A12 226.165-13/2008/23E
Erkenntnis
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Benda als Einzelrichter über die Beschwerde des A. S., geb. 00.00.1982, StA. von Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 03.11.2004, Zahl 04 21.429-EAST Ost, zu Recht erkannt:
Der Beschwerde von A. S. vom 11.11.2004 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 03.11.2004, Zahl: 04 21.429-EAST Ost, wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Der am 00.00.1982 geborene Antragsteller, ein Staatsangehöriger von Nigeria, reiste am 27.07.2001 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte er am selben Tag einen Antrag auf Asylgewährung.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.01.2002, Zahl: 01 17.256-BAW, wurde der Asylantrag gemäß § 7 AsylG abgewiesen und zugleich festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Antragstellers nach Nigeria gemäß § 8 AsylG zulässig ist. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.
Die Beschwerde wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates - als vormals zuständiger Rechtsmittelinstanz - vom 27.05.2002, Zl. 226.165/0-V/13/02, keine Folge gegeben.
Im ersten Rechtsgang bezog sich der Antragsteller - sowohl vor der Erstbehörde als auch im Rahmen des Beschwerdeverfahrens - zentral darauf, Probleme mit den Angehörigen einer Art von Geheimbund gehabt zu haben bzw. hätte er - so seine damalige Ausführung - nach dem Tode seines Vaters dessen Position innerhalb dieser Gesellschaft einnehmen soll, was er jedoch abgelehnt habe.
Die Angaben des Antragstellers zu seinen Fluchtgründen nach Abführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung wurden bei einer Gesamtbetrachtung als nicht glaubhaft qualifiziert.
Die seitens des Antragstellers im durchgeführten Ermittlungsverfahren vorgebrachten Umstände bzw. Ereignisse, die seiner Darstellung nach ursächlich für das Verlassen seines Heimatlandes Nigeria waren, konnten zum vormaligen Entscheidungszeitpunkt nicht positiv festgestellt und der Entscheidung zugrunde gelegt werden. Zentrale Entscheidungsgrundlage bildete die Einschätzung der Berufungsbehörde, dass es sich bei den vom Antragsteller im Verfahren vorgetragenen Fakten bzw. seiner Fluchtgeschichte um ein erdachtes Konstrukt handelt.
Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 17.09.2002, Zl. 2002/01/0248-9, wurde die Behandlung der gegen den letztinstanzlichen Bescheid erhobenen Beschwerde abgelehnt.
Am 18.10.2004 beantragte A. S. neuerlich die Asylgewährung und wurde er sodann am 22.10.2004 vor der Erstbehörde niederschriftlich zu seiner (neuerlichen) Antragstellung einvernommen. Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt bezog sich der Antragsteller auf sein ursprünglich im ersten Rechtsgang vorgetragenes Fluchtvorbringen.
Hiebei gab der Antragsteller einerseits an, nach negativer Finalisierung des ersten asylrechtlichen Rechtsganges in seine Heimat zurückgekehrt zu sein und habe er dort jedoch bemerkt, dass sein Problem "noch größer" gewesen sei. Im August 2002 sei er dann per Schiff nach Deutschland gereist. Auf Frage nach seinen diesbezüglichen - offenbar noch größer gewordenen - Problemen gab der Antragsteller an, sein Vater sei Mitglied eines Geheimbundes, und sei dieser verstorben bzw. müsse er nunmehr diesen vertreten. Auf Vorhalt, dass diese seine Angabe auf seine ursprüngliche Aussage im ersten Rechtsgang rekurriere, bestätigte er, dass es sich um das selbe Problem auch nunmehr handle.
Im folgenden wurde dem Antragsteller aufgrund aufscheinender Vormerkungen im zentralen Melderegister vorgehalten, dass er bis 00.00.2004 ordnungsgemäß in 1120 Wien, aufrecht gemeldet war, weshalb behördlicherseits davon ausgegangen werde, dass er sich erst im Mai 2004 in die Bundesrepublik Deutschland begeben habe, wo er in der Folge von den Behörden aufgegriffen worden sei.
Im Rahmen der zweiten niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt vom 27.10.2004 bezog sich der Antragsteller nunmehr darauf, im August 2002 nach Nigeria gereist zu sein und dort niemanden von seiner Familie mehr vorgefunden zu haben. In der Folge habe er sich der MASSOB-Bewegung angeschlossen. Nach Konfrontation der Angehörigen dieser Bewegung mit der Polizei, wobei einige Mitglieder getötet worden seien, habe er das Land verlassen und sich per Schiff nach Deutschland begeben.
Das diesbezüglich erstattete Vorbringen des Antragstellers wurde im nunmehr bekämpften Erstbescheid wiedergegeben und werden die bezughabenden Passagen des bekämpften Bescheides zum Gegenstand dieses Erkenntnisses erklärt.
Der nunmehr vorliegende Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 03.11.2004, Zl. 04 21.429-EAST Ost, gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller fristgerecht Beschwerde erhoben.
Im Rahmen des Beschwerdeschriftsatzes verwies der Beschwerdeführer auf einen vorliegenden Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 23.12.2003, wobei er hiebei auszugsweise auf das dort erstellte Länderprofil rekurrierte.
Die Beschwerde wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 24.01.2005, Zahl: 226.165/13-V/13/04, gem. § 68 Abs. 1 abgewiesen. Der letztgenannte Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25.04.2007, Zl. 2005/20/0300-6, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Einerseits wurde im genannten Erkenntnis auf das Vorbringen des nunmehrigen Beschwerdeführers, im August 2002 von Deutschland aus mit dem Schiff nach Nigeria zurückgereist zu sein, als auch auf die bestehende durchgehende aufrechte Meldung betreffend den genannten Zeitraum verwiesen. Des Weiteren wurde ausgeführt, dass in casu eine beweiswürdigende Auseinandersetzung mit dem "neuen Vorbringen" des nunmehrigen Beschwerdeführers (ie Verfolgungsgefährdung durch Massob) hätte stattfinden müssen (VwGH-Hinweis: "vgl. zur Verpflichtung einer beweiswürdigenden Auseinandersetzung, um beurteilen zu können, ob dem Vorbringen ein "glaubhafter Kern" zuzubilligen ist oder nicht, z.B. das Erkenntnis vom 22.12.2005, Zl. 2005/20/0556). Diese Verpflichtung zu einer solchen Auseinandersetzung gelte ebenso für das weitere Vorbringen, wonach der Beschwerdeführer sich nach der Rückkehr in sein Heimatland der Massob angeschlossen habe und nun aus diesem Grund von den nigerianischen Behörden verfolgt werde. Des Weiteren wurde darauf hingewiesen, dass die seitens der Erstbehörde getroffene Einschätzung, dass der angegebene Reiseweg des Antragstellers und sein Aufenthalt in Nigeria nicht plausibel wäre - dies aufgrund der Tatsache, dass sich diese Einschätzung (ausschließlich) auf eine eingeholte Meldeauskunft stütze - nicht schlüssig sei (mwN).
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Mit 1.7.2008 ist das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) in Kraft getreten.
Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.
Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 (AsylG) in Kraft getreten.
§ 61 AsylG 2005 lautet wie folgt:
(1) Der Asylgerichtshof entscheidet in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über
Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und
Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.
(2) Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 2 sind beim Asylgerichtshof einzubringen. Im Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht geht die Entscheidung auf den Asylgerichtshof über. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesasylamtes zurückzuführen ist.
(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen
1. zurückweisende Bescheide
a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;
b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5
c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und
2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung
(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.
Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, dann, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird.
Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn 1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.
Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist.
Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.
Die Rechtskraft eines ergangenen Bescheides steht der meritorischen Entscheidung über einen neuerlichen Antrag nur dann nicht entgegen und berechtigt daher die Behörde nur dann nicht zur Zurückweisung des Antrages, wenn in dem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt eine Änderung eingetreten ist. Dabei kann nur eine solche Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung berechtigen und verpflichten, die
für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (vgl. VwGH 24.03.1993, 92/12/0149; 10.06.1998, 96/20/0266). Die objektive (sachliche) Grenze der Wirkung der Rechtskraft wird durch die "entschiedene Sache", das heißt durch die Identität der Verwaltungssache, über die mit einem formell rechtskräftigen Bescheid abgesprochen wurde, mit der im neuen Antrag intendierten, bestimmt. Die durch den Bescheid entschiedene Sache (iSd § 8 AVG) wird konstituiert durch die Relation bestimmter Fakten (die den Sachverhalt bilden) zu bestimmten Rechtsnormen (die den Tatbestand umschreiben) [vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, (1998), Anm 12 zu § 68 AVG]. Die Identität der Sache liegt dann vor, wenn einerseits weder in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage noch in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgebend erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist und sich andererseits das neue Parteibegehren im Wesentlichen
(von Nebenumständen, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, abgesehen) mit dem früheren deckt (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0266; 21.09.2000, 98/20/0564).
Ansuchen, die offenbar die Aufrollung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezwecken, sind auch dann, wenn das Begehren nicht ausdrücklich dahin lautet, wegen "res iudicata" zurückzuweisen.
Die Wesentlichkeit einer Sachverhaltsänderung als Kriterium der "res iudicata" ist nicht nach der objektiven Rechtslage, sondern nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen, rechtskräftigen Entscheidung erfahren hat (VwGH E vom 22.05.2001, Zl. 2001/05/0075).
Für die Berufungsbehörde ist Prozessgegenstand i.S.d. § 66 Abs. 4 AVG in einem solchen Verfahren nur die Frage, ob die Erstbehörde mit Recht den neuerlichen Antrag gem. § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfasst die Rechtskraft eines Bescheides nicht einen Sachverhalt, der sich nach Erlassung des Bescheides geändert hat, es sein denn es handelt sich beim neuen Vorbringen nur um unwesentliche Nebenumstände. Eine Änderung der maßgeblichen Sach- und Rechtslage verwehrt es der Behörde, einen neuerlichen Asylantrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
Das im zweiten Rechtsgang nunmehr ins Treffen geführte Vorbringen zum Themenkreis der Heimkehr des Antragstellers und der aufgetretenen Probleme im Hinblick auf die Organisation Massob ist demgemäß einer eingehenden Erhebung und Würdigung zu unterziehen.
Laut Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes ist es erforderlich, dass die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweist, dem Asylrelevanz zukommt. Insofern hat sich die Erstbehörde auch grundsätzlich mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Berufungswerbers oder mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere rechtliche Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen sein ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (Vgl. VwGH 24. Februar 2000, 99/20/0173; 21. Oktober 1999, Zl. 98/20/0467).
Die Formulierung glaubhafter Kern weist aber letztlich auf eine qualifizierte Unglaubwürdigkeit hin, welche im konkreten Fall nicht erkannt werden kann. Ein glaubhafter Kern ist dem Vorbringen des Berufungswerbers a priori nicht abzusprechen. Dieser Umstand lässt aber keinen Platz für eine Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG, wie in die Erstbehörde im bekämpften Bescheid gefällt hat.
Da sohin die Voraussetzungen für eine Zurückweisung wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG nicht vorliegen, war spruchgemäß zu entscheiden.