S10 401895-1/2008/4E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. ROSENAUER als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn M.M., geb. 00.00.1978, StA. Türkei, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Klaus Kocher und Mag. Wilfried Bucher, Sackstraße 36, 8010 Graz, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.09.2008, Zahl: 08 03.621 - EAST Ost, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß §§ 5, 10 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
1. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Der Verfahrensgang vor der erstinstanzlichen Behörde ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt und stellt sich im Wesentlichen wie folgt dar:
1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF) ist nach seinen eigenen diesbezüglichen glaubwürdigen Angaben Staatsangehöriger der Türkei und gehört der Volksgruppe der Kurden an. Er hat am 23.04.2008 beim Bundesasylamt einen Antrag auf internationalen Schutz eingebracht. Im Zuge der niederschriftlichen Befragung vor einem Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Grenzpolizeiinspektion Neuhaus am Klausenbach am 24.04.2008 gab er im Wesentlichen Folgendes an:
Er sei ca. 2 Tage lang im Laderaum eines LKW versteckt illegal ohne Reisedokument aus seinem Herkunftsstaat ausgereist und vermutlich von Istanbul über Bulgarien, Rumänien, Ungarn nach Österreich gereist. Er hätte kein Visum eines anderen Landes erhalten.
Als Fluchtgrund gab er Kurdenprobleme in seinem Heimatland an sowie dass er in der Türkei politisch verfolgt werde.
1.2. Ein AFIS-Abgleich ergab zunächst, dass der BF bisher noch nicht erkennungsdienstlich behandelt worden war. Aufgrund der vom BF angegebenen Reiseroute wurde dem BF jedoch mit Schriftstück vom 29.04.2008, vom BF übernommen am 30.04.2008, mitgeteilt, dass Konsultationen in Form einer Anfrage gemäß Art. 21 Abs. 2 der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates (in der Folge Dublin II VO) mit Bulgarien, Rumänien, Ungarn, Tschechien und der Slowakei geführt würden und somit die 20-Tages-Frist gemäß § 28 Abs. 2 AsylG für Verfahrenszulassungen nicht mehr gelte. Am 06.05.2008 teilte Rumänien mit, dass der BF in Besitz eines gültigen Visums für die Zeit von 19.04.2008 bis 04.05.2008 war.
1.3. Laut Schriftstück vom 02.06.2008 war beabsichtigt, den Antrag des BF auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da seit 29.05.2008 "Dublin Konsultationen" mit Rumänien geführt würden. Durch diese Mitteilung gelte die Zwanzigtagesfrist des Zulassungsverfahrens nicht.
1.4. Mit Erklärung vom 03.06.2008 stimmte Rumänien ausdrücklich dem Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 9 Abs. 2 der Dublin II VO zu.
1.5. Am 25.06.2008 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme, in der der BF im Wesentlichen Folgendes vorbrachte:
Er wiederholte seine bei der Erstbefragung gemachten Angaben und ergänzte, er lebe in Österreich bei seinem Bruder M.K.. Weiters lebten in Österreich ein Onkel mit seinen zwei Söhnen und ein weiterer Cousin. Auf Nachfrage gab er an, eine Rechtsberatung in Anspruch genommen zu haben und anwältlich vertreten zu sein.
Auf Vorhalt, dass der BF am 11.06.2008 das oben genannte Schreiben vom 02.06.2008 erhalten habe und über die Zustimmung Rumäniens zum Wiederaufnahmeersuchen informiert worden (sei), gab der BF an, er sei noch nie in Rumänien gewesen, er hätte dort niemanden. Auf Vorhalt, dass er laut Auskunft Rumäniens in Rumänien mit einem Reisedokument eingereist sei und ein Visum erhalten habe, bestritt er, in Rumänien gewesen zu sein. Es könne sein, dass der Schlepper seinen Reisepass für eine andere Person verwendet habe, er sei auf der Ladefläche eines LKW versteckt gewesen.
Sein Bruder sei seit 2002 in Österreich. Der BF hätte telefonischen Kontakt mit seinem Bruder gehabt und außerdem sei dieser 2006 und 2007 in die Türkei gekommen, um dort seinen Urlaub zu verbringen. Der Bruder hätte sogar die Ausreise finanziert, er bezahle sein Essen und gebe ihm Taschengeld. Ihr Vater sei frühzeitig verstorben, die Mutter lebe noch in der Türkei. In der Verhandlung stellte der BF vorsorglich den Antrag auf Familienzusammenführung mit seinem in Österreich lebenden Bruder.
1.6. Das Bundesasylamt hat mit dem verfahrensgegenständlichen angefochtenen Bescheid vom 11.09.2008, Zahl: 08 03.621 - EAST Ost, den Antrag auf internationalen Schutz, ohne in die Sache einzutreten, gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass für die Prüfung des gegenständlichen Antrags auf internationalen Schutz gemäß Art. 9 Abs. 2 der Dublin II VO Rumänien zuständig sei. Gleichzeitig wurde der BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Rumänien ausgewiesen und gemäß § 10 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass die Abschiebung nach Rumänien zulässig sei.
Die Erstbehörde traf in diesem Bescheid Feststellungen zur Person des BF, zur Begründung des Dublin-Tatbestandes, zum Privat- und Familienleben des BF und zur Lage im Mitgliedsstaat Rumänien, insbesondere zum rumänischen Asylverfahren im Allgemeinen, zum Refoulement-Schutz und zur Versorgung.
Festgestellt wurde weiters, dass keine Umstände, die gegen eine Ausweisung und Überstellung des Beschwerdeführers nach Rumänien sprechen, ermittelt werden konnten. Nach Ansicht der Erstbehörde war unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen aus dem Blickwinkel der Art. 3 und Art. 8 EMRK von der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO kein Gebrauch zu machen.
1.7. Gegen diesen Bescheid hat der BF durch seinen Rechtsvertreter fristgerecht mit Schriftsatz vom 02.10.2008 Beschwerde erhoben und beantragt, den bekämpften Bescheid aufzuheben sowie der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
In der ausführlichen Begründung dazu machte der BF im Wesentlichen drei Beschwerdepunkte geltend, und zwar rechtswidriges Verfahren infolge Verletzung der einzuhaltenden Fristen gemäß §§ 28 und 29 AsylG 2005 in Verbindung mit Art. 21 der Dublin II VO, unrichtige Anwendung der Zuständigkeitsbestimmungen des Art. 9 Dublin II VO, da der BF zwar über ein Visum für Rumänien verfügt, dieses jedoch nicht benützt hätte sowie Verletzung des Art. 8 EMRK, da durch eine Ausweisung das Zusammenleben des BF mit seinem Bruder verhindert werde und daher eine Verletzung des Privat- und Familienlebens darstellen würde.
1.8. Die gegenständliche Beschwerde samt erstinstanzlichem Verwaltungsakt langte am 10.10.2008 beim Asylgerichtshof ein.
1.9. Mit Schreiben vom 15.10.2008, beim Asylgerichtshof eingelangt am 16.10.2008, legte der BF eine Bestätigung vor, wonach sich sein Bruder K. verpflichte, ihm - wie schon bisher - Unterkunf t und Unterhalt zu gewähren und dazu auch in der Lage zu sein. Der Bruder verwies auf beiliegende Lohnzettel (lagen nicht bei), wonach er ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von durchschnittlich 1.300 bis
1.400 ¿ ins Verdienen bringe.
2. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt.
Rechtlich ergibt sich Folgendes:
2.1. Mit Datum 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG idF BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 4/2008) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.
Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 AsylG erledigter Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin II VO zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Asylbehörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist die Zurückweisung eines Antrages nach Maßgabe des § 10 Abs. 3 und Abs. 4 AsylG mit einer Ausweisung zu verbinden.
Die Dublin II VO ist eine Verordnung des Gemeinschaftsrechts im Anwendungsbereich der 1. Säule der Europäischen Union (vgl. Art. 63 EGV), die Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen von Drittstaatsangehörigen trifft. Sie gilt also nicht für mögliche Asylanträge von EU-Bürgern, ebensowenig ist sie auf Personen anwendbar, denen bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Das Grundprinzip ist, dass Drittstaatsangehörigen das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren in einem Mitgliedstaat zukommt, jedoch nur in einem Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Zuständigkeitskriterien ergibt.
Art. 9 Abs. 2 Dublin II VO normiert, dass dann, wenn der Asylbewerber ein gültiges Visum besitzt, der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Gemäß Abs. 4 ist Abs. 2 unter anderem anwendbar, wenn der Asylbewerber ein Visum besitzt, das seit weniger als 6 Monaten abgelaufen ist, aufgrund dessen er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates einreisen konnte, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaat nicht verlassen hat.
Insoweit der BF durch seinen Rechtsvertreter moniert, dass es sich bei den von der Erstbehörde gestellten Anfragen ("info-request"-Verfahren) um keine Maßnahmen handle, die einem Konsultationsverfahren gleichzuhalten sind, ist für seine Sache nichts zu gewinnen:
In dem vom BF zitierten UBAS-Bescheid GZ 312.147 -1/5E-XIII/66/07 vom 30.05.2007 wird zwar ausgesprochen, dass es für die Nichtgeltung der 20-Tage-Frist unter anderem darauf ankommt, dass tatsächlich Konsultationen geführt werden. Der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt unterscheidet sich jedoch wesentlich von jenem des gegenständlichen Verfahrens. Im zitierten Verfahren wurde nämlich zunächst keinerlei Ansuchen an einen Mitgliedsstaat gestellt, sondern lediglich eine Eurodac-Anfrage durchgeführt, auf welche sich die Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG bezog. Es lag daher nicht einmal ein Informationsübermittlungs-Ersuchen im Sinne des Art. 21 Abs. 1 Dublin II VO vor.
Der VwGH hat in seinem Erkenntnis vom 25.04.2008, Zahl 2007/20/0720 ausgesprochen, dass Informationsübermittlungs-Ersuchen unter den Begriff der Konsultationen fallen. Aus der systematischen Einordnung des § 28 Abs. 2 in das Asylgesetz 2005 (Zulassungsverfahren § 28) ergibt sich, dass jedenfalls nur solche "Konsultationen" gemeint sind, die zur Bestimmung des für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats führen sollen. Die 20-Tage-Frist soll nicht zum Tragen kommen, wenn das Bundesasylamt dazu der Kooperation eines anderen Mitgliedstaats bedarf. Diese Abhängigkeit des Bundesasylamts klingt auch in den Erläuterungen zu § 28 Abs. 2 AsylG (952 BlgNR XXII. GP 50) an, wo es im Zusammenhang mit dem Wegfall der Befristung heißt: "Einer gesonderten nationalen Regelung von Fristen im Zulassungsverfahren bei Führung von Konsultationsverfahren bedarf es nicht, zumal hier einerseits die Behörde auch von der Mitwirkung einer konsultierten Partnerbehörde eines EU-Mitgliedstaates abhängig ist, andererseits die Dublin-Verordnung ein entsprechendes fristsetzendes Regelungswerk beinhaltet." In diesem Sinne auch Filzwieser/Liebminger, Kommentar zur Dublin II-Verordnung, K2. 1. Satz zu Art. 9 Dublin II VO, Seite 87: "Die effiziente Anwendung dieses Kriteriums hängt in Bezug auf Visa von der Information über die Ausstellung eines solchen Visums ab, die, wenn der Drittstaatsangehörige etwa seinen Reisepass nicht vorweist, letztlich nur durch individuelle Anfragen an einzelne Mitgliedstaaten im Wege von Informationsersuchen nach Art. 21 (Dublin II VO) erhalten werden kann."
Im vorliegenden Fall gilt daher durch die erfolgte Mitteilung gemäß Art. 28 Abs. 2 AsylG über die Aufnahme von Konsultationen im Sinne des Art. 21 Dublin II VO die 20-Tage-Frist nicht mehr. Die im Mitteilungsschreiben der Erstbehörde vom 02.06.2008 enthaltene Textpassage "..., da Dublin Konsultationen mit Rumänien seit 29.05.2008 geführt werden." ist daher nicht nachvollziehbar, aber auch überflüssig und gereicht dem BF nicht zum Nachteil.
2.1.1. Es ist daher zunächst zu überprüfen, welcher Mitgliedstaat nach den hierarchisch aufgebauten (Art. 5 Abs. 1 Dublin II VO) Kriterien der Art. 6-12 bzw. 14 und 15 Dublin II VO, beziehungsweise dem Auffangtatbestand des Art. 13 Dublin II VO zur inhaltlichen Prüfung zuständig ist.
2.1.1.1. Das aufgrund des Vorliegens der Tatbestandsmerkmale des Art. 9 Abs. 2 der Dublin II VO eingeleitete Aufnahmeersuchen an Rumänien erfolgte innerhalb der Frist von drei Monaten nach Einreichung des Asylantrages durch den BF (Art. 17 Abs. 1 Dublin II VO).
Im vorliegenden Fall hat das Bundesasylamt zutreffend festgestellt, dass eine Zuständigkeit Rumäniens gemäß Art. 9 Abs. 2 Dublin II VO besteht. Rumänien hat mit Schreiben vom 03.06.2008 ausdrücklich der Wiederaufnahme des BF zugestimmt. Die erste Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der getroffenen Unzuständigkeitsentscheidung ist somit gegeben.
Insoweit der BF durch seinen Rechtsvertreter geltend macht, das Bundesasylamt habe seiner Beurteilung der Zuständigkeit Rumäniens fälschlicherweise Art. 9 Abs. 2 an Stelle von Abs. 4 Dublin II VO zugrunde gelegt, ergibt sich, dass das von Rumänien für den BF ausgestellte Visum im Zeitpunkt der Antragstellung noch gültig war. Gemäß Art. 5 Abs. 2 Dublin II VO ist auf den Zeitpunkt der ersten Antragstellung abzustellen. Läuft die Gültigkeit nach diesem Zeitpunkt, also beispielsweise während des Verfahrens zur Feststellung der Zuständigkeit ab, so ändert dies nichts an der Anwendbarkeit des Art. 9 Abs. 2 Dublin II VO (Filzwieser/Liebminger, Kommentar zur Dublin II-Verordnung, Art. 9 K5, 17; S. 88, 90).
Auch wenn man vom Vorliegen eines abgelaufenen Visums ausgeht, ist zu sagen, dass es sich hier um eine rechtliche conditio sine qua non in dem Sinne handelt, dass das Visum schon vor bzw. bei der Einreise vorgelegen sein muss. Damit wird festgestellt, dass nach der Einreise erteilte Visa für die Zuständigkeitsbegründung nicht relevant sind (Filzwieser/Liebminger, Kommentar zur Dublin II-Verordnung, Art. 9 K23, S. 91). Dass das Visum auch eine faktische Bedingung bei der Einreise war, das heißt tatsächlich verwendet wurde, ist nicht erforderlich (und wäre auch oft schwerlich nachweisbar).
Der Sachverhalt wurde von der Erstbehörde genau festgestellt. Die Unterstellung desselben unter den Art. 9 Abs. 2 Dublin II VO ist ohne komplizierte Überlegungen möglich und ist durch die im Bescheid der Erstbehörde vorgenommene Bezugnahme eindeutig und ohne Schwierigkeiten nachvollziehbar. Es liegt daher auch diesbezüglich kein Verfahrensmangel vor.
2.1.2. Das Bundesasylamt hat ferner von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher noch zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (in der Folge EMRK) zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.
Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 17.06.2005, Zahl B 336/05-11, festgehalten, die Mitgliedstaaten hätten kraft Gemeinschaftsrecht nicht nachzuprüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat generell sicher sei, da eine entsprechende normative Vergewisserung durch die Verabschiedung der Dublin II VO erfolgt sei, dabei aber gleichzeitig ebenso ausgeführt, dass eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung im Einzelfall gemeinschaftsrechtlich zulässig und bejahendenfalls das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO zwingend geboten sei.
Die Judikatur des VwGH zu den Determinanten dieser Nachprüfung lehnt sich an die Rechtsprechung des EGMR an und lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl. auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059): "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949).
Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl. VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung, ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde (Art. 16 Abs 1 lit. e Dublin II VO). Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0025, VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673), ebenso andere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs (zur Bedeutung solcher Sachverhalte Filzwieser/Liebminger, Kommentar zur Dublin II-Verordung, K13. zu Art. 19 Dublin II VO).
Weiterhin hatte der Asylgerichtshof folgende Umstände zu berücksichtigen:
Bei entsprechender Häufung von Fällen, in denen in Folge Ausübung des Selbsteintrittsrechts die gemeinschaftsrechtliche Zuständigkeit nicht effektuiert werden kann, kann eine Gefährdung des "effet utile" Grundsatzes des Gemeinschaftsrechts entstehen.
Zur effektiven Umsetzung des Gemeinschaftsrechts sind alle staatlichen Organe kraft Gemeinschaftsrechts verpflichtet.
Der Verordnungsgeber der Dublin II VO, offenbar im Glauben, dass sich alle Mitgliedstaaten untereinander als "sicher" ansehen können, wodurch auch eine Überstellung vom einen in den anderen Mitgliedstaat keine realen Risken von Menschenrechtsverletzungen bewirken könnte (vgl. insbesondere den 2. Erwägungsgrund der Präambel der Dublin II VO), hat keine eindeutigen verfahrens- oder materiellrechtlichen Vorgaben für solche Fälle getroffen, diesbezüglich lässt sich aber aus dem Gebot der menschenrechtskonformen Auslegung des Gemeinschaftsrechts und aus Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundrechte ableiten, dass bei ausnahmsweiser Verletzung der EMRK bei Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat eine Überstellung nicht stattfinden darf. Die Beachtung des Effizienzgebots (das etwa eine pauschale Anwendung des Selbsteintrittsrechts oder eine innerstaatliche Verfahrensgestaltung, die Verfahren nach der Dublin II VO umfangreicher gestaltet als materielle Verfahren, verbietet) und die Einhaltung der Gebote der EMRK stehen daher bei richtiger Anwendung nicht in Widerspruch (Filzwieser, migraLex, 1/2007, 18ff, Filzwieser/Liebminger, Dublin II VO, K8-K13. zu Art. 19).
Die allfällige Rechtswidrigkeit von Gemeinschaftsrecht kann nur von den zuständigen gemeinschaftsrechtlichen Organen, nicht aber von Organen der Mitgliedstaaten rechtsgültig festgestellt werden. Der EGMR hat jüngst festgestellt, dass der Rechtsschutz des Gemeinschaftsrechts regelmäßig den Anforderungen der EMRK entspricht (30.06.2005, Bosphorus Airlines v Irland, Rs 45036/98).
Es bedarf sohin europarechtlich eines im besonderen Maße substantiierten Vorbringens und des Vorliegens besonderer vom Antragsteller bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, um die grundsätzliche europarechtlich gebotene Annahme der "Sicherheit" der Partnerstaaten der Europäischen Union als einer Gemeinschaft des Rechts im individuellen Fall erschüttern zu können. Diesem Grundsatz entspricht auch die durch das AsylG 2005 eingeführte gesetzliche Klarstellung des § 5 Abs. 3 AsylG, die Elemente einer Beweislastumkehr enthält. Es trifft zwar ohne Zweifel zu, dass Asylwerber in ihrer besonderen Situation häufig keine Möglichkeit haben, Beweismittel vorzulegen (wobei dem durch das Institut des Rechtsberaters begegnet werden kann), und dies mitzubeachten ist (VwGH, 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949), dies kann aber nicht pauschal dazu führen, die vom Gesetzgeber - im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht - vorgenommene Wertung des § 5 Abs. 3 AsylG überhaupt für unbeachtlich zu erklären (dementsprechend in ihrer Undifferenziertheit verfehlt Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, 225ff). Eine Rechtsprechung, die in Bezug auf Mitgliedstaaten der EU faktisch höhere Anforderungen entwickelte als jene des EGMR in Bezug auf Drittstaaten, wäre jedenfalls gemeinschaftsrechtswidrig.
2.1.2.1. Mögliche Verletzung des Art. 8 EMRK
Der BF hat in Österreich einen Bruder, der ihm seinen Angaben nach bei der (illegalen) Einreise in Österreich geholfen hat, bei dem er nun wohnt und von dem er Unterstützungen erhält. Der Bruder sei schon seit 2002 in Österreich und sei im Jahr 2006 und 2007 in die Türkei gekommen, um dort seinen Urlaub zu verbringen. Ihr Vater sei schon verstorben, die Mutter lebe nach wie vor in der Türkei. Bezüglich der weiteren angegebenen in Österreich lebenden Verwandten werden engere Beziehungen nicht behauptet.
Es war daher zu prüfen, ob die Zurückweisung des Antrages und Ausweisung des BF eine Verletzung des Art. 8 EMRK darstellen würde. Nach der Judikatur des VfGH und des EMRK ist dabei eine Interessensabwägung vorzunehmen. Der Aufenthalt von Familienangehörigen in Österreich ist dabei zu beachten, allerdings auch die Intensität des Verwandschaftsgrades sowie die Intensität des Familienlebens.
Es kann jedoch nicht dazu führen, dass durch Asylantragstellungen im Zusammenhang mit in Österreich befindlichen Familienmitgliedern unter Berufung auf Art. 8 Abs. 2 EMRK die fremdenrechtlichen und aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen völlig ad absurdum geführt werden. Würde man diese Möglichkeit bejahen, würden all jene Fremden, die die vorgegebenen Einwanderungsschritte ordnungsgemäß befolgen, benachteiligt werden. Insofern ist daher auch die Anwesenheit von rechtmäßig niedergelassenen Familienangehörigen in Österreich sehr differenziert zu betrachten, weil der Fremde wusste oder hätte wissen müssen, dass er bei einer negativen Asylverfahren mit einer Ausweisung zu rechnen hatte (Kommentar zum Asylgesetz 2005, 3. überarbeitete Auflage, Frank/Anerinhof/Filzwieser, § 10, K 51, S. 288).
Der BF hat mit seinem Bruder seit vielen Jahren nicht in einem gemeinsamen Haushalt gelebt. Ein Bruder ist nach der Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 Z 22 nicht "Familienangehöriger" im Sinne des AsylG, im Zuge einer Interessensabwägung war das Zusammenleben aber sehr wohl zu bewerten. Es bedarf dabei einer Gesamtabwägung aller persönlichen Umstände des von der Abschiebung bedrohten Ausländers, damit die Maßnahme als verhältnismäßig im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK beurteilt werden kann (EGMR 13.07.1995, Nasri versus Frankreich).
Im Fall des BF ergibt die Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK unter Beachtung der genannten Gründe keine Annahme einer Verletzung der genannten Bestimmung und somit einer Unzulässigkeit der Ausweisung. Neben den schwach ausgeprägten familiären Anknüpfungspunkten des BF in Österreich sind zum Entscheidungszeitpunkt auch keine Hinweise auf eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration in Österreich, etwa aufgrund sehr langer Verfahrensdauer, zu erkennen (vgl. VfGH 26.02.2007, Zl. 1802, 1803/06-11), dies auch angesichts der bisher relativ kurzen Aufenthaltsdauer. Daran vermag auch die vorgelegte "Verpflichtungserklärung" des Bruders des BF vom 15.10.2008 nichts zu ändern. Auch aufgrund der illegalen Einreise des BF in das österreichische Bundesgebiet überwiegt im vorliegenden Fall vielmehr das öffentliche Interesse am Vollzug eines geordneten Fremdenwesens und ist der BF bei einer Überstellung nach Rumänien in seinem durch Art. 8 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nicht verletzt.
2.1.2.2. Mögliche Verletzung des Art. 3 EMRK
In seiner Beschwerde bringt der BF vor, er sei noch nie in Rumänien gewesen. Österreich sei ein Land, in dem die Menschenrechte geachtet würden und in Rumänien hätte er niemanden.
Im gegenständlichen Verfahren wird nur geprüft, ob dem BF im Wiederaufnahmeland die Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung drohen würde. Eine mögliche Gefährdung in Rumänien hat der BF nicht einmal ausdrücklich vorgebracht. Es kann daher nicht gesagt werden, dass der BF ausreichend substantiiert und glaubhaft dargelegt hätte, dass ihm auf Grund seiner persönlichen Situation ausnahmsweise durch eine Rückverbringung nach Rumänien entgegen der Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG die - über eine bloße Möglichkeit hinausgehende - Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung drohen würde (sog. "real risk").
Darüber hinaus verfügt der Asylgerichthof aktuell über kein Amtswissen hinsichtlich solch offenkundiger, besonderer Gründe, die die Annahme rechtfertigen, der BF wäre in Rumänien einer realen Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung ausgesetzt. Im Gegenteil erfolgten die von der Erstbehörde getroffenen Feststellungen auf der Grundlage unbedenklicher und glaubwürdiger Quellen, sodass im Ergebnis eine Überstellung des BF nach Rumänien daher weder eine Verletzung des Art. 3 EMRK noch des Art. 8 EMRK darstellt und somit auch kein Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechtes Österreichs nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO besteht.
2.1.2.3. Zusammenfassend sieht der Asylgerichtshof im Einklang mit der diesbezüglichen Sichtweise der Erstbehörde keinen Anlass, Österreich zwingend zur Anwendung des Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO infolge drohender Verletzung von Art. 3 oder Art. 8 EMRK zu verpflichten.
2.1.3. Spruchpunkt I der erstinstanzlichen Entscheidung war sohin bei Übernahme der Beweisergebnisse und rechtlichen Würdigung der Erstbehörde mit obiger näherer Begründung zu bestätigen.
2.2. Die Erwägungen der Erstbehörde zu Spruchpunkt II waren vollinhaltlich zu übernehmen. Auch im Beschwerdeverfahren sind keine Hinweise hervorgekommen, die eine Aussetzung der Überstellung nach Rumänien in Vollzug der Ausweisung aus Österreich erforderlich erschienen ließen. Diese erweist sich daher bezogen auf den Entscheidungszeitpunkt als zulässig.
2.3. Gemäß § 41 Abs. 4 AsylG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnte angesichts des Spruchinhaltes entfallen.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.