A11 241.241-0/2008/9E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Huber als Vorsitzenden und den Richter Mag. Benda als Beisitzer über die Beschwerde des A. K.,00.00.1971 geb., StA. von Togo, vertreten durch RA Dr. Wolfgang Fromherz, Graben 9, 4020 Linz, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.7.2003, 03 10.739-BAL, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.7.2003, Zahl 03 10.739-BAL, wird gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Togo und am 9.4.2003 in das Bundesgebiet eingereist. Am selben Tag hat er einen Asylantrag gestellt und wurde hieraufhin am 23.5.2003 vom Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen.
Sein damaliges Vorbringen wurde im Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.7.2003, Zahl 03 10.739-BAL, im Wesentlichen wiedergegeben, sodass der diesbezügliche Teil des erstinstanzlichen Bescheides auch zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides erhoben wird.
Das Bundesasylamt hat den Asylantrag mit Bescheid vom 28.7.2003, Zahl 03 10.739-BAL, abgewiesen und unter einem festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Antragstellers nach Togo zulässig sei.
Begründend führte das Bundesasylamt aus, dass das Vorbringen des Asylwerbers, dass er vom Militär gesucht werde, nicht glaubwürdig sei. Es sei für die Behörde nicht nachvollziehbar, dass der Asylwerber nicht in seinem Heimatdorf gesucht worden sei, was logisch gewesen wäre, da man dort auch seine Angehörigen über seinen Aufenthaltsort hätte befragen können. Ebenso sei nicht nachvollziehbar, dass der Asylwerber zwar bei seiner Tante, nicht aber bei seiner Schwester gesucht worden sei, zumal für Außenstehende das Naheverhältnis zur Schwester größer erschiene.
Das weitere Vorbringen des Asylwerbers zur Bedrohung seiner Person durch die Dorfbevölkerung aufgrund seiner Weigerung die Position seines verstorbenen Onkels als Voodoo-Priester zu übernehmen, wurde als asylrechtlich nicht relevante Privatverfolgung qualifiziert, vor der weiters der Staat grundsätzlich Schutz bietet.
Gegen diesen Bescheid hat der Asylwerber fristgerecht Beschwerde (vormals Berufung) erhoben.
Mit Schriftsatz vom 15.12.2003 legte der Asylwerber einen Brief seiner Tante vor, in dem im Wesentlichen festgehalten werde, dass zum einen die Polizei nach ihm frage und zum anderen auch ihr (der Tante) unbekannte Personen nach dem Asylwerber suchten. Weiters wurden unter einem zwei Vorladungen der Polizei im Original vorgelegt, wonach sich der Asylwerber im Polizeikommissariat einzufinden hätte.
Mit weiterem Schriftsatz vom 21.9.2004 legte der Asylwerber eine Bestätigung darüber vor, dass er in der Zeit vom 21.7.2000 bis 22.8.2000 bei einer Radiostation beruflich tätig gewesen sei.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Mit 1.7.2008 ist das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) in Kraft getreten.
Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.
Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 (AsylG) in Kraft getreten.
§ 61 AsylG 2005 lautet wie folgt:
(1) Der Asylgerichtshof entscheidet in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über
Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und
Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.
(2) Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 2 sind beim Asylgerichtshof einzubringen. Im Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht geht die Entscheidung auf den Asylgerichtshof über. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesasylamtes zurückzuführen ist.
(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen
1. zurückweisende Bescheide
a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;
b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5
c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und
2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung
(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.
Gem. § 75 Abs. 1, erster Satz, AsylG 2005 (Übergangsbestimmung) sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt.
Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG AsylG 1997 werden Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30.4.2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 126/2002 geführt.
Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde, so der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen.
Flüchtling im Sinne des AsylG 1997 ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Dass die Asylbehörden verpflichtet sind, den entscheidungsrelevanten Sachverhalt amtswegig und umfassend zu ermitteln, und die Ermittlungsergebnisse dem Akt anzuschließen sind, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach erkannt. Dieser Verpflichtung ist das Bundesasylamt im gegenständlichen Fall hinsichtlich des konkreten Vorbringens, dass der Asylwerber regelmäßig im örtlichen Radio von seinem Heimatort T. zu den Jugendlichen über christliche Werte und Demokratie gesprochen habe, und im Zuge dessen am 13.1.2002 von Militärs, die die Radiostation geschlossen hätten, verjagt worden sei, sowie dass er in der Folge im Zuge einer Festnahme durch Militärs so sehr misshandelt worden sei, dass er erst im Spital in Lome aufgewacht sei (er sei mit dem Gewehrkolben geschlagen worden, wobei ihm Zähne ausgeschlagen worden seien und er Verletzungen am Kopf erlitten habe), nicht in ausreichendem Ausmaß nachgekommen.
Zunächst fällt auf, dass sich im Verwaltungsakt des Bundesasylamtes auf Seiten 16 und 17 Dokumente darüber finden, dass in Togo, konkret in T. (dem behaupteten Heimatort des Asylwerbers), eine katholische Radiostation behördlicherseits geschlossen worden sei, wobei auf Seite 16 des Verwaltungsaktes sich der Hinweis findet, dass diese Schließung am 13.1. (-das Jahr bleibt unerwähnt) erfolgt sei und im Dokument auf Seite 17 des Verwaltungsaktes die Information über die Schließung des Radiosenders mit 17.1. datiert ist. Dies bedeutet zum einen, dass es im erstinstanzlichen Verfahren Hinweise dafür gegeben hat, dass es eine Radiostation in T. tatsächlich gegeben hat, die auch (möglicherweise dem Vorbringen des Asylwerbers entsprechend) geschlossen worden ist. Zum anderen sprechen diese Unterlagen im Verwaltungsakt dafür, dass sich der Vorfall am 13. Jänner ereignet hat, während der Asylwerber in seiner niederschriftlichen Einvernahme hingegen behauptete, dass seine Probleme am 13. Jänner des Jahres begonnen hätten, als die Radiostation geschlossen worden sei.
Eine diesbezügliche Auseinandersetzung mit dem Faktum, dass es im Ort T. offensichtlich eine örtliche Radiostation gibt bzw. gegeben hat, sowie eine weitere Auseinandersetzung mit dem Umstand, dass eine zeitliche Divergenz hinsichtlich der im Akt befindlichen nachvollziehbaren Fakten der Schließung dieser Radiostation und dem Vorbringen des Asylwerbers, vorliegt, ist im erstinstanzlichen Verfahren in keinster Weise erfolgt.
In gleicher Weise verhält es sich mit den vom Asylwerber ins Treffen geführten Misshandlungsspuren, die ebenfalls keinerlei Überprüfung unterzogen worden sind.
Vor dem Hintergrund dieser Aktenlage erweist sich nun die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes, die sich letztlich darin erschöpft, dass es unglaubwürdig sei, dass der Asylwerber vom Militär lediglich bei der Tante, nicht aber bei der Schwester gesucht worden sei, da doch zu einer Schwester ein größeres Naheverhältnis vorliegen würde, als bloße Mutmaßung nicht tragfähig, um von der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens des Asylwerbers auszugehen.
Das weitere Argument in der Beweiswürdigung der Erstbehörde, nämlich, dass nicht nachvollziehbar sei, dass der Asylwerber in seinem Heimatort nicht gesucht worden sei, erweist sich überhaupt als aktenwidrig. Zu Recht weist der Asylwerber in seiner Beschwerde darauf hin, dass er erstinstanzlich vorgebracht hat, dass sein Zimmer in seinem Heimatort durchsucht und angezündet worden sei, was wohl indiziert, dass er selbst auch in seinem Heimatort gesucht worden wäre.
Das Bundesasylamt hat in seiner Entscheidung zwar allgemeine Daten über Togo und jüngere Geschichte des Landes einfließen lassen, doch stehen diese allgemein gehaltenen Ermittlungsergebnisse in keinem erkennbaren Zusammenhang mit dem konkreten Vorbringen des Asylwerbers. Hingegen wurden die für eine schlüssige Beweiswürdigung notwendigen und somit für die Entscheidung des Asylantrages wesentlichen Umstände, nicht ermittelt, sodass der Sachverhalt im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG mangelhaft ist.
Bei der Abwägung der für und gegen eine Entscheidung gemäß § 66 Abs. 2 AVG sprechenden Gesichtspunkte muss auch berücksichtigt werden, dass das Asylverfahren nicht nur möglichst kurz sein soll. Zur Sicherung der Qualität hat der Gesetzgeber einen Instanzenzug eingerichtet, der zum Asylgerichtshof als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens führt. Die dem Asylgerichtshof in dieser Funktion zukommenden Rolle wird aber ausgehöhlt und die Einräumung eines Instanzenzuges zur bloßen Formsache degradiert, wenn sich das Asylverfahren einem erstinstanzlichen Verfahren vor dem Asylgerichtshof nähert, weil es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat und dem konkreten Vorbringen des Antragstellers in das Verfahren einzuführen. Diese Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens sprechen auch bei Bedachtnahme auf die mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens unter dem Gesichtspunkt, dass eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst beim Asylgerichtshof beginnen und zugleich - abgesehen von der eingeschränkten Prüfungsbefugnis durch den Verfassungsgerichtshof - bei diesem enden soll, für eine Entscheidung gem. § 66 Abs. 2 AVG.
Im fortgesetzten Verfahren wird das Bundesasylamt jedenfalls zu klären haben, ob sich die auf AS 16 und 17 befindlichen Unterlagen über die Schließung einer Radiostation auf den vom Asylwerber ins Treffen geführten Vorfall beziehen, wie diesfalls die Divergenz der Zeitpunkte (13.1.2001 bzw. 2002 nach dem Vorbringen des Antragstellers) zu bewerten ist; ob die vom Asylwerber ins Treffen geführte Radiostation überhaupt identisch ist mit jener, die in den im Verwaltungsakt aufliegenden Unterlagen aufscheint, zumal die seitens des Asylwerbers erfolgte Bezeichnung nicht deckungsgleich mit der auf AS 16 und 17 aufscheinenden Bezeichnung "J..." ist - und der Asylwerber überdies im Berufungsverfahren eine "Bestätigung" über eine berufliche Tätigkeit bei "r..." für die Zeit von 21.7. bis 22.8.2000 vorgelegt hat, was eine weitere (andere) Radiostation zu sein scheint.
Allenfalls wäre auch denkbar, dass sich hinsichtlich der behaupteten Misshandlungsspuren für die Beweiswürdigung brauchbare Ermittlungsergebnisse im Wege eines medizinischen Gutachtens gewinnen lassen.
Schließlich werden unter einem auch die im Zuge des Beschwerdeverfahrens vorgelegten Urkunden (Vorladungen, Brief und Bestätigung über berufliche Tätigkeit), welche im Zuge des Verfahrensabschlusses an das Bundesasylamt übermittelt werden werden, in die Erwägungen einzufließen haben.
Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.