TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/15 B3 401859-1/2008

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Veröffentlicht am 15.10.2008
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Spruch

B3 401.859-1/2008/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. Karin WINTER als Vorsitzende und den Richter Mag. Florian NEWALD als Beisitzer über die Beschwerde des I.S., geboren am 00.00.1984, serbischer Staatsangehöriger, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 23. September 2008, Zl. 07 11.973-BAT, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8 und 10 Asylgesetzes 2005 (AsylG) als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang

 

1. Der Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsbürger und Angehöriger der albanischen Volksgruppe muslimischen Glaubens, stammt aus T. (Gemeinde B., Serbien). Er reiste nach seinen Angaben am 23. Dezember 2007 in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu gab er bei seiner Einvernahme vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 23. Dezember 2007 im Wesentlichen an, er habe sein Heimatland verlassen, weil er dort mehrmals von uniformierten, maskierten Männern zusammengeschlagen worden sei. Er sei sich keiner Schuld bewusst und habe niemanden etwas getan. Er glaube, wegen seiner albanischen Volkszugehörigkeit zusammengeschlagen worden zu sein, und habe Angst um sein Leben. Weiters gab er an, dass seine Eltern und sein Bruder in seinem Heimatort leben würden und seine Schwester in der Schweiz wohne. An Dokumenten legte er seinen serbischen Personalausweis vor.

 

Bei seinen Einvernahmen vor dem Bundesasylamt am 29. Februar, 15. April und 9. Juli 2008 gab der Beschwerdeführer - zusammengefasst - Folgendes an: Im Zeitraum 2000 bis 2001 sei er ca. eineinhalb Monate bei der UCPMB gewesen und dabei als einfacher Soldat für die Verpflegung seines Heimatortes zuständig gewesen. Er habe Angst in Serbien zu leben, weil viele Albaner, die der UCPMB angehört hätten, verhaftet worden seien. Seit 2003 sei er von der serbischen Polizei und dem serbischen Militär - wie der Beschwerdeführer zunächst ausführte - mehrmals geschlagen bzw. malträtiert worden sei; später gab der Beschwerdeführer hingegen an, er sei von den Sicherheitskräften nur kontrolliert und angebrüllt, nicht jedoch tätlich angegriffen worden. Die Polizisten seien uniformiert gewesen und hätten schwarze, gestrickte Masken mit Augen- und Mundschlitzen getragen. Diese Kontrollen würden nur die albanische Bevölkerung betreffen. Zur UCPMB sei der Beschwerdeführer jedoch niemals befragt worden. Auch sei er mit einem (namentlich näher genannten) Freund seit 2004 zweimal wöchentlich "aus Spaß" in den Kosovo gefahren und dabei ebenfalls ständig von maskierten serbischen Sicherheitskräften kontrolliert worden. Im Jahre 2007 habe der Beschwerdeführer (nach vier Jahren) aufgehört, als Tischler zu arbeiten, weil er Angst gehabt habe, als ehemaliges Mitglied der UCPMB verhaftet zu werden. Im November 2007 sei er und ein (anderer namentlich näher genannter) Freund von der (nichtmaskierten) Militärpolizei bei einer Routinekontrolle geschlagen worden, obwohl der Beschwerdeführer nichts getan habe. Später gab der Beschwerdeführer hingegen an, dass dieser Vorfall Ende Dezember 2007 gewesen sei. Ausschlaggebender Grund für seine Ausreise am 22. Dezember 2007 sei seine Angst vor einem neuerlichen Krieg gewesen. Im Falle einer Rückkehr nach Serbien befürchte er, von der Polizei und dem Militär bedroht zu werden. Nach Vorhalt, dass er bei der Erstbefragung nichts von seiner Mitgliedschaft bei der UCPMB angegeben habe, führte er aus, dass er müde gewesen sei und man ihm mitgeteilt habe, dass er noch eine weitere Einvernahme haben werde. Nach Vorhalt, dass er zuerst angegeben habe, im November 2007 und später - im zeitlichen Widerspruch dazu - Ende Dezember 2007 von der Militärpolizei geschlagen worden zu sein, antwortete der Beschwerdeführer nur, der zeitliche Widerspruch sei nicht so groß. Nach Vorhalt, dass es nicht nachvollziehbar sei, sich durch Fahrten in den Kosovo laufend Kontrollen auszusetzen, wenn man befürchte, inhaftiert zu werden, gab der Beschwerdeführer an, dass er nicht von vorne herein gewusst habe, dass er kontrolliert werde. Nach Vorhalt, dass aus den Länderberichten hervorgehe, dass seit 2004 keine Fälle bekannt seien, in denen es zu Repressalien gegen ehemalige UCPMB Mitglieder gekommen sei und die (am 4. Juni 2002 beschlossenen) Amnestieregelungen laut OSZE umgesetzt worden seien, antwortete der Beschwerdeführer (lediglich), er habe Angst vor der serbischen Polizei bzw. dem serbischen Militär.

 

2. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ab, erkannte ihm weder den Status eines Asylberechtigten noch den eines subsidiär Schutzberechtigten zu und wies ihn aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Serbien aus. Das Bundesasylamt traf in seinem Bescheid umfangreiche Feststellungen zur Situation in Serbien. Es beurteilte das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen als unglaubwürdig und führte dazu die schon im Rahmen seiner Einvernahmen aufgezeigten Widersprüche und Unplausibilitäten auf. Darüber hinaus argumentierte es, bei einem tatsächlichen Bestehen einer Verfolgung wäre zu erwarten gewesen, dass der Beschwerdeführer schon wesentlich früher sein Heimatland verlassen hätte bzw. sich nicht noch jahrelang im Einflussbereich seiner angeblichen Verfolger aufgehalten hätte. Weiters verneinte das Bundesasylamt eine Gefährdung des Beschwerdeführers im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG und begründete abschließend seine Ausweisungsentscheidung.

 

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, fristgerechte Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer im Wesentlichen vorbringt, er habe einige Fluchtgründe erst später vorgebracht, weil er sehr müde gewesen sei und mit weiteren Einvernahmen gerechnet habe. Der zeitliche Widerspruch sei bloß eine marginale Abweichung von maximal ein bis zwei Wochen gewesen. Seine Angaben seien sehr genau gewesen, so habe er etwa unwichtige Details wie die Beschaffenheit der Masken der Polizisten bzw. des Militärs angeben können. Aus dem aktuellen Bericht von Amnesty International ergebe sich, dass es immer noch zu Übergriffen gegen ethnische Albaner komme. Auch seien die Probleme mit der Unabhängigkeit des Kosovo schlimmer geworden, was den Beschwerdeführer zur Ausreise bewegt habe. Trotz der Amnestierung ehemalige UCPMB-Mitglieder seien (zwei namentlich näher genannte) Freunde des Beschwerdeführers verhaftet worden, die einen "ähnlichen Hintergrund" gehabt hätten, wie der Beschwerdeführer. Diesbezüglich habe das Bundesasylamt aber keine Ermittlungen angestellt. Der Beschwerdeführer sei trotz der häufigen Kontrollen und Schikanen immer wieder in den Kosovo gefahren, weil er sich aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit dort sehr wohl gefühlt habe, insbesondere weil er kaum Serbisch spreche. Er werde einerseits wegen seiner albanischen Volksgruppenzugehörigkeit und andererseits wegen seiner Angehörigkeit zur UCPMB verfolgt.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Das Bundesasylamt hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens und die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen klar und übersichtlich zusammengefasst. Der Asylgerichtshof schließt sich den Feststellungen zum Sachverhalt an (vgl. VwGH 25.3.1999, 98/20/0559; 8.6.2000, 99/20/0366; 30.11.2000, 2000/20/0356; 22.2.2001, 2000/20/0557; 21.6.2001, 99/20/0460). Auch die Beweiswürdigung ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zu Recht zeigte das Bundesasylamt die Widersprüche und Unplausibilitäten im Vorbringen des Beschwerdeführers auf, die der Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar entkräften konnte.

 

2. In der Beschwerde wird kein neuer Sachverhalt vorgebracht und werden die Ausführungen des Bundesasylamtes nicht substantiiert bekämpft. Aus dem zitierten Bericht von Amnesty International ergibt sich kein Muster, dass serbische Staatsbürger albanischer Volksgruppenzugehörigkeit aufgrund ihrer Ethnie verfolgt würden. Auch geht dieser Bericht nicht spezifisch auf die Situation der albanischen Volksgruppe in Serbien ein. Abgesehen davon ist er in Hinblick auf den Bericht des (dt.) auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Serbien vom 22. September 2008 (siehe insbes. S 13) als überholt zu werten.

 

Den Beschwerdeausführungen, dass trotz der Amnestierung ehemaliger UCPMB-Mitglieder (zwei namentlich näher genannte) Freunde des Beschwerdeführers verhaftet worden seien, die einen "ähnlichen Hintergrund" gehabt hätten wie der Beschwerdeführer, ist Folgendes zu entgegnen: Vor dem Bundesasylamt hatte der Beschwerdeführer seine Freunde nur im Zusammenhang damit genannt, dass sie - wie der Beschwerdeführer - bei Verkehrskontrollen befragt und durchsucht worden seien (vgl. das im angefochtenen Bescheid wörtlich wiedergegebene Einvernahmeprotokoll vom 15. April 2008, insbes. S 11 des angefochtenen Bescheides). Erst in der Beschwerde brachte der Beschwerdeführer vor, dass diese verhaftet worden seien. Weiters ergibt sich (wie auch das Bundesasylamt im angefochtenen Bescheid zu Recht festgestellt hat) aus der Herkunftsländerinformation, dass die Amnestie eingehalten wird (vgl. etwa Demaj, Violeta: Gutachten zu

GZ: 312.453-1/17Z-XVIII/58/07, Juli 2008; UNHCR Vertretung in Österreich: Südserbien - Situation ehemaliger UCPMB Mitglieder, AUS/HCR/MSC/088, 26.07.2002; Schweizerische Flüchtlingshilfe,

Serbien-Montenegro: Zur Situation der AlbanerInnen im Presevo-Tal, Mai 2005, S 4). Die Nennung von Namen zweier Personen, die angeblich verhaftet worden seien, ist daher nicht geeignet, die Richtigkeit der auf fundierten Berichten anerkannter internationaler staatlicher bzw. nichtstaatlicher Organisationen und auf einem Gutachten einer Ländersachverständigen beruhenden Feststellungen in Frage zu stellen. Abgesehen davon lässt die Aussage, es seien Freunde mit einem "ähnlichen Hintergrund" wie der Beschwerdeführer verhaftet worden, offen, ob diese nicht zu jenem Personenkreis zählen, die wegen der Verübung von Attentaten und somit wegen nicht unter die Amnestie fallenden Tatbeständen verhaftet worden sind (vgl. dazu nochmals Demaj, Violeta: Gutachten zu GZ: 312.453-1/17Z-XVIII/58/07). Derartiges trifft für den Beschwerdeführer nach seinem Vorbringen jedoch nicht zu.

 

3. Rechtlich folgt:

 

3.1. Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008) sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 41 Abs. 7 AsylG hat der Asylgerichtshof § 67d AVG mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

 

3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht. Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG) gesetzt hat.

 

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

 

3.2.2. Der Beschwerdeführer konnte die angegebenen Fluchtgründe nicht glaubhaft machen. Damit fehlt es an der Voraussetzung für die Gewährung von Asyl.

 

3.3.1. Wird ein Antrag auf internationalen Schutz "in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten" abgewiesen, so ist dem Asylwerber gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, "wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde". Nach § 8 Abs. 2 AsylG ist die Entscheidung über die Zuerkennung dieses Status mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 AsylG zu verbinden.

 

Gemäß § 8 Abs. 3 und 6 AsylG ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich dieses Status abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offensteht oder wenn der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden kann. Daraus und aus mehreren anderen Vorschriften (§ 2 Abs. 1 Z 13, § 10 Abs. 1 Z 2, § 27 Abs. 2 und 4 und § 57 Abs. 11 Z 3 AsylG) ergibt sich, dass dann, wenn dem Asylwerber kein subsidiärer Schutz gewährt wird, sein Antrag auf internationalen Schutz auch in dieser Beziehung förmlich abzuweisen ist.

 

Die Voraussetzungen dafür, einem Asylwerber subsidiären Schutz zu gewähren, unterscheiden sich im Kern nicht von jenen, nach denen dies nach § 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997 (in der Folge: AsylG 1997) idF der AsylGNov. 2003 (entspricht § 8 AsylG 1997 in der Stammfassung) iZm § 57 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 BGBl I 75 (in der Folge: FrG) zu geschehen hatte; sie gehen allenfalls darüber hinaus. (Dagegen gibt es in der neuen Rechtslage keine Entsprechung zu den Voraussetzungen nach § 8 Abs. 1 AsylG 1997 idF der AsylGNov. 2003 iZm § 57 Abs. 2 FrG, also dem zweiten Absatz dieser Bestimmung.) Deshalb kann zur Auslegung insoweit grundsätzlich die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu diesen Bestimmungen herangezogen werden. Die Rechtsprechung zu § 57 FrG knüpft an jene zum inhaltsgleichen § 37 Fremdengesetz BGBl. 838/1992 an. Für § 57 Abs. 1 FrG idF BG BGBl I 126/2002 kann auf die Rechtsprechung zur Stammfassung dieser Bestimmung (BGBl I 75/1997) zurückgegriffen werden (VwGH 16.7.2003, 2003/01/0059; 19.2.2004, 99/20/0573), mit der sie sich inhaltlich deckt (die Änderung diente nur der Verdeutlichung). Nach der Judikatur zu (§ 8 AsylG 1997 iVm) § 57 FrG ist Voraussetzung einer positiven Entscheidung nach dieser Bestimmung, dass eine konkrete, den Asylwerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (zB VwGH 26.6.1997, 95/21/0294; 25.1.2001, 2000/20/0438; 30.5.2001, 97/21/0560). Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten (oder anderer in § 8 Abs. 1 AsylG erwähnter) Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwSlg. 15.437 A/2000; VwGH 25.11.1999, 99/20/0465; 8.6.2000, 99/20/0203; 8.6.2000, 99/20/0586; 21.9.2000, 99/20/0373; 25.1.2001, 2000/20/0367; 25.1.2001, 2000/20/0438; 25.1.2001, 2000/20/0480; 21.6.2001, 99/20/0460; 16.4.2002, 2000/20/0131). Diese in der Rechtsprechung erwähnten Fälle sind nun zT durch andere in § 8 Abs. 1 AsylG erwähnte Fallgestaltungen ausdrücklich abgedeckt. Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat (unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG) als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.2.2001, 98/21/0427; 20.6.2002, 2002/18/0028).

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 57 FrG hat der Fremde glaubhaft zu machen, dass er aktuell bedroht sei, dass die Bedrohung also im Falle, dass er abgeschoben würde, in dem von seinem Antrag erfassten Staat gegeben wäre und durch staatliche Stellen zumindest gebilligt wird oder durch sie nicht abgewandt werden kann. Diese aktuelle Bedrohungssituation ist mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender Angaben darzutun, die durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert werden (VwGH 2.8.2000, 98/21/0461). Dies ist auch im Rahmen des § 8 AsylG 1997 (nunmehr: § 8 Abs. 1 AsylG) zu beachten (VwGH 25.1.2001, 2001/20/0011). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214).

 

3.3.2. Bei einer Rückkehr des Beschwerdeführers nach Serbien liegt aus nachstehenden Erwägungen keine Bedrohung iSd § 8 Abs. 1 AsylG vor: Der Beschwerdeführer konnte seine behaupteten Fluchtgründe nicht glaubhaft machen. Im Hinblick auf die gegebenen Umstände kann ein "reales Risiko" einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erkannt werden. Es sind weiters keine Umstände (amts)bekannt, dass in Serbien eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung iSd Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre. Der 1984 geborene, gesunde Beschwerdeführer ist gelernter Tischler und konnte seinen Beruf jahrelang in Serbien ausüben. In seinem Heimatort verfügt er über Familienangehörige (zumindest seine Eltern und ein Bruder leben dort). Es ist daher nicht davon auszugehen, dass er bei einer Rückkehr nach Serbien in seiner Lebensgrundlage gefährdet wäre.

 

3.4.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG ist eine Entscheidung nach dem AsylG mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Asylantrag abgewiesen und dem Fremden weder Asyl noch subsidiärer Schutz gewährt wird. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG ist eine Ausweisung unzulässig, wenn sie Art. 8 EMRK verletzen würde oder wenn dem Fremden ein nicht auf das AsylG gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt. Würde ihre Durchführung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen und die nicht von Dauer sind, Art. 3 EMRK verletzen, so ist gemäß § 10 Abs. 3 AsylG die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

 

Bei der Abwägung, die durch Art. 8 EMRK vorgeschrieben wird, stehen die Interessen des Fremden an seinem Verbleib im Inland, die durch Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützt sind, dem öffentlichen Interesse an der Beendigung seines Aufenthaltes gegenüber. Nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes 17.3.2005, G 78/04 ua., (S 47) zur Vorgängerbestimmung des § 10 AsylG (nämlich § 8 Abs. 2 AsylG 1997) beabsichtigt der Gesetzgeber, "durch die zwingend vorgesehene Ausweisung von Asylwerbern eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung im Inland von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern". Dem in § 37 FrG verankerten Ausweisungshindernis durfte nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht die Bedeutung unterstellt werden, "es wäre für Fremde zulässig, sich durch die Missachtung der für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden geltenden Vorschriften im Bundesgebiet ein Aufenthaltsrecht zu verschaffen" (VwGH 22.3.2002, 99/21/0082 mwN). Nichts anderes kann aber für die durch das AsylG vorgeschriebene Abwägung gelten, hat doch der Verfassungsgerichtshof (zu § 8 Abs. 2 AsylG 1997) ausgesprochen (VfGH 17.3.2005, G 78/04 ua., S 50): "§ 37 FrG legt [...] Kriterien fest, die sich auch aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte [...] zu Art. 8 EMRK in Fällen der Außerlandesschaffung eines Fremden ergeben und die von den Asylbehörden bei Ausweisungen nach § 8 Abs. 2 AsylG, auch wenn sie dort nicht genannt sind, zu beachten sind."

 

3.4.2. Das Bundesasylamt hat die durch Art. 8 Abs. 2 EMRK vorgeschriebene Interessenabwägung mängelfrei vorgenommen. Der Asylgerichtshof schließt sich den diesbezüglichen Ausführungen des Bundesasylamtes an. Es ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer erst seit Ende Dezember 2007 in Österreich lebt und zum Aufenthalt in Österreich bisher nur auf Grund eines Asylantrages, der sich letztlich als nicht begründet erwiesen hat, berechtigt gewesen ist (vgl. mit ähnlichen Überlegungen zu Ausweisungen nach § 33 Abs. 1 FrG zB VwGH 20.2.2004, 2003/18/0347; 26.2.2004, 2004/21/0027; 27.4.2004, 2000/18/0257; sowie EGMR 8.4.2008, NNYANZI v Vereinigtes Königreich, Rs 21878/06, wonach ein vom Fremden in einem Zeitraum, in dem er sich bloß aufgrund eines Asylantrages im Aufnahmestaat aufhalten darf, begründetes Privatleben per se nicht geeignet ist, die Unverhältnismäßigkeit des Eingriffes zu begründen). Dem Beschwerdeführer kommt auch kein nicht auf das AsylG gestütztes Aufenthaltsrecht zu; es gibt weiters keine Hinweise darauf, dass die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Beschwerdeführers liegen und nicht von Dauer sind, Art. 3 EMRK verletzen könnte.

 

3.5. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 7 AsylG unterbleiben.

Schlagworte
Amnestie, Ausweisung, Glaubwürdigkeit, Lebensgrundlage, non refoulement, Volksgruppenzugehörigkeit
Zuletzt aktualisiert am
28.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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