträglich eingelangte Bericht über die urkundentechnische Untersuchung des mit dem Namen E.E. vorgelegten Ausweises - dieser weise keine Fälschungsmerkmale auf - vermag die Wertung der belangten Behörde nicht zu stützten, hatte der BF doch angegeben, der Ausweis sei vom zuständigen Amt, allerdings korrupterweise, ausgestellt worden. Demnach wäre der Ausweis eine Falschbeurkundung durch die zuständige Behörde.
2. Die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes ist darüber hinaus unschlüssig. So hatte das BAA festgestellt, dass der BF mit großer Wahrscheinlichkeit E. [gemeint: E.E.] E. sei, jedenfalls aber nicht S.B.. Zwar wurde vom BAA begründend ausgeführt, warum es der Ansicht ist, der BF sei mit großer Wahrscheinlichkeit (bei diesem Kalkül bliebe immer noch eine geringe Wahrscheinlichkeit für das Gegenteil) nicht E.E., warum es allerdings der Meinung ist, er sei jedenfalls [wird verstanden als: "mit Sicherheit"] nicht S.B., wurde nicht näher dargelegt, sondern aus der Feststellung, der BF sei mit großer Wahrscheinlichkeit E.E., gefolgert, er sei jedenfalls nicht S.B.. Dies alles vor dem Hintergrund, dass der BF ja angegeben hatte, sein richtiger Personalausweis sei zu Hause (ohne ihn dabei dazu zu verhalten, diesen Ausweis beizubringen) und er Dokumente vorgelegt hatte, womit er seine Identität und sein Vorbringen beweisen wollte (wobei diese Dokumente [Standesamt-Auszug] einerseits zum Beweis seiner Identität als ungeeignet erklärt wurden und andererseits nicht einer Übersetzung zugeführt wurden, obwohl der BF dies sogar beantragt hatte). Insofern ist die Beweiswürdigung der Erstbehörde nicht nachvollziehbar und damit unschlüssig. Das Vorbringen des BF war zu einem wesentlichen Teil auf der Person des S.B. basierend - durch die fehlerhafte Argumentation des BAA wird damit dessen Beweiswürdigung in wesentlichen tragenden Teilen unschlüssig, wobei nicht übersehen wird, dass von der Erstbehörde zu Recht zahlreiche Widersprüche ins Treffen geführt wurden.
3. Das Bundesasylamt hat es im erstinstanzlichen Verfahren unterlassen, dem BF das Parteiengehör umfassend zu gewähren. Dem BF wurde jener Sachverhalt nicht vollständig vorgehalten, von welchem das Bundesasylamt hinsichtlich der Feststellungen zu seiner Person und der allgemeinen Lage in der Türkei ausgeht (weil solche Feststellungen überhaupt fehlen - damit konnten sie ihm auch nicht zur Kenntnis gebracht werden; die Feststellungen zu seiner Person wurden ihm ebenso nicht vorgehalten).
III. Rechtliche Beurteilung
Artikel 151 Abs. 39 Z. 1 und 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) lauten:
(39) Art. 10 Abs. 1 Z 1, 3, 6 und 14, Art. 78d Abs. 2, Art. 102 Abs. 2, Art. 129, Abschnitt B des (neuen) siebenten Hauptstückes, Art. 132a, Art. 135 Abs. 2 und 3, Art. 138 Abs. 1, Art. 140 Abs. 1erster Satz und Art. 144a in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. I Nr. 2/2008 treten mit 1. Juli 2008 in Kraft. Für den Übergang zur neuen Rechtslage gilt:
Z 1: Mit 1. Juli 2008 wird der bisherige unabhängige Bundesasylsenat zum Asylgerichtshof.
Z 4: Am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren sind vom Asylgerichtshof weiterzuführen.
Gemäß § 75 Abs 7 AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 sind am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:
1. Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.
2. Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.
3. Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständigen Senat weiterzuführen."
Gemäß § 75 Abs 1 AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des AsylG 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt.
(....).
Gemäß § 38 Abs 1 AsylG 1997 BGBl I Nr. 76/1997 idF BGBl I Nr. 126/2002 entscheidet über Rechtsmittel gegen Bescheide des Bundesasylamtes der unabhängige Bundesasylsenat.
Gemäß § 61 (1) AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über
1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und
2. [.....]
(2) [.....]
(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen
1. zurückweisende Bescheide
[......]
2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.
(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.
Gem. § 23 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I, Nr. 4/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idgF sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, weshalb im gegenständlichen Fall im hier ersichtlichen Umfang das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51 zur Anwendung gelangt.
Gemäß § 66 Abs 4 AVG idgF hat der Asylgerichtshof [Berufungsbehörde], sofern die Beschwerde [Berufung] nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Er [sie] ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) seine [ihre] Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann der Asylgerichtshof [Berufungsbehörde], wenn der ihm vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Gemäß Abs. 3 leg. cit. kann der AsylGH [Berufungsbehörde] jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.
Auch der AsylGH ist zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG berechtigt (vgl. dazu VwGH v. 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315 und Zl. 2000/20/0084 zur Anwendbarkeit von § 66 (2) AVG durch den Unabhängigen Bundesasylsenat). Eine kassatorische Entscheidung darf vom AsylGH nicht bei jeder Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes, sondern nur dann getroffen werden, wenn der ihm vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Das erkennende Gericht hat dabei zunächst in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen, ob angesichts der Ergänzungsbedürftigkeit des ihm vorliegenden Sachverhaltes die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als "unvermeidlich erscheint". Für die Frage der Unvermeidlichkeit einer mündlichen Verhandlung i.S.d. § 66 Abs. 2 AVG ist es aber unerheblich, ob eine kontradiktorische Verhandlung oder nur eine Vernehmung erforderlich ist (vgl. etwa VwGH v. 14.03.2001, Zl. 2000/08/0200; zum Begriff "mündliche Verhandlung" i. S.d. § 66 Abs. 2 AVG siehe VwGH v. 21.11.2002, Zl. 2000/20/0084).
Im Erkenntnis vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315, welches sich auf den Unabhängigen Bundesasylsenat bezog und aufgrund der identischen Interessenslage in Bezug auf den AsylGH ebenbfalls seine Gültigkeit hat, führte der VwGH zur Frage der Gesetzmäßigkeit der Ermessungsübung im Sinne des § 66 Abs. 2 und 3 AVG folgendes aus:
"Der Gesetzgeber hat in Asylsachen ein zweiinstanzliches Verfahren (mit nachgeordneter Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) eingerichtet, wobei der belangten Behörde die Rolle einer "obersten Berufungsbehörde" zukommt (Art. 129c Abs. 1 B-VG). In diesem Verfahren hat bereits das Bundesasylamt den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag relevanten Sachverhalt zu ermitteln und es ist gemäß § 27 Abs. 1 AsylG grundsätzlich verpflichtet, den Asylwerber dazu persönlich zu vernehmen. Diese Anordnungen des Gesetzgebers würden aber unterlaufen, wenn es wegen des Unterbleibens eines Ermittlungsverfahrens in erster Instanz zu einer Verlagerung nahezu des gesamten Verfahrens vor die Berufungsbehörde käme und die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen damit zur bloßen Formsache würde. Es ist nicht im Sinne des Gesetzes, wenn die Berufungsbehörde, statt ihre (umfassende) Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können, jene Behörde ist, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und einer Beurteilung unterzieht.
Dieser Gesichtspunkt ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes - freilich immer unter ausreichender Bedachtnahme auf das Interesse der Partei an einer raschen Erledigung des Asylverfahrens - bei der Ermessensausübung nach § 66 Abs. 2 und 3 AVG auch einzubeziehen. Unter dem Blickwinkel einer Kostenersparnis für die Partei ist dabei vor allem auch zu beachten, dass die Vernehmung vor dem Bundesasylamt dezentral durch die Außenstelle in den Bundesländern erfolgt, während der unabhängige Bundesasylsenat - anders als bei den unabhängigen Verwaltungssenaten in den Ländern, für die Vergleichbares auf Landesebene gilt - als zentrale Bundesbehörde in Wien eingerichtet ist (vgl. auch zu das bereits erwähnte Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl.2000/20/0084)."
Auch wenn der AsylGH eine Außenstelle in Linz einrichtete, ist auszuführen, dass aufgrund des organisatorischen Aufbaues des AsylGH und des Bundesasylamtes, sowie aufgrund des Aufenthaltsortes des BFs und der Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes eine Weiterführung des Verfahrens durch den AsylGH im Sinne des § 66 (3) AVG nicht mit einer Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.
Im gegenständlichen Fall wurde der entscheidungsrelevante Sachverhalt nicht im erforderlichen Ausmaß ermittelt. Es wird daher Sache des Bundesasylamtes sein, die gebotenen Ermittlungstätigkeiten im bereits erörterten Umfang - v.a. im Hinblick auf die mangelhaften Ermittlungen zur Identität [ev. unter Einbeziehung des mit Eingabe vom 18.07.2007 relevierten Identitätsdokumentes; die im vorliegenden Verwaltungsakt enthaltenen Kopien sind großteils unleserlich] nachzuholen.
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt die Ansicht, dass beweiswürdigende Überlegungen zur Stichhaltigkeit einer Fluchtgeschichte sich regelmäßig nicht auf das Vorbringen des Asylwerbers beschränken dürfen. Vielmehr bedarf es idR auch einer Betrachtung der konkreten fallbezogenen Lage im Herkunftsstaat des Betreffenden, weil seine Angaben letztlich nur vor diesem Hintergrund einer Plausibilitätskontrolle zugänglich sind (VwGH 18.4.2002, 2001/01/0002; in diesem Sinne auch VwGH 28.1.2005, 2004/01/0476). Von den Asylbehörden ist eine Einbeziehung des realen Hintergrundes der von einem Asylwerber vorgetragenen Fluchtgeschichte in das Ermittlungsverfahren zu erwarten. Die Behauptungen des Asylwerbers sind auch am Verhältnis zu der Berichtslage in Bezug auf das Ereignis, von dem er betroffen gewesen sein will, zu messen (VwGH 30.9.2004, 2001/20/0135, in diesem Sinne auch VwGH 31.5.2005, 2005/20/0176).
Auch der Verfassungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis 2001/10/02 B 2136/00 davon aus, dass sich die Asylbehörden nicht mit Feststellungen zur allgemeinen Situation im Herkunftsstaat begnügen dürfen, sondern fallbezogen konkrete Ermittlungen (im gegenständlichen Erkenntnis des VfGH geht es um eine Geheimgesellschaft) in Bezug auf das individuelle Vorbringen tätigen müssen, um dieses einer Plausibilitätskontrolle unterziehen zu können. Nach Ansicht des zitierten VfGH Erkenntnisses besteht diese Verpflichtung selbst dann, "wenn die vom Beschwerdeführer gegebene Schilderung von vornherein als kaum glaubwürdig und als irreal erscheint. Dies entbindet die Asylbehörde nicht von ihrer Verpflichtung, die notwendigen Ermittlungen vorzunehmen".
Zur Verletzung des Parteiengehörs wird auf folgenden Umstand hingewiesen:
Es hätte jedenfalls einer Konfrontation der Partei mit dem (wie oben aufgezeigt) amtswegig zu ermittelnden Sachverhalt und den diesbezüglichen Beweismitteln bedurft. Dem BF wurden aber zu keiner Zeit des erstinstanzlichen Verfahrens Länderfeststellungen zu seinem Herkunftsland vorgehalten; ebenswenig wurden ihm Festsetllungen zu seiner Person vorgehalten.
Der BF hatte diesbezüglich auch keine Möglichkeit den dem Bescheid (und der darin vertretenen Rechtsauffassung) entgegenzutreten bzw. eine Gegenschrift einzubringen. Gemäß § 45 Abs. 3 AVG ist den Parteien Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis zu erlangen und dazu Stellung zu nehmen. Den Parteien ist das Ergebnis der behördlichen Beweisaufnahme in förmlicher Weise zur Kenntnis zu bringen und ausdrücklich unter Setzung einer angemessenen Frist Gelegenheit zu geben, zu diesen Ergebnissen Stellung zu nehmen (VwGH 05.09.1995, Zl. 95/08/0002). Gegenstand des Parteiengehörs sind sämtliche Ergebnisse der Beweisaufnahme. Auch soweit die Behörde bestimmte Tatsachen als offenkundig behandelt, ist dies der Partei bekannt zu geben (VwGH 17.10.1995, Zl. 94/08/0269). Gemäß der Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 27.02.2003, Zl. 2000/18/0040) ist die Verletzung des Parteiengehörs zwar saniert, wenn im Bescheid die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens dargelegt werden und die Partei die Möglichkeit hat, in ihrer Berufung dagegen Stellung zu nehmen - Voraussetzung einer solchen Sanierung ist aber, dass in der erstinstanzlichen Bescheidbegründung tatsächlich alle Beweisergebnisse dargelegt werden, da ansonsten die Berufungsbehörde das Parteiengehör einräumen müsste (VwGH 25.03.2004, Zl. 2003/07/0062). Durch die genannten fehlenden Länderfeststellungen sowie die unschlüssige Beweiswürdigung ist dieses Erfordernis aber mit Sicherheit nicht erfüllt.
Soweit im erstinstanzlichen Asylverfahren das Parteiengehör verletzt wurde, wird angeführt, dass die Gewährung des Parteiengehörs mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Stellungnahme des Berufungswerbers zur Folge hat, welche wiederum ein wesentliches Bescheinigungsmittel zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes darstellen kann und von der Behörde amtswegig herbeizuschaffen sein wird.
Enthält - wie im gegenständlichen Fall - der Bescheid eine nicht auf den sonstigen Inhalt abgestimmte schlüssige Beweiswürdigung, so führt dies in weiterer Folge dazu, dass auch die hierauf aufbauenden Feststellungen letztlich auf ein mangelhaftes Verfahren fußen und das Ermittlungsverfahren in seiner Gesamtheit als mangelhaft anzusehen ist. Hätte das Bundesasylamt die Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung erkannt, hätte es weitere Erhebungen zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes getätigt, wozu auch eine weitere Befragung des BFs, bzw. eine Konfrontation des BFs mit dem Ergebnis der Erhebungen erforderlich gewesen wäre.
Im Rahmen der nachzuholenden Ermittlungstätigkeiten wird das Bundesasylamt auch den BF ein weiteres Mal zu befragen haben. Ebenso wird es dem BF das Ermittlungsergebnis zur Kenntnis zu bringen und ihm die Gelegenheit einzuräumen zu haben, sich hierzu zu äußern. In weiterer Folge wird das BAA das Ermittlungsergebnis unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Bescheinigungsmittel einer schlüssigen Beweiswürdigung zu unterziehen und individuelle Feststellungen zu treffen haben, welche als Basis für die rechtliche Beurteilung dienen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.