TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/20 S4 402000-1/2008

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Veröffentlicht am 20.10.2008
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Spruch

S4 402.000-1/2008/2E

 

Erkenntnis

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Huber als Einzelrichter über die Beschwerde der E.G., geb. 00.00.1954, StA. der Russischen Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.9.2008, Zahl 08 07.658-EAST Ost, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 5 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 AsylG abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Die Asylwerberin ist Staatsangehörige von Russland, stammt aus Tschetschenien und ist von Weißrussland kommend über Polen, wo sie am 14.8.2008 einen Asylantrag gestellt hatte (vgl. Eurodac-Treffer Aktenseite 5), eigenen Angaben zufolge am 25.8.2008 ins Bundesgebiet eingereist. Am selben Tag stellte die Asylwerberin schließlich in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Polen hat sich mit Fax vom 2.9.2008, datiert 1.9.2008, (Aktenseite 55, sowie AS 15 des Dublin-Aktes) bereit erklärt, die Asylwerberin gem. Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) wieder aufzunehmen und ihren Asylantrag zu prüfen.

 

Anlässlich ihrer niederschriftliche Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 22.9.2008 erklärte die Antragstellerin nach Vorhalt, dass Polen zur Prüfung ihres Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei, dass sie zu ihrem Sohn (V., 00.00.1973 geb.) nach Österreich kommen wollte. Im Mai sei ihr die Gallenblase operativ entfernt worden, außerdem leide sie an Bluthochdruck. Sie brauche ihren Sohn, damit dieser sie pflege. Finanzielle Abhängigkeit zu ihrem Sohn bestehe nicht. Seit seiner Ausreise (2003) habe sie nur selten Kontakt zu ihm - um ihn anzurufen, habe sie nach Dagestan fahren müssen. Sie lebe in keiner familienähnlichen Lebensgemeinschaft.

 

Dieser Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.9.2008, Zahl 08 07.658-EAST Ost, gem. § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und die Antragstellerin gem. § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen.

 

Gegen diesen Bescheid hat die Asylwerberin fristgerecht Beschwerde erhoben und hiebei im Wesentlichen geltend gemacht, dass sie auf die Unterstützung ihres Sohnes angewiesen sei, der sich fürsorglich um sie kümmere und ihr auch beinahe täglich Diätessen nach Traiskirchen bringe. "So gut wie jedes" Wochenende hole sie ihr Sohn auch zu sich nach Hause und bringe sie danach wieder zurück. Ihre depressive Verstimmung und ihr Bluthochdruck seien durch Medikamente allein nicht heilbar, sie brauche die emotionale Unterstützung durch ihre Familie und sei das tschetschenische Familienbild ein anderes als in europäischen Ländern - nach ihrer Tradition bestehe ein enges Verhältnis zwischen Eltern und Kindern.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Mit 1.7.2008 ist das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) in Kraft getreten.

 

Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 (AsylG) in Kraft getreten.

 

§ 61 AsylG 2005 lautet wie folgt:

 

(1) Der Asylgerichtshof entscheidet in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

(2) Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 2 sind beim Asylgerichtshof einzubringen. Im Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht geht die Entscheidung auf den Asylgerichtshof über. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesasylamtes zurückzuführen ist.

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;

 

b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5

 

c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 2 AsylG ist auch nach Abs. 1 vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesasylamt oder beim Asylgerichtshof offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn 1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.

 

Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist.

 

Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

Polen hat auf Grundlage des Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) akzeptiert, die Asylwerberin wieder aufzunehmen und ihren Asylantrag zu prüfen.

 

Bereits das Bundesasylamt hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, darunter auch Feststellungen zum polnischen Asylverfahren, der Vollzugspraxis in Bezug auf ethnische Tschetschenen und zur medizinischen Behandlungsmöglichkeit von Asylwerbern in Polen, sowie die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage rechtsrichtig ausgeführt. Der Asylgerichtshof schließt sich den Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid hinsichtlich beider Spruchpunkte vollinhaltlich an und erhebt diese zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses.

 

Den Beschwerdeausführungen ist Folgendes entgegenzuhalten:

 

Der Asylwerberin ist es im Verfahren nicht gelungen, ein so besonders enges familiäres Band zwischen ihr und ihrem Sohn, zu dem sie in den letzten 5 Jahren nur sehr selten und nur telefonischen Kontakt gehabt hat, aufzuzeigen, dass im Falle ihrer Ausweisung von einem unzulässigen Eingriff in ihr Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK gesprochen werden müsste. Die Beziehung zwischen volljährigen Kindern und Eltern ist - wie alle anderen verwandtschaftlichen Beziehungen etwa zwischen erwachsenen Geschwistern oder Onkeln/Tanten zu Nichten/Neffen - nur dann als Familienleben zu qualifizieren, wenn eine hinreichend stark ausgeprägte Nahebeziehung besteht. Nach Ansicht der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes sind für diese Wertung insbesondere die Dauer und die Intensität des Zusammenlebens von Bedeutung. Für den konkreten Fall bedeutet dies, dass schon aufgrund der Kürze der nunmehrigen Nahebeziehung (die Antragstellerin ist erst am 25.8.2008, sohin vor nicht einmal 2 Monaten nach Österreich eingereist) eine besonders enge familäre Verbundenheit nicht erkannt werden kann. Die Antragstellerin lebt weiters mit ihrem Sohn nicht in einem gemeinsamen Haushalt - der Kontakt beschränkt sich auf wechselseitige Besuche, sodass ein "Zusammenleben" und damit ein intensives Naheverhältnis nicht vorliegt. Es besteht auch kein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis und kann nach dem Akteninhalt aufgrund ihrer depressiven Verstimmung, ihres Bluthochdruckes und dem Umstand, dass "sie Diät halten müsse" (Seite 3 der Beschwerde) auch nicht erkannt werden, dass sie ständiger bzw. außergewöhnlicher "Pflege" ihres Sohnes bedürfte. Eine Einvernahme ihres Sohnes zum Beweis der geltend gemachten Nahebeziehung zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Sohn konnte unterbleiben, da ihre Angaben über die Art und die Häufigkeit ihres Kontaktes zu ihren Sohn ohnehin der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt worden sind.

 

Es liegt weiters bei der Beschwerdeführerin auch keine tödliche Erkrankung (im Endstadium) vor, die in Polen zudem nicht behandelbar wäre, sodass weder Art. 3 EMRK noch Art. 8 EMRK den Selbsteintritt Österreichs zur Prüfung ihres Antrages auf internationalen Schutz (gem. Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates) geboten oder ihre Ausweisung aus dem Bundesgebiet unzulässig erscheinen lassen. Letztlich liegt auch kein Ersuchen Polens gem. Art. 15 Abs. 1 leg.cit. vor, sodass die Anwendung dieser Norm schon deshalb nicht in Betracht kommt.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Abhängigkeitsverhältnis, Ausweisung, familiäre Situation, gesundheitliche Beeinträchtigung, Intensität, real risk
Zuletzt aktualisiert am
05.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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