E12 235 363-0/2008-12E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Isabella Zopf als Vorsitzende und den Richter Dr. Markus Steininger als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Frau Mittermayr über die Beschwerde des O. A., geb. am 00.00.1969, StA. Türkei, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.02.2003, FZ. 02 03.235-BAW, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 01.10. 2008 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß §§ 7 und 8 AsylG 1997, BGBl I 1997/76 als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe:
I. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei, stellte am 4. 2.2002 beim Bundesasylamt (BAA) einen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu wurde er zu den im Akt ersichtlichen Daten von einem Organwalter des BAA am 10.2.2003, AS 29ff, niederschriftlich einvernommen. Der Verlauf dieser Einvernahme ist im angefochtenen Bescheid vollständig wieder gegeben, weshalb an dieser Stelle hierauf verwiesen wird.
Als Begründung für das Verlassen des Herkunftsstaates brachte er im Wesentlichen vor, er sei Kurde und würde von den Türken unterdrückt, die Türken töteten das Vieh der Kurden und bewerfen die Kurden mit Steinen. Er habe sich nicht politisch betätigt, habe kein Problem mit den türkischen Behörden. Er sei von den Türken öfters angegriffen worden. Ein Mann aus dem Nachbardorf K. habe ihn vor ca. 3-4 Jahren mit Steinen beworfen, bei der Polizei habe er den Vorfall nicht gemeldet. Zum Wegziehen habe er nicht die finanziellen Mittel gehabt.
Der Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich mit Bescheid des BAA vom 18.2.2003, Zahl: 02 03. 235 -BAW, gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen . Gemäß § 8 AsylG 1997 wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Türkei für zulässig erklärt.
Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Vorbringen des BF nicht als asylrelevante Verfolgung iSd GFK. Die ins Treffen geführte Furcht vor den Bewohnern des Nachbardorfes stelle sich als Bedrohung durch Private dar. Asylrechtlich relevante Verfolgung durch Private könne aber nur dann vorliegen, wenn die privaten Übergriffe mit Wissen oder gar Billigung durch Behörden geschähe oder diese sich weigern, wirksamen Schutz zu gewähren. Die behaupteten Übergriffe stellten einen Eingriff in die persönliche Integrität dar. Aufgrund der Intensität der Übergriffe stelllten diese keinen ernsthaften Nachteil iSd GFK dar. Gesamt gesehen wurde eine Verfolgung im Herkunftsstaat nicht als glaubwürdig erachtet.
Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 23.2.2003 innerhalb offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben. Hinsichtlich des Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.
Im Wesentlichen wurde nach Darlegung allgemeiner rechtlicher und sonstiger Ausführungen vorgebracht, dass der BF und seine Familie den verschiedensten Unterdrückungsmaßnahmen seitens der türkischen Behörden in Form von Hausdurchsuchungen, Personenkontrollen, Schikanen und Hänseleien ausgesetzt seien, wobei es dabei um rein verbale Übergriffe und Unterstellungen gegangen sei. Außerdem hätten die Türken das Vieh der Kurden getötet.
Am 1.10.2008 wurde vom Asylgerichtshof eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, an welcher der BF teilnahm. Das Bundesasylamt hat nicht an der Verhandlung teilgenommen. Der BF wiederholte im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen. Weiters gab er an, dass er dem Schlepper 2.300,- Euro bezahlt habe. Seine Familie lebe noch immer im gleichen Dorf, ihr Einkommen beziehe sie aus der familieneigenen Landwirtschaft. Er selbst gehe in Österreich keiner Arbeit nach.
Im Verlauf der mündlichen Verhandlung wurde Beweis erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt, ergänzende Einvernahme des BF als Partei und Erörterung des Berichtes des deutschen auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei vom 25.10.2007 ( Stand: September 2007) und des Fortschrittsberichtes 2007, 6.11.2007, Türkei der EU-Kommission. Hinsichtlich des detaillierten Verfahrensherganges und Parteienvorbringens wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Der AsylGH hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben. Der festgestellte Sachverhalt steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) fest.
Artikel 151 Abs. 39 Z. 1 und 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) lauten:
(39) Art. 10 Abs. 1 Z 1, 3, 6 und 14, Art. 78d Abs. 2, Art. 102 Abs. 2, Art. 129, Abschnitt B des (neuen) siebenten Hauptstückes, Art. 132a, Art. 135 Abs. 2 und 3, Art. 138 Abs. 1, Art. 140 Abs. 1 erster Satz und Art. 144a in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. I Nr. 2/2008 treten mit 1. Juli 2008 in Kraft. Für den Übergang zur neuen Rechtslage gilt:
Z 1: Mit 1. Juli 2008 wird der bisherige unabhängige Bundesasylsenat zum Asylgerichtshof.
Z 4: Am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren sind vom Asylgerichtshof weiterzuführen.
Gemäß § 61 (1) AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über
1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und
2. [.....]
(2) [.....]
(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen
1. zurückweisende Bescheide
[......]
2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.
(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.
Gem. § 23 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I, Nr. 4/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idgF sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr.51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, weshalb im gegenständlichen Fall im hier ersichtlichen Umfang das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr.51 zur Anwendung gelangt.
Gemäß § 66 Abs 4 AVG idgF hat der Asylgerichtshof [Berufungsbehörde], sofern die Beschwerde [Berufung] nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Er [sie] ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) seine [ihre] Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
Gem. § 73 (1) Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) tritt dieses Gesetz mit der Maßgabe des § 75 (1) leg. cit in Kraft, wonach alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen sind.
Gegenständliches Verfahren war am 31.12.2005 anhängig, weshalb es nach den Bestimmungen des AsylG 1997 zu Ende zu führen war.
Das erkennende Gericht ist berechtigt, näher bezeichnete Teile des angefochtenen Bescheides zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses zu erheben, ohne sie wiederholen zu müssen (vgl. z.B. das Erk. d. VwGH vom 4. 10. 1995, 95/01/0045; VwGH 24. 11. 1999, 99/01/0280; auch VwGH 8. 3. 1999, 98/01/0278), weshalb im gegenständlichen Fall im bereits genannten Umfang auf den erstinstanzlichen Bescheid verwiesen wird.
Ebenso ist das erkennende Gericht berechtigt, auf die außer Zweifel stehende Aktenlage (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) zu verweisen, weshalb auch hierauf im gegenständlichen Umfang verwiesen wird.
Das Bundesasylamt hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung in der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Die Erstbehörde hat sich sowohl mit dem individuellen Vorbringen auseinander gesetzt, als auch ausführliche Sachverhaltsfeststellungen zur allgemeinen Situation in der Türkei auf Grundlage im Jahr 2003 ausreichend aktuellen und unbedenklichen Berichtsmaterials getroffen und in zutreffenden Zusammenhang mit der Situation des BF gebracht. Auch die rechtliche Beurteilung begegnet keinen Bedenken. Obwohl sich - auf die konkrete Situation des BF bezogen- der Inhalt der zugrundeliegenden Quellen nicht wesentlich geändert haben, wurden im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht die - oben zitierten Quellen- eingehend erörtert und dieser Entscheidung zugrundegelegt.
Das Bundesasylamt hat den Sachverhalt ausreichend dargestellt und in zutreffender Weise gewürdigt. Dem BF ist es nicht gelungen, der Beweiswürdigung des Bundesasylamtes dermaßen konkret und substantiiert entgegen zu treten, dass zweifel ander Beweiswürdigung aufgekommen wären. Vom BF wurde es auch unterlassen, durch klare, konkrete und substantiierte Ausführungen darzulegen, warum er vom Vorliegen einer mangelhaften Ermittlungstätigkeit durch das Bundesasylamt ausgeht. Da somit weder aus dem amtswegigen Ermittlungsergebnis im Beschwerdeverfahren noch aus den Ausführungen des BF ein substantiierter Hinweis auf einen derartigen Mangel vorliegt, kann ein solcher nicht festgestellt werden.
Zum Vorbringen des BF im Rahmen der mündlichen Verhandlung ist festzustellen, dass sich dieses - bis auf kleinere, für das Verfahren irrelevante Widersprüche- mit seinem bisherigen Vorbringen deckt. Demnach hat es einen einzigen Eingriff in die körperliche Integrität des BF gegeben. Dies war ein Steinwurf durch einen Bewohner des Nachbardorfes, ca. 3 bis 4 Jahre vor der Ausreise. Der BF wurde dadurch nicht verletzt und hat auch keine Anzeige bei der Polizei erstattet. Asylrelevanz wurde diesem Vorfall vom Bundesasylamt zurecht nicht zuerkannt. Soweit in der Beschwerde - völlig unsubstantiiert und allgemein -Rechtswidrigkeit wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften behauptet wird, ist dem entgegenzuhalten, dass der BF im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht ergänzend befragt wurde und sich dabei keine maßgeblichen Änderungen seines Vorbringens ergaben. Trotz wiederholten Nachfragens war der BF nicht fähig oder willens, sein Vorbringen näher zu konkretisieren. Er beschränkte sich vielmehr darauf, von einer generellen Benachteiligung bzw. Diskriminierung der Kurden in der Türkei zu sprechen. Soweit in der Beschwerdeschrift Unterdrückungsmaßnahmen der türkischen Behörden gegenüber dem BF und seiner Familie angeführt werden, ist dem die Aussage des BF vor dem Bundesasylamt am 10.2.2003 entgegenzuhalten, wo er über Nachfrage angab, nie Probleme mit den türkischen Behörden gehabt zu haben. Außerdem hatte er im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung nochmals Gelegenheit, seine Fluchtgründe detailliert zu schildern. Eine behördliche Verfolgung kam dabei aber ebenfalls nicht hervor. Im übrigen geht es im gesamten Vorbringen des BF- so wie aus den Angaben des BF im Rahmen seiner Einvernahmennur um eine allgemein behauptete Diskriminierung und Benachteiligung der Kurden ohne Asylrelevanz. Auch die Tatsache, dass der BF erst 3-4 Jahre nach dem Steinwurf geflüchtet ist, spricht gegen eine Asylrelevanz. Hätte der BF tatsächlich Angst vor Verfolgung gehabt, hätte er-wenn er schon zu diesem Zeitpunkt das Geld für die Flucht ins Ausland nicht hatte- eine innerstaatliche Fluchtalternative ins Auge fassen können.
Soweit in der Beschwerde die mangelnde Schutzfähigkeit und -willigkeit des türkischen Staates bei Übergriffen Privater ins Treffen geführt wird, steht dies wiederum in Widerspruch zu den persönlichen Angaben des BF vom 10.2.2003 und vom 1. 10. 2008, wonach er nach dem Steinwurf auf seine Person die Polizei gar nicht eingeschaltet hat bzw. auch nicht verletzt war. Es bestand auch kein Anlass bzw. konnte aus dem Vorbringen des BF kein Hinweis abgeleitet werden, an der inhaltlichen Richtigkeit der dieser Entscheidung zugrundegelegten aktuellen Quellen zu zweifeln. Aus dem gesamten Vorbringen ist auch nicht ableitbar, welche Bescheinigungsmittel der AsylGH hätte beischaffen sollen. Aufgrund der Tatsache, dass - wie oben angeführt- etliche persönliche Aussagen des BF in Widerspruch zur sehr allgemein und floskelhaft formulierten Beschwerde stehen, ist beim erkennenden Gericht der Eindruck entstanden, dass die Beschwerde offensichtlich nur zur Verfahrensverzögerung dienen sollte und deren Inhalt gar nicht mit dem BF abgesprochen war.
Aufgrund der Feststellungen des Bundesasylamtes in Verbindung mit der bereits genannten Beweisaufnahme zur Situation in der Türkei durch den Asylgerichtshof ist auch von auf ausreichend aktuelle Quellen (vgl. Erk. d. VwGHs. vom 9. März 1999, Zl. 98/01/0287 und sinngemäß im Zusammenhang mit Entscheidungen nach § 4 AsylG 1997 das E. vom 11. November 1998, 98/01/0284, bzw. auch das E. vom 7. Juni 2000, Zl. 99/01/0210) basierenden Feststellungen auszugehen, welche den weiteren Ausführungen zu Grunde gelegt werden.
Dem Bundesasylamt ist im Rahmen einer Gesamtschau jedenfalls beizupflichten, dass kein Sachverhalt hervorkam, welcher bei Berücksichtigung sämtllicher bekannter Tatsachen den Schluss zuließe, dass der BF im Fall seiner Rückkehr in die Türkei dort einer Gefahr im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK bzw. § 8 AsylG ausgesetzt wäre.
Aus dem Vorbringen des BF kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatschen kein Hinweis abgeleitet werden, dass dieser vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) in dessen Herkunftsstaat mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr ausgesetzt wäre.
Ebenfalls bestehen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise, dass durch eine Ausweisung in den Herkunftsstaat auf unzulässige Weise in das Privat- und Familienleben des BF gem. Art. 8 EMRK eingegriffen werden würde, zumal der BF in Österreich über keinerlei familiäre oder private Bindungen verfügt. Seine gesamte Familie (Ehefrau, Kinder, Mutter, Cousins) lebt nach wie vor in der Türkei.
Im gegenständlichen Fall konnte der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde und der Aussage des BF im Rahmen der mündlichen Verhandlung als geklärt angesehen werden, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.