B6 252.576-0/2008/2E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ als Einzelrichter über die Beschwerde von S.A., geb. 00.00.1968, StA. Mazedonien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 03.08.2004, FZ. 04 14.341, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG 1991 BGBl. Nr. 51 i.d.F. BGBl. I Nr. 10/2004 stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. 1. Die beschwerdeführende Partei führt nach eigenen Angaben den im Spruch genannten Namen, ist mazedonische Staatsangehörige, gehört der albanischen Volksgruppe an, ist muslimischen Bekenntnisses, war im Heimatstaat zuletzt wohnhaft im Dorf S. in der Großgemeinde Lipkovo, reiste laut eigenen Angaben am 14.05.2003 erstmals illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Asylantrag.
Vom Bundesasylamt, Außenstelle Linz, im Beisein eines Dolmetschers der albanischen Sprache einvernommen, wurde als Fluchtgrund im Wesentlichen angegeben, dass der Beschwerdeführer wegen seiner Mitgliedschaft bei der UCK Probleme habe und aus Sicherheitsgründen sein Herkunftsland verlassen habe. Auch sei er schwer krank gewesen und habe in einem Spital in Mazedonien hinsichtlich seiner medizinischen Versorgung Diskriminierungen hinnehmen müssen.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 03.03.2004, FZ. 03 13.883-BAL, wurde der Asylantrag im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass die beschwerdeführende Partei nicht dartun habe können, dass ihr im Herkunftsstaat asylrelevante Verfolgung droht.
Der Bescheid wurde zweimal vergeblich an die vom Beschwerdeführer bekanntgegebene Meldeadresse in B.S. zuzustellen versucht, wobei der Bescheid jedes Mal ohne Hinterlegung mit dem Vermerk "verzogen" an das Bundesasylamt retourniert wurde. Mit Schriftsatz vom 18.03.2004 richtete das Bundesasylamt an das Marktgemeindeamt B.S. das Ersuchen, zu erheben, ob der Beschwerdeführer an der von ihm bekanntgegebenen Meldeadresse wohnhaft sei oder es sich um eine Scheinadresse handle. Mit Schreiben vom 08.04.2008 teilte der Bürgermeister von B.S. mit, dass der Beschwerdeführer am 06.04.2004 von Amts wegen nach "unbekannt" abgemeldet worden sei. Am 14.04.2004 wurde der Bescheid gemäß § 8 Abs 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 ZustG I BGBL. Nr. 200/1982 idF BGBl 2004/10 durch Hinterlegung im Akt zugestellt. Der Bescheid wurde mangels Berufung am 29.04.2008 rechtskräftig.
2. Am 01.07.2004 stellte die beschwerdeführende Partei einen weiteren Asylantrag und begründete diesen mit dem Umstand, dass er befürchte, die Polizei wolle ihm zu Unrecht Kriegsverbrechen anlasten, damit er nicht im Genuss der Amnestieregelung komme, weil er im Krieg der mittleren Führungsebene der UCK angehört habe. Durch telefonischen Kontakt mit seiner Familie, habe er erfahren, dass er eine polizeiliche Ladung erhalten habe.
In einer niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle West, am 14.07.2004 sowie am 20.07.2004 brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass die mazedonische Polizei im Jahr 2003 bei ihm eine Hausdurchsuchung durchgeführt habe. 2004 habe die Polizei wieder nach dem Beschwerdeführer gesucht. Zuerst sei er geladen worden und dann sei persönlich nach ihm gesucht worden. Er habe dies im November 2003 bzw. Anfang April 2004 fernmündlich von seinem Vater bzw. seinen Kriegskameraden erfahren. Die Polizei würde noch immer nach Waffen suchen, die der Beschwerdeführer nicht mehr besitze. Auch versuche Den Haag und die mazedonische Regierung seit 2003 die UCK für Taten im Jahr 2001, die andere begangen hätten, zur Verantwortung zu ziehen. Auch sei er bei seinem damaligen Krankenhausaufenthalt in Mazedonien von der Sondereinheit "Löwen" misshandelt worden. Der Beschwerdeführer legte eine Kopie einer Ladung des mazedonischen Innenministeriums vom 00.00.2004 sowie ein Schreiben der UCK aus dem Jahr 2001 vor.
Am 29.07.2004 langte beim Bundesasylamt ein Schriftsatz des Vertreters des Beschwerdeführers ein, dem eine Kopie eines Artikels der Neuen Zürcher Zeitung vom 27.07.2004 beigelegt war, wonach es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen vor dem Parteigebäude der SDSM in Struga in Mazedonien gekommen sei.
3. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer keine neu entstandenen Tatsachen vorgebracht habe, da diese noch aus der Zeit vor dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens der beschwerdeführenden Partei stammen würden. Die Demonstration in der letzten Juliwoche 2004 sei zudem ein isoliertes Ereignis, welches nicht zu einer anderen Einschätzung der allgemeinen Lage in Mazedonien führen könne.
4. Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1. Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (AsylG 2005, BGBL. I Nr. 100 i.d.g.F. BGBl. I Nr. 4/2008) in Kraft getreten und ist auf alle ab diesem Zeitpunkt gestellten Asylanträge anzuwenden.
Gemäß § 61 Abs. 3 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen (1.) zurückweisende Bescheide (a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4; (b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5; (c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und (2.) die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.
Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 sind alle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt. Die beschwerdeführende Partei hat ihren Asylantrag nach dem 30.04.2004 gestellt; das Verfahren war am 31.12.2005 anhängig; das Berufungsverfahren ist daher nach dem AsylG i. d.F. der AsylGNov. 2003 - zu führen. Gemäß § 23 Abs. 1 AsylG 1997 i. d.F. BGBl. I Nr. 101/2003 findet auf Verfahren nach diesem Bundesgesetz, soweit nichts anderes bestimmt wird, das AVG Anwendung.
2.1. Nach § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, welche die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, (außer in den Fällen der §§ 69 und 71 AVG) wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Einer neuen Sachentscheidung steht die Rechtskraft eines früher in derselben Angelegenheit ergangenen Bescheides nur dann nicht entgegen, wenn in den für die Entscheidung maßgeblichen Umständen eine Änderung eingetreten ist.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist als Vergleichsbescheid derjenige Bescheid heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde (vgl. VwGH 15.11.2000, Zl. 2000/01/0184; 16. 7. 2003, Zl. 2000/01/0440; VwGH 26.07.2005, Zl. 2005/20/0226; vgl. weiters Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), E 104 zu § 68 AVG).
Im vorliegenden Fall ist daher als Vergleichsbescheid der Bescheid des Bundesasylamts vom 03.03.2004, FZ. 03 13.883-BAL, heranzuziehen. Hierzu ist auszuführen, dass dieser am 14.04.2004 durch Hinterlegung im Akt gemäß gemäß § 8 Abs 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 ZustG I BGBL. Nr. 200/1982 idF BGBl 2004/10 zugestellt und somit erlassen wurde (vgl. auch § 67 g AVG).
2.2. Im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG liegen verschiedene "Sachen" vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern. Es kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen nach § 28 AsylG - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben - nochmals - zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf. Die Prüfung der Zulässigkeit eines neuerlichen Antrages wegen geänderten Sachverhaltes darf ausschließlich anhand jener Gründe erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht worden sind; in der Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid können derartige Gründe nicht neu vorgetragen werden. Eine neue Sachentscheidung ist, wie sich aus § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, ausgeschlossen, sodass einem Asylfolgeantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, die Rechtskraft des über den Erstantrag absprechenden Bescheides entgegensteht. Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den die positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Asylwerbers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (vgl. VwGH vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315, in dem weitere von der Rechtsprechung entwickelte Rechtssätze zu § 68 AVG, insbesondere mit Beziehung auf das Asylverfahren, wiedergegebenen werden, und daran anschließend VwGH vom 20.03.2003, Zl. 99/20/0480 mwN; vgl. auch VwGH vom 25.04.2002, 2000/07/0235; VwGH vom 04.11.2004, Zl. 2002/20/0391, VwGH vom 15.03.2006, Zl. 2006/18/0020; VwGH vom 25.04.2007, Zl. 2005/20/0300 und 2004/20/0100).
2.3. Für den Asylgerichtshof ist Sache des gegenständlichen Verfahrens im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG demnach ausschließlich die Frage, ob das Bundesasylamt den neuerlichen Asylantrag zu Recht gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat. Dies ist aus nachstehenden Gründen nicht der Fall:
Im gegenständlichen Fall begründete der Beschwerdeführer seinen neuen Asylantrag mit dem Umstand, dass die mazedonische Polizei wegen seiner ehemaligen Funktion bei der UCK nach ihm suchen würde und ihm eine mit 00.00.2008 datierte polizeiliche Ladung zuzustellen versucht habe, wobei der Beschwerdeführer eine Kopie dieser Ladung vorlegte. Der Beschwerdeführer befürchte, dass die Polizei ihm zu Unrecht Kriegsverbrechen anlasten wolle, damit er nicht in den Genuss der Amnestieregelung komme, da er im Krieg der mittleren Führungsebene der UCK angehört habe.
Res judicata liegt nach übereinstimmender Rechtsprechung und Literatur nur dann vor, wenn seit "Erlassung" des Bescheides (hier: 14.04.2004) die maßgebende Sach- und Rechtslage in den entscheidungswesentlichen Punkten unverändert geblieben ist (vgl auch VfGH vom 25.09.1996, GZ. B 4016/95; VwGH vom 20.11.2007, GZ. 2006/05/0278; VwGH vom 07.08.2002, Zl. 2002/08/0120). Dies ist auch insofern nachvollziehbar, als ein sich nach der Erlassung des Bescheides ereignender Sachverhalt zwangsläufig nicht Gegenstand des zuvor erlassenen Bescheids sein kann.
Der Ansicht des Bundesasylamts, wonach es sich bei der Ladung nicht um ein neu entstandenes, sondern ein neu hervorgekommenes Beweismittel handelte, und somit laut Bundesasylamt keine Berücksichtigung finden habe können, kann angesichts des oben Ausgeführten nicht gefolgt werden. Vielmehr handelt es sich laut Datierung des Dokuments (20.04.2008) um eine nach der Erlassung des Bescheides verfasste Ladung und stellt somit ein neu entstandenes Beweismittel dar, womit folgerichtig auch das damit zusammenhängende Vorbringen des Beschwerdeführers als neu entstandener Sachverhalt zu bewerten war.
Das Bundesasylamt hat das Vorbringen des Beschwerdeführers sowohl im ersten als auch im gegenständlichen Asylverfahren seiner Entscheidung zu Grunde gelegt, ohne sich erkennbar mit dessen Glaubwürdigkeit auseinanderzusetzen. Dem dargestellten neuen Vorbringen kann auch ein "glaubhafter Kern" im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insofern nicht abgesprochen werden, als der geschilderte Vorfall nicht von vornherein als vollständig unrealistisch bzw. - auch in Zusammenschau mit dem Vorbringen im Erstverfahren als offensichtlich tatsachenwidrig erscheint und daher dem Vorbringen in der geforderten qualifizierten Weise die Glaubwürdigkeit abzusprechen wäre (vgl. dazu auch VwGH vom 29.9.2005, 2005/20/0365). Auch kann hinsichtlich des Vorbringens per se auch eine Asylrelevanz nicht ausgeschlossen werden. Somit lagen die Voraussetzungen für eine zurückweisende Entscheidung gemäß § 68 AVG nicht vor. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3. Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 4 AsylG 2005 unterbleiben.