TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/15 C1 319718-1/2008

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Veröffentlicht am 15.10.2008
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Spruch

C1 319718-1/2008/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Fischer-Szilagyi als Vorsitzende und den Richter Mag. Marth als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Frau Geiger über die Beschwerde des mj. Q.A., geb. 00.00.1991, StA. Afghanistan, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch, Abteilung Jugendwohlfahrt, Schlossgraben 1, 6800 Feldkirch, vom 06.06.2008 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 23.05.2008, Zahl: 08 00.662-BAT, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß § 3 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF (AsylG), abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

 

Mit angefochtenem Bescheid wurde der Antrag des mj. Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 16.01.2008 gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen und dem Asylwerber der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt. Dem Asylwerber wurde gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 23.05.2009 erteilt.

 

In der Begründung des angefochtenen Bescheides gab das Bundesasylamt die Angaben des Asylwerbers in den Einvernahmen wieder, qualifizierte sein Vorbringen zu seinen Fluchtgründen als unglaubwürdig und führte nach aktuellen Länderfeststellungen zu Afghanistan insbesondere Folgendes aus:

 

Die Aussagen des Ast. entsprechen diesen Anforderungen nicht. Er beschränkt sich in seinen niederschriftlichen Einvernahmen im Bundesasylamt am 17.01.2008, 20.02.2008 und 16.04.2008 auf abstrakte und allgemein gehaltene Darlegungen, konkrete oder detaillierte Angaben konnte er - trotz Nachfrage - nicht machen. Sein zentrales Vorbringen, wegen der Attacke auf seinen Cousin von seinem Onkel getötet werden zu können, konnte nicht als glaubwürdig gewertet werden. Der Ast. hat während des gesamten Asylverfahrens nicht den Eindruck erwecken können, dass seine Angaben den Tatsachen entsprechen und sind diese daher seitens des Bundesasylamtes als nicht glaubhaft und - hinsichtlich seiner subjektiv empfundenen Furcht - als objektiv nicht nachvollziehbar einzustufen gewesen. Die Behauptung, wegen der Attacke auf seinen Cousin von seinem Onkel getötet werden zu können, stellte er nur allgemein in den Raum, ohne diese durch konkrete Anhaltspunkte glaubhaft machen zu können.

 

Am 17.01.2008 behauptete der Ast., dass seine Tante ihm nach seiner Rückkehr aus dem Iran nach Afghanistan mitgeteilt habe, dass sein Leben in Gefahr sei, da in seiner Abwesenheit etwas passiert sei. Er würde jedoch nicht wissen, warum sein Leben in Gefahr sei. Am 20.02.2008 änderte er sein Vorbringen grundlegend und gab nun an, dass er seinen Cousin mit einer Schaufel attackiert hätte und deshalb sein Onkel ihn umbringen wolle. Als ihm dieser gravierende Widerspruch am 16.04.2008 vorgehalten wurde, vermochte er nicht zu dessen Aufklärung beizutragen, sondern führte aus, dass er nie gesagt hätte, dass er nicht wisse, warum sein Leben in Gefahr sei. Er hätte bei der ersten Einvernahme ebenfalls die Geschichte mit der Schaufel erzählt und das Gefühl gehabt, dass der Dolmetscher ihn nicht richtig verstanden hätte. Diese Argumentation geht insofern ins Leere, als der Ast. am 17.01.2008 angegeben hat, der Einvernahme ohne Probleme folgen zu können, er keine Einwände gegen die anwesenden Personen hätte und ihm die aufgenommene Niederschrift in einer für ihn verständlichen Sprache rückübersetzt wurde. Dies hat er auch mit seiner eigenhändigen Unterschrift bestätigt. Nach Ansicht der erkennenden Behörde handelt es sich bei der Behauptung des Ast., dass der Dolmetscher ihn nicht verstanden hätte und die Niederschrift nicht rückübersetzt worden wäre, lediglich um eine Schutzbehauptung, zumal es sich bei dem am 17.01.2008 beigezogenen Dolmetscher um einen gerichtlich beeideten handelt, was auch in der Niederschrift vermerkt wurde. Es sind keine Gründe ersichtlich, warum ein gerichtlich beeideter Dolmetscher die Angaben des Antragstellers nicht wahrheitsgemäß übersetzt haben soll. Der Niederschrift vom 17.01.2008 kommt daher im gegenständlichen Verfahren die volle Beweiskraft zu. Ein weiteres Indiz dafür, dass wohl nicht der Dolmetscher falsch übersetzt hat, sondern der Ast. sein Vorbringen ausgewechselt hat, ist die Tatsache, dass der Ast. am 17.01.2008 angegeben hat, dass er sich auch um seine Familie fürchte, da auch deren Leben in Gefahr sei, jedoch am 16.04.2008 ausführte, dass er deshalb nicht mit seinen Eltern und seinen fünf Schwestern geflüchtet sei, da seine Familie keine Probleme gehabt hätte. Die erkennende Behörde gelangt auch deshalb zu der Ansicht, dass die Angaben des Ast. nicht der Wahrheit entsprechen können, da der Ast. am 17.01.2008 zu Protokoll gegeben hat, dass ihm nach seiner Rückkehr aus dem Iran seine Tante mitgeteilt habe, dass sein Leben in Gefahr sei, da während seiner Abwesenheit in seiner Heimat etwas passiert wäre und er Afghanistan sofort wieder verlassen solle. Im völligen Widerspruch dazu gab der Ast. jedoch am 20.02.2008 an, dass nicht in seiner Abwesenheit etwas passiert sei, sondern der ausschlaggebende Grund für seine Flucht nach Europa der Umstand gewesen sei, dass er in Afghanistan seinen Cousin mit einer Schaufel niedergeschlagen hätte. In diesem Lichte ist auch seine Aussage vom 17.01.2008 zu sehen, dass seine Schwester H. im Jahr 1981 geboren sei, er jedoch am 20.02.2008 angegeben hat, dass diese erst 14 Jahre alt sei. Als dem Ast. dies am 16.04.2008 vorgehalten wurde, erklärte er, dass es sich bei H. um seine älteste Schwester handeln würde. Dieser Erklärungsversuch vermochte jedoch keinesfalls zu überzeugen, da nun plötzlich wieder seine Angaben vom 17.01.2008 der Wahrheit entsprechen sollten, der Ast. jedoch zu Beginn seiner niederschriftlichen Befragung vom 16.04.2008 noch behauptet hat, der Dolmetscher hätte ihn am 17.01.2008 nicht verstanden.

 

Der Ast. erklärte am 20.02.2008, dass er mit seinem Cousin um ein Grundstück gestritten hätte. Im Widerspruch dazu führte er am 16.04.2008 aus, dass es lediglich deshalb zum Streit gekommen sei, da sein Cousin regelmäßig Rauschgift konsumiert hätte und dann unvernünftig gewesen sei.

 

Schließlich gab der Ast. am 17.01.2008 an, vor ca. sieben oder acht Monaten von seiner Heimat schlepperunterstützt in einem PKW versteckt weggefahren und über ihm unbekannte Länder nach Italien gefahren zu sein. Am 16.04.2008 änderte er sein Vorbringen und brachte nun vor, sich zwischendurch lediglich einen Tag in Afghanistan aufgehalten zu haben, an welchem sich nun sein Grund zur Flucht verwirklicht habe. Es ist absolut nicht glaubhaft, dass der Ast. nach fünf Monaten für nur einen Tag nach Afghanistan zurückgekehrt sein soll und sich ausgerechnet an diesem einen Tag sein Fluchtgrund verwirklicht haben soll, zumal der Ast. laut seinen eigenen Angaben bis zu diesem Tag von seinem Grund zur Flucht nichts gewusst haben will. Der Ast. hätte dann insgesamt dreimal einen Schlepper bezahlen müssen, was jedoch unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse in Afghanistan völlig unglaubwürdig ist. Im Hinblick auf die oben angeführten gravierenden Widersprüche im Vorbringen des Asylwerbers muss die erkennendes Behörde wohl feststellen, dass sich der Ast. offensichtlich seit dem Juni 2007 durchgehend im Iran aufgehalten und von dort seine Reise nach Europa angetreten hat. Die vom Ast. ins Treffen geführte Gefährdungslage seiner Person in Afghanistan erscheint daher als reine Konstruktion und hat offenkundig in der vom Ast. behaupteten Art und Weise nicht stattgefunden.

 

Die Angaben des Antragstellers sind somit nicht in sich schlüssig und daher aus objektiver Sicht nicht nachvollziehbar. Die gesamten Angaben des Antragstellers waren daher offensichtlich auf Vermutungen und Spekulationen aufgebaut, die durch keinerlei Anhaltspunkt für konkret gegen den Antragsteller gerichtete oder geplante Verfolgungshandlungen untermauert werden konnten. Auf Grund der Allgemeinheit und der mangelnden Nachvollziehbarkeit des Vorbringens des Antragstellers kann diesem von der erkennenden Behörde keine Glaubwürdigkeit zugesprochen werden."

 

Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte die Erstbehörde Folgendes aus:

 

"Im vorliegenden Fall erachtet das Bundesasylamt im Rahmen der Beweiswürdigung die Angaben des Ast. grundsätzlich als nicht glaubwürdig, sodass die vom Ast. behaupteten Fluchtgründe nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden können, und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung nicht näher zu beurteilen.

 

Voraussetzung für die Gewährung von Asyl ist, dass den vom Ast. vorgebrachten Argumenten entnommen werden kann, er müsse eine konkrete, individuell gegen ihn selbst gerichtete Verfolgung befürchten (vgl. Erk. des VwGH v. 15.9.1994, Zl. 94/19/0389). Derartiges hat der ASt. jedoch nicht dargetan, sondern ausgeführt, in seinem Heimatland keine Schwierigkeiten mit Behörden oder Gerichten gehabt zu haben und nicht aus Gründen der Rasse, der Religion, seiner politischen Gesinnung oder der Zugehörigkeit zu einer sozialen oder ethnischen Gruppe verfolgt worden zu sein. Die ihn betreffenden Verfolgungshandlungen hätten lediglich von seinem Onkel ausgeübt werden können.

 

Weiters ist festzuhalten, dass - selbst bei unterstellter Glaubwürdigkeit - die gegen den Ast. gesetzten Handlungen nicht geeignet sind, eine Asylgewährung zu bewirken, ist für eine solche doch Voraussetzung, dass die Verfolgung aus einem der im Asylgesetz 2005 genannten Gründen, nämlich der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung erfolgt (vgl. Erk. des VwGH vom 4.7.1994, Zl. 94/19/1116). Der von dem Ast. als Fluchtgrund vorgebrachte Sachverhalt steht mit keinem dieser Konventionsgründe im Zusammenhang, sondern gründet sich die Furcht des Ast. auf den Umstand, dass er Probleme mit seinem Onkel bekommen hätte können. Der Ast. hat nicht nur keine Verfolgung von Seiten staatlicher Stellen behauptet, sondern dies auch selbst dezidiert ausgeschlossen. Diese von dem Ast. ins Treffen geführte bzw. von ihm empfundene Furcht stellt sich als Verfolgung von Seiten Privater dar.

 

Asylrechtlich relevante Verfolgung von Seiten Privater kann jedoch nur dann vorliegen, wenn private Übergriffe mit Wissen oder gar Billigung der Behörden geschehen oder sich die Behörden weigern - oder sich mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit außer Stande erweisen - den betroffenen Personen wirksamen Schutz zu gewähren. Dem Vorbringen des Ast. konnte nun einerseits nicht entnommen werden, dass ihm von Seiten Privater Verfolgung aus einem vom Schutzzweck der Genfer Flüchtlingskonvention umfassten Grunde droht; andererseits konnte er auch nicht dartun, dass ihm mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit - dies im gesamten Staatsgebiet von Afghanistan - eine Schutzgewährung vor solchen Übergriffen nunmehr seitens der Sicherheitsbehörden aus asylrelevantem Grunde verwehrt würde. Es kann aber generell nicht von Behörden verlangt werden, präventiv vor allen nur erdenklichen Unglücksfällen auch tatsächlich zu schützen."

 

Gegen diesen Bescheid hat der mj. Beschwerdeführer durch seinen gesetzlichen Vertreter das Rechtsmittel der Beschwerde eingebracht und darin ausgeführt, dass die Ansicht, dass nur eine staatliche Verfolgung asylrelevant sein könne, eine Gefahr, die von Privatpersonen ausgehe, könne hingegen nicht unter die Bestimmungen der GFK subsumiert werden, verfehlt sei. Überdies habe der mj. Beschwerdeführer seine Fluchtgründe im Sinne der allgemeinen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes glaubhaft gemacht und hätte die erkennende Behörde prüfen müssen, ob aufgrund des sehr jungen Alters, des familiärem Status des mj. Beschwerdeführers und der bevorstehenden Blutrache nicht der Asylauffangtatbestand der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe vorliege. Im Gegensatz zur Rechtsauffassung der erkennenden Behörde seien auch private Racheakte asylrelevant, da der Staat keinen effizienten Schutz vor Blutracheakten biete.

 

Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Die Erstbehörde hat ein ordnungsgemäßes, mängelfreies Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides den Sachverhalt, die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, einschließlich einer umfassenden Darstellung der allgemeinen Situation in Afghanistan, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfragen klar und übersichtlich dargestellt. Um Wiederholungen zu vermeiden bezieht sich der Asylgerichtshof zustimmend auf diese Ausführungen und erhebt sie zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses.

 

Der mj. Beschwerdeführer hat es unterlassen, in seinen schriftlichen Beschwerdeausführungen der Qualifikation seines Vorbringens als unglaubwürdig seitens der Erstbehörde konkret, substantiiert und mit nachvollziehbarer Begründung entgegenzutreten. Er führte in Bezug auf seine Glaubwürdigkeit - in einer die Qualifikation der Erstbehörde nicht erschütternden Weise - lediglich lapidar aus, dass er seine Fluchtgründe im Sinne der allgemeinen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes glaubhaft gemacht habe. Sohin ist es dem Beschwerdeführer - auch unter Berücksichtigung seines jugendlichen Alters - nicht gelungen, eine asylrechtlich relevante Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft zu machen. Die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe, auf Grund derer eine Asylgewährung erfolgen könnte, liegt sohin nicht vor bzw. war dies auf Grund der nicht glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers auch keiner näheren Überprüfung zu unterziehen.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 7 AsylG 2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 unterbleiben.

 

Das Verfahren war gemäß der Bestimmung des § 75 Abs. 1 AsylG idF BGBl. I Nr. 100/2005, des § 75 Abs. 7 Z 2 AsylG 2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 und der Bestimmung des § 23 Asylgerichtshofgesetz, BGBl I Nr. 4/2008, zu führen.

Schlagworte
Glaubwürdigkeit
Zuletzt aktualisiert am
12.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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