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60 ArbeitsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine verfassungswidrige Rückwirkung und keine Verletzung des Vertrauensschutzes durch eine aufgrund der geänderten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Aliquotierung von Urlaubsansprüchen durchgeführte Änderung des Urlaubsgesetzes und der Festsetzung des Geltungsbeginns dieser Gesetzesänderung; rückwirkende Reaktion des Gesetzgebers zur Wiederherstellung des bisherigen Rechtszustandes vor dem Hintergrund einer Änderung oberstgerichtlicher Rechtsprechung sachlich gerechtfertigt; kein übermäßig langes Zuwarten des Gesetzgebers; kein Eingriff in frühere Dispositionen der ArbeitgeberSpruch
Der Antrag wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Mit ArtIII SRÄG 1995 wurde das UrlG wie folgt geändert (die vom OLG Innsbruck angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben):
"1. Dem §2 Abs2 wird folgender Satz angefügt:
'Der Urlaubsanspruch wird durch Zeiten, in denen kein Anspruch auf Entgelt besteht, nicht verkürzt, sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes bestimmt wird.'
2. Dem §9 Abs1 wird folgender Satz angefügt:
'Ist zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Arbeitnehmer an der Dienstleistung verhindert, ohne daß der Anspruch auf das Entgelt zur Gänze fortbesteht, so ist bei Berechnung der Urlaubsentschädigung das ungeschmälerte Entgelt zugrunde zu legen, das zum Beendigungszeitpunkt bei Fortfall der Dienstverhinderung zugestanden wäre.'
3. Dem §10 Abs1 wird folgender Satz angefügt:
'Bei Berechnung der Urlaubsabfindung ist §9 Abs1 letzter Satz sinngemäß anzuwenden.'
4. Dem §19 Abs2 wird folgender Abs3 angefügt:
'(3) §2 Abs2, §9 Abs1 und §10 Abs1 dieses Bundesgesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 832/1995 treten mit 1. Dezember 1995 in Kraft und gelten ab dem Urlaubsjahr, das im Jahr 1994 begonnen hat.'"
2.1. Das Oberlandesgericht Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen stellt mit Beschluß vom 12. November 1996 den Antrag, der Verfassungsgerichtshof wolle im §19 Abs3 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1976 betreffend die Vereinheitlichung des Urlaubsrechtes und die Einführung einer Pflegefreistellung (im folgenden: UrlG), BGBl. Nr. 390/1976 idF BGBl. Nr. 832/1995, die Wortfolge "und gelten ab dem Urlaubsjahr, das im Jahr 1994 begonnen hat" als verfassungswidrig aufheben.
2.2.1. Im Antrag wird ausgeführt, daß nach dem zwischen den Verfahrensparteien außer Streit stehenden Sachverhalt der Kläger 1975 als Arbeiter in das Unternehmen der beklagten Partei eingetreten und 1977 ins Angestelltenverhältnis übernommen worden sei. Das Arbeitsverhältnis habe durch vorzeitigen Austritt des Klägers zum 31. März 1995 geendet, wobei der Kläger in den Zeiträumen vom 20. Jänner bis 27. August 1993, 22. November bis 17. Dezember 1993 und 1. März 1994 bis 31. März 1995 im Krankenstand gewesen sei.
Die beklagte Partei habe die Ansprüche des Klägers am 6. April 1995 abgerechnet und ihm einen Betrag in Höhe von netto S 281.411,82 ausbezahlt. Dabei seien auch die Urlaubsansprüche aus den früheren Urlaubsjahren abgerechnet worden, nicht jedoch der Urlaubsanspruch aus dem Urlaubsjahr ab dem 30. Juni 1994 im Ausmaß von 166,58 Stunden. Hiefür betrage die Urlaubsentschädigung rechnerisch brutto S 38.004,81.
Bei der beklagten Partei sei bei allen Arbeitnehmern das Urlaubsjahr mit dem Arbeitsjahr ident.
Mit dem vor dem antragstellenden Gericht bekämpften Urteil des Erstgerichts wurde dem Kläger der begehrte Betrag von S 38.004,81 brutto samt 4 % Zinsen seit dem 1. April 1995 zuerkannt. Das Erstgericht stützte seine Entscheidung auf die §§2 Abs2 iVm 9 Abs1 iVm 19 Abs3 UrlG idF des ArtIII Sozialrechts-Änderungsgesetz 1995, BGBl. Nr. 832/1995 (im folgenden: SRÄG 1995).
2.2.2. Das antragstellende Gericht geht davon aus, daß der durch ArtIII Z4 SRÄG 1995 ins UrlG eingefügte §19 Abs3 alle Urlaubsjahre umfaßt, die ab dem 1. Jänner 1994 begonnen haben.
Hiezu führt es im wesentlichen aus:
"Zieht man als erstes Auslegungskriterium den Wortlaut des Gesetzes heran, ist dem Erstgericht darin zu folgen, daß die Ansicht Schranks (, wonach diese Bestimmung nur auf jene Urlaubsjahre angewendet werden dürfe, die frühestens am 2. Dezember 1994 begonnen haben,) nicht zu teilen ist. Das Datum des 280. Stückes des Bundesgesetzblattes aus dem Jahre 1995 (ausgegeben am 21.12.1995) ist wohl als ein eher zufälliges zu betrachten. Es ist kein Anhaltspunkt vorhanden, der es geböte, ausgehend vom Ausgabedatum im Zusammenhang mit dem Gesetzestext der von Schrank vertretenen Auslegung näherzutreten. Zu Recht hat das Erstgericht darauf verwiesen, daß nach dem Auslegungskanon in erster Linie der objektive Sinngehalt einer Vorschrift im Sinne der Wortauslegung zu erheben ist und daß dieser Inhalt maßgeblich für den Inhalt einer Bestimmung ist. Auch die weitergehende Auslegung muß am äußersten Wortsinn der anzuwendenden Norm ihre Grenzen finden, die auch mit den sonstigen Interpretationsmethoden nicht überschritten werden darf. Läßt der Wortlaut eines Gesetzes nur eine Auslegung zu, so kann nicht nach einem Sinn geforscht werden, der sich mit dem Wortlaut nicht vereinbaren läßt ... . Ein Hinweis aus dem Gesetzestext, der das Ausgabedatum einerseits mit dem Inkrafttretensdatum 1.12.1995 anderseits in Beziehung setzte, ist dem in Frage stehenden Gesetz an keiner Stelle zu entnehmen.
Was als Urlaubsjahr zu gelten hat, ergibt sich in eindeutiger Weise aus der Bestimmung des §2 Abs1 iVm §2 Abs4 UrlG, wonach grundsätzlich das Arbeitsjahr mit dem Urlaubsjahr ident ist und Abweichungen lediglich im Sinne der Zulassungsnormen des §2 Abs4 UrlG durch Kollektivvertrag oder Betriebsvereinbarung geregelt werden können. Der Terminus Urlaubsjahr = Arbeitsjahr ist daher klar umrissen. Von der Bestimmung des ArtIII Z4 SRÄG 1995 sind somit nach dem eindeutigen Wortsinn solche Arbeits/Urlaubsjahre umfaßt, die im Jahre 1994 begonnen haben. Aus dem Begriff 'Beginn' ist bezogen auf die Zeiteinheit Jahr 1994 das Datum 1.1. anzusetzen. Jede Verschiebung auf den 1.12.1994 im Sinne der Auslegung Schranks wäre mit dem dargestellten Wortlaut unvereinbar und willkürlich, wie dies auch für jedes andere Datum zu gelten hätte.
... Die historische oder teleologische Auslegungsmethode, die
auf Grund der obigen Ausführungen an sich gar nicht mehr
heranzuziehen wäre ... würde im Gegenteil eher dafür sprechen,
daß der Gesetzgeber eine sehr weitgehende, auch rückwirkende
Geltung des Gesetzes gewollt hat. Dieses Gesetz stellt wohl
eindeutig eine Reaktion des Gesetzgebers ... auf die ...
Judikatur des OGH (dar), ... .
...
... Es kann ... auch nicht davon ausgegangen werden, daß der
Kläger am Beginn seines Urlaubsjahres 1994/95 noch einen Entgeltanspruch (voll oder teilweise) hatte. Davon gehen offenbar auch die Parteien und das Erstgericht zutreffend aus, weil in Anbetracht der außer Streit stehenden Krankenstände und der Bestimmung des §8 Abs1 AngG der Kläger im Hinblick auf die anzurechnende Dienstzeit von mehr als 15, jedoch weniger als 20 Jahren bereits mit seinem 2. Krankenstand vom 22.11. bis 17.12.1993 den Entgeltfortzahlungsanspruch des §8 Abs1 und 2 AngG erschöpft hatte. Am 30.6.1994, dem Beginn des hier in Frage stehenden Urlaubsjahres, hatte somit der Kläger keinen Entgeltanspruch mehr."
2.3.1. In der Sache hegt das Oberlandesgericht Innsbruck zunächst das Bedenken, daß die angefochtene Wortfolge gegen den auch den einfachen Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgrundsatz der Bundesverfassung verstoße. Hiezu wird im wesentlichen ausgeführt:
"Feststeht zunächst, daß der Gesetzgeber hier eine rückwirkende Bestimmung erlassen hat, bezieht sich doch ArtIII Z4 SRÄG 1995 auf Urlaubsjahre ab dem 1.1.1994 und umfaßt damit im Hinblick auf das Inkrafttreten der urlaubsrechtlichen Bestimmungen im SRÄG am 1.12.1995 rückwirkend einen Zeitraum von fast zwei Jahren.
Zur Beurteilung der Gleichheitskonformität einer rückwirkenden Regelung (vgl hiezu allgemein Walter/Mayer a.a.O., Rz 1350/2) ist es insbesondere von Bedeutung, ob Normunterworfene bei einem Eingriff in ihre Rechtsposition in einem Vertrauen auf die Rechtslage enttäuscht werden, auf das sie sich berechtigterweise berufen konnten, und nicht etwa besondere Umstände vorliegen, die eine solche Rückwirkung - beispielsweise um einen gleichheitswidrigen Zustand zu beseitigen - verlangen. Ob ein rückwirkendes Gesetz vertrauensverletzend wirkt, hängt also von einer Mehrzahl von Umständen ab, insbesondere von der Klarheit der gesetzlichen Regelung, die durch die rückwirkende Bestimmung geändert wird; weiters davon, welche Verwaltungspraxis einheitlich von den Behörden vor der rückwirkenden Regelung gehandhabt wurde und ob diese im Gesetz begründet war (vgl VfSlg 12241 mwN). Die rückwirkende Inkraftsetzung einer in Rechtspositionen eingreifenden Regelung ist mit dem Gleichheitsgrundsatz dann nicht vereinbar, wenn die Normunterworfenen durch einen Eingriff von erheblichem Gewicht in einem gerechtfertigten Vertrauen auf die Rechtslage enttäuscht wurden und nicht besondere Umstände diese Rückwirkung verlangen. Ob und inwieweit ein sachlich nicht gerechtfertigter und damit gleichheitswidriger Eingriff vorliegt, hängt vom Ausmaß des Eingriffes und vom Gewicht der für die Rückwirkung sprechenden Gründe ab ... . ... Gleichheitswidrig ist vor allem ein Eingriff dann, wenn die Rückwirkung eine unterschiedliche Behandlung von Ansprüchen zur Folge hat, je nachdem wann über derartige Ansprüche von der zuständigen Behörde zu entscheiden ist, dies bei völlig gleichen Gegebenheiten (VfSlg 12688) bzw. die angegriffene Regelung auf Umstände abstellt, die ausschließlich vom Behördenverhalten abhängig waren (VfSlg 10620 und 12673).
Wendet man diese Überlegungen auf den hier vorliegenden Sachverhalt an, ergibt sich folgendes Bild:
... Bezüglich des Entfalles einer Urlaubsentschädigung bestand vor dem SRÄG 1995 eine einheitliche Rechtsprechung des Höchstgerichtes im Sinne der Entscheidungen 9 Ob A38/94 und 8 Ob 279/94, (diese Entscheidungen stammen vom 25.5.1994 bzw. vom 27.10.1994) auf die gerade im Hinblick auf ihr unmittelbares Aufeinanderfolgen der Rechtsunterworfene vertrauen durfte. Diese Entscheidungen beruhen auch auf einem klaren Gesetz, insbesondere hinsichtlich der Urlaubsentschädigung/Abfindung bauen sie auf dem im Arbeitsrecht eine tragende Rolle spielenden Entgeltausfallsprinzip in schlüssiger und eindeutiger Weise auf (vgl vor allem die zitierte Entscheidung zu 9 Ob A38/94).
Verließ sich also ein Arbeitgeber als Normunterworfener auf die
dargestellte Rechtsprechung und lehnte er bis zum SRÄG 1995 eine
Abgeltung derartiger Ansprüche ab, handelte er rechtmäßig und
gutgläubig ... . Im Sinne der jüngsten Ausführungen des
Höchstgerichtes ist insoferne auch von einer geklärten Bestimmung
und Auslegung des Urlaubsgesetzes auszugehen, ... wie auch nach
Ansicht des Berufungsgerichtes ... nicht nur vernachlässigbare
Härtefälle von der rückwirkenden Gesetzesbestimmung betroffen sind. Gerade im Hinblick auf das Urlaubsgesetz, das ein durchgängiges System in seinen Regelungen vermissen läßt ..., ist der Rechtsunterworfene umsomehr auf die Rechtsprechung des zuständigen Höchstgerichtes angewiesen, um sich gesetzeskonform zu verhalten.
... Darüberhinaus ist die Unterwerfung eines Sachverhaltes auch hier mehr oder minder von Zufälligkeiten abhängig. Unterstellt man z.B., daß ein Arbeitnehmer, der einen Anspruch auf Urlaubsentschädigung für vergleichbare Fälle gegenüber seinem Arbeitgeber in einem Rechtsstreit durchsetzen will, etwa zu Jahresbeginn 1995 seine Klage anbringt, hängt es von der Expedivität des gerade zufällig damit befaßten Gerichtes ab, ob die Entscheidung vor oder nach der Versendung des SRÄG 1995 erfolgt. Als weitere Unwägbarkeiten, die auf das Ergebnis der zu fällenden Entscheidung Einfluß haben, kommen die stärkere oder geringere Auslastung des zuständigen Gerichtes dazu, allenfalls krankheits- oder urlaubsbedingte Abwesenheiten des zuständigen Vorsitzenden des berufenen Arbeits- und Sozialgerichtes. Diese Umstände ermöglichen es somit, daß einmal zugunsten des Arbeitgebers entschieden werden könnte; mit hoher Wahrscheinlichkeit ist davon auszugehen, daß sich ein Arbeits- und Sozialgericht in erster Instanz an die Rechtsprechung des Höchstgerichtes halten wird, solange keine gegenteilige Rechtsprechung (oder gesetzliche Regelung) vorliegt. Zöge sich ein solcher Prozeß allerdings über den 21. Dezember 1995 hinaus, hätte sich das Arbeits- und Sozialgericht nunmehr an das ordnungsgemäß kundgemachte Gesetz zu halten und die anderslautende Rechtsprechung des Höchstgerichtes zu ignorieren. Ein Verfahren kann zufällig auch dadurch länger dauern, wenn etwa nicht nur ein Anspruch auf Urlaubsentschädigung/Abfindung strittig ist, sondern im Zuge eines Rechtsstreites um eine ungerechtfertigte Beendigung des Arbeitsverhältnisses andere, auch aufwendig zu klärende Ansprüche wie etwa Kündigungsentschädigung oder Abfertigung prozeßgegenständlich sind. Ein Verfahren zu beschleunigen, um eine (noch gar nicht absehbare) Änderung der Gesetzeslage nicht schlagend werden zu lassen, ist für den Normunterworfenen wohl nicht zumutbar. Eine Einflußnahme der betroffenen Parteien auf die Raschheit des Verfahrens ist im übrigen in nur sehr begrenztem Umfang möglich, etwa dann, wenn die Voraussetzungen für einen Fristsetzungsantrag im Sinne des §91 GOG vorlägen. Aber auch dann hätte die betroffene Partei keine Gewähr, daß nunmehr das Gericht zeitlich vor der in Frage stehenden, wie erwähnt nicht absehbaren Gesetzesänderung entscheidet.
... Daß ein gleichheitswidriger Zustand hätte beseitigt werden
müssen, ist für das Berufungsgericht nicht ersichtlich, vor allem
nicht durch die vorliegende rückwirkende Bestimmung. Durch diese
werden ganz willkürlich Arbeitnehmer, deren Ansprüche noch nicht
verjährt wären, die jedoch Urlaubsjahre vor dem Jahresende 1993
abzuwickeln hatten, ohne ersichtliche Begründung gegenüber
solchen Arbeitnehmern benachteiligt, die mit ihren Ansprüchen auf
Urlaubsentschädigung/Urlaubsabfindung den Termin 1.1.1994
überschreiten. An sich wird durch diese Stichtagsregelung eine
neuerliche Härte begründet, diesmal gegen Arbeitnehmer, die
zufällig nicht (mehr) in den Genuß der Rückwirkungsbestimmungen
kommen. In diesem Zusammenhang muß auch überlegt werden, daß
betroffene Arbeitnehmer gerade im Hinblick auf die dargestellte
Judikatur des Obersten Gerichtshofes es unter Umständen überhaupt
unterlassen haben, nach der nunmehrigen Gesetzeslage abzugeltende
Urlaubsansprüche dem Arbeitgeber gegenüber geltend zu machen, daß
sie sich mit dem Arbeitgeber vergleichsweise geeinigt haben und
dadurch ihre Ansprüche verloren haben. Ungeachtet der Problematik
eines kollektivvertraglichen Verfalls von Urlaubsansprüchen (vgl
die Ausführungen in SZ 55/124) ist es aber ... durchaus
vorstellbar, daß kraft Gesetzes Urlaubsentschädigungsansprüche
verfallen: Nämlich dann, wenn sie als
Kündigungsentschädigungsansprüche zu betrachten sind, weil sie im
Zuge des Beginnes eines neuen Urlaubsjahres (und Erwerb eines
weiteren Urlaubsanspruchs) bei einer fiktiven Kündigungsfrist
entstanden sind (vgl Martinek-Schwarz-Schwarz, AngG, 7. Auflg.,
662 mwN). Hat in einem solchen Fall es der Arbeitnehmer
unterlassen, innerhalb der 6-monatigen Verfallsfrist des §34
(Abs1) AngG bzw. 1162d ABGB etwa in der ersten Jahreshälfte 1995
in Kenntnis der bisherigen Rechtsprechung des Obersten
Gerichtshofes über entgeltfreie Zeiten seine diesbezüglichen
Ansprüche einzuklagen, wären sie verfallen. Dabei kann sich das
Berufungsgericht der Ansicht Andexlingers, a.a.O. nicht
anschließen, daß durch das Sozialrechtsänderungsgesetz nunmehr
neue Ansprüche geschaffen worden seien, die einen solchen Verfall
hintanhielten. Überlegenswert ist aber immerhin die Möglichkeit,
allenfalls bereits durch Prozeß entschiedene oder durch Vergleich
erledigte Ansprüche im Hinblick auf die Änderung der Rechtslage
wiederum rückaufzurollen ... .
... Auch die in der Rechtsprechung des
Verfassungsgerichtshofes geforderte Erheblichkeit scheint dem
Berufungsgericht gegeben zu sein. Es darf nicht isoliert auf den
in Frage stehenden Fall geblickt werden, sondern es muß bedacht
werden, daß - wie die dargestellte Judikatur des Obersten
Gerichtshofes beweist - sich die Problematik der entgeltfreien
Zeiten doch als eine allgemeine dargestellt hat, die offenbar
insgesamt für eine wohl nicht unbeträchtliche Zahl von
Arbeitsverhältnissen relevant ist. Der Gesichtspunkt, in welchem
Umfang überhaupt die Gesetzesänderung Auswirkungen haben könnte,
wurde vom Gesetzgeber offenbar nicht einmal am Rande geprüft. Vor
allem hat es der Gesetzgeber nicht der Mühe wert gefunden, durch
entsprechende Übergangsbestimmungen die rückwirkend erlassenen
Bestimmungen so abzufedern, daß nur wenige Härtefälle (was
verfassungskonform wäre) betroffen sind, nicht jedoch eine von
vornherein nicht abgegrenzte Zahl von Fällen ... .
... Das Verhalten des Gesetzgebers ist zwar nicht so
gestaltet, daß er geradezu offenkundig in Vereitelungsabsicht (vgl für den Bereich der Verfassungsgerichtsbarkeit VfSlg 10091) die rückwirkenden Gesetzesbestimmungen erlassen hat. Anhaltspunkte dafür, daß ein konkretes, beim Obersten Gerichtshof behängendes Verfahren durch diese Vorschrift beeinflußt werden sollte, sind dem Berufungsgericht nicht bekannt. Die Verfahrensdaten in der Arbeitsrechtssache 43 Cga 129/95 des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht (= 15 Ra 12/95t OLG Innsbruck = 8 Ob A215/96) legen aber in aller Deutlichkeit die Wirkungen eines solchen Eingriffes bezogen auf die zeitlichen Gegebenheiten klar:
-
Ansprüche des Arbeitnehmers beginnend mit 11.5.1994;
-
Urteil des Erstgerichtes 10.7.1995;
-
Urteil des Berufungsgerichtes 28.11.1995 (= 3 Tage vor der Ausgabe des SRÄG 1995!);
-
Urteil des OGH 14.3.1996.
Allein auf Grund eines solchen Verfahrensablaufes muß ein hier vorgenommener, sicher vorbeugend gedachter Akt der Gesetzgebung nach Ansicht des Berufungsgerichtes doch als bedenklicher Vorgang in Blickrichtung der verfassungsgesetzlich normierten Trennung der Gewalten gewertet werden, dies ungeachtet der Befugnis des Gesetzgebers, seine Funktion in jeder Richtung auszuüben (vgl VfSlg 10091 ua)."
2.3.2. Darüber hinaus hegt das Oberlandesgericht Innsbruck das Bedenken, daß die angefochtene Wortfolge gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verstößt. Hiezu wird vorgebracht:
"... Art5 Staatsgrundgesetz iVm Art1 des ersten Zusatzprotokolles zur MRK schützen aber auch das Eigentum jeder natürlichen und juristischen Person: somit ist verfassungsrechtlich die Unverletzlichkeit des Eigentums verankert. Unter Eigentum ist jedes vermögenswerte Privatrecht zu verstehen, nicht aber vermögensrechtliche Ansprüche öffentlich-rechtlicher Natur (vgl hiezu allgemein Walter/Mayer a. a.O., Rz 1368 ff). Wie bereits dargetan, können die Folgen des Gesetzes unter Umständen zu einer Rückabwicklung von bereits urteilsmäßig oder anderweitig abgeschlossenen Verfahren bzw. Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern führen. Dabei wird in das Vermögen des Arbeitgebers insoweit eingegriffen, als er Ansprüche, die er nach der Gesetzeslage nicht zu tragen hatte, nunmehr nachträglich auf Grund der Gesetzesänderung zu liquidieren hat. In diesem Sinne erblickt das Berufungsgericht unter Umständen auch in der rückwirkenden Erlassung der dargestellten Bestimmungen eine Verletzung des Art5 Staatsgrundgesetz bzw. Art1 des ersten Zusatzprotokolls zur Menschenrechtskonvention."
3. Die Bundesregierung hat eine umfangreiche Äußerung erstattet, in der sie den Antrag stellt, der Verfassungsgerichtshof wolle aussprechen, daß §19 Abs3 UrlG idF BGBl. Nr. 832/1995 nicht als verfassungswidrig aufzuheben ist. Für den Fall der Aufhebung stellt die Bundesregierung den Antrag, der Verfassungsgerichtshof wolle gemäß Art140 Abs5 B-VG für das Außerkrafttreten eine Frist von 18 Monaten bestimmen, um die allenfalls erforderlichen legistischen Vorkehrungen zu ermöglichen.
4. Der Verfassungsgerichtshof hat zur Zulässigkeit des Antrages erwogen:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf der Antrag eines (zur Antragstellung befugten) Gerichtes mangels Präjudizialität nur dann zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, daß die angefochtene Gesetzesstelle vom antragstellenden Gericht im Anlaßfall anzuwenden ist (vgl. zB VfSlg. 10066/1984, 11565/1987, 12189/1989, 12947/1991, 13634/1993, 14142/1995 und 14466/1996).
Ausgehend vom Wortlaut des §19 Abs3 UrlG, insbesondere der angefochtenen Wortfolge, erscheint es dem Verfassungsgerichtshof jedenfalls denkmöglich, daß diese vom antragstellenden Gericht anzuwenden ist. Ob §19 Abs3 UrlG vom antragstellenden Gericht in jeder Hinsicht zutreffend ausgelegt wurde (vgl. hiezu die Ausführungen unter 5.3.1. und 5.3.2.), ist im Rahmen der Prozeßvoraussetzungen nicht weitergehend zu prüfen. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist der Antrag zulässig.
5. In der Sache selbst hat der Verfassungsgerichtshof folgendes erwogen:
5.1. Dem Initiativantrag IA 409/A, 19. GP, der Grundlage der vorliegenden Gesetzesnovelle gewesen ist, läßt sich entnehmen, daß der Gesetzgeber im gegebenen Zusammenhang folgendes Ziel verfolgte:
"Klarstellung des Urlaubsanspruchs im aufrechten Arbeitsverhältnis und der Ansprüche bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses."
Dieses Ziel sollte mit einer "Novellierung der entsprechenden Gesetzesstellen im Urlaubsgesetz" erreicht werden.
Im einzelnen wird ausgeführt:
"Klarstellung des Urlaubsanspruches im aufrechten Arbeitsverhältnis und der Ansprüche bei Beendigung
des Arbeitsverhältnisses
Der Oberste Gerichtshof hat im Jahr 1994 in Fällen von beendeten Arbeitsverhältnissen entschieden, daß aus entgeltfortzahlungsfreien Dienstzeiten ein Urlaubsanspruch nicht abzuleiten sei (OGH vom 25.4.1994, 9 Ob A38/94; 31.8.1994, 8 Ob A268/94; 27.10.1994, 8 Ob A279/94). Der OGH hat sich zur Begründung auf eine Analogie zu §15 Abs3 MSchG, §9 Abs1 und 2 APSG und §119 Abs2 ArbVG gestützt. §15 Abs3 MSchG und §9 Abs1 und 2 APSG ordnen tatsächlich Urlaubsaliquotierungen in bestimmten Fällen an; nach §119 Abs2 ArbVG gebührt zwar der Urlaub in vollem Ausmaß, allerdings ist das Urlaubsentgelt im Ausmaß der Zeiten einer Bildungsfreistellung zu aliquotieren; ein verallgemeinerungsfähiges Prinzip, wonach der Urlaub in jenem Ausmaß zu aliquotieren sei, das dem Verhältnis zwischen entgeltfortzahlungsfreien Zeiten und dem Urlaubsjahr entspricht, läßt sich daraus jedoch nicht ableiten.
Daß es ein allgemeines Prinzip der Aliquotierung des Urlaubsanspruches bei entgeltfreien Dienstzeiten nicht gibt, eine solche Aliquotierung vielmehr nur in jenen Fällen und in jenem Ausmaß vorzunehmen ist, in denen dies gesetzlich ausdrücklich angeordnet wird, wird durch die in Artikel VI des Entwurfes vorgesehenen Änderungen des Urlaubsgesetzes endgültig klargestellt. Damit wird gleichzeitig für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber jener Rechtszustand klargestellt, der auch bis zu dem eingangs erwähnten Schwenk in der Rechtsprechung bestanden hat.
Die sachliche Begründung für diese Klarstellung liegt darin, daß der Urlaubsanspruch seinem Grundgedanken nach jedem Arbeitnehmer in jedem Arbeitsjahr einen Erholungszeitraum von bestimmter Dauer, weitgehend unabhängig von der in diesem Jahr konkret vorliegenden Arbeitsmenge gewährleisten soll. Auch wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft nicht in jedem Arbeitsjahr sein ganzes Arbeitsleben hindurch in gleichem Ausmaß zur Verfügung stellen kann, soll er doch jedes Jahr eine gleichbleibende Regenerationsmöglichkeit vorfinden, die dem Verfall von Arbeitskraft und Gesundheit entgegenwirken und eine mehrwöchige Freizeitgestaltung in Gemeinschaft mit anderen, insbesondere der Familie, ermöglichen soll."
5.2. Es ist daher offensichtlich, daß die genannte Gesetzesänderung im Zusammenhang mit drei Urteilen des Obersten Gerichtshofes aus dem Jahre 1994 (sc OGH 25. Mai 1994, 9 Ob A38/94 = SZ 67/94; OGH 31. August 1994; 8 Ob A268/94 und OGH 27. Oktober 1994, 8 Ob A279/94) steht, mit denen der Oberste Gerichtshof unter ausdrücklicher Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung (vgl. SZ 55/124) ausgesprochen hat, daß bei Vorliegen von Zeiten einer Dienstverhinderung ohne Entgeltfortzahlungsanspruch (in der Folge kurz: entgeltfreie Dienstzeiten) der jährliche Urlaubsanspruch aliquot zu kürzen ist. Sieht man davon ab, daß der Gesetzgeber "Klarstellungen" vornehmen wollte (also der Auffassung war, ohnehin geltendes, aber von der Rechtsprechung unrichtig interpretiertes Recht zu präzisieren), finden sich in den Gesetzesmaterialien keine ausdrücklichen Hinweise zu der Frage, ob und in welchem Umfang die in Aussicht genommene "Klarstellung" auch mit Rückwirkung ausgestattet werden sollte. Zu dem mit ArtIII Z4 SRÄG 1995 ins UrlG eingefügten §19 Abs3 (der nach Auffassung des antragstellenden Gerichts zufolge seiner Bezugnahme auf die vor seinem Inkafttreten, nämlich bereits ab 1.1.1994 begonnenen Urlaubsjahre eine weitgehende Rückwirkung anordnet) finden sich weder im Initiativantrag noch im Ausschußbericht Erläuterungen.
5.3. Das Oberlandesgericht Innsbruck geht in seinem Antrag davon aus, daß §19 Abs3 UrlG idF BGBl. Nr. 832/1995 insoweit rückwirkend in Kraft getreten ist, als diese Bestimmung (auch) solche Urlaubsjahre umfaßt, die ab 1. Jänner 1994 begonnen haben, und daß die darin getroffene Anordnung des Inkrafttretens mit 1. Dezember 1995 so zu verstehen ist, daß die Gerichte ab diesem Zeitpunkt bei ihrer Entscheidung (sofern diese Urlaubsansprüche aus den genannten Jahren betrifft) die neue Gesetzeslage anzuwenden haben; an diese Prämissen knüpft das antragstellende Gericht seine verfassungsrechtlichen Bedenken.
5.3.1. Der Oberste Gerichtshof hat sich jüngst in zwei Urteilen (OGH 7. August 1997, 8 Ob A92/97f und OGH 5. November 1997, 9 Ob A92/97x) mit der Frage des normativen Gehalts des §19 Abs3 UrlG hinsichtlich seines zeitlichen Geltungsbereiches und Rechtsbedingungsbereiches (vgl. hiezu allgemein Thienel, Art49 B-VG und die Bestimmung des zeitlichen Geltungsbereiches von Bundesgesetzen, ÖJZ 1990, 161; ders., Der zeitliche Geltungsbereich von Normen im Lichte der Legistik, in FS Walter (1991) 709; ders., Was ist ein außer Kraft getretenes Gesetz?, JBl 1994, 26 und 92; Walter/Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts8 (1996) Rz 487 ff), ausführlich beschäftigt. In seinem Urteil vom 7. August 1997 führte er aus:
"§19 Abs2 (gemeint offensichtlich: Abs3) UrlG stellt ... hinsichtlich der hier maßgeblichen Frage der Urlaubsentschädigung auf §9 Abs1 UrlG ab und sieht für diesen gemeinsam mit den neuen Bestimmungen des §10 Abs1 und §2 Abs2 UrlG, in der Fassung der Novelle, ein Inkrafttreten mit 1.12.1995 vor, ordnet aber ergänzend an, daß diese Bestimmungen ab dem Urlaubsjahr, das im Jahr 1994 begonnen hat, gelten.
Konkrete Bedingungen für das Entstehen einer Urlaubsentschädigung im Sinne des §9 Abs1 UrlG sind einerseits ein Entstehen des Urlaubsanspruches und andererseits, daß das Arbeitsverhältnis vor Verbrauch des Urlaubes in einer bestimmten Art endet. Als Rechtsfolge ist dann der Anspruch auf Urlaubsentschädigung vorgesehen. Maßgeblich ist allerdings wohl primär, welche Art der Beendigung vorliegt, da bei bestimmten Beendigungsarten auch gar kein Surrogat für Urlaubsreste zustehen kann (vgl §10 Abs2 UrlG).
Beide Bereiche der Bedingungen (einerseits Entstehen des Urlaubsanspruches und andererseits Beendigung des Arbeitsverhältnisses in einer bestimmten Weise und Vorliegen eines Urlaubsrestes) liegen nun vor dem 1.12.1995. Nur hinsichtlich des einen Bedingungsbereiches, und zwar hinsichtlich des Urlaubsjahres sieht die Übergangsregelung ergänzend vor, daß sich die Bestimmungen auch auf Urlaubsjahre beziehen, die im Jahre 1994 begonnen haben. Für den Bedingungsbereich im Zusammenhang mit der Beendigung ist dies nicht angeordnet.
Daraus, daß der Gesetzgeber nicht einfach rückwirkend das Inkrafttreten mit 1.1.1994 angeordnet hat, ist zu schließen, daß es nach dem 1.1.1994 Sachverhalte geben muß, die nicht von den Regelungen erfaßt werden sollen. Dies kann jedoch im gegenständlichen Zusammenhang durchaus darin gesehen werden, daß solche Sachverhalte nicht erfaßt werden sollen, bei denen nur ein Teil des Bedingungsbereiches im Rahmen der über das Inkrafttretensdatum 1.12.1995 zurückgehenden weiteren Rückwirkungsanordnung umfaßt ist.
Konkret bedeutet dies, daß durch die Übergangsbestimmung klargestellt ist, daß eben bei Auflösungen nach dem 1.12.1995 auch für Urlaubsreste aus dem Urlaubsjahr, das im Jahre 1994 begonnen hat, die Urlaubsentschädigung unter Anwendung des §9 Abs1 UrlG in der Fassung der Novelle BGBl Nr 832/1995 zu berechnen ist, nicht jedoch bei Auflösungen vor dem 1.12.1995.
Diese Auslegung ergibt sich nun nicht nur aus dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes, sondern gibt diesem auch einen den erkennbaren Zielsetzungen entsprechenden Anwendungsbereich. Damit wird nämlich klargestellt, daß eben auch hinsichtlich dieses Urlaubsjahres bei der Berechnung des für den daraus herrührenden Urlaubsrest wohl auch bei etwa bis zu diesem Beendigungszeitpunkt dauernden Krankenständen selbst hinsichtlich dieses Urlaubsrestes das volle Entgelt im Zeitpunkt der Beendigung heranzuziehen ist. Insoweit ist also dann sowohl der Bedingungsbereich hinsichtlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Verbrauch des Urlaubes - 1.12.1995 - als auch jener des Entstehens des Urlaubsanspruches (Urlaubsjahr, das im Jahre 1994 begonnen hat) im Rahmen dieser Bestimmung erfaßt.
Das bedeutet, daß also rückwirkend durch die Regelung des §19 Abs2 UrlG (gemeint offensichtlich: Abs3) einerseits eine Aliquotierung des Urlaubsanspruches ausgeschlossen wurde und andererseits hinsichtlich der Beendigungsansprüche unter dem Aspekt des zeitlichen Bedingungsbereiches klargestellt wurde, daß für Urlaubsansprüche aus den rückwirkend erfaßten Zeiten bei Beendigung nach dem Inkrafttreten die gesonderten - inhaltlich neuen - Berechnungsbestimmungen des §9 Abs1 UrlG zur Anwendung gelangen. Dies erstreckt sich aber nicht auf die Berechnung von Beendigungsansprüchen vor dem Inkrafttreten.
Würde man die Geltung der neuen Regelung auch auf die vorliegenden Konstellationen erstrecken, so wäre nicht ersichtlich, warum nicht überhaupt ein einheitliches Inkrafttreten mit 1.1.1994 vorgesehen wurde.
Die Unterscheidung zwischen dem zeitlichen Bedingungsbereich hinsichtlich des Entstehens des Urlaubsanspruches und der Voraussetzungen im Zusammenhang mit der Beendigung lassen sich auch nicht nur aus dem unterschiedlichen Charakter des Urlaubsanspruches einerseits und des Surrogates 'Urlaubsentschädigung' andererseits ableiten. Auch daraus, daß zwar grundsätzlich eine Zuordnung des Urlaubsanspruches zu einem bestimmten Urlaubsjahr vorgesehen ist (vgl dazu §4 Abs1 UrlG - 'möglichst bis zum Ende des Urlaubsjahres ..... verbraucht werden ...'), daß im übrigen jedoch - ohne auf die näheren Voraussetzungen der Vereinbarung des Urlaubsverbrauches einzugehen - der Urlaub innerhalb der Verjährungsfrist auch in darauffolgenden Urlaubsjahren konsumiert werden kann ergibt sich, daß erst bei der tatsächlichen Beendigung sich die Art des Anspruches wandelt und die oben dargestellten Fragen der Berechnung relevant werden. Insoweit ist dieser Zeitpunkt der Auflösung auch als wesentlicher Anknüpfungspunkt anzusehen. Auf die Auflösung hat der Gesetzgeber aber in der Inkrafttretensbestimmung nicht Bezug genommen, sodaß die oben dargestellte Differenzierung vorzunehmen ist."
5.3.2. Der Verfassungsgerichtshof sieht keine Veranlassung, die Frage der Anwendbarkeit der wiederholt genannten Novelle auf Ansprüche aus der Beendigung eines Dienstverhältnisses abweichend von dieser Auffassung des Obersten Gerichtshofes zu beurteilen:
Auf bereits vor dem Tag des Inkrafttretens der genannten Bestimmungen beendete Arbeitsverhältnisse ist §9 Abs1 letzter Satz UrlG idF BGBl. Nr. 832/1995 daher auch nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes nicht anzuwenden.
Der Verfassungsgerichtshof teilt daher nicht die gegenteiligen Prämissen, von denen das Oberlandesgericht Innsbruck (zu einem Zeitpunkt, als die zuletzt erwähnte oberstgerichtliche Rechtsprechung noch nicht vorlag) bei Darlegung seiner verfassungsrechtlichen Bedenken ausgegangen ist. Damit ist aber den Bedenken des antragstellenden Gerichtes hinsichtlich von Ansprüchen auf Urlaubsentschädigung anläßlich der Beendigung von Arbeitsverhältnissen die Grundlage entzogen.
5.4. Die Bedenken des Oberlandesgerichts Innsbruck erweisen sich aber auch im übrigen als im Ergebnis nicht begründet:
5.4.1. Die vom Oberlandesgericht Innsbruck angefochtene Wortfolge ordnet an, daß die geänderten Bestimmungen "ab dem Urlaubsjahr (gelten), das im Jahr 1994 begonnen hat".
Der Verfassungsgerichtshof folgt in diesem Zusammenhang den insoweit überzeugenden Ausführungen des Oberlandesgerichtes Innsbruck, wonach mit dem Beginn des Jahres 1994 der 1. Jänner 1994 gemeint ist. Es trifft daher zu, daß in den Fällen, in denen ein Dienstverhältnis über den 1. Dezember 1995 hinaus andauert, die geänderten Bestimmungen für alle frühestens im Jahr 1994 begonnenen Urlaubsjahre anzuwenden sind. Damit wird zwar für jene Urlaubsjahre, die zwischen dem 1. Jänner 1994 begonnen und vor dem 1. Dezember 1995 geendet haben, eine sich aus der oben erwähnten (neueren) Rechtsprechung ergebende Urlaubsaliquotierung aufgehoben (und insoweit kann dem Gesetz durch seine Anknüpfung an Sachverhalte vor seinem Inkrafttreten ein gewisser rückwirkender Effekt nicht abgesprochen werden), es wird jedoch dem Arbeitgeber nicht schlechthin eine rückwirkende Last auferlegt: Dieser zusätzliche, eine allfällige Aliquotierung aus den genannten Jahren ausgleichende Urlaubsanspruch entsteht nämlich erst mit 1. Dezember 1995. Nur so kann die Anordnung des §2 Abs2 letzter Satz UrlG idF der Novelle BGBl. Nr. 832/1995 iVm §9 Abs3 UrlG gedeutet werden; auszuschließen ist jedenfalls ein Normverständnis, nach welchem der Gesetzgeber einen Urlaubsentschädigungsanspruch für rückwirkend zuerkannten (und daher während der Urlaubsjahre nicht konsumierbaren) Urlaub eingeräumt hätte.
Der durch die gesetzliche Klarstellung des §2 Abs2 letzter Satz UrlG iVm der teilweise angefochtenen Übergangsbestimmung ab 1. Dezember 1995 eingeräumte Urlaubsanspruch betrifft nicht alle, sondern nur jene Arbeitnehmer, deren Urlaubsansprüche 1994 oder 1995 wegen entgeltfortzahlungsfreier Zeiten verkürzt wurden. Dieser Urlaubsanspruch unterliegt ab 1. Dezember 1995 den allgemeinen Regeln des Urlaubsrechts, nicht anders als dies bei einer allgemeinen Erhöhung des Urlaubsanspruchs der Fall wäre; insbesondere bedarf der Antritt dieses Urlaubs auch einer Vereinbarung mit dem Dienstgeber.
5.4.2. Zu der Frage, ob die so verstandene Regelung - wie das Oberlandesgericht Innsbruck meint - in verfassungswidriger Weise in Rechtspositionen des Arbeitgebers (nur diese kommen wohl in Betracht) rückwirkend eingreift, hat der Verfassungsgerichtshof folgendes erwogen:
5.4.2.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind rückwirkende Gesetzesänderungen, die die Rechtsposition der Rechtsunterworfenen mit Wirkung für die Vergangenheit verschlechtern, im Lichte des auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgebotes nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig (vgl. zB VfSlg. 12186/1989, 12322/1990, 12479/1990, 12673/1991, 12688/1991, 12944/1991, 13020/1992, 13197/1992, 13461/1993, 13980/1994, 14149/1995, 14515/1996; VfGH 16.6.1997 G364/96 und VfGH 11.12.1997 G441/97). Der Gerichtshof bleibt bei seiner Ansicht, daß für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit solcher Gesetzesänderungen die Gravität des Eingriffs sowie das Gewicht der für diesen Eingriff sprechenden Gründe maßgeblich sind.
5.4.2.2. Der Verfassungsgerichtshof zweifelt zunächst nicht daran, daß ein Vertrauen auf ein bestimmtes Urlaubsausmaß bei Vorliegen von entgeltfreien Dienstzeiten nicht bloß als ein - im allgemeinen nicht geschütztes - Vertrauen auf ein unverändertes Fortdauern dieser Rechtslage anzusehen ist (vgl. in diesem Zusammenhang VfSlg. 13657/1993), zumal der Arbeitnehmer im Hinblick auf seine (vermeintlich bestehenden) Urlaubsansprüche disponiert bzw. - im umgekehrten Sinne - auch der Arbeitgeber vorhersehbare Zeiten der Abwesenheit von Dienstnehmern durch Urlaubskonsumation immerhin in seiner Personalpolitik berücksichtigen wird. Es kann daher nicht davon die Rede sein, daß in der im vorliegenden Fall behandelten Rechtsfrage ein verfassungsrechtlich geschütztes Vertrauen von vornherein nicht entstehen konnte.
Ob ein rückwirkendes Gesetz vertrauensverletzend wirkt, hängt von einer Mehrzahl von Umständen ab, insbesondere von der Klarheit der gesetzlichen Regelung, die durch die rückwirkende Bestimmung geändert wird; weiters davon, wie diese von den Gerichten vor der rückwirkenden Regelung gehandhabt wurde. In diesem Zusammenhang kommt der Rechtsprechung oberster Gerichte maßgebliche Bedeutung zu (vgl. in diesem Sinne VfSlg. 12241/1989, 12322/1990, 12479/1990).
5.5. Im vorliegenden Fall ist die durch ArtIII SRÄG 1995 geänderte Rechtslage erst im Jahr 1994 durch mehrere Urteile des Obersten Gerichtshofs, die in Abkehr von der bis dahin herrschenden Rechtsprechung (vgl. SZ 55/124) ergangen sind, in Erscheinung getreten. Eine solche geänderte Rechtsprechung selbst eines Höchstgerichtes kann aber nicht sofort Vertrauensschutz in demselben Ausmaß beanspruchen, wie eine Maßnahme des Gesetzgebers. Überdies wurden einzelne Rechtssätze dieser neuen Rechtsprechung in späteren Urteilen des Obersten Gerichtshofs sogar wieder zurückgenommen (vgl. die Urteile des Obersten Gerichtshofs vom 14. März 1996, 8 Ob A215/96 und vom 15. Jänner 1997, 9 Ob A2299/96w).
An der Befugnis des Gesetzgebers, im Rahmen der Verfassung rechtspolitisch unerwünschten Konsequenzen der Rechtsprechung mit einem Gesetzgebungsakt entgegenzutreten, kann nicht gezweifelt werden: Gerade vor dem Hintergrund einer Änderung oberstgerichtlicher Rechtsprechung kann in dem Gesichtspunkt der Wahrung des Vertrauensschutzes eine sachliche Rechtfertigung für eine den bisherigen Rechtszustand wieder herstellende, je nach Sachlage auch rückwirkende Reaktion des Gesetzgebers liegen.
Dabei wird dem Gesetzgeber in der Frage der Rückwirkung seiner Maßnahme ein umso größerer rechtspolitischer Spielraum zuzubilligen sein, je näher diese Maßnahme zeitlich an die Rechtsprechungsänderung anschließt.
5.6. Der Verfassungsgerichtshof weist zur Vermeidung von Mißverständnissen an dieser Stelle darauf hin, daß er es nicht als seine Aufgabe betrachtet, die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes - sei es jene vor, sei es jene nach der Judikaturänderung - hinsichtlich ihrer "Richtigkeit" vor dem Hintergrund der anzuwendenden Rechtsvorschriften zu bewerten oder zu überprüfen; er hat, sofern - wie hier - beide Rechtsprechungslinien den angewendeten Rechtsnormen augenscheinlich keinen verfassungswidrigen Inhalt unterstellen, nach dem Vorgesagten lediglich das Faktum eines Abgehens von der bisherigen Rechtsprechung als ein Beurteilungskriterium für die sachliche Rechtfertigung einer rückwirkenden gesetzgeberischen Maßnahme in die von ihm vorzunehmende Abwägung einzubeziehen.
5.6.1. Es kann im vorliegenden Fall im Sinne des vorstehend Gesagten nicht die Rede davon sein, daß der Gesetzgeber mit seiner Reaktion übermäßig lange zugewartet hätte; die geänderte Judikaturlinie des Obersten Gerichtshofs kann daher schon aus diesem Grunde noch nicht als ihrerseits vom Vertrauensschutz umfaßt angesehen werden. Es begegnet daher auch unter diesem Gesichtspunkt keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn der Gesetzgeber durch eine Gesetzesänderung für eine rasche Klärung der Rechtslage (wenn auch nicht im Sinne der geänderten Rechtsprechung) sorgen wollte. Es stand ihm dabei frei, diese Klärung im Sinne der früheren Rechtsprechung vorzunehmen, sowie, sie zum Zwecke einer größtmöglichen Kontinuität auch auf die vor dem Inkrafttreten der Novelle begonnenen Urlaubsjahre zu erstrecken.
5.6.2. Entgegen der Auffassung des antragstellenden Gerichts wird dadurch gerade nicht in einer von Zufälligkeiten abhängigen Weise zwischen Fällen, in denen ein Rechtsstreit am 1.12.1995 hinsichtlich eines betroffenen Urlaubsjahres schon entschieden gewesen ist, jenen, in denen er noch anhängig war, und schließlich jenen, in denen sich die Arbeitnehmer ohne Rechtsstreit zunächst der Urlaubskürzung unterworfen haben, differenziert. Es ist vielmehr gleichgültig, ob über die Verkürzung des Urlaubsanspruchs für ab dem 1.1.1994 begonnene Urlaubsjahre ein Rechtsstreit geführt wurde oder nicht und in welchen sich ein solcher Rechtsstreit am 1.12.1995 befunden hat:
Dadurch, daß für alle betroffenen Arbeitnehmer ab dem 1.12.1995 ein neuer Urlaubsanspruch im Ausmaß der eingetretenen Verkürzung entstanden ist, wird eine Gleichbehandlung aller betroffenen Arbeitnehmer bewirkt, und es wird auch nicht in frühere Dispositionen der betroffenen Arbeitgeber eingegriffen. Die mit der Entstehung des zusätzlichen Urlaubsanspruchs ab dem 1.12.1995 erforderlichen neuen Dispositionen können in ganz gleicher Weise getroffen werden, wie dies bei neu entstehenden Urlaubsansprüchen auch sonst der Fall ist.
5.6.3. Aus diesen Gründen erweist sich somit auch die Anknüpfung der Neuregelung an jene Urlaubsjahre, welche ab dem 1.1.1994 beginnen, sowohl unter dem Gesichtspunkt der Gravität des Eingriffs als auch unter jenem seiner sachlichen Rechtfertigung als verfassungsrechtlich unbedenklich.
5.7. Da es bei der vom Verfassungsgerichtshof (im Anschluß an den Obersten Gerichtshof) gewählten Auslegung ausgeschlossen ist, daß die Folgen des Gesetzes zu einer "Rückabwicklung von bereits urteilsmäßig oder anderweitig abgeschlossenen Verfahren bzw. Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern führen (können)", ist auch den unter dem Aspekt des Art5 StGG und Art1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK geäußerten Bedenken des antragstellenden Gerichtes der Boden entzogen, sodaß ein weiteres Eingehen darauf entbehrlich ist.
6. Der Antrag des Oberlandesgerichtes Innsbruck auf Aufhebung der Wortfolge "und gelten ab dem Urlaubsjahr, das im Jahr 1994 begonnen hat" erweist sich sohin als zur Gänze unbegründet. Er war daher abzuweisen.
7. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / Präjudizialität, Auslegung, Arbeitsrecht, Urlaub, Vertrauensschutz, Rückwirkung, Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes, Rechtspolitik, VfGH / PrüfungsmaßstabEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1998:G384.1996Dokumentnummer
JFT_10019375_96G00384_00