TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/15 E6 307931-1/2008

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Veröffentlicht am 15.10.2008
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Spruch

E6 307.931-1/2008-5E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Habersack als Vorsitzenden und die Richterin Dr. Grabner-Kloibmüller als Beisitzerin im Beisein der Schriftführerin Fr. Ahorner über die Beschwerde des A.E., geb. 00.00.1980, StA. Türkei, vertreten durch RA Dr. Blum, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 14.09.2006, FZ. 04 25.081-BAL, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 7, 8 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003, als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

Der am 00.00.1980 geborene Beschwerdeführer gab an, Staatsangehöriger der Türkei kurdischer Abstammung zu sein und beantragte am 14.12.2004 die Gewährung von Asyl. Er wurde hiezu am selben Tag durch Sicherheitsorgane der Bundespolizeidirektion Linz sowie am 16.12.2004 und am 26.04.2005 vor dem Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 14.09.2006, FZ. 04 25.081-BAL, wurde der Asylantrag in Spruchteil I unter Berufung auf § 7 AsylG 1997 abgewiesen; in Spruchteil II stellte es fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zulässig sei; unter einem wurde der Beschwerdeführer in Spruchteil III des Bescheides unter Berufung auf § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei ausgewiesen. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 18.09.2006 durch Hinterlegung beim zuständigen Postamt zugestellt. Mangels Einbringung einer Berufung innerhalb der Rechtsmittelfrist erwuchs der Bescheid am 03.10.2006 in Rechtskraft. Der beim zuständigen Postamt hinterlegte RSa-Brief langte am 11.10.2006 beim Bundesasylamt, Außenstelle Linz, mit dem Vermerk "Retour, Nicht behoben" ein.

 

Am 23.10.2006 wurde der Beschwerdeführer vor der Bezirkshauptmannschaft Eferding aufgrund der seit 03.10.2006 in Rechtskraft erwachsenen Ausweisung in die Türkei niederschriftlich einvernommen. Dabei kündigte er an, durch seinen Rechtsanwalt, Dr. Helmut Blum, einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsfrist einzubringen.

 

Mit Datum vom 31.10.2006 brachte der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 AVG ein und erhob gleichzeitig Berufung gegen den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 14.09.2006, FZ. 04 25.081-BAL.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.11.2006, FZ. 04 25.081-BAL, wurde dem Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 31.10.2006 - nach erfolgter niederschriftlicher Einvernahme - gemäß § 71 Abs. 1 Z 1 AVG stattgegeben.

 

Gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 14.09.2006, FZ. 04 25.081-BAL, richtet sich gegenständliche Berufung (nunmehr Beschwerde) vom 31.10.2006.

 

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Akt unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor der Erstbehörde, den bekämpften Bescheid, den Beschwerdeschriftsatz sowie durch die Anfragebeantwortung der Österreichischen Botschaft in Ankara vom 23.06.2006.

 

II. Beweiswürdigend wird ausgeführt:

 

Das Bundesasylamt hat im vorliegenden Fall ein mängelfreies ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens und die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen klar und übersichtlich zusammengefasst. Der Asylgerichtshof schließt sich diesen Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid an und erhebt sie zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses.

 

Die Erhebungen zu dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Schriftstück der Staatsanwaltschaft S. gründen sich auf die unbedenklichen Auskünfte der ÖB Ankara vom 23.06.2006.

 

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers ist ergänzend auszuführen:

 

Als Grund für das Verlassen seines Heimatstaates führte der Beschwerdeführer in seiner Erstbefragung vor der Bundespolizeidirektion Linz an, dass er wegen der Teilnahme an Demonstrationen im Jahre 1994 festgenommen, eine Woche inhaftiert und gefoltert worden sei, jedoch nie politisch tätig gewesen sei. Im Mai 2004 sei gegen ihn ein Haftbefehl erlassen worden. In der ersten Einvernahme vor dem Bundesasylamt führte der Beschwerdeführer erstmalig aus, dass er aufgrund der Teilnahme an illegalen Demonstrationen gegen unmenschliche Behandlungen von Gefängnisinsassen am 19.12.2002 und 19.12.2003 in K. von der türkischen Polizei gesucht worden sei. Nachdem am 13.01.2004 Soldaten sein Haus durchsucht hätten, sei er zu seiner Tante nach Ankara geflüchtet und habe sich dort versteckt. Diesbezüglich legte der Beschwerdeführer ein Schreiben der Staatsanwaltschaft S. vor, worin seine am 04.05.2004 behauptete Verurteilung des Strafgerichts S. zu einer zweijährigen Haftstrafe wegen der Teilnahme an illegalen Demonstrationen angeführt sei. Eine Ladung der türkischen Behörden zu einer diesbezüglichen Einvernahme habe er jedoch nie erhalten. Weiters gab der Beschwerdeführer an, dass er in der Türkei politisch tätig gewesen sei und als Alevit Probleme, jedoch keinerlei Probleme mit Privatpersonen, gehabt habe. Im Falle seiner Rückkehr in die Türkei, liefe er Gefahr, die Haftstrafe antreten zu müssen. In der darauffolgenden erstinstanzlichen Einvernahme gab der Beschwerdeführer ergänzend an, dass das Auto seines Onkels mehrfach von unbekannten Tätern beschossen worden sei und er sich sicher sei, dass dieser Mordanschlag ihm gegolten habe. Dieser Anschlag sei ein Beweis dafür, dass er nicht nur vom türkischen Staat, sondern auch schon vom türkischen Volk bedroht und verfolgt werde und sein Leben in der Türkei massiv in Gefahr sei.

 

Zu den in der ersten Einvernahme vor dem Bundesasylamt getätigten Anagaben des Beschwerdeführers ist zunächst auszuführen, dass die Teilnahme an illegalen Demonstrationen und das dadurch bedingte Einschreiten staatlicher Behörden nicht als Verfolgung im Sinne der GFK anzusehen ist, sondern die vom Beschwerdeführer als Verfolgungsmaßnahmen definierten Behauptungen - selbst bei Wahrunterstellung seiner Angaben - lediglich im Zusammenhang mit der Begehung einer strafbaren Handlung stehen würden. Der vom Beschwerdeführer geschilderte Sachverhalt stellt schon für sich genommen keinen asylrelevanten Verfolgungsgrund dar.

 

Des Weiteren ist anzumerken, dass die divergierenden und ergänzenden Ausführungen des Beschwerdeführers in den einzelnen Einvernahmen eine Steigerung seines Vorbringens darstellt, welche ebenso, wie seine von Widersprüchen geprägten Angaben, die Unglaubwürdigkeit seines Gesamtvorbringens indizieren.

 

Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer im Zuge der weiteren erstinstanzlichen Einvernahme behaupteten Bedrohung und Verfolgung durch unbekannte Dritte ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer weder genaue Angaben noch plausible und nachvollziehbare Gründe für den angeblich auf ihn verübten Anschlag anführen konnte. Zudem ist es nicht nachvollziehbar, warum auf das Auto seines Onkels geschossen worden sei, wenn doch der Anschlag dem Beschwerdeführer gegolten haben soll und er sich überdies schon seit einem Jahr nicht mehr in der Nähe seines Onkels aufgehalten habe. Auch bezüglich dieses Vorbringens vermochte der Beschwerdeführer eine Verfolgungsgefahr aufgrund seiner sehr allgemein gehaltenen und wenig detailreichen Angaben nicht glaubwürdig darzulegen.

 

Zudem konnte der Beschwerdeführer dem Vorhalt des Bundesasylamtes, dass dem von ihm vorgelegten Schreiben der Grund für seine Verurteilung nicht entnehmbar ist, nicht substantiiert entgegentreten. Den weiteren Vorhalt, dass eine Verurteilung in Abwesenheit des Beschuldigten nicht möglich ist, konnte der Beschwerdeführer ebenfalls nicht aufklären. Er meinte dazu lediglich, dass auch er verwundert gewesen sei und geglaubt habe, an einer legalen Demonstration teilgenommen zu haben.

 

Aus der Anfragebeantwortung der ÖB Ankara vom 23.06.2006 ergibt sich, dass es sich bei dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Schreiben um ein gefälschtes Dokument handelt, da neben dem Stempel der Staatsanwaltschaft die für solche Schriftstücke erforderliche Kennnummer des Staatsanwaltes nicht vorhanden ist. Weiters wurde ausgeführt, dass keine Person in der Türkei ohne vorherige Anhörung durch das zuständige Gericht verurteilt werden kann, da nach dem türkischen Gesetz jeder Beschuldigte das Recht hat, eine Aussage bei Gericht zu machen und widrigenfalls ein Verstoß gegen das türkische Strafgesetz vorliegen würde. Laut der Strafprozessordnung ist es zudem nicht möglich, dass der Staatsanwalt eine Person beim Gericht anklagt, ohne diese zuvor einvernommen zu haben. Nur bei eiligen Verfahren kann die angeklagte Person auch während des Gerichtsverfahrens angehört werden. Überdies wurde erhoben, dass Staatsschutzdelikte beim Schwurgericht verhandelt werden.

 

Die entsprechenden Angaben des Beschwerdeführers stehen im eindeutigen Widerspruch zum Ermittlungsergebnis der ÖB Ankara und sind daher als nicht glaubhaft zu werten.

 

Das gesamte Vorbringen des Beschwerdeführers stellt sich für den Asylgerichtshof als nicht nachvollziehbar und somit als unglaubwürdig dar. Dies ergibt sich aus seinen divergierenden und oberflächlichen Angaben in den einzelnen Einvernahmen vor dem Bundesasylamt sowie der Widersprüchlichkeit seiner Aussagen vor dem Hintergrund der Erhebungen der ÖB Ankara vom 23.06.2006. Auch in seinem Beschwerdeschriftsatz vermochte der Beschwerdeführer nichts Substantiiertes in Bezug auf die vom Bundesasylamt festgestellte Unglaubwürdigkeit seines Vorbringens zu entgegnen. Der in gegenständlicher Beschwerde erhobene Vorwurf, dass vom Bundesasylamt recherchiert werden hätte müssen, ob in bestimmten Fällen ein Abwesenheitsurteil möglich sei, geht ins Leere, da das Bundesasylamt die erwähnten Erhebungen in Form einer Anfrage an die ÖB Ankara durchgeführt hat.

 

III. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 1 B-VG wird mit 1. Juli 2008 der bisherige unabhängige Bundesasylsenat zum Asylgerichtshof. Nach Art. 151 Abs. 39 Z 4 B-VG sind am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof weiterzuführen. Gemäß § 75 Abs. 7 Z 2 AsylG 2005 sind am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofs zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes.

 

Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008) sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs Berufung der Begriff Beschwerde tritt.

 

Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt. Die §§ 24, 26, 54 bis 57 und 60 dieses Bundesgesetzes (AsylG 2005) sind auf diese Verfahren anzuwenden. § 27 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Behörde zur Erlassung einer Ausweisung zuständig ist und der Sachverhalt, der zur Einleitung des Ausweisungsverfahrens führen würde, nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurde. § 57 Abs. 5 und 6 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur Sachverhalte, die nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurden, zur Anwendung dieser Bestimmungen führen.

 

Gemäß § 44 Abs. 2 AsylG 1997 werden Asylanträge, die ab dem 01.05.2004 gestellt werden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der jeweils geltenden Fassung geführt.

 

2.1. Flüchtling iSd Asylgesetzes ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262).Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194).

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.

 

2.2. Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht des Asylgerichtshofes die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund nicht gegeben. Der Beschwerdeführer vermochte nämlich eine asylrelevante Verfolgung zu keinem Zeitpunkt des Asylverfahrens vor dem Bundesasylamt anzugeben.

 

Somit war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des Bescheides des Bundesasylamtes abzuweisen.

 

3.1. Zum Ausspruch über die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung ist Folgendes auszuführen:

 

Zur Auslegung des § 8 AsylG iVm § 50 FPG 2005 (Gemäß Art. 5 § 1 des Fremdenrechtspakets BGBl. I 100/2005 ist das FrG mit Ablauf des 31.12.2005 außer Kraft getreten; am 1.1.2006 ist gemäß § 126 Abs. 1.

Fremdenpolizeigesetz 2005 (Art. 3 BG BGBl. I 100/2005; in der Folge:

FPG) das FPG in Kraft getreten. Gemäß § 124 Abs. 2 FPG treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des FrG verweisen wird, an deren Stelle die entsprechenden Bestimmungen des FPG. Demnach ist die Verweisung des Art. 8 Abs. 1 AsylG auf § 57 FrG nunmehr auf die "entsprechenden Bestimmungen" des FPG zu beziehen, das ist § 50 FPG.) ist die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 37 Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992 und § 57 Fremdengesetz, BGBl I Nr. 126/2002 BGBL, heranzuziehen. Danach erfordert die Feststellung nach dieser Bestimmung das Vorliegen einer konkreten, den Beschwerdeführer betreffenden, aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbaren Gefährdung bzw. Bedrohung. Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher ohne Hinzutreten besonderer Umstände, welche ihnen noch einen aktuellen Stellenwert geben, nicht geeignet, die begehrte Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011; VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122). Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122, VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (z.B. VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294, VwGH 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438, VwGH 30.05.2001, Zl. 97/21/0560). Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 MRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 MRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427, VwGH 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028). Im Übrigen ist auch im Rahmen des § 8 AsylG zu beachten, dass mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen Gefährdung bzw. Bedrohung im Sinne des § 57 Abs. 1 oder 2 FrG glaubhaft zu machen ist (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

Bei der Entscheidungsfindung ist insgesamt die Rechtsprechung des EGMR zur Auslegung der EMRK, auch unter dem Aspekt eines durch die EMRK zu garantierenden einheitlichen europäischen Rechtsschutzsystems als relevanter Vergleichsmaßstab zu beachten. Dabei kann bei der Prüfung von außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegender Gegebenheiten nur dann in der Außerlandesschaffung des Antragsstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK liegen, wenn außergewöhnliche, exzeptionelle Umstände, glaubhaft gemacht sind (vgl EGMR, Urteil vom 06.02.2001, Beschwerde Nr. 44599/98, Bensaid v United Kingdom und Henao v. The Netherlands, Unzulässigkeitsentscheidung vom 24.06.2003, Beschwerde Nr. 13669/03).

 

3.2. Wie bereits oben ausgeführt, gelang es dem Beschwerdeführer nicht, eine Verfolgung im Sinne der GFK darzutun, daher bleibt zu prüfen, ob es im vorliegenden Fall begründete Anhaltspunkte dafür gibt, der Beschwerdeführer liefe Gefahr, in der Türkei, einer Bedrohung im Sinne des § 50 Abs. 1 FPG unterworfen zu werden.

 

Unter Berücksichtigung der getroffenen Würdigung der Ergebnisse des Beweisverfahrens kann nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in sein Herkunftsland einer existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein könnte, sodass die Abschiebung eine Verletzung des Art. 3 EMRK bedeuten würde.

 

Der Beschwerdeführer hat schließlich weder eine lebensbedrohende Erkrankung noch einen sonstigen auf seine Person bezogenen "außergewöhnlichen Umstand" behauptet oder bescheinigt, der ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 8 Abs. 1 AsylG darstellen könnte.

 

Der Beschwerdeführer hat vor seiner Ausreise bei seinen Eltern und schließlich auch bei seiner Tante gelebt. Überdies leben auch noch drei Brüder und eine Schwester in der Türkei. Dem Beschwerdeführer würden im Falle seiner Rückkehr keine "außergewöhnlichen Umstände" wie etwa Hungertod, unzureichende medizinische Versorgung, eine massive Beeinträchtigung der Gesundheit oder gar der Verlust des Lebens drohen und es bestehen auch keine Hinweise dafür, dass sie in eine aussichtslose Lage geraten würde.

 

Davon, dass praktisch jedem, der in die Türkei abgeschoben wird, Gefahr für Leib und Leben in einem Maße drohen, dass die Abschiebung im Lichte des Art. 3 EMRK unzulässig erschiene, kann nicht die Rede sein.

 

Weder aus den Angaben des Beschwerdeführers zu den Gründen, die für die Ausreise maßgeblich gewesen sind, noch aus den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens ist im konkreten Fall ersichtlich, dass jene gemäß der Judikatur des EGMR geforderte Exzeptionalität der Umstände vorliegen würde, um die Außerlandesschaffung eines Fremden im Hinblick auf außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegende Gegebenheiten im Zielstaat im Widerspruch zu Art. 3 EMRK erscheinen zu lassen (VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443).

 

Die Beschwerde erweist sich demnach auch hinsichtlich des Ausspruches über die Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat als nicht berechtigt.

 

4.1. Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG hat die Behörde den Bescheid mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Asylantrag abgewiesen ist und die Überprüfung gem. § 8 Abs. 1 AsylG ergeben hat, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat zulässig ist.

 

Das Asylverfahren ist, wie sich aus den vorangehenden Entscheidungsteilen ergibt, für den Antragsteller negativ entschieden worden; seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat ist zulässig, sodass - falls damit kein unzulässiger Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens der beschwerdeführenden Partei vorliegt (Art. 8 Abs. 1 EMRK) - das Erkenntnis mit einer Ausweisung zu verbinden ist.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in Ausübung dieses Rechts ist gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem auch, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer "Familie" voraussetzt.

 

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen. In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311), zwischen Eltern und erwachsenen Kindern und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Es kann eben nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des Familienlebens in Art. 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. dazu EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215; EKMR 19.7.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.2.1979, 7912/77, EuGRZ 1981, 118; EKMR 14.3.1980, 8986/80, EuGRZ 1982, 311; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK - Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8 EMRK; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayr, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1, ebenso VwGH vom 26.1.2006, 2002/20/0423, vgl. auch VwGH vom 8.6.2006, Zl. 2003/01/0600-14, oder VwGH vom 26.1.2006, Zl.2002/20/0235-9, wo der VwGH im letztgenannten Erkenntnis feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).

 

Das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundene Familienmitglieder, die effektiv zusammen leben. Der Begriff des Familienlebens ist nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR Marcks, EGMR 23.04.1997, 10 ua).

 

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VwGH 16.01.2001, 2000/18/0251, uva).

 

Der VwGH hat festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31.10.2002, 2002/18/0190).

 

Zur Gewichtung der öffentlichen Interessen sei das Erkenntnis des VfGH 17.03.2005, G 78/04 erwähnt, in dem dieser erkennt, dass auch das Gewicht der öffentlichen Interessen im Verhältnis zu den Interessen des Fremden bei der Ausweisung von Fremden, die sich etwa jahrelang legal in Österreich aufgehalten haben, und Asylwerbern, die an sich über keinen Aufenthaltstitel verfügen und denen bloß während des Verfahrens Abschiebeschutz zukommt, unterschiedlich zu beurteilen sind.

 

Bei der Interessensabwägung sind unterschiedliche Kriterien zu beachten (vgl. jüngst VfGH 29.09.2007, B 1150/07; 01.10.2007, G 179, 180/07 unter Bezugnahme auf Judikatur des EGMR): Dies sind etwa die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.01.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562;

16.09.2004, Fall Ghiban, Appl. 11.103/03, NVwZ 2005, 1046), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.05.1985, Fall Abdulaziz ua., Appl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567;

20.06.2002, Fall Al-Nashif, Appl. 50.963/99, ÖJZ 2003, 344;

22.4.1997, Fall X, Y und Z, Appl. 21.830/93, ÖJZ 1998, 271) und dessen Intensität (EGMR 02.08.2001, Fall Boultif, Appl. 54.273/00), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 04.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 09.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.06.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 05.07.2005, 2004/21/0124;

11.10.2005, 2002/21/0124), die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 11.4.2006, Fall Useinov, Appl. 61.292/00). Auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, ist bei der Abwägung in Betracht zu ziehen (EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 05.09.2000, Fall Solomon, Appl. 44.328/98; 31.01.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562).

 

4.2. Im vorliegenden Fall ergab sich unter Bezugnahme auf die in den erstinstanzlichen Einvernahmen gemachten Angaben, dass ein Cousin des Beschwerdeführers in Österreich lebt. Nach der Rechtssprechung des EGMR müssen entferntere verwandtschaftliche Beziehungen eine besondere Intensität erreichen. Es wurde vom Beschwerdeführer kein spezielles Nahe- bzw. Abhängigkeitsverhältnis zu seinem Cousin behauptet, zumal er nicht einmal gewusst habe, dass sein Cousin in Österreich aufhältig ist und er diesem lediglich zufällig in Österreich getroffen habe. Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer und sein Cousin mittlerweile gemeinsam einen Kebap-Stand betreiben, reicht allein nicht aus, dass dieses Kriterium der besonderen Beziehungsintensität erfüllt ist. Vielmehr müssten noch weitere Abhängigkeitsverhältnisse hinzutreten, welche jedoch im konkreten Fall nicht gegeben sind, da der Beschwerdeführer mit diesem Verwandten niemals zusammen gelebt oder einen gemeinsamen Haushalt geführt hat. Auch eine besondere emotionale Abhängigkeit wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Der Beschwerdeführer brachte damit - gestützt auf seine eigenen Angaben - kein spezielles Nahe- bzw. Abhängigkeitsverhältnis zu seinem in Österreich aufhältigen Cousin vor, welches eine - im Lichte der Rechtsprechung des EGMR - ausreichende Beziehungsintensität begründen würde, das im konkreten Einzelfall auch höher zu bewerten wäre als die entgegenstehenden öffentlichen Interessen.

 

Da somit im gegenständlichen Fall ein Eingriff in das Familienleben des Beschwerdeführers - zumal alle Kernfamilienmitglieder des Beschwerdeführers in der Türkei aufhältig sind - zu verneinen ist, bleibt zu prüfen, ob mit der Ausweisung ein Eingriff in dessen Privatleben einhergeht.

 

Die Ausweisung beeinträchtigt das Recht auf Privatsphäre eines Asylantragstellers dann in einem Maße, der sie als Eingriff erscheinen lässt, wenn über jemanden eine Ausweisung verhängt werden soll, der lange in einem Land lebt, eine Berufsausbildung absolviert, arbeitet und soziale Bindungen eingeht, ein Privatleben begründet, welches das Recht umfasst, Beziehungen zu anderen Menschen einschließlich solcher beruflicher und geschäftlicher Art zu begründen (Wiederin in Korinek/Holoubek, Bundesverfassungsrecht, 5. Lfg., 2002, Rz 52 zu Art 8 EMRK).

 

Nach der jüngsten Rechtsprechung des EGMR (EGMR 08.04.2008, Nnyanzi

v. the United Kingdom, 21878/06 bzgl. einer ugandischen Staatsangehörigen die 1998 einen Asylantrag im Vereinigten Königreich stellte) ist im Hinblick auf die Frage eines Eingriffes in das Privatleben maßgeblich zwischen niedergelassenen Zuwanderern, denen zumindest einmal ein Aufenthaltstitel erteilt wurde und Personen, die lediglich einen Asylantrag gestellt haben und deren Aufenthalt somit bis zur Entscheidung im Asylverfahren unsicher ist, zu unterscheiden (im Falle der Beschwerdeführerin Nnyanzi wurde die Abschiebung nicht als ein unverhältnismäßiger Eingriff in ihr Privatleben angesehen, da von einem grundsätzlichen Überwiegen des öffentlichen Interesses an einer effektiven Zuwanderungskontrolle ausgegangen wurde).

 

Unter Zugrundelegung dieser Judikatur des VwGH und des EGMR ist dazu auszuführen, dass aufgrund der relativ kurzen Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers von knapp vier Jahren seit der Einreise und Antragstellung, des Fehlens eines Familienlebens mit in Österreich dauerhaft aufhältigen Verwandten sowie mangels Vorliegen weiterer besonderer und intensiver sozialer Anknüpfungspunkte nicht von einer Verletzung des Art. 8 EMRK ausgegangen werden kann. Den einzigen Anknüpfungspunkt eines Privatlebens im Sinne des Art. 8 EMRK des Beschwerdeführers stellt seine selbständige Erwerbstätigkeit als Teilhaber eines Kebap-Standes dar, welche jedoch unter Bedachtnahme auf die kurzzeitige Ausübung dieser Erwerbstätigkeit noch keinerlei besondere wirtschaftliche Integration bewirkt bzw. eine intensive geschäftliche Beziehung begründet. Im Hinblick auf eine nach Art. 8 Abs. 2 EMRK gebotene Interessenabwägung ist zudem festzuhalten, dass das öffentliche Interesse an einer Beendigung des Aufenthaltes von Fremden ohne Aufenthaltstitel und somit an einer effektiven Zuwanderungskontrolle das Interesse des Beschwerdeführers an der Fortführung seiner selbständigen Erwerbstätigkeit überwiegt und folglich durch das Überwiegen der öffentlichen Interessen von keiner Verletzung des Privatlebens im Sinne des Art. 8 EMRK gesprochen werden kann. Würde man im konkreten Fall auf Grund der kurzzeitigen selbständigen Erwerbstätigkeit von einem Überwiegen der Interessen des Beschwerdeführers ausgehen, würde dies zu dem Ergebnis führen, dass ein Fremder durch eine kurzfristige Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit die innerstaatlichen Regelungen über eine kontrollierte Einreise Fremder in das Bundesgebiet bzw. die Regelungen betreffend ein geordnetes Fremdenwesen umgehen und selbst steuern könnte.

 

Nach Ansicht des Asylgerichtshofes fällt somit unter Zugrundelegung dieser Kriterien die nach Art. 8 Abs. 2 EMRK vorgenommene Abwägung zu Lasten des Beschwerdeführers aus, dies insbesondere im Hinblick darauf, dass sich zum Entscheidungszeitpunkt der illegal eingereiste Beschwerdeführer lediglich knapp vier Jahre in Österreich aufhält und zudem keine sozialen und wirtschaftlich relevanten Bindungen im Aufenthaltsstaat begründet wurden. Aufgrund der relativ kurzen Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers und seiner ebenfalls erst seit kurzer Zeit ausgeführten selbständigen Erwerbstätigkeit in Österreich kann somit nicht von einer nachhaltigen Integration, die schwerer als das öffentliche Interesse an der Effektuierung der negativen Asylentscheidung in Folge einer in der Substanz unbegründeten Asylantragstellung wiegen würde, ausgegangen werden.

 

Es liegt somit zusammengefasst kein vom Schutz des Art. 8 EMRK umfasster Familienbezug zu einer Person in Österreich oder ein unzulässiger Eingriff in ein zu schützendes Privatleben vor. Die Ausweisung des Beschwerdeführers in die Türkei ist daher zulässig.

 

Im Ergebnis war daher auch Spruchpunkt III rechtmäßig.

 

Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, EMRK, familiäre Situation, gesteigertes Vorbringen, Glaubwürdigkeit, Interessensabwägung, non refoulement, Sicherheitslage
Zuletzt aktualisiert am
04.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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