TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/15 A5 319228-1/2008

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Veröffentlicht am 15.10.2008
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Spruch

A5 319.228-1/2008/4E

 

Erkenntnis

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Schrefler-König als Vorsitzende und die Richterin Mag. Unterer als Beisitzerin im Beisein der Schriftführerin VB Wilhelm über die Beschwerde des O.C., geb. 00.00.1975, Staatsangehöriger von Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.04.2008, Zl. 07 08.754-BAW, in nichtöffentlicher Sitzung, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde des O.C. wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen.

 

Gemäß § 8 Abs.1 Z. 1 AsylG 2005 wird O.C. der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria nicht zuerkannt.

 

Gemäß § 10 Abs.1 Z. 2 AsylG 2005 wird O.C. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe

 

Verfahrensgang

 

I.1. Mit dem angefochtenen Bescheid hat das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von internationalem Schutz vom 21.09.2007 abgewiesen, ihm den Status des Asylberechtigten und den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria nicht zuerkannt und diese Entscheidung mit einer Ausweisung verbunden.

 

I.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde. Mit 1.7. 2008 wurde gegenständliche Beschwerdeangelegenheit dem nunmehr erkennenden Senat des Asylgerichtshofes zur Entscheidung zugewiesen.

 

I.3. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 41 Abs.7 AsylG 2005 aufgrund des aus der Aktenlage als geklärt anzusehenden Sachverhaltes Abstand genommen.

 

Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

II.1. Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zugrunde gelegt:

 

II.1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nigeria; seine Identität konnte nicht festgestellt werden.

 

II.1.2. Der Genannte reiste am 21.9.2007 illegal nach Österreich ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz.

 

II.1.3. An dem der Antragstellung folgenden Tag wurde der nunmehrige Beschwerdeführer von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gemäß § 19 AsylG einer niederschriftlichen Erstbefragung unterzogen. Zu seinen Fluchtgründen führte der Genannte aus, in Z. Tomaten für seinen Handel eingekauft und dabei ein moslemisches Mädchen namens A. kennen gelernt zu haben, welches von ihm schwanger geworden sei. Nachdem der nunmehrige Beschwerdeführer selbst kein Moslem sei, hätte die Familie des Mädchens ihn töten wollen. Deshalb habe er Nigeria verlassen.

 

II.1.4. Am 26.9.2007 führte die belangte Behörde eine niederschriftliche Einvernahme mit dem nunmehrigen Beschwerdeführer durch. Dabei gab der Betreffende zu Protokoll, von seiner Heimatstadt Benin City aus Handel betrieben zu haben und sich aus diesem Grunde auch regelmäßig nach Z. begeben zu haben. Dort habe er mit einem moslemischen Mädchen namens A. Freundschaft geschlossen und sei die Genannte von ihm schwanger geworden. Nachdem der Vater des Mädchens dahinter gekommen sei, sei der nunmehrige Beschwerdeführer von dem Mädchen gewarnt worden, dass der Vater Anhänger der Sharia sei und ihn steinigen würde, wenn er ihn ausfindig machte. Der Vater des Mädchens sei zu dem Platz gekommen, an dem der nunmehrige Beschwerdeführer seine Tomaten gelagert habe und habe diese zerstört. Ebenso hätte der Mann das Fahrzeug des Genannten ruiniert. Der Beschwerdeführer habe sich zurück nach Benin City geflüchtet, wo allerdings der Besitzer des zerstörten Fahrzeuges gelebt habe. Bei diesem Mann handle es sich um einen Killer, der ihn aufgrund der Vorkommnisse verletzt habe. Der Beschwerdeführer habe sich darauf hin nach Lagos begeben, wo er einen Freund namens B. getroffen habe, der ihm letztlich zur Flucht verholfen habe. Nachdem die Sharia in ganz Nigeria gelte, könne er überall gefunden werden.

 

II.1.5. Am 15.4.2008 fand eine weitere niederschriftliche Einvernahme des nunmehrigen Beschwerdeführers vor der belangten Behörde statt. Dabei gab der Genannte zu seinen persönlichen Lebensumständen in Nigeria an, dass seine Eltern bereits verstorben seien, er sich aber an deren genaues Todesdatum nicht erinnern könne, da er damals ein Kind gewesen sei. Er habe außerdem einen im Jahr 2000 geborenen Sohn, der aber bei seiner Mutter, die zwischenzeitlich mit einem anderen Mann verheiratet sei, lebe. Darüber hinaus gehend habe er keine Kinder. Seine Tätigkeit als Tomatenhändler habe er im Zeitraum von 2002 bis 2007 ausgeübt, sein Geschäft sei aber nicht offiziell registriert gewesen. Zu seinen Fluchtgründen gab der nunmehrige Beschwerdeführer an, in Z., wo er Tomaten eingekauft habe, ein moslemisches Mädchen kennen gelernt zu haben. Er habe nicht gewusst, dass dessen Vater Anhänger der Sharia sei. Durch Zufall habe er am Markt erfahren, dass das zwischenzeitlich schwangere Mädchen von ihrem Vater erwischt worden sei und dieser nach ihm suche. Aus diesem Grund habe der nunmehrige Beschwerdeführer nicht mehr mit seinem Fahrzeug, welches mit Tomaten beladen gewesen sei, nach Benin City zurückkehren können. Sein LKW sei in Z. zerstört worden. Der Besitzer dieses Fahrzeuges sei ein in Benin City als Killer bekannter Mann gewesen. Hätte er herausgefunden, dass der LKW zerstört worden sei, hätte er den Beschwerdeführer getötet. Dessen wäre sich der Genannte alleine deshalb sicher, da er von dem Mann bereits zuvor einmal am Bauch verletzt worden sei.

 

Der Beschwerdeführer wurde nach den näheren Lebensverhältnissen des Mädchens befragt und konnte lediglich dessen Vornamen angeben. Weiters wurde er über seine Kenntnisse zum christlichen Glauben und zur Sharia befragt.

 

II.1.6. Die belangte Behörde wies den Antrag des nunmehrigen Beschwerdeführers auf Gewährung von internationalem Schutz ab und begründete ihre Entscheidung zusammengefasst mit der fehlenden Glaubwürdigkeit der Angaben. Diese ergebe sich in erster Linie aus der völligen Unwissenheit des Beschwerdeführers über die Sharia und wäre davon auszugehen, dass er als potentiell von den Grundsätzen Betroffener sich damit näher auseinandergesetzt hätte. Dass der Beschwerdeführer weiters trotz behaupteter langjähriger Händlertätigkeit in einer von der Sprache Haussa dominierten Region nicht einmal den in dieser Sprache gebräuchlichen Begriff für Tomaten kenne, untermauere den Eindruck der Unglaubwürdigkeit. Obwohl er regelmäßig die Strecke zwischen Benin City und Z. zurückgelegt hätte, sei er nicht einmal in der Lage gewesen, den Weg und allfällig bekanntere Orte, wie insbesondere die Hauptstadt Abuja, anzugeben.

 

Die belangte Behörde traf umfassende Feststellungen zur Lage in Nigeria.

 

II.1.7. Der Beschwerdeführer bekämpfte die Entscheidung der belangten Behörde fristgerecht mittels Berufung (ab 1.7.2008: Beschwerde). Am 9. Juni 2008 langte beim UBAS eine Berufungsergänzung ein.

 

II.2. Zur Lage in Nigeria

 

Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zu Nigeria werden zum Gegenstand des Erkenntnisses des Asylgerichtshofes erhoben.

 

II.3. Rechtliche Beurteilung und Beweiswürdigung

 

II.3.1. Gemäß § 28 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 2008/4, nimmt der Asylgerichtshof mit 1.7.2008 seine Tätigkeit auf. Das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat (UBASG), BGBl. Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2005, tritt mit 1.7.2008 außer Kraft.

 

II.3.2.Gemäß § 23 AsylGHG sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof, sofern sich aus dem Bundes- Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. I/1930, dem Asylgesetz 2005, AsylG 2005, BGBl. Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985- VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991- AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs " Berufung" der Begriff " Beschwerde" tritt.

 

II.3.3.Gemäß § 9 leg.cit. entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, sofern bundesgesetzlich nicht die Entscheidung durch Einzelrichter oder verstärkte Senate (Kammersenate) vorgesehen ist.

 

II.3.4. Gemäß § 61 Abs. 1 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes. Gemäß Abs. 3 entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4, wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5 und wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG sowie über die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

II.3.5. Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005 sind am 1.7.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:

 

Mitglieder des Unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des Unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständigen Senat weiterzuführen.

 

II.3.6. Gemäß § 41 Abs.7 AsylG 2005 kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 67d AVG.

 

II.3.7. Gemäß § 18 Abs. 1 AsylG 2005 haben das Bundesasylamt und der Asylgerichtshof in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amtswegen beizuschaffen. Gemäß Abs. 2 ist im Rahmen der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens eines Asylwerbers auf die Mitwirkung im Verfahren Bedacht zu nehmen.

 

II.3.8. Gemäß § 15 AsylG 2005 hat ein Asylwerber am Verfahren nach diesem Bundesgesetz mitzuwirken; insbesondere hat er ohne unnötigen Aufschub seinen Antrag zu begründen und alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen. Weiters hat er bei Verfahrenshandlungen und Untersuchungen durch einen Sachverständigen persönlich und rechtzeitig zu erscheinen, und an diesen mitzuwirken sowie unter anderen auch dem Bundesasylamt oder dem Asylgerichtshof alle ihm zur Verfügung stehenden Dokumente und Gegenstände am Beginn des Verfahrens, oder soweit diese erst während des Verfahrens hervorkommen oder zugänglich werden, unverzüglich zu übergeben, soweit diese für das Verfahren relevant sind.

 

Im gegenständlichen Fall liegen die genannten Voraussetzungen des § 41 Abs.7 AsylG 2005 für den Entfall einer mündlichen Verhandlung vor.

 

Die belangte Behörde hat ein im beschriebenen Sinne ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und enthält der Beschwerdeschriftsatz zudem kein Vorbringen, das geeignet wäre, die in der schlüssigen Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides zum Ausdruck kommende Beurteilung der belangten Behörde zu entkräften oder in Zweifel zu ziehen. Der verfahrensrelevante Sachverhalt ist daher nach dem Dafürhalten des Asylgerichtshofes als aus der Aktenlage geklärt anzusehen.

 

Nach ständiger Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u. a. VwGH vom 23.1.2003, Zl. 2002/20/0533, VwGH vom 2.3.2006, Zl. 2003/20/0317) kann nur dann angenommen werden, dass ein Sachverhalt nicht aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung (nunmehr Beschwerde) als geklärt anzusehen ist, wenn die erstinstanzliche Beweiswürdigung in der Berufung substantiiert bekämpft wird oder der Berufungsbehörde ergänzungsbedürftig oder in einem entscheidenden Punkt nicht richtig erscheint, wenn rechtlich relevante Neuerungen vorgetragen werden oder wenn die Berufungsbehörde ihre Entscheidung auf zusätzliche Ermittlungsergebnisse stützen will.

 

Diese Voraussetzungen liegen im gegenständlichen Fall des Beschwerdeführers nicht vor.

 

Der Asylgerichtshof erachtet es des Weiteren im gegenständlichen Fall nicht für notwendig, die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes um zusätzliche (über bloße Zusatzbemerkungen oder Eventualausführungen hinausgehende) eigene Argumente zu ergänzen. Nach der Rechtssprechung des VwGH widerspräche lediglich diese Notwendigkeit der Annahme eines hinreichend geklärten Sachverhaltes mit der Folge, dass von einer mündlichen Verhandlung nicht Abstand genommen werden dürfte (vgl. VwGH vom 30.9.2004, Zl. 2001/20/0140).

 

II.3.9. Gemäß § 66 Abs.4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Auf die oben zitierte Bestimmung des § 23 AsylGHG, demzufolge die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe anzuwenden sind, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, wird hingewiesen.

 

II.3.10. Der Beschwerdeführer hat den Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz am 21.9.2007 gestellt. Daher gelangen im gegenständlichen Verfahren die Bestimmungen des AsylG 2005 vollumfänglich zur Anwendung.

 

II.3.11. Zu Spruchpunkt I

 

Gemäß § 3 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist und glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK (idF des Art. 1 Abs.2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z.B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/011). Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.2.1997, 95/01/0454; 9.4. 1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr -Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl VwGH 18.4.1996, 95/20/0239; vgl. auch VwGH 16.2.2000, 99/01/097), sondern erfordert eine Prognose.

 

Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. dazu VwGH 9.3.1999, 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99720/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.6.1994, 94/19/0183; 18.2.1999, 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 9.3.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).

 

Der Asylgerichtshof teilt die Beurteilung der belangten Behörde vollinhaltlich und kommt in Übereinstimmung mit dieser zum Ergebnis, dass im Fall des Beschwerdeführers die Voraussetzungen für eine Asylgewährung nicht erfüllt sind. Dabei steht auch für den Asylgerichtshof die fehlende Glaubwürdigkeit der Angaben des Genannten außer Zweifel.

 

Dem Beschwerdeführer wurde im Rahmen von zwei niederschriftlichen Einvernahmen ausreichend Gelegenheit gegeben, sich zu seinen Fluchtgründen umfassend zu äußern. Zudem wurden dem Beschwerdeführer seitens der belangten Behörde konkrete Fragen gestellt, zu deren Beantwortung der Betreffende allerdings nicht oder nur mangelhaft in der Lage war. Die im Berufungs(Beschwerde)schriftsatz enthaltenen Vorhalte, dass der Beschwerdeführer sehr wohl nähere Auskünfte zu dem Mädchen A. hätte geben können, allerdings nicht genauer befragt worden sei, gehen ebenso wie der Standpunkt, im Parteingehör verletzt worden zu sein, ins Leere.

 

Der Beschwerdeführer übersieht dabei nämlich offenkundig, dass der amtswegigen Ermittlungspflicht der belangten Behörde stets die Mitwirkungspflicht des Antragstellers - gleichrangig - gegenübersteht. Widersprüchliche und trotz mehrmaliger Nachfrage unvollständige Angaben können daher nicht der belangten Behörde angelastet werden.

 

Soweit der Berufungs(Beschwerde)schriftsatz umfassende Ausführungen zur Sharia in Nigeria enthält, ist festzustellen, dass der Asylgerichtshof weder die Existenz noch die damit in Verbindung stehenden Ereignisse leugnet. Für den Asylgerichtshof haben diese allgemein bekannten Feststellungen jedoch keinen Einfluss auf das gegenständliche Verfahren, zumal es dem Beschwerdeführer aus den bereits von der belangten Behörde im Detail dargestellten Gründen nicht gelungen ist, eine persönliche Betroffenheit glaubhaft zu machen. Tatsächlich waren die Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde dermaßen oberflächlich und widersprüchlich, dass nicht von persönlich Erlebtem ausgegangen werden kann.

 

So hat der Beschwerdeführer etwa vor der belangten Behörde im Zuge seiner ersten Einvernahme behauptet, von dem Mädchen selbst vor dem Vater gewarnt worden zu sein, während er bei der zweiten Einvernahme zu Protokoll gab, zufällig von den Leuten am Markt erfahren zu haben, dass der Mann hinter ihm her sei. Während er bei der ersten Einvernahme noch davon gesprochen hatte, dass der Besitzer des Fahrzeuges, mit dem der Beschwerdeführer die Tomaten transportiert habe, ihn aufgrund der Zerstörung des LKW¿s verletzt habe, behauptete er demgegenüber bei der zweiten Einvernahme, zu fürchten, aufgrund der Sachbeschädigung von dem Mann umgebracht zu werden, da er von diesem schon zuvor einmal verletzt worden sei.

 

Setzt man nun diese inhaltlichen Divergenzen in Relation zur völligen Unkenntnis des Beschwerdeführers über die mit der behaupteten Händlertätigkeit in Zusammenhang stehenden Umstände (das Bundesasylamt hat diese im angefochtenen Bescheid im Detail dargelegt) einerseits und zu den vagen Angaben über das Mädchen und die Sharia andererseits, so ergibt sich daraus der Schluss, dass die Angaben des Beschwerdeführers nicht den Tatsachen entsprechen können.

 

Der Vollständigkeit halber wird bemerkt, dass selbst die rein hypothetische Annahme des Wahrheitsgehaltes der Angaben des Beschwerdeführers zu keiner anderen Beurteilung der Frage der Asylrelevanz führen würden, zumal die Sharia auf die nördlichen Bundesstaaten Nigerias beschränkt ist und der Beschwerdeführer somit durch Niederlassung in einem davon nicht betroffenen Bundesstaat allfälligen Schwierigkeiten aus dem Weg gehen könnte. Soweit er die Verfolgung durch den Besitzer des angeblich zerstörten Fahrzeuges befürchtet, ist er darauf hinzuweisen, dass es sich dabei um Verfolgungshandlungen durch Private handelt, die nur unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen Asylrelevanz entfalten können. Eine mangelnde Schutzfähigkeit oder Schutzwilligkeit staatlicher Stellen kann nicht festgestellt werden.

 

II.3. 12. Zu Spruchpunkt II

 

Gemäß § 8 Abs.1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Der Asylgerichtshof hat somit zu klären, ob im Falle der Verbringung des Beschwerdeführers in sein Heimatland Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 (Verbot der Folter) oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtssprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen Bedrohung der relevanten Rechtsgüter, hinsichtlich derer der Staat nicht willens oder nicht in der Lage ist, Schutz zu bieten, glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, 95/18/1291; 17.7.1997, 97/18/0336).

 

Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214).

 

Im Sinne der Judikatur des EGMR und des darauf in seiner Rechtssprechung Bezug nehmenden VwGH - vgl. etwa VwGH vom 23.9.2004, Zl. 2004/21/0134 mit weiteren Nachweisen - hat die entsprechende Prüfung von Refoulementschutz dahin gehend zu erfolgen, ob im Herkunftsstaat des Antragstellers eine derart extreme Gefahrenlage herrscht, dass praktisch jedem, der in diesen Staat abgeschoben wird, Gefahr für Leib und Leben in einem Maße droht, dass die Abschiebung im Lichte des Art. 3 EMRK unzulässig erschiene.

 

Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den der Fremde abgeschoben werden soll, genügt nach der ständigen Rechtssprechung des VwGH (vgl. E vom 1.7.1999, Zl. 97/21/0804, E. vom 9.5.2003, Zl. 1998/18/0317), nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde.

 

Im Fall des Beschwerdeführers konnten keine derart exzeptionellen Umstände festgestellt werden, die der Gefahr der Verletzung des Art. 3 EMRK gleichzuhalten wären. Auf die zutreffenden Ausführungen in der Begründung des bekämpften Bescheides wird verwiesen.

 

Der Beschwerdeführer selbst hat auch von sich aus während des gesamten Verfahrens keine Angaben getätigt, die einen Hinweis auf eine solche Verletzung geben würden.

 

II.3.13. Zu Spruchpunkt III

 

Gemäß §10 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 sind Ausweisungen unzulässig, wenn dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.

 

Im konkreten Fall kommt dem Beschwerdeführer weder ein solches Aufenthaltsrecht zu noch konnte festgestellt werden, dass der Genannte im Fall seiner Ausweisung in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Privat- und Familienleben verletzt würde.

 

In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu beachten, dass der Beschwerdeführer erst seit September 2007 in Österreich aufhältig ist und während des einjährigen Aufenthaltes in Österreich keine Verfestigungs - oder Integrationstatbestände verwirklicht wurden. Solche wurden auch vom Beschwerdeführer selbst nicht behauptet.

 

Ein in Österreich bestehendes Familienleben konnte vom Asylgerichtshof weder festgestellt werden noch wurde das Bestehen eines solchen vom Beschwerdeführer selbst im Beschwerdeschriftsatz behauptet.

 

Die Ausweisungsentscheidung der belangten Behörde steht somit im Einklang mit den gesetzlichen Voraussetzungen und war daher zu bestätigen.

Schlagworte
Ausweisung, Glaubwürdigkeit, inländische Schutzalternative, innerstaatliche Fluchtalternative, mangelnde Asylrelevanz, non refoulement, private Verfolgung, staatlicher Schutz
Zuletzt aktualisiert am
30.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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